Band 1465 - Schach dem Klon - ist von K. H. Scheer, erschienen am 19. September 1989
---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
"Sieh dir das mal an!" sagte Bull zu Gucky. Er hatte an der Theke neue Getränke geordert und brachte sowohl für sich als auch für Lee neues Bier mit.
Gucky betrachtete die Flasche mit dem obskuren Gebräu, dass für Lee die Erfüllung aller Bierträume zu sein schien, von allen Seiten und meinte: "Damit hätte ich jetzt nicht gerechnet. Stein und Bein würde ich schwören, dass diese Brauerei Homer G. Adams gehört. Aber so kann man sich täuschen. Da gibt es doch tatsächlich Leute, die sowas in sich hinein schütten...."
"Darf ich mal erfahren, worum es hier geht?" fragte Lee und nahm Gucky ihre Flasche ab. "Wenn ihr meine Bierflasche noch länger mit euren unegalen Fingern betatscht, wird sie zu warm und man kann den Inhalt nicht mehr trinken."
"Das kann man doch so auch nicht", antwortete Bully. "Du hast bis jetzt immer einen völlig normalen Eindruck auf mich gemacht. Und dann sowas. Ich bin entsetzt."
Lee wurde langsam wütend. "Ihr erklärt mir umgehend und sofort, was dieses dusselige Gequatsche schon wieder zu bedeuten hat. Sonst hole ich noch eine Flasche und schütte jedem von euch Helden eine über dem Kopf aus!"
"Keine Sorge, Mädel, das passiert woanders öfters. Genau mit dieser Brühe!". Gucky grinste seine Freundin an und erlöste sie von ihren Qualen. Er hielt die mittlerweile in ein Glas entleerte Flasche in der Hand. "Wir kennen das Zeug. Best Essex Red Coloured Pale Ale***. Ihr wisst aber auch gar nichts. Da sieht man doch wieder, dass ihr hier auf Newengland am Ende aller Welten seid. Ich hätte nie damit gerechnet, dass dieses Bier von solch einer Außenwelt kommt. Mein Vermögen hätte ich darauf verwettet, dass Homer Eigentümer der dazugehörigen Brauerei ist und die nach wie vor in Merry Old England steht. Da kann man mal sehen."
Aber das Einzige, was er sah, war das farbliche Anlaufen von Lees Gesicht, das sich langsam aber sicher rot färbte. So sprach er schnell weiter.
"Nicht so ungeduldig. Man warte in Ruhe und gelassen auf die Ausführungen des Meisters!" sagte er mit erhobenem Zeigefinger.
"Dazu musst du gewisse Eigenheiten an Bord terranischer Schiffe der Raumflotte kennen", führte Bull Guckys Ausführungen fort. "Es ist nämlich so: Seit es terranische Raumschiffe gibt, wird dort Sport angeboten. Und da unser Finanzgenie Homer G. Adams in den Gründerjahren des Solaren Imperiums gewisse Geldsummen in die Freizeitausstattung der Schiffe steckte, hatte er bestimmt, welcher Sport dort in erster Linie angeboten wurde. Natürlich war das etwas, was ihm als 100-prozentigem Englänger am besten gefiel: Rugby. Wenn man sich weigerte, Rugby zu spielen, gab's keine Knete. So einfach war das. Also spielte man Rugby. Und da der Mensch ein Gewohnheitstier ist, blieb man dabei. Bis heute. An Bord der RAS TSCHUBAI werden zum Beispiel regelmäßig Bordmeisterschaften ausgespielt. Da haben sie sogar ein zigtausende Leute umfassendes Stadion im Freizeitbereich."
"Rugby ist ja auch ein edler Sport", erklärte Lee. "Mein Team hat übrigens vor einigen Jahren mit mir im Angriff die Damen - Meisterschaft Newenglands gewonnen. Aber was hat das mit meinem Bier zu tun?"
"Immer langsam mit den jungen Mausbibern", proklamierte der Ilt. "Die Rugby - Teams brauchen ab und zu neues Blut. Weil einer zu alt geworden ist. Oder nach dem siebten Nasenbeinbruch keine Lust mehr hat. Dann kommt der Nachwuchs. Der hieß in einem Fall sogar mal Perry Rhodan. Aber der spielte eigentlich nur eine untergeordnete Rolle. Denn alle, die neu in ein Team aufgenommen wurden oder werden, übrigens egal, ob Männlein oder Weiblein, kriegen einen Eimer Bier über den Kopf geschüttet. Ein ganz spezielles Bier. Weil, so sagt man an Bord der terranischen Schiffe, man diese Plörre nicht trinken könne und sie eigentlich nur dazu tauge, andere Menschen auf diesem Wege damit zu beglücken. Derart eimerweise muss das Zeug übrigens ganz grauenhaft sein. Perrys Frau beschwerte sich mal, ihr Mann habe drei Tage später noch nach Best Essex Red Coloured Pale Ale*** gerochen. Trotz Hightech Körperpflege. Naja, und da lag die Vermutung nahe, dass die Brauerei eben Homer gehört und er das Monopol für die Belieferung wegen solcher Aktionen hat."
Gucky grinste ebenso wie Bully von einem Ohr zum anderen.
"Und du trinkst das Zeug. Respekt!", schloss er seine Erläuterung ab.
"Ich muss das mal mit Billy bereden. Dem gehört nämlich ungefähr ein Drittel der Brauerei, die dieses leckere Getränk herstellt. Wenn ihr Pech habt, dürft ihr euch ein anderes Bier suchen. Meins kriegt ihr dann nicht mehr."
Bull war unbeeindruckt. Er sah sich sein Glas Zwölf an und sagte: "Kein Problem. Ihr seid nicht die einzigen Engländer in diesem Universum. Gerüchteweise soll es da noch mehr geben. Und trinkbares Bier brauen können sie alle nicht."
"Sie das doch mal positiv", meinte Gucky. "Denk dir einfach dabei, sieh mal, die sind so dämlich und schütten sich gegenseitig mein gutes Bier über den Kopf. Wie blöd muss man denn dazu sein? Und wir kriegen auch noch Geld dafür..."
Lee war skeptisch und traute ihren Gästen nicht über den Weg. "Du bist mir viel zu optimistisch."
"Mir bleibt ja auch nichts anderes übrig. Sonst würde man es mit Leuten wie dem hier", der Ilt zeigte auf Bully, "keinesfalls so lange aushalten. Ohne Optimismus würde man glatt verrückt werden. "
"Du hast Glück, dass mir mein Bier viel zu gut schmeckt, sonst bräuchtest du jetzt einen Trockner für dein Fell, du Zwerg. Aber zur Belohnung darfst du die nächste Geschichte erzählen!"
Gucky seufzte. "Und ich dachte, ich hätte hier Urlaub..."
"Das war aber noch nicht alles", sagte Reginald Bull.
"Nein", erwiderte Gucky leise. Sehr leise. "Irmina musste feststellen, dass ihre Fähigkeiten nicht ausreichten, Jennifer und sie dauerhaft am Leben zu halten. Sie alterten und alterten."
Grade, als Lee eine noch Frage stellen wollte, kam von draußen ein ziemlicher Lärm. Es hörte sich so an, als wäre vor der Tür eine Horde wildgewordener Saurier unterwegs, die sich zweifellos vorgenommen hatten, hier alles niederzumachen.
Gucky schüttelte den Kopf und piepste: "Nie hat man seine Ruhe. Was ist das denn jetzt schon wieder?" Anschließend verschwand er. Billy McGuyer war als Erster an der Tür, dicht gefolgt von Bully und Lee. Vor der Tür stand ein riesiges, grinsendes Monstrum. Du meine Güte, ging es Lee durch den Kopf. Kohlrabenschwarz, bestimmt dreimeterfünfzig groß und zweimeterfünfzig breit. Drei Augen und Dauergrinsen. Die vier Arme hatte sie in ihrer Aufregung nicht bemerkt. Sie sah aber, dass langsam aber sicher immer mehr Menschen ankamen, um den Neuankömmling zu begutachten.
Auf der linken Schulter des Riesen saß Gucky. "Meine sehr verehrten Damen und Herren", begann er, "ich darf Ihnen einen weiteren Gast vorstellen. Begrüßen Sie mit mir zusammen unseren alten Freund Icho Tolot."
Der ungeschlachte Riese stand vor Billys Pub wie angewurzelt. Dann öffnete er seinen Mund und sagte etwas. Das hörte sich für die hiesigen Menschen so an, als würde der Große regelmäßig ein paar Felsbrocken frühstücken. Wahrscheinlich aber flüsterte er grade.
"Hallo meine Kleinen!" sagte er.
Gucky teleportierte von Tolots linker Schulter auf dessen rechten Fuß. "Ich warne euch vor. Das ist ein Haluter. Diese Kerle haben einen abstrusen Humor. Wenn man sie zum Lachen bringt, ist alles vorbei. Danach hört man mindestens fünf Tage nichts mehr!"
Aus dem Mund mit den Felsbrocken - Tönen kamen ein paar seltsame Geräusche. Lee sah noch, wie der Riese tief Luft holte, dann wurde sie von Bully ziemlich unsanft zur Seite geschoben. Der Terraner machte irgendwas mit seinem Chrono, dann atmete er auf.
"Glück gehabt. Jetzt kann er seinen Lachanfall kriegen. Ich habe ihn in ein Akustik - Feld gehüllt. Da kommt er erst wieder raus, wenn er sich beruhigt hat." Er blickte noch in Richtung des grinsenden Ilts. "Du Wahnsinniger!" giftet er Gucky an.
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Wo Scheer draufsteht, ist auch Scheer drin. Wie diesmal auch. Wir erfahren etwas über Feuerorgeln und die Kernschussweite der Transformgeschütze. Kapitel werden mit kurzem Militärsprech begonnen. KHS ist KHS und bleibt KHS. Und das ist auch gut so. Eine Konstante in der PR-Geschichte mit so vielen Mitwirkenden.
Band 1465 ist nicht so stark wie sein letzter Roman. Aber wie ich da schon meinte, schreibt er ohne seine persönlichen Superhelden besser und es macht richtig Spaß, seine Erzeugnisse zu lesen.
Es würde mich nur mal interessieren, ob ihm dieser Supermann - lose Weg damals schwergefallen war. Nachdem ein paar hundert Bände vorher CC nicht so gut angekommen war, konnte man befürchten, dass er nach Tostans Abgang auch wieder gehen würde. Aber er ist geblieben. Das ehrt ihn in meiner Sicht.
---
* = Nur für den Fall, dass sich jemand fragt, was es denn mit diesem Bier auf sich hat: In meiner Begleitstory zum 300er Zyklus wird Perry tatsächlich Rugby-Spieler und bekommt zur Begrüßung einen Eimer von dem Zeug über den Kopf geschüttet. Eigentlich hätte der 300er ja hiervor veröffentlicht gehört. Ich hatte aber seinerzeit in der Kürze der Zeit versäumt, ihn zu sichern. Zum Glück war Forist thinman besser drauf als ich und stellte mir das Ganze zur Verfügung. Der 300er kommt also noch, wenn wir hier am Ende angelangt sind.
Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story
- Tell Sackett
- Beiträge: 8613
- Registriert: 21.06.2024, 10:47
- Hat sich bedankt: 712 Mal
- Danksagung erhalten: 657 Mal
Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story
Tatsächlich ist es eines der größten Verdienste des Altmeisters, dass seine Romane stets vom Stil her individuell erkennbar sind...Wo Scheer draufsteht, ist auch Scheer drin.
Das habe ich ansonsten - mit Ausnahme von Voltz - bei keinem der anderen Autoren so deutlich erlebt...
- RBB
- Beiträge: 902
- Registriert: 28.06.2024, 14:21
- Hat sich bedankt: 25 Mal
- Danksagung erhalten: 58 Mal
Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story
Clark Darlton war neben den von dir Genannten auch so einer.
Bei allen anderen aktuellen und ehemaligen Mitgliedern der Autorenschaft traue ich mir das nicht zu.
Bei allen anderen aktuellen und ehemaligen Mitgliedern der Autorenschaft traue ich mir das nicht zu.
Kölle es un bliev e Jeföhl!!
- Tell Sackett
- Beiträge: 8613
- Registriert: 21.06.2024, 10:47
- Hat sich bedankt: 712 Mal
- Danksagung erhalten: 657 Mal
Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story
Clark Darlton hatte, meiner Ansicht nach, eher in der Frühphase der Serie einen ausgeprägten, eigenen Stil.
Später verwässerte das dann...