Reinhard hat geschrieben: ↑15.12.2025, 14:17
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Auch das Abschmelzen des Grönland Eises ist keine neue Erkenntnis. Ich war bisher der Auffassung, das wäre in den bekannten Klimamodellen enthalten. Mit entsprechender Bandreite und Ungenauigkeit was die Menge und die Auswirkungen angeht. Da würde mich jetzt schon interessieren von welchen Modellen da genau die Rede ist.
Das Kernproblem ist das Missverhältnis von Skalen und Komplexität zwischen den globalen Klimamodellen und der Eisschild-Physik.
1. Das Problem des Modell-Dekouplings (Ungekoppelte Systeme)
Historisch gesehen wurden Klimamodelle entwickelt, um die Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre und Ozean zu simulieren. Die Eisschilde wurden dabei lange Zeit als passive Randbedingung behandelt – als statisches oder sich nur langsam (thermodynamisch) veränderndes Element, nicht als ein aktives System, das die Ozeanströmungen massiv beeinflusst.
Der fehlende Feedback-Loop: Um den Einfluss des GrIS realistisch zu simulieren, müsste der Prozess eine Rückkopplung (Feedback) bilden:
1. Die globale Erwärmung (simuliert vom GCM) heizt den Ozean und die Atmosphäre auf.
2. Die Wärme schmilzt das Eis (dynamisch, schnell).
3. Das freigesetzte Süßwasser fließt in den Nordatlantik und schwächt dort die AMOC.
4. Die geschwächte AMOC verändert die regionalen Temperaturen (z. B. den "Cold Blob").
5. Diese veränderte Temperatur beeinflusst wiederum das Schmelzen des Eisschilds.
Historische Vereinfachung: Die meisten früheren GCMs hatten diesen Feedback-Loop zwischen dem dynamischen Eisschild (Schritt 2) und dem Ozean/der Atmosphäre nicht implementiert. Sie verwendeten lediglich eine vorgegebene, langsam ansteigende Schmelzrate, die nicht auf die internen Kipppunkte des Eisschilds reagierte.
2. Computational Cost
Die physikalische Modellierung des Eisschilds ist extrem rechenintensiv.
- Hohe Auflösung notwendig: Die dynamisch wichtigen Prozesse in Grönland (das schnelle Fließen der Auslassgletscher, das Kalben, die Schmelze an der Basis durch den Ozean) finden auf Längenskalen von wenigen Kilometern oder sogar Metern statt.
- Das GCM-Dilemma: Globale Klimamodelle (GCMs), die für Jahrhunderte laufen müssen, arbeiten typischerweise mit Gitterauflösungen von 50 bis 100 Kilometern oder mehr. Auf dieser groben Skala ist es unmöglich, die kritischen, kleinskaligen Fließprozesse des Eises abzubilden.
-> Die Konsequenz: Um die lange Laufzeit der GCMs zu gewährleisten, musste man in Kauf nehmen, dass die physikalisch präziseren Eisschild-Modelle (wie die Full Stokes Models) zu langsam sind und durch stark vereinfachte Versionen (wie die Shallow Ice Approximation) ersetzt wurden.
3. Fehlende Dynamik
Die verwendeten vereinfachten Eisschild-Modelle (SIA) der früheren Generationen ignorierten genau die Prozesse, die den abrupten Süßwassereintrag verursachen:
Gletscher-Dynamik -> Der Großteil des Eismassenverlusts geschieht durch schnell fließende Auslassgletscher, die Eis ins Meer entleeren. ->
SIA-Modelle bildeten diese lateralen Schubspannungen nicht ab, was zu einer Unterschätzung der Fließgeschwindigkeit führte.
Basale/Frontale Schmelze -> Warme Ozeanströmungen können die Gletscherfronten von unten schmelzen lassen (Basal Melt), was die Gletscher destabilisiert und das Tempo des Eisverlusts dramatisch erhöht. -> Die Kopplung mit der Ozeandynamik war nicht fein genug, um diese Wechselwirkung an der Gletscherzunge präzise zu erfassen.
PS.:
https://www.youtube.com/watch?v=lqagd6cW6vs
https://www.youtube.com/watch?v=dk6HMzksOjc
https://www.antarcticglaciers.org/glaci ... roduction/