Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

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Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

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Band 1476 - Drei gegen Karapon - ist von Peter Griese, erschienen am 5. Dezember 1989
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"Näher ran geht's nicht. Das würde zu gefährlich", sagte Kommandantin Xentra Konar zu ihren Gästen. Auf dem großen Zentralebildschirm sah man zunächst nur das grüne Wabern des HÜ - Schirmes, den die Chefin vorsichtshalber aktiviert hatte. Die Strahlung war immens. "Augenblick, ich hole das Ding mal ran. Die Positronik rechnet den Energieschirm raus und ihr seht das Schwarze Loch, als stündet ihr direkt davor."

Ein paar Handgriffe erfolgten, dann klappten bei Lee und John die Münder nach unten. Aber auch alle anderen, sowohl die Besatzung des Schiffes als auch die Unsterblichen konnten sich eines Schauers nicht erwehren, obwohl sie solche Anblicke schon das eine oder andere Mal erspäht hatten.

"Es beinhaltet einige Millionen Sonnenmassen und der Durchmesser des Ereignishorizonts beträgt ungefähr 24,5 Millionen Kilometer", erläuterte Konar. "Ich würde nicht empfehlen, dort hineinzufliegen."

Was sie sahen, war einfach fantastisch. "Es ist stellenweise dermaßen schwarz in der Mitte, als hätte jemand ein Loch in das All gestanzt", flüsterte Lee mehr zu sich selber als zu den anderen. Das Schwarze Loch wurde von einer hell leuchtenden Akkretionsscheibe umgeben, die Materiemassen umkreisten den Mittelpunkt mit einer Wahnsinns - Geschwindigkeit. Ergänzend liefen immer wieder Strahlen und Energieausbrüche um die Schwarze Kugel herum, ober- und unterhalb hatten sich Energieblasen gebildet.

Lee drehte sich um und sah Gucky an, von dem sie wusste, dass er einstmals theoretische Physik studiert hatte. "Ich dachte immer, die Dinger bestehen nur aus Gravitation. Wieso fällt die Materie nicht direkt hinein, anstatt das Zentrum zu umkreisen?" fragte sie den Ilt.

Dr. Guck stand auf, streckte sich zu seiner vollen Größe von Einemmeterirgendwas, hob den Zeigefinder der rechten Hand und begann zu dozieren. "Nun, meine Liebe, im Universum dreht sich alles. Die Atome, aus denen du bestehst, werden von den dazugehörigen Elektronen umkreist. Werden wir ein paar Nummer größer und betrachten extreme Stürme, die Hurrikans. Sie drehen sich um den ruhenden Pol in der Mitte.

Weiter: Planeten drehen sich um sich selber und werden von ebenfalls rotierenden Monden umkreist. Sie selber drehen sich um ihre Sonne, die sich wiederum mit dem Rest der Galaxis um das Zentrale Schwarze Loch in der Mitte dreht. Und der Stern, aus dem sich nach dessen Lebensende ein Schwarzes Loch bildet, drehte sich ebenfalls. Diesen Drehimpuls übernimmt das Black Hole im Regelfall und dreht sich eben auch.

Hat man jetzt ein Objekt, das in ausreichender Entfernung seinem Weg folgt, wird dieses Objekt relativ ungefährdet das Schwarze Loch umkreisen, so wie Newengland eure Sonne umkreist. Natürlich zieht die Sonne eure Welt an und will sie sich einverleiben, aber es gibt ja auch noch die Fliehkraft, die den Planeten nach außen reißen will. Hält sich beides die Waage, gibt es eine stabile Umlaufbahn. Wäre die Gravitation stärker, würde eure Welt sich seinem Zentralgestirn spiralförmig nähern und irgendwann verschluckt werden. Hier funktioniert das ähnlich. Eingefangene Materie rotiert um das Schwarze Loch und bildet die Akkretionsscheibe.

Das ist aber nicht alles. Bedingt durch die enorme Gravitation entstehen massive Verwerfungen in der Raumzeit. Wärest du innerhalb der Akkretionsscheibe in einem Schiff unterwegs und würdest uns anfunken, würden wir dich gaaanz laaangsaam reden hören, während du uns in extremer Geschwindigkeit mitbekämst. Die Materie bewegt sich immerhin mit mehr als einem Drittel der Lichtgeschwindigkeit. Die Gravitation überflutet alles, auch die Raumzeit. Sie wird mit um das Schwarze Loch geschleudert und da ist es kein Wunder, wenn die Materie mitgenommen wird.

Nun, irgendwann setzt sich die Gravitation durch und ganz langsam aber sicher verschwindet alles hinter dem Ereignishorizont. Du würdest es übrigens nicht merken, wenn du in einem Raumschiff den Ereignishorizont überqueren würdest und auf einmal dahinter wärst. Du kämst nur ohne die notwendige Technik nicht mehr heraus, weil die Fluchtgeschwindigkeit höher als die des Lichtes ist. Das Zentrum zieht dich an, du wirst zu einer Art Spaghetti und verschwindest in der Singularität.

Das, meine lieben Zuhörer", schloss Dr. Guck seinen Vortrag ab, "war die Einführung in das Thema Ich und das Schwarze Loch. Die Erfolgskontrolle erfolgt zu gegebener Zeit."

Er setzte sich wieder hin. "Ich könnte noch stundenlang weiterreden. Ich könnte euch etwas vom Informationsparadoxon Schwarzer Löcher erzählen. Ich könnte über Binäre Schwarze Löcher reden, bei denen Swing-by Vorgänge eine Rolle spielten. Primordiale Schwarze Löcher und Gravitationswellen. Undsoweiter, undsoweiter. Aber dann säßen wir in zwei Jahren noch hier. Tatsache ist, dass in der klassischen Physik da drinnen alle Theorien zusammenbrechen. Es gibt zwei Größenordnungen, mit denen man nicht rechnen kann."

"Klar", sagte John. "Die Null und die Unendlichkeit."

Gucky nickte anerkennend. "Kluger Junge!" Er grinste. "Und hier haben wir alle beide: In einem Durchmesser von Null in der Singularität haben wir eine Dichte von Unendlich. Also: Feierabend. Seht euch lieber das Ergebnis an." Er zeigt auf den Bildschirm.

"Die Eruptionen, die ihr da hinten seht stammen von aus extremer Hitze gelösten Elektronen. Die führen zu verdrehten Magnetfeldern und die letztendlich zu diesen Flairs. Und wenn es hier in diesem Durcheinander auch noch ein paar explodierende weiße Zwerge gäbe, fänden wir auch noch Antimaterie."

Gucky Grinsen wurde immer breiter. Die Augen der beiden Newenglander dagegen immer größer. "Antimaterie", echote Lee. "Ich habe doch mal mitgekriegt, dass die beim Urknall verschwunden sein soll."

"Nun", erläuterte der Ilt. "Ich kann dich beruhigen. Das ist sie auch. Aber beim Zerfall von hochradioaktivem Titan 44 - und das passiert in explodierenden Weißen Zwergen - entsteht sie eben. Aber nur, um direkt wieder zerstrahlt zu werden. Übrig bleibt sehr heftige Gammastrahlung. Und da man nie so genau weiß, was hier sonst noch alles strahlt, sind die HÜ - Schirme nicht das Verkehrteste."

Prompt flackerte irgendetwas an dem Schirm und Lee wollte sich lieber nicht vorstellen, dort draußen wie auch immer unterwegs zu sein.

"Und dabei", fuhr Gucky fort, "ist dieses Löchlein derzeit ein ziemlich friedliches. Was du hier so rundherum in der Akkretionsscheibe siehst, ist das übliche Materie - Zeug, was hier nur nebenbei eingefangen wird. Ansonsten herrscht Ruhe. Wäre der Bursche hungrig und aktiv, wären wir nicht hier oder schon längst verspeist."

"Na, Mahlzeit!" murmelte Reginald Bull. "Unterschätz mir keiner den Kleinen. Kann dich mit einem Hundeblick ansehen, als könnte er nicht bis drei zählen und dann sowas."

"Endlich mal ein wahres Wort von unserem Dicken hier." Gucky drehte sich um und sah Bully an. "Im Gegensatz anderen Leuten kann ich mittlerweile auch bis 10 zählen. Wenn ich mich sehr anstrenge, sogar bis Hundert."

Der Ilt blickte auf die beiden Gäste. "Für klassische theoretische Physik hatte ich schon immer ein Faible. Aber nur für das Zeug, dass sich innerhalb der vierdimensionalen Raumzeit abspielt. Bei Hyperphysik mit dem ganzen fünf- bis x - dimensionalen Kram hört es bei mir auf. Mit meinen Psi - Kräften nutzte ich die zwar, aber das funktioniert unbewusst. Da brauche ich nur ein bisschen Konzentration."

"Gibt es eigentlich auch Weiße Löcher? Also Dinger, aus denen Materie herausströmt, zum Beispiel die, die hier verschwunden ist?" fragte John.

"Theoretisch sind die Dinger möglich, in der Praxis hat sie noch keiner gefunden. Wobei wir das ganze Materiequellen - Geschwurbel komplett außen vor lassen, dieses SI - Gedöns hat nichts mit der normalen Raumzeit zu tun. Ein weißes Loch würde Materie ausstoßen und es wäre im Gegensatz zu einem Schwarzen Loch unmöglich, den Ereignishorizont von außen zu durchdringen. Dazu bräuchte man eine Geschwindigkeit, die höher als die des Lichtes wäre. Um die mathematischen Berechnungen mit Einstein zusammenzubringen, geht man von einer Umkehr der Zeitachse aus, andernfalls könnte die Materie nicht hinaus und das Weiße Loch würde sofort wegen der immensen Gravitation in sich zusammenfallen und wir hätten wieder ein Schwarzes Loch. Die Dinger sind mathematisch relativ problemlos darstellbar, tatsächlich ist uns noch keins über den Weg gelaufen. Der Urknall war vielleicht ein weißes Loch. Andererseits: Die Materie war ja da. Okay, ziemlich zusammengepresst, aber es gab keinen Raum. Das, was wir mit der Expansion des Universums erleben, ist ja eigentlich nichts anderes als die Expansion des Raumes, der sich immer mehr ausbreitet. Dunkle Energie und so. Wer weiß? Ein paar Geheimnisse müssen schließlich übrigbleiben. Und wie ich mir eine umgekehrte Zeitachse in der Praxis vorstellen soll, ist mir auch unklar. Aber irgendwas müssen unsere heutigen Theoretiker ja auch noch zu tun haben. Sonst wird denen am Ende noch langweilig."

"Es tut mir ja fürchterlich leid, aber ich muss euer hochinteressantes Gespräch unterbrechen", meinte die Kommandantin. "Unser Energieverbrauch für Schutzschirme und Antrieb ist recht hoch. Es wäre mir lieber, wenn wir uns hier verziehen könnten."

"Kein Thema", antwortete Bull. "Du bist die Chefin. Und wenn die Chefin sagt, es ist Schluss, dann ist Schluss. Werft noch einen letzten Blick auf das Ding und dann lassen wir die Leute ihre Arbeit machen und stören nicht weiter."

Lee beendete ihre Aufzeichnungen optischer und akustischer Art und man zog sich wieder zurück.

"Natürlich könnten wir auch in der Zentrale bleiben", erklärte der Terraner. "Wir haben es mit absoluten Profis zu tun. Aber solche Manöver sind nicht eben alltäglich und da braucht man so Gestalten wie Atlan, Gucky oder mich nicht unbedingt. Ich glaube, ich erzähle euch noch einen. Schließlich wollt ihr ja wissen, wie es mit Ernst Ellert weiterging."

Man machte es sich bequem und sah Bully erwartungsvoll an.

Spoiler
Reginald Bull erzählt die Geschichte der Drei gegen Karapon:


Ernst Ellert war in der Gewalt der Karaponiden und er kam sich vor wie in einer mittelalterlichen Folterkammer. Die Augen durch einen Klebestreifen verdeckt, um Mund und Kinn ein breites Tuch geschnürt, er konnte so grade noch atmen. Um den Hals trug er einen Translator, ansonsten nur eine einfache Kombination und Stiefel.

Natürlich war er in seinem Sessel festgeschnallt, Arme und Unterschenkel waren an dem stählernen Sitzmöbel angebunden. Zu guter Letzt schoss aus der Rückenlehne noch ein den Hals umschließendes Metallband. Sich hieraus zu befreien war völlig unmöglich, also versuchte der Gefangene es erst gar nicht.

Das Einzige, was einwandfrei nutzbar war, war das Gehör. Und das hörte einen in der Nähe tropfenden Wasserhahn. Monoton. Und immer weiter. Tropf, tropf, tropf. Ellert konzentrierte sich und versuchte, seine Nerven zu beruhigen. Alle anderen Bemühungen waren sinnlos. Erst recht, seinen Peinigern die Wahrheit glaubhaft zu machen. Abwarten hieß das Gebot der Stunde.

Am liebsten hätte er seine Wut herausgeschrien, aber das hätte man ihm als Schwäche ausgelegt. Plötzlich merkte er, wie Metallhände ihm seine Stiefel auszogen und seine Füße in ein Behältnis stellten. Wasser, stellte er fest. Lauwarmes Wasser. Ellert war sich sicher, dass seine Peiniger eine Schweinerei ausheckten. Völlig klar. Die begann dann mit einem heftigen Ruck, als man ihm das Klebeband von den Augen riss. Er öffnete die Augen, aber nur, um sie direkt wieder zu schließen. Extrem helle und grelle Scheinwerferlampen blendeten ihn so stark, dass er befürchtete, erblinden zu müssen.

Früher hätte Ellert sich konzentrieren können, um mit seinem Geist den aktuellen Körper zu verlassen. Einfach so. Das ging aber nicht mehr, seit er in einem normalen Barkoniden steckte. Er war ein Normalsterblicher geworden, weil man ihm prophezeit hatte, dass nur ein Normalsterblicher die Aufgaben erfüllen könne, die er zu erfüllen habe.

Also versuchte er, nach unten zu blicken. Seine Füße ruhten in einer Plastikschale, die halb voll Wasser war. Noch etwas sah er darin stecken: Anscheinend war das Ding eine Art Tauchsieder, der wie die komplette Kerkeranlage sich gut gegen eine mittelalterliche Folteranlage gemacht hätte.

Aber er war hier auf Karapon, nicht auf Terra. Er wusste, dass man dort das Jahr 491 NGZ schrieb. Er wusste auch, dass man ihn hier für einen Lügner hielt, obwohl er bei seinen Bewachern nie gelogen hatte. Dann hörte er die Stimme des Geheimdienstchefs Daok-Demm. Der eröffnete ihn soeben, dass das eventuell kochende Wasser nur die erste Stufe sei. Die zweite sei Salzsäure.

Ellert schwieg beharrlich.

Und das war auch besser so, denn sonst stände zu befürchten, dass er Fhey-Dion nie richtig kennengelernt hätte. Der war Ellerts Kerkerwächter und im Moment damit beschäftigt, einen weiteren Gefangenen in den dortigen Tiefen unterzubringen. Durch die kahlen Gewölbegänge brachte er ein Wesen, dass Zjumandiok hieß und in einer für Hauri geeignete Zelle untergebracht wurde, direkt neben der von Ellert liegend. Dieser Kerl war etwa einen Meter groß, besaß vier Beine, einen glockenförmigen Körper von schwarzer Farbe und anstelle eines Kopfes kranzförmig angeordnete Hautlappen. Und: Er war Hellseher. Sagte er zumindest. Das wäre auch sein Haftgrund, eröffnete er Ellert.

Das Gespräch zwischen den beiden Gefangenen war möglich, weil der Kerkerwächter ein - sagen wir mal - zwiespältiges Verhältnis zu den örtlichen Machthabern hatte. Er war ursprünglich in der Flotte gewesen, hatte sich aber erdreistet, eine eigene Meinung zu haben und die des Öfteren kundgetan. Damit stieß er bei seinen Vorgesetzten auf wenig Gegenliebe - wie das häufig in totalitären Systemen ist. Letztlich ging es für ihn als Aufpasser in den Knast. Man war der Meinung, er könne dort am wenigsten Blödsinn anstellen.

Nun, da hatten sich die hohen Herrschaften leicht vertan. Unser Freund FD pflegte nämlich zu seinen Gefangenen ein fast freundschaftliches Verhältnis zu haben. So auch zu Ellert, dem er eine abenteuerliche Geschichte erzählte: Wie bekannt, war das Reich der Kartanin nach der Großen Kosmischen Katastrophe in zahlreiche Einzelstaaten und-reiche zerfallen. Eines davon war das der Karaponiden. Und jetzt kommt's: Dort tauchte ein Berater namens Simed Myrrh von Lockvorth auf, der sich als Sohn einer Kosmokratin namens Ghe-Zil oder so ähnlich vorstellte. Irgendwann sei er dann wieder verschwunden. Wie das auf Ernst gewirkt hatte, kann man sich vorstellen. Da suchte er jahrzehntelang nach Gesil und irgendwo in einem Kerker, in dem man ihn folterte und danach wohl verrotten lassen wollte, erzählte ihm sein Kerkermeister etwas von Perrys Frau.

Während seiner Verhöre spielte Ellert nun gegenüber Geheimdienst-Chef Daok-Demm mit diesen Namen. Letzterer war ja ursprünglich der Meinung gewesen, Ellert hätte irgendwelche Geheimnisse der Hauri zu verkünden, denn da hatte man ihn ja gefunden. Aber jetzt sah das Spiel ganz anders aus.

Er besprach sich mit seinem Mitgefangenen, diesem Glockenwesen und hielt von dessen angeblicher Wahrsagekünste wenig bis gar nichts. Als nun Zjumandiok einen Anschlag prophezeite, hielt Ellert das naturgemäß für blödes Zeug und war dann doch ziemlich überrascht, als dieser tatsächlich von irgendwelchen Widerständlern erfolgte. In dem nachfolgenden Durcheinander gelang es Ernst, aus dem Knast zu fliehen. Den Karaponiden hatte er vorher weis gemacht, dass das Schicksal Ghe-Zils, das von Simed Myrrh sowie aller Personen, die mit ihnen in Kontakt gerieten, miteinander verknüpft wären. Ja, die ganz großen Existenzfragen Hangays hingen davon ab.

Damit hatte er die Karaponiden gut beschäftigt und schaffte tatsächlich die Flucht. Aber leider nur er alleine. Denn seine neuen Freunde, sowohl der Kerkerwächter als auch das Glockenwesen bekamen es nicht hin. Sie wurden auf dem Weg zum Raumschiff getötet. Ellert saß nun alleine in seinem Trimaran und nahm Kurs auf die Milchstraße. Er hoffte dort auf weitere Nachrichten von Testare, der bei den Karaponiden völlig unbekannt gewesen sein soll. Was ihn bedrückte, war der Tod seiner neuen Freunde. Dass bei der ganzen Aktion sein Teil der Perle Moto zerstört wurde, war in diesem Zusammenhang nur Nebensache.



"Den hatten wir doch schon mal", sagte Lee. "Nur, dass er da Simedon Myrrho hieß. Aber der Typ dürfte der gleiche sein. Und er stellt sich als Sohn von Gesil vor. Da hattet ihr euren Monos."

"Wir nicht. Ernst Ellert hatte ihn. Wir nicht. Vergiss nicht, dass die Geschichte unseres Freundes in 5. Jahrhundert spielte. Da gab es noch keinen Monos. Aber du hast Recht: So langsam kristallisiert sich so manches heraus."

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Peter Grieses Roman nimmt dich zu Beginn direkt mit in eine Folterkammer, die denen aus dem terranischen Mittelalter in nichts nachsteht. Er schreibt das auf eine lebendige Art, die dich direkt in den Bann zieht. Ganz so bleibt es bis zum Ende nicht, er lässt ein wenig nach, aber das sind Nuancen.

Der Roman ist zu Beginn eine Art Kammerspiel mit Ernst Ellert und dem ihm verhörenden Geheimdienstchef. Später kommen noch der Kerkerwächter und der Glockenförmige dazu. Zwischen diesen vier Personen klärt sich alles. Gegen Ende taucht zwar noch der Obermotz von Karapon auf, ein paar Hauris erscheinen auch noch, aber die spielen allesamt nur eine Nebenrolle. Der Roman bezieht seine Spannung aus der Tatsache, dass man bis zum Schluss nicht weiß, ob Ellert aus dem Knast herauskommt und wenn ja, wie. Und wie so häufig, überleben Personen, zu denen man in solch einem Roman einen guten Draht gekriegt hat, die Geschichte nicht. Das finde ich schade, denn man hätte vielleicht eine Lösung finden können, dass sie unterwegs irgendwo abgesetzt würden.

Aber PG schrieb einen guten und spannenden Band. Der nächste ist von HGE. Es bleibt einem nichts erspart...
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Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

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Band 1477 - Die Piratin - ist von H. G. Ewers, erschienen am 12. Dezember 1989
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"Wir haben also jetzt noch eine Weile Zeit. Unsere Reise dauert ja noch etwas", sagte Lee.

"Oh!" meinte John dazu und hielt seinen rechten Arm mit dem Chrono daran hoch. "Wir haben noch viel mehr Zeit. Ich habe grade die Nachricht erhalten, dass es keine vorgezogenen Neuwahlen gibt, sondern man die Legislaturperiode ordnungsgemäß zu Ende gebracht wird. Auf Auswanderungswillige will man in Einzelfällen gesondert Zeit reagieren."

"Das hätte ich dir, glaube ich, vorher sagen können", knurrte Reginald Bull. "Sowas nennt man Angst vor der eigenen Courage. Oder einfach nur Festhalten an alten Pfründen. Oder Sorge vor dem Absturz von der Macht. Oder alles zusammen."

"Andererseits kann es dir zum Vorteil geraten", ergänzte Atlan. "Wir sind etwas länger unterwegs und du lernst wesentlich mehr und andere Themen kennen. Wir können uns auf den anzusteuernden Welten in Ruhe umsehen und unterhalten. An uns soll es nicht liegen. Wann sind eure nächsten regulären Wahlen?"

"Von fünf Jahren Regierungszeit sind zwei rum. Also in gut drei Jahren."

"Wohin fliegen wir eigentlich?" Lee wechselte das Thema.

"Ich denke", antwortete Gucky, "Wir sehen uns noch ein wenig in der Natur um und dann schauen wir weiter. Die Milchstraße ist ja groß genug. Wir könnten beispielsweise die Orte meiner Heldentaten besuchen. Aber das wäre ja dann so gut wie die komplette Galaxis. Nein, übertreiben wollen wir es ja nun doch nicht."

"Apropos Heldentaten", Lee sah den Ilt an. "Ich habe da noch die eine oder andere Frage zum Thema Telepathie, wenn es genehm ist."

Gucky nickte gnädig.

"Angenommen wir zwei sind im Einsatz, irgendwo auf einer bewohnten Welt. Wir sind an unterschiedlichen Orten und ich mitten im Gewühl. Kannst du mich da problemlos finden?"

"Ja. Aber nur, wenn du mir vorher die Erlaubnis gibst, deine Gehirnwellenstruktur zu entziffern. Dann bin ich in der Lage, dich in einer Riesenhorde zu entdecken. Das dauert zwar etwas und das gedankliche Geblubbere von rundherum stört ein wenig, das ist aber nichts, was mich wirklich von einer Ortung abhält. Ich werde dich finden und selbstverständlich in der letzten Sekunde retten. Oder ich lese im Einsatz deine Gedanken, um quasi mit vor Ort zu sein, um im Hintergrund das weitere Vorgehen zu entscheiden."

"Was ist denn, wenn jemand in einer für dich fremden Sprache denkt?"

"Ich erfasse Bilder, die das Gehirn mehr oder weniger automatisch bildet. Ich stehe also, sagen wir mal, vor einem Maahk und der kann nur Kraahmak. Der Kerl hat sich vorgenommen, mich zu erschießen. In dem Moment, in dem er den Plan fasst, entsteht automatisch ein Bild in seinem Kopf. In diesem Bild hat er eine Waffe in der Hand, mit der er auf mich zielt. Ob er mich nun sieht oder nicht, die Vorgänge sind im Regelfall überall gleich. Aber eben nur im Regelfall. Wenn mein Gegenüber zu fremd ist, kann ich zwar feststellen, dass da irgendwer denkt, aber nicht erfassen, was gedacht wird. Ich bräuchte dann einen Gedankentranslator oder so etwas."

"Dann würde ich die Telepathie mal als gutes unterstützendes Medium bezeichnen. Ein Allheilmittel ist sie nicht."

"Zweifellos nicht. Denn wenn ich eine Person nicht kenne, kann ich sie kaum finden. Das wäre ein ziemlicher Zufallstreffer. Hab ich jetzt jemanden wie Perry auszugraben, ist das natürlich einfacher. Denn seine Gehinnwellenstruktur kenne ich in- und auswendig. Angenommen, die mir unbekannte Person steht zwischen 50.000 anderen Leuten auf einem Platz. Oder in einem Stadion. Ich habe ein paar Grundinfos, die meinen Schützling beschreiben, mehr aber nicht. Natürlich finde ich denjenigen, wenn ich lange genug suche. Aber das kann dauern. Stell es dir ungefähr so vor, als wenn du ein riesengroßes Foto hast, mit diesem 50.000 Personen drauf. Eine davon musst du finden. Das Einzige, was du hast, sind Angaben über Größe, Haarfarbe und Art und Kolorierung der Oberbekleidung. Das zieht sich dann auch ein wenig in die Länge."

Lee nickte zufrieden. "Ich sehe also, Gedankenlesen hält einen nicht vom Denken ab. Beruhigend."

Dann sah sie sich um und wechselte wieder das Thema. "Wer erzählt freiwillig weiter?"

"Dann wollen wir mal", sagte Bully und setzte sich aufrecht und grade hin.

"Also: Wir waren mit Ernst Ellert und seinem Trimaran unterwegs in Richtung Milchstraße als er merkwürdige Signale empfing."



Spoiler
Reginald Bull erzählt die Geschichte über die Piratin:

Es waren Hyperfunksignale, die aber absolut keinen Sinn ergaben. Zumindest konnte Ernst keinen erkennen. Der zur Hilfe eingeschaltete Syntron kam auch nicht weiter. Nichts würde auf kodierte Nachrichten hinweisen, schloss der Rechner seine Untersuchungen ab.

Allerdings konnte Ellert den Absender in knapp vier Lichtjahren Entfernung ermitteln und natürlich bewegte er sich dahin. Eine halbe Stunde später fiel sein Schiff in der unmittelbaren Nähe einer überaus bedrohlich wirkenden roten Sonne zurück in den Normalraum. Weniger arg sah es mit der Quelle der Funksignale aus: Er fand ein knapp durchmessendes elliptisches Objekt, dass abgesehen von einer Funkanlage absolut leer zu sein schien und in Bälde in der roten Riesensonne verglühen würde.

Ernst Ellert überlegte. Eine Falle konnte das ja eigentlich nicht sein. Denn wer konnte schon wissen, dass er mit einem gestohlenen karaponidischen Trimaran unterwegs in Richtung Milchstraße war? Richtig. Niemand. Also dockte er an und inspizierte die Ellipse von innen. Und tatsächlich fand er einen Passagier: Einen Blau - Nakk. Der gab aber nicht mehr allzu viel her, denn im Grunde war er nur ein demontierter Cyborg. Den stahlblauen Sensorhelm hatte er noch auf dem Kopf, der Rest war weg. Die verkümmerten Ärmchen des Wesens konnten natürlich nicht das leisten, was früher von kybernetischen Systemen geregelt worden war. Sie bewegten sich schlaff und unkontrolliert auf den Eingabefeld des schwachen Hyperkoms herum und Ellert wurde sofort klar, wie die willkürliche Zusammenstellung der Impulsgruppen zustande gekommen war.

Er erzählte eine Geschichte von irgendwelchen Feinden, die ihn zum Feuertod verurteilt hatten. Er hätte sich verstümmelt, um nicht als Werkzeug einer Manipulation an einem Gedankenbruder missbraucht zu werden. Ellert merkte, dass der Nakk ihn mit einem Hauri verwechselte und erklärte ihm etwas über dieses Volk, dann informierte er ebenfalls über Karaponiden und Terraner sowie deren Verhältnis zueinander.

Der Nakk mit Namen Elejender bat Ellert, ihm einem Ort namens Llokkaran zu bringen, ansonsten müsse er sterben. Ernst brannte die Zeit unter den Nägeln. Solange Gesils Schicksal ungewiss war, würde er keine Ruhe finden. Breitgeschlagen wurde er mit dem Argument, dass dieses Llokkaran in unmittelbarer Nähe zu finden sei.

Es sei eine verlassenen Raumstadt ohne Sonne, erklärte der Nakk. Gefahr drohe nicht, er wolle dort nur abgesetzt werden. Kurze Zeit später lud er Elejender am Ziel ab. Er solle sich vor Aro To Morre hüten, gab der Fremde noch mit auf den Weg. Ellert bedankte sich und setzte seinen Weg aus Hangay hinaus fort.

Einige Zeit später stellte er erleichtert fest, dass sein Schiff sich in der sternenarmen Peripherie Hangays befand. Endlich. Das gefährliche, von Kriegen und Piraten wimmelnde Gebiet hatte er hinter sich. Die vor ihm liegende Strecke war zwar noch ziemlich lang, dafür betrachtet er es aber als extrem unwahrscheinlich, dass er nochmal gefangen genommen oder gekapert würde. Er blickte auf die Milchstraße und bekam feuchte Augen. Klar, es war die Milchstraße, wie sie vor 1,9 Millionen Jahren ausgesehen hatte - aber Heimat war Heimat.

Mitten in diese Stimmung hinein erreichte ihn ein Notruf. Auf seine Frage, was passiert sei, antworte ihm eine Stimme mit schwankender Lautstärke, dass er Kapitän Ustran sei und man eine Explosion im Triebwerkssektor ihres Schiffes gehabt hätte. Man benötigt dringend Hilfe.

Natürlich hätte Ellert misstrauisch werden können. Aber warum? Wer wusste schon, wo er genau war? Niemand. Also ging es zwanzig Lichttage weiter zu dem havarierten Raumer. Vor Ort fand er ein Schiff ohne äußere Beschädigungen, aber die Hecksektion war stark geschwärzt, vermutlich durch starke Hitzeentwicklung. Ustran erzählte etwas zurückgehender Leistung und merkwürdigen subatomaren Prozessen, die für sie an Bord unweigerlich ein Todesurteil darstellen würden.

An Bord des fremden Schiffes wusste er sofort, dass er in eine Falle getappt war. Man wisse genau, wer er wäre, hörte er. Man habe so gut wie überall Informanten und würde so gut wie alles erfahren. Aber man konnte ihn immerhin in einer Hinsicht beruhigen: Man gedächte ihn nicht umzubringen. Ein Mitglied seiner Organisation, so der Fremde, sei lediglich daran interessiert, mit ihm in Sachen Testare zu sprechen.

Natürlich fragte Ellert sofort nach. Das würde ihm Aro To Morre beantworten. Die Person, vor der er von dem Nakk gewarnt worden war.

Am Ziel angekommen, wurde er umgehend der Piratin vorgestellt. Ertruserhaft groß, drückte ihre Gestalt Arroganz, Macht und Autorität aus. Ellert fühlte sich seziert. Das Verhör begann umgehend. Wer er sei und was er wolle, wollte sie wissen. Ernst fragte zurück, ob Testare ihr das denn nicht erzählt habe. Zudem sei er auf der Suche nach der Kosmokratin Gesil. Er redete von Simed Myrrh, der in Hangay eine Weile Fäden gezogen habe. Und von dem war der Piratin zumindest der Name bekannt.

Dann ließ sie die Katze aus dem Sack: In ihrer rechten Hand sah Ellert Testares Amimotuo. Sie wolle es zugänglich gemacht haben. Sonst müsse er, Ernst Ellert, sterben. Weitere Versuche Ellerts, mit ihr zu einem vernünftigen Gespräch zu kommen, scheiterten natürlich.

Letztlich erklärte Ellert sich bereit, der Piratin den Zugang zu gewähren, falls er dann weiter in Richtung Milchstraße fliegen dürfe. Selbstredend hatte er einen Hintergedanken. Und sein Plan funktionierte. Er schaffte es, Aro To Morre zu hypnotisieren. Er hatte die Amimotuo veranlasst, hypnotische Symbolfolgen auszustrahlen. Was soll ich sagen? Weg war sie, die Piratin.

Er fand tatschlich eine Nachricht Testares. Er sei auf Nansar im Charif - System. Dort werde Gesil im großen Turm der Nakken gefangen gehalten. Für die Piratin hinterließ er einen posthypnotischen Befehl und programmierte die Amimotuo anschließend auf Explosion. Dann flüchtete er.

Unterwegs stellte er fest, dass die Amimotuo samt Piratin explodiert war. Ellert hatte ein zwar leicht schlechtes Gewissen, aber ihm wäre es wohl nicht anders gegangen. Er beschleunigte und ging in den Überlichtflug.

Am Ziel angekommen, gab es nochmal ziemliches Durcheinander: Er traf auf die totgeglaubte Piratin, die sich natürlich rächen wollte, dann aber in irgendwelchen seltsamen instabilen Existenzebenen verschwand. Dafür traf er seinen Schützling Elejender wieder, mit der sich in den Turm der Nakken begab. Beim Betreten der zwölften Stufe der unvermeidlichen Treppe im Turm geriet er durch eine Strukturlücke in eine Raum - Zeit - Falte. Dort fand er Testare, der in die gleiche Falle getappt war. Und er fand noch jemanden: Gesil, die die beiden umgehend ermunterte, zu überlegen, wie man die gastliche Stätte wieder verlassen könne.



Bully atmete tief durch. "Pause", verkündete er. "Meine Güte. Soviel Gelaber hält ja kein Mensch aus."

"Ja, nicht wahr?" meinte Gucky dazu. "Allemal, wo ausnahmsweise mal augenscheinlich vernünftiges und wahres Zeug aus deinem Mund kommt!"

Die Kaffeetasse, die Bull nach ihm warf, machte eine telekinetische Kehrtwende und wurde mitten auf Bullys Kopf abgesetzt.

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Puh. H.G. Ewers. Der macht mich regelmäßig völlig fertig mit seinen Romanen. Ich bekenne, dass ich einen Großteil der Geschichte über die Piratin weggelassen habe, sonst wäre das hier ausgeufert. Ich muss allerdings auch bekennen, dass mich dieser Teil keinen Meter interessiert hat und ich die Seiten 11 bis 46 nur überflogen habe.

Er kommt zu keinem Ende. Er setzt noch einen und noch einen und noch einen drauf. Natürlich sollte es eine Überraschung für den Leser sein, dass die Piratin auf Nansar auf einmal wieder auftauchte. War es aber nicht. Und spannend war es auch nicht.

Wie gesagt: Andere mögen zu anderen Ergebnissen kommen, aber ich kann hier nur meine Meinung vertreten. Ein Doppelband von PG, ja, das wäre was gewesen. Nun gut. Die Ellert - Trilogie ist abgeschlossen, Gesil gefunden. Aber wir sind immer noch im Jahr 491 NGZ, wie man dann zu Perry & Co aufschließen wird, werden wir beizeiten erfahren.

Die drei Ellert Bände waren ein "ging so" Band von CD, ein Top Roman von PG und einer von HGE. Den bewerte ich in diesem Fall besser nicht. Ich fürchte, ich habe schon mal gesagt, dass ich mit HGE nix anzufangen weiß...
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Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

Beitrag von RBB »

Band 1478 - Planet der Sammler - ist von Marianne Sydow, erschienen am 19.12.1989
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"Wir sind hier etwas weniger als 6300 Lichtjahre von Mutter Erde entfernt", sagte Gucky. "Was haltet ihr denn davon?"

Sie standen in der Polkuppel und sahen nach draußen. Der Anblick des Krebsnebel überwältigte sie. Im Innern herrschte als Grundfarbe dunkelblau vor, durchzogen von fadenähnlichen Gebilden in weiß und lila. Das Ganze wurde grün umwölkt.

Der Ilt verdunkelte die Polkuppel und nahm ein paar Schaltungen vor. Im Röntgenbereich schillerte das Ding komplett in violett mit einer Art hellem Kreisel in der Mitte. Infrarot und als Radiobild kamen wieder gänzlich anders aussehende Ergebnisse.

"Das ist die erste Supernova, die man auf der Erde festgestellt hat", ergänzte Atlan. "Das waren die Chinesen im Jahr 1054 der alten Zeitrechnung. Allerdings ohne zu wissen, was sie da sahen. Die Supernova war so hell, dass man sie auch tagsüber am Himmel sehen konnten. Für ein schwarzes Loch hat es übrigens nicht gereicht. In der Mitte befindet sich ein Neutronenstern, der dürfte ungefähr 25 bis 30 Kilometer Durchmesser haben. Er hat circa zwei Prozent des Durchmessers einer gelben Standartsonne, dafür aber die 150.000-fache Dichte. Wir haben also ein ziemlich extremes Bürschlein vor uns. Wenn man übrigens näher an den Nebel herangeht, sieht man die Farben nicht mehr. Es handelt sich hier um aufgeladene Gase, die sich immer mehr im Raum verteilen."

John und Lee konnten sich nicht losreißen. "Du meinst, du schaust auf Gott", flüsterte er.

"Ja", entgegnete der Arkonide. "Am diesem Gedanken ist was dran. Man sieht es im ganz Großen ebenso wie im mikroskopisch Kleinen. Schaut euch hier den Andromedanebel mal an. Wartet, ich hole ihn mal näher ran." Er gab ein paar Schaltungen auf einer virtuellen Wand vor und das riesige Wagenrad der Nachbargalaxie wurde deutlich sichtbar.

"Kann man den Gedanken an eine schöpferische Macht beiseiteschieben, wenn man so etwas sieht? Kommt solche Schönheit von alleine?"

"Jetzt kommen wir aber in den philosophischen Bereich", meinte Gucky. "Aber sei's drum. Ich denke, mir geht es ähnlich wie den anderen Beiden hier. Von Bully weiß ich es und bei Atlan bin ich mir fast sicher. Glaubt mir, auch unsereins steht immer wieder mal vor Dingen, bei deren Betrachtung man zu dem Ergebnis kommt, dass hier jemand dran gedreht hat. Jetzt kann ich mir aber beim besten Willen einen persönlich liebenden Gott als oberstes und höchstes Wesen nun mal nicht vorstellen. Egal, ob der mal gewürfelt hat oder nicht. Ebenso egal, wie schön das Universum im Großen und Ganzen oder im Detail ist. Dafür gibt es einfach zu viele Katastrophen. Unzählbare Tote durch natürliche Ursachen wie durch das Überflüssigste überhaupt: Kriege. Nein, das passt etwas nicht. Ich glaube, ich würde einem solchen höheren Wesen den Hosenboden strammziehen. Aber das ist nur meine ureigene Sichtweise. Andere mögen zu anderen Schlüssen kommen. Das habe ich nicht zu kritisieren und das tue ich auch nicht. Man kommt in Gesprächen zu diesem Thema einfach nicht weiter, zumal eines der wichtigsten Argumente der Gläubigen immer noch nicht entkräftet werden kann."

Gucky sah in die Runde. Atlan und Bull nickten, um aufzuzeigen, dass sie gleicher Meinung waren.

"Wir sind technisch und wissenschaftlich gegenüber euren alten Chinesen unendlich viel weitergekommen. Die Menschen von damals würden unser heutiges Leben für Zauberei oder ausgemachte Teufelei halten und wahrscheinlich nach kurzem Überlegen versuchen, uns in ein besseres Jenseits zu befördern. Aber bei einem Thema nützt uns all unser Wissen nichts. Gar nichts. Das ist ganz einfach das Problem der ungeklärten ersten Ursache."

"Geh zurück zum Urknall", übernahm Atlan den Faden. "Die Materie war da, wo und wie auch immer. Es gab keinen Raum. Der bildete sich von jetzt auf gleich und kommt zu keinem Ende. Auslöser findet man zwar in quantenmechanischen Ungenauigkeiten, aber letztlich bleibt die Frage, wo die Materie herkam. Dann wissen wir, dass unser Universum nicht das einzige ist. Wir reden vom Multiversum und von einem darüber gesetzten Omniversum. Wir haben unterschiedliche Zeitebenen und alles ist irgendwie miteinander verknüpft. Was hat das alles ans Laufen gekriegt? Wir sind ja noch lange nicht beim Warum. Der erste Anlass, die allererste Ursache, sie fehlt. Egal, welche wissenschaftlichen Fragen du lösen kannst, dahinter kommen immer weitere und neue dazu. Ist es da ein Wunder, dass sich an vielen Orten im Universum der Glaube an ein höheres Wesen manifestiert hat? Ich rede hier wohlgemerkt nicht von Entitäten wie Superintelligenzen aufwärts."

"Eben." Das war Gucky. "Die zerfindhammeln sich genauso wie unsereins und kochen letztlich auch nur mit Wasser. Es gibt da zwar welche, die komplette Universen mit einem Handstreich teilen können", er sah Atlan ziemlich kritisch an, "aber danach weiß keiner, was wirklich passiert ist. Aber das Existenzielle, Wesentliche wissen sie auch nicht. Also: Vergiss diese Knilche. Das vereinfacht das Leben. Und auf Newengland tauchen sie sowieso nicht auf."

"Ich glaube", erwiderte Lee, "da legen wir auch keinen gesteigerten Wert drauf. Aber seht es mal so: Kann die erste Ursache nicht die Sehnsucht des Lebens nach sich selbst sein?"

"Die Sache hat einen Haken, nein, eigentlich zwei", knurrte Reginald Bull. "Irgendwann mal muss irgendwie mal der erste Stein ins Rollen gekommen sein. Und da gab es noch kein Leben, dass interstellare Nebel betrachten konnte oder sich mit Mausbibern rumärgern musste."

Zum Dank erhielt er einen telekinetischen Nackenschlag.

"Und Argument Nummer zwei: Das, was wir alle hier erleben, die ganze Aufregung um einsame Welten, Krieg und Frieden, ich könnte endlos weitere Begriffe nennen, ist ein Streit um des Kaisers Bart. Es nützt nämlich nachhaltig alles nichts. Unsere Existenz dauert noch nicht mal einen Wimpernschlag im Universum, egal, ob mit oder ohne diesem Ding in der Schulter. Der Raum dehnt sich aus. Immer weiter. Neue Materie kommt nicht nach, also werden irgendwann mal keine neuen Sonnen mehr entstehen. Aus den alten werden weiße Zwerge oder Neutronensterne oder Schwarze Löcher. Nur die uralt werdenden roten Zwerge sorgen noch für ein leichtes rötliches Glimmen, bis die auch verlöschen. Gleichzeitig entfernen sich die Galaxien immer weiter voreinander und eines Tages wird die letzte hinter der Lichtbarriere verschwunden sein. Das kalte und leere Universum dehnt sich immer weiter aus. Nach ein paar Quintillionen Jahren sind die letzten Schwarzen Löcher verdampft und sämtliche Protonen zerfallen. Die Entfernung zwischen zwei Quarks wird größer als das heutige Universum sein. Zeit wird es nicht mehr geben. In einem leeren Raum ohne Bestandteile ist die Zeit überflüssig, weil es nichts mehr gibt, mit dem man sie messen kann. Wir sind also wieder da, wo wir angefangen haben. Im Nichts. Wie war das noch in diesem steinalten Lied?"

Bully überlegte eine Weile, dann ging ein Erkennen durch seine Augen und er pfiff eine Melodie. Dann fingerte er an seinem Chrono herum und eröffnete seinen Gegenübern: "Die alten Engländer hatten sämtliche Geheimnisse vor Urzeiten schon geklärt. Hier kommt die Erläuterung über den Sinn des Lebens." Eine Melodie erfüllte den Raum und dann begann jemand zu singen. Ein wenig später hatten sie den Rhythmus drin, bewegten sich hin und her und sangen den Refrain mit.

Bull sah sich gutgelaunt um. "Das wars doch! Was meinst du, was du mit dem Tod verlierst? Du kommst aus dem Nichts und gehst zurück ins Nichts. Was hast du also verloren? Nichts! Genau das ist die Wahrheit. Und das soll ein göttlicher Plan sein? Das würde ich jetzt zumindest mal als verunglückten Versuch bezeichnen."

"Du vergisst das Wesentliche, Dicker. Wenn dieses Stadium erreicht ist, steigen die Chancen auf eine neue quantenmechanische Unregelmäßigkeit aus dem Geblubbere des ganz Kleinen. Und flugs hast du ein neues Universum. Mit einem neuen Bully. Und einem neuen Gucky. Der wird dann dafür sorgen, dass Tramp erhalten bleibt und seine Mausbiber in die Milchstraße hinausführen. Wir werden alles überfluten und das Imperium der Mausbiber gründen."

Gucky sah mit verklärtem Blick in weite Fernen.

"Das würde ja zu einem sofortigen Ende dieses Universums führen. Der Himmel möge das verhüten." Bully hatte seine eigene Meinung zu diesem Thema, mit dem der Kleine immer wieder aufs Neue ankam.

"Siehst du? Da hast du deinen göttlichen Plan, wenn sogar du auf den Himmel hoffst," griente der Ilt.

"Ich weiß nicht", knurrte Reginald Bull und kam zurück auf den Boden der Tatsachen. "So kommen wir zu keinem Ende. Und wenn ich mir das hier alles genau ansehe, muss ich feststellen, dass insgesamt gesehen unsere Geschichte aber verdächtig ähnlich wie unser letztes gemeinsames Erlebnis ist. Da hatten wir stellenweise die selben Themen drauf. Wir schienen alles zu wissen, sogar das letzte Detail und auch dann, wenn du selber gar nicht dabei warst. Selbst der Bedienungsrobot ist der gleiche wie ehedem. Schauen wir mal, wohin das noch führt."

"Mein Extrasinn hält mich soeben wieder für einen Narren, weil ich mich auf so eine sinnlose Diskussion einlasse und sie zulasse. Ich solle lieber sehen, dass ich fertig werde und mich endlich um vernünftige Dinge kümmern." Atlan bewegte das Gespräch wieder in eine andere Richtung. "Ich denke, wir machen es uns bequem und ich übernehme den nächsten Teil."

"Lockvorth ist die Welt, die einst das Humanidrom erbaute und dabei pleiteging", begann der Arkonide. "Ein paar Jahrhunderte später war diese Welt ein Planet der Müßiggänger. In die Richtung dieser Welt sollte es gehen."



Spoiler
Atlan erzählt die Geschichte vom Planeten der Sammler:

Das vermeintliche ewige Leben heißt noch lange nicht ewig leben. Das stellten in der Vergangenheit allesamt immer wieder fest. Unsere Freundinnen und Freunde aus der Gründungsphase des Solaren Imperiums hatten uns schon lange verlassen müssen. Auch später Dazugekommene gibt es nicht mehr. Die vorerst letzten Kameraden, die trotz Zellaktivator nicht mehr unter uns weilten, waren Galbraith Deighton und Geoffrey Abel Waringer. Bei Geoffrey war es für uns alle ganz schlimm, weil wir sehen konnten, was uns eines Tages bevorsteht. Ob wir wollen oder nicht.

Wir haben uns oft überlegt, auch in diesem Kreis, warum ausgerechnet wir paar Gestalten entgegen aller Wahrscheinlichkeiten immer noch da sind und alle anderen nicht mehr. Wir wissen es nicht. Aber das darf für uns nie ein Grund sein, die Nase hoch zu tragen. Im Gegenteil, wir sollten demütig unser Schicksal annehmen und Verantwortung tragen.

Damals war uns allen klar, dass die Zeit für zwei weitere Personen in Bälde ablaufen sollte. Jennifer Thyron und Irmina Kotschistowa kämpften ums Überleben. Ihnen beiden war zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Zellaktivator gestohlen worden und existierten nur deswegen noch, weil Irmina im Rahmen ihrer Kräfte immer wieder versuchte, beide am Leben zu erhalten. Das funktionierte aber kaum bei ihr selber, geschweige denn, wenn sie sich auch um Jennifer zu kümmern hatte. Aber ohne die Metabio - Gruppiererin wäre ihre Kameradin schon längst tot. Denn ohne Zellaktivator hält unsereins es noch nicht mal drei Tage aus.

Aktivatorträger sind von der kompletten Zellstruktur her, also von Kopf bis Fuß, süchtig. Und diese Sucht ist schlimmer und heftiger als das ärgste Rauschgift. Sobald der konservierende Einfluss des ZA's nicht mehr da ist, neigen die Zellen des oder der Betroffenen zu schnellen und sehr heftigen Veränderungen. Denn der Körper verliert über die lange und bisweilen extrem lange Zeit die Fähigkeit, auf die verschiedenen Reize aus eigener Kraft zu reagieren. Er ist an die Steuerung gewöhnt und gehorcht blindlings. Bleiben die Impulse aus, gerät der gesamte Organismus total aus dem Gleichgewicht. Ein derartiger Vorgang beginnt kurz nach der Trennung vom ZA, beschleunigt sich immer mehr, bis es zum totalen Zerfall kommt. Übrig bleibt ein Häufchen Asche.

Bei lebenden Wesen verhindert ein Aktivator zwar Krankheiten, ist aber kein Jungbrunnen. Erhält ein alter und gebrechlicher Mensch ein solches Gerät, bleibt er alt und gebrechlich. Es kommen nur keine neuen Krankheiten oder weitere Alterserscheinungen dazu. Bestehende Erkrankungen werden zum Stillstand gebracht. Erst dann, wenn der Krankheitsherd immer wieder zu Störungen führt, wird er nach und nach abgebaut.

Und diese beiden Geräte waren weg. Gestohlen. Wer der Dieb war, konnte in keinem der vier Fälle festgestellt werden. Es gab einfach kein Spuren. Wir gingen zwar davon aus, dass der Dieb nochmal zuschlagen würde und wir ihn dann ertappen würden, aber bis dahin würden Jennifer Thyron und Irmina Kotschistowa tot sein.

Im Moment waren die zwei Frauen auf der WIDDER - Welt Heleios zu finden. Sie hatten sich hinter das Labor von Sato Ambush verkrochen. Ja, so kann man das ausdrücken - sie wollten einfach ihre Ruhe haben. Anfangs kamen noch alle möglichen Leute, die helfen wollten, es aber nicht konnten. So blieb den beiden nichts anderes übrig, als Sato Ambush zu bitten, ihnen ungebetene Gäste und Helfer vom Halse zu halten.

Das klappte auch, war aber keine Lösung auf Dauer. Irmina konnte den Alterungsprozess zwar aufhalten, aber nicht verhindern. Sie konnte in gewissem Maße die Zellen umgruppieren, aber für jeden war erkennbar, dass sie alterten. Und es war wirklich nur eine Frage der Zeit.

Währenddessen war Ambush ein paar Zimmer weiter in seinem Labor damit beschäftigt, der Perle Moto weitere Geheimnisse zu entlocken. Das klappte natürlich erstmal nicht. Zu seinem großen Erstaunen kam er ausgerechnet in dem Moment einen Schritt weiter, als Irmina versuchte, ihre Fähigkeit mit einem Psi Verstärker zu optimieren. Bei der Mutantin tat sich nichts, dafür flackerte die Perle plötzlich. Man sah in einer geöffneten Datei Ernst Ellert, wie er in einer Art finsterem Verließ hockte. Er sei immer noch auf der Suche nach Gesil, sagte er und befände sich auf einem Planeten der Karaponiden. Und auf einmal wurde klar, wie diese Feliden an die Perle gekommen waren. Sie hatten sie von Ellert. Der erklärte, wer oder was die Karaponiden waren und dass sie eine Art Schutzheiligen mit dem Namen Simed Myrrh von Lockvorth hatten. Letzterer bezeichnete sich als Sohn der Kosmokratin Khe-Zil und war mittlerweile wieder verschwunden. Ellert teilte uns noch mit, dass sein nächstes Ziel eben Lockvorth sei.

Khe-Zil. Gesil. Simed Myrrh. Simenon Myrrho. Monos. Da war er. Zumindest namentlich. Völlig klar, dass unser Para - Realist auch nach Lockvorth wollte, um weitere Nachforschungen durchzuführen. Wir allesamt konnten leider nicht, wir waren wegen der ständigen Angriffe der Cantaro unabkömmlich und wusste in Sachen Perle und Monos von nichts. Raumschiffe für Ambush gab es natürlich keine, letztlich fand man die halb schrottreife ANDRASSY, das Schiff, das damals zur BASIS unterwegs gewesen war.

Thyron und Kotschistowa gingen mit an Bord, sie wollten keinesfalls dem Mitleid ihrer Gefährten auf Heleios ausgesetzt sein.

Auf Lockvorth war die Bevölkerung ohne Technik und arm. Die komplette Wirtschaftsleistung dieses einstmals blühenden Planeten war in das Humanidrom geflossen. Unten gab es außer Landwirtschaft nichts mehr. Was aber nicht hieß, dass die Bewohner damit unzufrieden waren, denn sie waren frei. Frei von Bedrohungen, frei von Cantaro, frei von Krieg und Vernichtung. Ihre Welt war einfach zu uninteressant geworden. Cantaro gab es nur wenige und die hielten sich lediglich um das Humanidrom herum auf. Und das war wohl zu einer Art Kurhotel für Nakken geworden. Andere Wesen hielten es dort wegen der, ich sag mal, mehrdimensionalen Verschachtelung nicht aus.

Ambush und Co fanden ein paar hundert Kilometer weiter unten zunächst nichts, was auf Myrrho oder ähnliche Namen schließen ließ. Das änderte sich, als sie über die Sammler stolperten. Das waren Leute, die einfach alles aus vergangener Zeit sammelten, technische Überreste, Folien, Informationen, Notizen, einfach alles. Einer von ihnen hatte etwas ganz Besonderes: Den Bauplan des Humanidroms. Dabei stellte sich heraus, dass der Plan nicht von dem ursprünglichen Architekten Endehar Roff aus dem Jahr 800 stammte, sondern schon in 499 von jemandem namens Simenon Myrrhen stammte. Da hatte wohl einer etwas längerfristig geplant...

Damit war Sato Ambush am Ziel und es sollte samt Bauplan zurück nach Heleios gehen. Dao-Lin-H'ay, die Kartanin, sagte ihm kurz vor dem Abflug leise, dass ihre zwei Freundinnen auf Lockvorth zurückbleiben wollten. Sie hatten sich einer Künstlerin angeschlossen und waren gegangen. Einfach so. Sie hatten nur darum gebeten, ihren Wunsch zu respektieren.

Den Rückflug traten sie mit der ANDRASSY an, aber mit zwei Personen weniger an Bord.


"Habt ihr nochmal was von den beiden gehört?" fragte Lee. "Ich meine..." Sie stockte und wusste nicht mehr, was sie sagen sollte.

Gucky legte ihr eine Hand auf den rechten Unterarm. "Nein", sagte er leise. "Wir haben auch nicht nachgeforscht. Sie wollten es nicht. Das hatten wir zu akzeptieren. Sie wollten ihre letzten Tage in Würde begehen. Und ich glaube, für uns ist es besser, sie so in Erinnerung zu behalten, wie sie waren und wir sie kannten. Das war es, was sie wollten. Außerdem wussten sie beide, dass wir damals im Kampf gegen Monos eigentlich keine Zeit zum Trauern hatten. Der Hauptbetroffene war sowieso Ronald Tekener. Wir waren nur Zaungäste."

Lee nickte.

"Ja, da hast du Recht", erwiderte sie. "Es gab in Thamestown mal ein stadtbekanntes Original. Als er schwerst erkrankte und Heilung trotz all unserer Technik nicht möglich war, gab er in seinem Stamm - Pub noch ein paar Runden aus. Dann verschwand er im Wald, ohne Vorwarnung. Wiedergesehen haben wir ihn nicht. Aber in unserer Erinnerung ist er immer noch lebendig, so verrückt und so verdreht, wie er immer war. Manchmal stehen wir mit leuchtenden Augen an der Theke, wenn einer fragt: Weißt du noch?"

Bully stand auf und hatte kurze Zeit später eine Flasche Hochprozentigen in der Hand und füllte vier Gläser. Gucky war auf eigenen Wunsch außen vor geblieben.

Bull stand auf, erhob sein Glas und sagte: "Auf die, die waren. Auf unsere Freunde."

"Auf unsere Freunde!", wiederholten die anderen und tranken ihre Gläser leer.

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Die nächsten Zwei. Jennifer Thyron und Irmina Kotschistowa blieb es erspart, vor den Augen ihrer Freunde und Weggefährte dahin zu siechen. Ich weiß noch, wie ich mich damals mehrfach gefragt hatte, wie es mit ihnen wohl zu Ende gegangen war.

Ein ehedem ebenfalls PR lesender Kumpel und ich dachten bei einem Bier darüber nach. "Stell dir nur mal vor, Rhodan wäre Realität und du ständest vor den Beiden. Stell dir vor, sie wären aus unserem Freundeskreis und du wüsstest, was da passiert", sagten wir uns und würden es eigentlich gar nicht wissen wollen.

Uns wäre seinerzeit ein würdiges selbstbestimmtes Ende für unsere Freundinnen wichtig gewesen. Das war hier genauso und es wurde richtig gelöst, wenn es denn schon sein musste. MS hatte ihnen einen würdigen Abschied gewährt.

Zu Beginn beschreibt sie die Situation der zwei Frauen aus der Sicht Dao's, die eine Art Totenwache hält, obwohl Jennifer und Irmina noch leben. Aber das Ende wird absehbar, das Älterwerden beider beschreibt sie ziemlich detailliert. Ebenso die Funktionsweise eines Zellaktivators und sie klärt den unbedarften Nicht ZA - Träger darüber auf, warum es nicht so einfach ist, wenn sich zwei Personen einen ZA teilen.

Nach der bedrückenden Einführung läuft der Roman während der Handlung auf Lockvorth immer wieder in Gefahr, ins Banale abzugleiten, was dem Thema nicht gerecht geworden wäre. Aber diese Klippen konnte sie immer wieder umschiffen und letztlich gingen die zwei Frauen ohne großartige Abschiedsszenen. Gut so! Denn das wäre wirklich banal gewesen und hätte fatal enden können.

Nach Waringers und Deightons Tod stand JT ohnehin damals als nächste auf meiner "Liste". Irgendwie hatte sie es als Figur und handelnde Person nie geschafft, in meine Nähe zu kommen. Ja, sie war die Ehefrau von Ronald Tekener. Das wars für mich aber auch. Mehr war sie nicht. Vermisst hatte ich sie nicht.

Aber man hatte ihr damals einen ordentlichen Abschied gewährt.
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Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

Beitrag von Richard »

Jennifer war "zuletzt" Bestandteil der Hybride, wie auch Demeter.
Demeter wurde mit ein paar Sätzen entsorgt. Bei Jennifer und Irmina dauerte es etwas länger.
Bei Jennifer dachte ich mir, dass sie nie wirklich aus den Schatten von Tek rauskam. Irmina hingegen war mE "gerade erst" im Zuge der Vironautenabenteuer richtig "aufgeblüht" und insofern fand ich ihren Tod schon auch aus der Hinsicht bedauerlich.. Man hätte zB mehr aus der angedeuteten Romanze zwischen Bully und Irmina machen können.
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Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

Beitrag von RBB »

Richard hat geschrieben: 03.08.2025, 19:04 Irmina hingegen war mE "gerade erst" im Zuge der Vironautenabenteuer richtig "aufgeblüht" und insofern fand ich ihren Tod schon auch aus der Hinsicht bedauerlich.. Man hätte zB mehr aus der angedeuteten Romanze zwischen Bully und Irmina machen können.
Ja, das sehe ich genauso. Im Gegensatz zu ihrer Leidensgefährtin war Irmina eher präsent und als handelnde Person aktiv. Ihr letztes Stück Weg hatte man ja nun ziemlich deutlich dokumentiert. Was mich an der Sache nur nervte und immer noch stört, ist die Tatsache, dass sie ihren ZA einfach so auf dem Tisch in ihrer Kabine liegengelassen hatte. Es waren weniger ihre Versuche, an sich selber auszuprobieren, wie weit ihre Fähigkeiten reichten. Das sehe ich als normales Verhalten an.

Aber ein Gerät wie einen ZA einfach so in der Kabine zu lassen, ist schon die höhere Hohlhirnigkeit. Zumal zu diesem Zeitpunkt schon bekannt war, dass ein ZA-Klau herumläuft und nicht identifizierbar ist.

Merke: Früher war auch nicht alles besser.
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Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

Beitrag von Richard »

Naja, es war jetzt (soweit ich mich an die Szene richtig erinnere) nicht so, dass der ZA jetzt offen in ihrer Kabine rumlag....

Aber für ein Wesen, das problemlos in Raumstationen / Raumschiffen eindringen kann war nun eine verschlossene Kabine auch kein Problem mehr.
Ich hatte da eher eine Art Inkarnation/Abgesandten einer höheren Macht als ZA Dieb erwartet. Doch wie sich später rausstellte war das jetzt nicht der Fall.
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Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

Beitrag von RBB »

Richard hat geschrieben: 05.08.2025, 08:33 Aber für ein Wesen, das problemlos in Raumstationen / Raumschiffen eindringen kann war nun eine verschlossene Kabine auch kein Problem mehr.
Ich hatte da eher eine Art Inkarnation/Abgesandten einer höheren Macht als ZA Dieb erwartet. Doch wie sich später rausstellte war das jetzt nicht der Fall.
Auch hier gebe ich dir Recht. Ein Grund mehr, etwas so Wertvolles wie einen ZA nicht einfach so in der Kabine zu lassen (egal, ob Wohnzimmertisch, im Kleiderschrank oder einem Tresor).

Von den Dingern waren schon zwei geklaut worden und das war bekannt. In solchen Situationen geht sollte man m E. anders mit derart Wichtigem umgehen.

Das hätte man besser regeln können, aber die "Bereinigungsaktion" (scheußliches Wort, ich weiß) unter den Unsterblichen kam eben erst in die,Gänge und musste durchgezogen werden.

:unsure:
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Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

Beitrag von RBB »

Band 1479 - Prophet des Todes - ist von H. G. Francis, erschienen am 27. Dezember 1989
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Selbstverständlich wusste sie, dass Homer G. Adams kein Adonis war. Aber vor ihrem geistigen Auge hatte immer jemand ganz anderes gestanden als dieser kleine, krumm gehende Mann. Der viel zu große Schädel passte zudem nicht auf die buckligen Schultern. Aber, und das war Lee natürlich klar, Adams war der älteste lebende Terraner.

Tifflor zählte nicht. Der war nach seiner Millionen - Jahr - Wanderung zwar noch älter, aber irgendwann in einem Parallel - Universum oder etwas Ähnlichem verschwunden. Und so wie es aussieht, ist er nach Atlan der zweitälteste Humanoide der ganzen Milchstraße, ging ihr durch den Kopf.

Adams sah sie an und sagte: "Da bin ich mir aber nicht unbedingt sicher. Bei Rhodan und Co weiß man nie, ob die nicht wann auch immer jemanden ausgraben, der menschlich und älter ist als ich."

Lee sah ihn entgeistert an. Woher weiß der, was ich gedacht habe?

"Mach dir keine Gedanken", fuhr Homer Gershwin Adams fort. "So gut wie alle Leute denken das gleiche, wenn sie mich zum ersten Mal sehen. Und ja, ich könnte mich operieren lassen. Und nein, ich tu's nicht. Ich bleibe so, wie ich bin. Auch wenn man mir in dieser Beziehung Sturheit nachsagt. Ich habe eine besondere Beziehung zu Geld, trinke gerne Earl Grey, guten Kaffee und ein möglichst noch besseres Porter Bier und keinesfalls diese Plörre, die dieser Kerl hier mir andichten will."

Dabei hatte er auf Gucky gezeigt.

"Aktives Agieren ist nicht so ganz meins, ich bleibe lieber im Hintergrund und ziehe von da aus meine Fäden. Die Geschichte mit den WIDDERN war ein besonderes Kapitel, aber auch da wusste kaum einer, wer dieser ominöse Romulus denn wirklich war. Nein, hoch im Lichte dürfen die anderen stehen", schloss er seine Vorstellung ab. Danach gab er zuerst Lee und folgend John die Hand; dabei verbeugte er sich höflich. Die Begrüßung von Reginald Bull und Gucky fiel etwas herzlicher aus. Atlan hatte sich als in Sachen Arkon unabkömmlich entschuldigt und war auf Arkon 1 verblieben.

Sie waren hier in Trade City auf Olymp, einem der Wirtschaftszentren der Milchstraße. Bull war der Meinung gewesen, es könne nichts schaden, im Leben auch mal etwas über Geld gehört zu haben, allemal, wenn man sich einbilde, demnächst Regierungsgeschäfte übernehmen zu wollen. Viel zu viele Regierende, Anwesende selbstverständlich ausgeschlossen, hätten viel zuviel Blödsinn mit den Moneten angestellt, anstatt vorher nachzudenken, argumentierte er. Und so standen sie vor einer Wand in dem riesigen "Geld-Museum", wie Bull es nannte und betrachteten die verschiedenen Solar Münzen und Scheine aus der Vergangenheit.

Die Naturwunder der Galaxis und faszinierende Planeten wie die Kristallwelt von Arkon 1 waren inzwischen dem schnöden Mammon gewichen, wie Gucky sich ausgedrückt hatte. Und wer, so der Ilt weiter, könne besser über Geld reden, als Homer, der immerhin wegen zwielichtiger Finanztransaktionen seinerzeit zu zwanzig Jahren Knast verurteilt worden war. Auch wenn das schon was länger her sei. Der Kerl kenne eben beide Seiten. Verlernt habe er nichts. Immer dann, wenn in terranischen Regierung finanzielle Not vorgeherrscht habe, wäre man zuerst zu Homer G. Adams gegangen. Der hätte mit Sicherheit irgendwo noch einen Geldspeicher voller Goldstücke oder Hyperkristallen gehabt. Den anzuzapfen wäre einfacher gewesen als Steuern zu erhöhen.

"Wobei keiner so genau weiß", eröffnete Gucky mit erhobenem Zeigefinger seinem Publikum, "wo er das Geld herhat. Und ich bin mir sicher, dass das auch keiner so genau wissen will. Tatsache ist, wenn euch einer was zu diesem Thema erklären kann, dann Homer."

Der Bucklige sah Lee interessiert an. "Ich habe gehört, du bist in Sachen Cantaro - Historie unterwegs", sagte er. "Was machst du mit alle dem, wenn du fertig bist?"

"Es wird eine Dokumentation geben. Den Titel habe ich schon. Sie wird „Das Cantaro Problem“ heißen und ich plane größtmöglichen Vertrieb."

"Nun", erwiderte Adams. "Wenn Atlan, Bully und Gucky dabei sind, kann das ja nur gut werden." Er sprach etwas unverständliches in seinen Chrono und fragte: "Angenommen, das Ding wird ein Erfolg. Was machst du mit dem Geld?"

Er sah sie wieder voller Interesse an.

Lee war so viel Aufmerksamkeit von hoher Stelle peinlich. An die anderen Drei hatten John und sie sich inzwischen gewöhnt. Tolot hatten sie kennengelernt und jetzt stand der nächste aus dieser Gilde vor ihnen.

"Ich möchte Kinder in jeder Art von Not fördern. Egal, ob sie misshandelt oder missbraucht wurden oder in großer wirtschaftlicher Not leben. Nach dem Ende meiner Rundreise werde ich eine gemeinnützige Stiftung nach heimischem Gesetz gründen und dieser die Rechte an der Dokumentation übertragen. Alles, was reinkommt, geht an die Stiftung und wird dem dann satzungsgemäßen Verwendungszweck zugeführt."

Adams nickte. "Damit rennst du bei mir offene Türen ein, denn eigentlich dürfte es so etwas heutzutage nicht mehr geben. Dummerweise aber nur eigentlich. Ich habe dir auf jeden Fall grade eine private Kennung zukommen lassen, unter der du mich erreichen kannst, wenn es soweit ist. Du wirst in jeder Beziehung Hilfe brauchen. Mal sehen, was ich dann für dich tun kann."

Lee war begeistert und strahlte ihren John an. "Jetzt musst du nur noch die Wahl gewinnen und Newengland für die Wirklichkeit öffnen. Dann können wir loslegen."

"Okay. Dann legen wir los!" donnerte eine Stimme durch den Raum.

Lee sah zuerst niemanden, dem diese Stimme gehören könnte. Dann erblickte sie in dem rechts liegenden Regal neben der 50 Solar - Münze aus Osmium jemanden in einem Sessel sitzen. Die Person war weiblich, grünhäutig und nicht viel größer als 12 Zentimeter. Eine Siganesin, dachte sie und sagte: "Oh! Entschuldigung. Ich habe dich gar nicht gesehen!"

"Darf ich vorstellen?" fragte Homer G. Adams. "Tarota Danger von Siga. Sie hat einen Doktortitel in siganesischer Geschichte mit den Spezialgebieten Cantaro nebst Dunkler Jahrhunderte. Ich dachte, sie könnte für euch ganz nützlich sein."

"Danger?" fragte Gucky.

"Danger!" antwortete Tarota. "Ja. Der legendäre Lemy Danger ist einer meiner Vorfahren."

"Nun gut", meinte der Ilt. "Dann kann ja nichts schief gehen."

Adams ergänzte: "Ich bin soweit im Bilde, was den Stand der Dinge in eurer Geschichte angeht. Das ist auch der Grund, warum Tarota hier ist. Die Cantaro - Zeit beinhaltete einer der dunkelsten Kapitel in der Geschichte Sigas. Und wer kann hier besser berichten, als eine absolute Kennerin der damaligen Zeit?"

Die Siganesin regulierte ihren Stimmenverstärker auf ein Normalmaß. Es folgte die allgemeine Begrüßung, anschließend platzierte der Trupp sich in einer Ecke des Museums - Restaurants.


Spoiler
Die Siganesin Tarota Danger erzählt die Geschichte von Propheten des Todes:

Wir sind in einem der dunkelsten Kapitel der Geschichte unseres Volkes. Die siganesische Zivilisation kam ihrem Ende immer näher. Aber wie es öfters in der Historie vieler Völker festzustellen ist, findet sich ausgerechnet dann jemand ein, der zum Nationalhelden wird. Einen dieser Helden stelle ich euch heute vor: Ich rede von Donan Cruish.

Und es sah so aus, als wäre er tot. Chancenlos gegen die angreifende Space-Jet wurde er augenscheinlich mitsamt dem Felsbrocken, in dessen Ritze er sich verzogen hatte, geschmolzen. Gegen die Gluthitze hatte er keine Chance gehabt. Die Spalte war zu seinem Grab geworden.

Seine Kameradin, die junge Clare Thou, war entsetzt. Die Jet konzentrierte sich jetzt natürlich auf sie und sie sah ihren Tod ebenso vor Augen. Plötzlich war da ein Wasserfall, hinter dem sie sich in Sicherheit bringen konnte. Die Jet verschwand, Clare war damit aber nicht geholfen. Durch die Wucht des Wassers verlor sie ihr Gleichgewicht und fand sich in einem Becken mit gewaltiger, kreisförmiger Strömung wieder. Sie geriet in einen Strudel, der sie abwärts trug. Die Luft wurde knapp, der Druck, atmen zu müssen wurde übermächtig und ihr war in dem Moment klar, dass sie es nicht schaffen würde. Sie atmete ein und verlor das Bewusstsein.

Umso überraschter war sie, als sie auf einmal ein Licht bemerkte und die Augen öffnen konnte. Sie befand sich in einer Felsenhöhle und sah in das faltige Gesicht einer steinalten Frau, die sich als Dorta Mara vorstellte.

Dorta Mara. ging es Clare durch den Kopf, sie ist ein Legende und der allgemeine Meinung nach lebt sie in irgendwelchen Höhlen als Geist. Naja, das mit den Höhlen stimmt ja schon mal. Dorta wusste um diese Geschichten und antwortete, sie sei mitnichten ein Gespenst und wolle jetzt wissen, wieso Clare auf die dusselige Idee gekommen sei, den Wasserfall herunter zuschwimmen.

Clare berichtete, sie sei mit Donan Cruish unterwegs gewesen, um die Klonfabrik am Südpol auszuspionieren. Man habe eine Robotsonde aussetzen wollen und sei dabei von einer Space-Jet entdeckt worden. Das habe dann zu ihrer Trennung und zum Tod ihres Mitstreiters geführt. Wäre sie bei Donan geblieben, sei sie jetzt ebenfalls nicht mehr unter den Lebenden.

Die Alte fuhr erschrocken auf. Sie konnte nicht glauben, dass Donan tot war und wollte sich selber davon überzeugen. Clare war nach vier Tagen Bewusstlosigkeit der Meinung, sie habe lange genug hier herumgelegen und stand ebenfalls auf. Gerüchteweise ist Dorta Mara vor dem Jahr 440 geboren, dann ist sie jetzt im Jahr 1146 über 700 Jahre alt, dachte sie und ihr war klar, dass sie vor einer Art lebendem Geschichtsbuch stand. Eine solches Alter war für heutige Menschen unvorstellbar. Auf Siga wurde aktuell niemand älter als 250 Jahre.

Das hatten sie den Cantaro zu verdanken, wusste Clare. Es war bekannt, dass im Jahr 452 ein Raumschiff der Cantaro irgendwelche Experimente an Gladors Stern durchführte und um den Dreh herum eine Sonde zur Beobachtung ausgesetzt hatte. Der Zweck blieb unklar und kurz darauf kam Donan Cruish ins Spiel. Sein Alter betrug damals 38 Jahre und er erklärte vor Forschung und Politik, dass es erwiesen sei, dass die Experimente führen würden, dass das erreichbar Alter für Siganesen drastisch sinken werde. Von ca. 900 Jahren auf maximal 250 Jahre.

Der Schrumpfungsprozess sei zudem beendet und die Größe pendele sich bei ungefähr 11 Zentimetern ein. Natürlich lachte man ihn von offizieller Seite her aus. Die Bevölkerung sah das anders und nach der nächsten Information von Donan kam zu einer Art Massenhysterie. Er hatte im Jahr 499 die Landung eines offensichtlich genmanipulierten Siganesen beobachtet und vor einer Unterwanderung der siganesischen Menschheit gewarnt.

Letztlich führte das zu einer Anklage wegen Landesverrats, von der er allerdings freigesprochen wurde. Der Prozess machte ihn für einige Zeit psychisch kaputt und führte bei ihm zu einer Einstellung jeglichen öffentlichen Engagements. Die Sonde blieb.

Einige Städte verschwanden in Folge unter einem Ortungsschutz, andere wurde teilweise evakuiert. Die nicht geschützten Wohnorte wurden 521 von fremden Angreifern vernichtet, das Leben auf Siga wurde immer schwerer und komplizierter. 599 wollte Donan Cruish ins Solsystem, kam aber nicht hinein. Dafür erfuhr er, dass Perry Rhodan angeblich verstorben war.

Auf Siga war inzwischen der Teufel los. Eine rechtsgerichtete Diktatur hatte die Macht übernommen und strickte ihre eigenen Wahrheiten. So zum Beispiel wäre die Ara - Station am Südpol keinesfalls als gefährlich anzusehen. Weil Cruish immer weiter warnte, dann zudem im Untergrund gegen die Regierung tätig war, wurde er zu 50 Jahren Haft verurteilt, die nach Ablauf prompt um weitere 50 Jahre verlängert wurde. Zum Glück konnte er 653 aus seinem Gefängnis ausbrechen und für die Öffentlichkeit verschwinden.

Der Kampf ging weiter. 793 schafften es Cruish und seine Verbündeten, die Ara - Station zu vernichten. Donan Cruish, der zwischenzeitlich zum WIDDER geworden war, kam 902 zu seiner Heimatwelt zurück. Nach einigem Durcheinander hatte er die Diktatur beendet und wurde selbst zum Staatspräsidenten ernannt. Für die Cantaro war das ein schlechtes Zeichen: Alle Siganesen traten der Organisation WIDDER bei. Einer von ihnen hatte damals eine Idee gehabt: Er erinnerte sich an die Paladin Roboter früherer Tage. Da kam ihnen ein gehirntoter Cantaro grade richtig und sie bauten ihn entsprechend um.

Vielleicht hätten sie es besser bleiben gelassen, dachte Clare. Denn sein Einsatz hätte fast zum kompletten Ende der siganesischen Zivilisation geführt. Natürlich hatten die Aras wieder eine neue Station am Südpol gebaut. Und ebenso natürlich drangen Cruish und seine Leute mitsamt dem Paladin dort ein. Sie stießen auf Klon - Siganesen, 45 Zentimeter große Giganten, die sofort mit Angriffen auf die Bevölkerung begannen. Die Kämpfe gingen so lange weiter, bis nur noch etwa 300 Siganesen übrigblieben. Ja. Ihr habt richtig gehört. Ganze dreihundert. Furchtbar.

Das war im Juli 1146.

Und Donan Cruish? Der schon so oft Totgesagte lebte natürlich noch. Sie fanden ihn an einem anderen Ende der Höhle auf dem Bauch liegend ausgestreckt. Er war mittelschwer verletzt und hatte unter den Entbehrungen mehr gelitten, als er zugeben wollte. Als er wieder munter war, wollte er natürlich umgehend zum Südpol. Und Dorta Mara, seine alte Weggefährtin, begleitete ihn selbstverständlich. Clare Thou, die junge Siganesin, "durfte" in der Höhle bleiben. Eine Person musste schließlich auf das geschichtliche Vermächtnis aufpassen.

Die beiden alten Kämpen stiegen in den Paladin, dabei begaben sie sich erneut in Richtung ihres angepeilten Zieles. Und erneut hatten sie Pech: Der mittlerweile auf Siga gelandete Cantaro Darshool stellte fest, dass der als Artgenosse verkleidete Paladin eine Fälschung war. Der Ortonator, ein Modul für das Kontrollfunknetz, fehlte dem Roboter natürlich. Der Paladin wurde vernichtet. Die letzten paar hundert unseres Volkes wurden von einem vermeintlich verbündeten Klon - Siganesen verraten und anschließend nach Maahkora, einem Botschaftsplaneten der Maahks, verschleppt. Kurz vor dem Abflug wurde die Klon - Station von Sprengstoff, der im Inneren des Paladins verborgen war, vernichtet.

Und Reginald Bull, der mit seiner CIMARRON eigentlich zur Unterstützung nach Siga geflogen war, musste sich der Übermacht von zwölf Cantaro - Schiffen beugen und flog zurück nach Heleios.




"Das hätte das Ende unseres stolzen Volkes sein können", schloss Tarota Danger ihre Erzählung ab.

"Wieviel Millionen Tote hatten ihr denn zu beklagen?" Lee war entsetzt und auch John war kreidebleich geworden. "Nein, ich glaube, ich will es gar nicht wissen. Je weiter die Geschichte fortschreitet, desto größer wird die Katastrophe. Verursacht durch die Hybris, eine komplette Galaxis in ein anderes Universum zu transportieren. Ich muss hiermit an die Öffentlichkeit gehen. So etwas darf nie wieder passieren. Hätte ich vorher gewusst, was hier auf mich zukommt, weiß ich nicht, ob ich mich hierauf eingelassen hätte."

"Das glaube ich dir", äußerte sich die Siganesin. "Wenn du auf unseren Universitäten Geschichte mit Schwerpunkt Siga studierst, gibt es zwei grobe Richtungen. Die eine nennt bei der Cantaro - Katastrophe zwar Ross, Reiter und Zahlen, geht aber nicht allzu sehr in die Tiefe. Die zweite schon. Die ist so detailliert, dass du vorher auf deine Psyche hin untersucht wirst. Denn es besteht die Gefahr, dass du aus deinen Forschungen nicht mehr heil herauskommst. Ich hatte mich für die zweite Variante entschieden und es hat sehr lange gedauert, bis die Albträume wieder weg waren.

Letztlich hat mir eine junge Psychologin geholfen. Auf die bin ich gekommen, weil in den einschlägigen Veröffentlichungen nur ihr Name genannt war. Weder ihre Herkunft noch der Ort ihrer Tätigkeit stand da. Ich bin irgendwann dahintergekommen, dass sie von einem Hinterwäldlerplaneten kommen soll, der aus ich weiß nicht welchem Grund sämtliche Kontakte zum Rest der Milchstraße vermeidet. Aber dieser Frau bin ich bis ans Ende meiner Tage dankbar. Sie hat es geschafft, mich wieder auf die Füße zu stellen. "

Lee wurde noch ein bisschen blasser. Damit war eindeutig sie gemeint. Sie hatte sich nach dem Erlangen ihres Doktortitels auf einer Plattform registrieren lassen, aber aus gutem Grund nicht dabei geschrieben, wo sie denn zu finden sei. Direkt nach der Eröffnung ihrer Praxis kam tatsächlich - total altmodisch - mittels einer Transmitter - Depesche eine Anfrage an. Die ganze Sache hatte sich dementsprechend länger hingezogen und nach etlicher Zeit kam ein riesengroßes Dankeschön bei ihr an.

Sie sah Tarota an. "Ich glaube, das war ich", meinte sie zögernd. "Es passt alles."

Die Siganesin erhob sich aus ihrem Sitzmöbel, ging einmal quer über den Tisch und bleib vor Lee stehen. Sie sah ihr ernst ins Gesicht, verbeugte sich und erklärte: "Es ist mir eine große Ehre, dich persönlich kennenzulernen und dir hiermit nochmals meinen Dank übermitteln zu können."

Das war jetzt eine der Situationen, auf die Lee nicht vorbereitet war und tatsächlich nicht wusste, wie sie reagieren sollte. Dann nickte sie Tarota zu und sagte: "Jedes Wesen ist in seiner Position wichtig. Wir brauchen Menschen wie dich, um auch heute noch aufzeigen zu können, zu welchen unaussprechlichen Perversionen Kriege führen können. Da war es mir eine große Freude, jemandem wir dir helfen zu dürfen. Und mir geht es genauso wie dir. Es ist mir ebenfalls eine große Ehre."

Sie sah sich um. Dieses Aufeinandertreffen hatte doch jemand arrangiert, da konnte man ihr jetzt erzählen, was man wollte. Sie sah sich die Riege der Unsterblichen an. Sogar Atlan war indirekt dabei gewesen, er war über einen virtuellen Bildschirm mit an Tisch anwesend, wie sie eben erst bemerkt hatte. Er hatte die Schilderung aus dem Mund einer ausgebildeten Spezialistin nicht verpassen wollen.

Ihr Blick ging von einem zum nächsten. Alle hatten sie einen derart total unschuldigen Blick drauf, dass Unbeteiligte nie vermutet hätten, dass ihre Gegenüber es faustdick hinter den Ohren hatten.

"Man sollte euch allesamt den Hosenboden strammziehen. Nein Gucky, ich brauche deinen Kulleraugenblick überhaupt nicht, du bist für mich der erste Verdächtige. Gibt es zu dieser Geschichte eigentlich noch etwas positives zu vermelden?"

"Ja", sagte Reginald Bull dazu. "Zurück auf Heleios hatte Icho Tolot neue Daten des Kontrollfunknetzes geliefert. Sato Ambush unterbrach die Untersuchungen an dem Memowürfel von Lockvorth und wollte zusammen mit unserem halutischen Freund bis zum nächsten Jahr ein Aggregat zur Beeinflussung des Funknetzes bauen. Damit hätten wir die Cantaro am Wickel."

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H.G. Francis war für mich nach all der Zeit zu einem unbeschriebenen Blatt geworden, das muss ich ja zugeben. Mittlerweile steht hier aber mehr vermerkt als nur der Name. Und hauptsächlich sind das positive Anmerkungen meinerseits.

Er hatte die schwierige Aufgabe, der Leserschaft zu erklären, warum es zur Handlungszeit nur noch 300 Siganesen gab. Wie viele waren es vorher? Millionen zumindest. Eher Milliarden. Alle tot. Ausgerottet. Das kann man in barbarischer Art beschreiben, so dass man danach tatsächlich schlecht träumt oder man kann es so machen wie er.

Zu Beginn sind wir in einer Zwei - Personenhandlung. Eine der beiden Frauen ist eine uralte Sagenfigur, die sich plötzlich als lebendig entpuppt. Die andere ist sehr jung und aktiv im Kampf gegen die Besatzer. Beide lernen sich nach der Rettungsaktion kennen und wir erfahren die Geschichte Sigas im erzählerischen Rückblick. Das Entsetzliche wird darin auch genannt, aber in der Gesamthandlung nur am Rande gestreift.

Dann taucht eine weitere Sagenfigur auf und es bleibt bei dem Zweipersonenstück, nur eben jetzt ohne die junge Siganesin. Letztere wird ihre Rolle als eine Art Bewahrerin der Geschichte zu spielen haben. Die beiden Senioren gehen nochmal auf Jagd, überleben nicht, sorgen aber dafür, dass die Klonerzeugung auf Siga ein Ende hat.

Reginald Bull erscheint als Zaungast, spielt aber nicht wirklich mit. Gegen Ende stimmt uns das Duo Tolot - Ambush positiv.

Alte Zyklen zu lesen sind für mich hochinteressante Begegnungen mit den früheren Autoren. Die hier hat sich als sehr gut entpuppt.
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Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

Beitrag von RBB »

Band 1480 - Die Verbannten von Maahkora - ist von Arndt Ellmer, erschienen am 2. Januar 1990
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Es gibt Dinge, die ändern sich nie! dachte Lee, als sie das kleine grüne Tütchen in der Hand hielt und überlegte, ob sie es aufreißen sollte. Die Erfindung von diesem Zeug soll dreieinhalbtausend Jahre her sein und etwas wirklich Besseres hat man in all dieser Zeit nicht wirklich gefunden.

Sie war froh, dieses Mal so grade noch zum richtigen Zeitpunkt den Absprung gefunden zu haben. Natürlich hätte sie sich auch wieder eine Spritze geben lassen können, wie damals an dem Bach nach der durchzechten Nacht im Singenden Ochsen. Aber diese Spritzen waren nicht so ganz ohne. Da Lee ein ziemliches Misstrauen gegen derartige Ruck-Zuck Mittel hatte, gab es nun mal nur zwei Möglichkeiten: Weniger trinken oder früher gehen.

Sie hatten sich gestern noch in lockerer Runde in eine Kneipe namens "Zum klingelnden Geldbeutel" begeben. Bully hatte eine Weile über das Bier gemosert und war zu Mineralwasser und einem Whisky - ähnlichen Destillat aus dem nördlichsten Kontinent Olymps namens Walkork übergegangen.

"Das Besondere hieran ist", dozierte er, als er das erste Glas in der Hand hielt, "die Basis auf einem nur auf Walkork gedeihenden Sommergetreide. Es wird gemälzt, dabei zum Keimen gebracht und danach gedarrt. Das Darren wird hier auf Olymp natürlich nicht mit Torf oder ähnlichem vorgenommen, sondern mit getrockneten Sommerkräutern, die selbstredend ebenfalls aus Walkork stammen müssen. Das Getreide wird von den Keimen befreit, zu Schrot zermahlen und danach mit heißem Wasser vermischt, um diverse Zuckerarten entstehen zu lassen. Das so entstandene klebrige Zeug wird mit Hefe versetzt, bei dieser Gärung entstehen ca. 5 - 8 Prozent Alkohol. Je länger die Gärung bzw. je gehaltvoller das zum Darren verwendete pflanzliche Material, desto geschmacksintensiver wird das spätere Ergebnis. Danach wird das Zeug destilliert, der größte Teil des Wassers entfernt und so der Alkoholgehalt erhöht. Dann muss man es noch ein paar Jahre gut in zumeist ausgedienten Wein-, Sherry- oder Brandyfässern lagern und schon hat man ein überaus wohlschmeckendes Getränk."

Er zog den aromatischen Duft aus den Nosing - Glas ein. "Wer das hier nicht mag, wird von mir übrigens als absoluter Barbar bezeichnet", beendete er seinen Vortrag.

Lee nahm sich nach einem fragenden Blick auf Bully das Glas, roch vorsichtig daran und stellte es sofort wieder ab. "Das riecht nach frisch ausgegrabener Moorleiche. Wie kann man sowas nur trinken?" fragte sie entsetzt.

"Der Dicke schüttet eben alles in sich rein, was Alkohol beinhaltet", erklärte Gucky. "Das hier ist noch harmlos. Du hättest ihn früher mal in den Kneipen neben den Raumhäfen erleben sollen."

In dieser Art gingen die Gespräche weiter, bis Lee irgendwann mal ihren Draht zu der Siganesin entdeckte. Die beiden amüsierten sich köstlich. "Sieh sie dir an", meinte Bull. "Wie die Hühner..."

Was natürlich umgehend wieder zu einem Lachanfall führte. Als die beiden Frauen dann anfingen, sich über Männer zu amüsieren, leerte sich der Tisch langsam. Später kam leider irgendwann kam der Punkt, an dem sie aufhören mussten, sonst hätte es ganz schlimm geendet.

Sie rührte das weiße Pulver in dem Wasserglas um und trank die Mischung. Das sollte für heute reichen. Zu Hause gibt es dann erstmal drei Wochen keinen Alkohol, dachte sie und begab sich zusammen mit John zum Frühstücksraum, wo die anderen an dem Achter - Tisch hinten links schon warteten. Sie aßen alle mit großem Appetit und Gucky fragte nach dem Genuss zweier Möhren und einiger hellblauer hiesiger Spargelspitzen: "Jetzt folgt der monetären Lehre zweiter Teil oder gibt's vorher noch ein Kapitelchen zu hören? Jetzt, wo der edle Romulus mit uns am Tisch sitzt?"

Die Augen wandten sich alle in Richtung Homer G. Adams, der seufzend sagte: "Da bleibt mir wohl nichts anderes übrig."

"Die Haluter forschten. Sato Ambush forschte. Atlan war da unterwegs, wo alles auf verlorenem Posten stand. Und Perry Rhodan war verschwunden", begann er.


Spoiler
Homer G. Adams erzählt die Geschichte der Verbannten von Maahkora:

Die Mattenwillys hatten eine Idee. Sie waren völlig überzeugt davon, aber Mattenwillys genossen nun mal nicht den Ruf, Weltbewegendes zu fabrizieren. Zumal man auf Heleios besseres zu tun hatte, als ausgerechnet diesen Posbi-Pflegern zuzuhören. Die Fladenwesen waren enttäuscht, zumal sie ihren obersten Ideenentwickler Reddeldich für ein Genie hielten.

Die Mattenwillys waren in der BOX-17411 zusammen mit der HALUTA im Seriphos-System erschienen und das Schiff hing in einem festen Orbit. Die Amöbenähnlichen diskutierten und es gab ein Riesendurcheinander, bis man sich endlich einig war. Niemand durfte etwas von ihrem Plan erfahren. Kein Posbi, kein Haluter. Die anderen schon gar nicht, weil die nicht mit ihnen reden wollten. Als mussten sie abwarten, bis sie wann auch immer im Einsatzgebiet ankämen und dann würden sie tätig werden. Und Perry Rhodan höchst daselbst würde ihnen danken.


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Nun, wir hatten auf Heleios wirklich genug zu tun. Mattenwillys störten da nur. Katastrophen überall, langsam aber sicher bekamen wir das Gefühl, auf verlorenem Posten zu stehen. Zumal Perry mal wieder weg war.

---
Zum gleichen Zeitpunkt starb auf Maahkora ein Gefangener. Die Cantaro hatten auf der Suche nach Informationen 10.000 Volt durch ihn gejagt und kein normaler Mensch hätte das wohl nicht überlebt. Der arme Teufel war aber kein normaler Mensch, wenn ich das mal so ausdrücken darf. Er war ein Überschwerer, einer von den 4.000 Gefangenen auf Maahkora. Der so Gefolterte wollte sich losreißen, indes, es nützte nichts. Er wurde zerstrahlt. Er verdampfte einfach.

Seinen Kameraden war klar, dass sie hier die reine Bosheit der Cantaro erlebten. Sie spielten Götter und geboten über Leben und Tod, eingesperrt, wie sie hier waren. Maahkora war nicht irgendeine Gefängniswelt. Giftige Atmosphäre, unerträgliche Temperaturen, eben eine Welt für die Methans, wie Atlan sie früher genannt hatte. Eine Welt, auf der sich Maahks wohlgefühlt hätten. Sauerstoffatmer starben sofort, wenn sie die schützende Umgebung verließen.

Maahkora war die frühere Botschaftswelt der Maahks in der Milchstraße. Daher hatten die Cantaro diesen Planeten als die ideale Gefängniswelt auserkoren. Die Station war durch Schutzschirme gesichert, um sie herum tobten Methanstürme. Die Schwerkraft wurde durch Neutralisatoren von 2,23g auf 1g gesenkt, was aber nichts daran änderte, dass auf diesem 168.000 Kilometer durchmessenden Planeten eine Durchschnittstemperatur von minus 103 Grad Celsius herrschte. Circa 4.000 Häftlingen war klar, dass sie hier bis zum bitteren Ende bleiben würden, wenn kein Wunder geschah. Eine Flucht hätte den sicheren Tod bedeutet.

Immer wieder landeten Raumschiffe, die neue Wesen ausspuckten, die zu ihnen in die Station geführt wurden. Diesmal war es eine Ladung Blues, die seltsamerweise von einem hellhäutigen Terraner begleitet wurden. Einer der Gefangenen mit Namen Callagher fragte den Neuankömmling, wer er sei.

"Robbery" sagte dieser. Er sei Fluchthelfer. Damit war klar, dass er ein Widder war. Callagher kam vom Mars und er war sich sicher, dass er es mit einem echten Erdenmenschen zu tun hatte. Das fleischige Gesicht des Neuen passte so gar nicht zu dem hageren und dennoch durchtrainierten Körper. Ein Terraner als Fluchthelfer der Blues, dachte Gallagher, irgendwas stimmt mit dem nicht.

Der Kerl habe Augen, die alles durchblicken, sagte eine alter Frau, als sie Robbery betrachtete. Sie hielt ihn aber für vertrauenswürdig. Robbery wusste um das Misstrauen der anderen, erfuhr und erlebte dabei, wie die Cantaro mit den Gefangenen umgingen. Wenn man nicht so spurte, wie sie wollten, wurde man von den Cantaro durch die Schleusen ins Freie gejagt, um draußen gleichzeitig zu erfrieren und zu ersticken.

Unter den Cantaro war ein Neuer, Drenshoor mit Namen; er war gleichzeitig der Ranghöchste. Das Supremkommando hatte ihn beauftragt, die Gefangenen zu beobachten und deren Anführer herauszufiltern. So kam er relativ schnell auf diesen angeblichen Terraner, auch wenn auf dem Weg dahin ein Ara sein Leben lassen musste. Denn man fahndete seit Monaten nach einem echten Terraner, Michaelson mit Namen. Man hatte herausgefunden, dass es sich bei diesem Michaelson um einen der führenden Köpfe der WIDDER handelte. Gefunden hatte man ihn nicht. Drenshoor hatte sich trotzdem vorgenommen, sich näher mit dem Neuankömmling zu beschäftigen. Was er später auch ziemlich erfolglos tat.

Robbery war im Gespräch mit Callagher, dem Marsianer. Callagher war schwerst und unheilbar erkrankt und wollte zur Schleuse gebracht werden. Über seinen Tod wollte er selbst bestimmen, da brauchte er keine Cantaro zu, wie er sagte. Aber: Er hatte Robbery an einer Geste, die er in einem Gespräch mit jemand anderem gemacht hatte, erkannt. Er bat ihn, ihm noch seinen Namen zu verraten. Robbery beugte sich herab und flüsterte ihm etwas zu. Der Totkranke war danach überglücklich. "Du wirst den Leuten hier helfen können", sagte er, nannte einige Namen und informierte Robbery, dass es hier noch geheime Anlagen gab. Maahkora wäre nämlich mal eine Widder - Welt gewesen und deren Waffenlager und eine Funkstation existierten noch. Die Cantaro hätten sie nicht gefunden. Dann starb Callagher.

Natürlich fand unser Freund neue Gefährten, ebenso den geheimen Eingang zur Station. Man begab sich hinab, um zu prüfen, ob sich das Schmieden weiterer Pläne lohnen würde.
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Bei uns auf Heleios war ich trotz Zellaktivator am Ende meiner Kräfte. Aber was nützte es, wenn ich als Sinnbild des Widerstandes schlapp machte, würden die anderen ebenfalls zusammenbrechen. Denn richtig wach und munter war keiner von mehr uns. Bully war in Richtung Siga unterwegs, die Anoree waren mit Gucky und Tifflor in Richtung Perseus Black Hole geflogen, um zu überprüfen, ob die Schwarze Sternenstraße doch noch zu einem Weg in die Milchstraße umgebaut werden könnte. Immerhin standen in Andromeda 130.000 Schiffe der Posbis und der Haluter bereit, um hier einzugreifen. Wir benötigten sie unbedingt als Verstärkung, aber sie sollten keinesfalls mit dem Chronopuls- und dem Virenwall in Konflikt geraten. Atlan spielte Feuerwehrmann an Brennpunkten, an denen alles verloren schien. Einzig Roi Danton hatte seine Rückkehr angekündigt.

Und Sato Ambush? Der forschte zusammen mit Icho Tolot und zwei weiteren Halutern, ob man die 50 Millionen in der Milchstraße verteilten Sendesatelliten abschalten oder umdrehen konnte. So richtig weiter kamen sie nicht. Sie wussten zwar, dass man zur gezielten Beeinflussung der Kontrolle über die Cantaro bestimmte Impulsfolgen absenden musste; man hatte aber keine Ahnung, welche.

Dann kam Bully zurück und informierte uns über den fehlgeschlagenen Einsatz bei Gladors Stern. Die Siganesen wären Opfer ihrer eigenen Sturheit geworden, berichtete er. Aber er wusste von Drenshoor, einem Cantaro von ganz oben. Und der sollte unser Testopfer werden. Wir arbeiteten daran, einem Großtest mit einem SHF - Störfunksender durchführen und gleichzeitig den internierten Widdern zur Hilfe kommen. Irgendwas musste schließlich passieren. Denn Mike war mittlerweile angekommen und berichtete von einer großen Blues - Flotte, die von den Cantaro zusammengeschossen worden war.

Vielleicht wäre es besser gewesen, auf Reddeldich und seine Mattenwilly zu hören. Aber das tat man nicht. Noch nicht mal das Zentralplasma der BOX. Mattenwillys waren eben nur Mattenwillys. Aber sie waren der Meinung, es trotzdem zu schaffen.

Bully und Tolot waren derweil am Zielort angekommen und hatten zu ihrem großen Erstaunen eine Nachricht über Hyperfunk erhalten. Die stammte natürlich von Robbery aus dem Lager Maahkora. Man benötige schnellstmöglich Hilfe, hörten die erstaunten Freunde. Man entschied sich für eine kurze Antwort. Rom Acht. Jeder Widder wusste dann, dass sich acht WIDDER Schiffe in der Nähe befanden. Kurze Zeit später kam der nächste Funkspruch: Wir sind viertausend. Lasst uns noch zwei Tage Zeit, bis dahin sind wir bewaffnet. Die Cantaro wären im Moment nicht das Problem. Die hätten sich um ihren kranken Strategen Drenshoor zu kümmern.

Das war mal eine gute Nachricht: Der angekündigte SHF-Test war mit Sicherheit der Schuldige gewesen. Der Cantaro hatte wohl die superhochfrequente Hyperstrahlung nicht vertragen. Den Terraner freute es. Er konnte problemlos 100 Waffen aus dem Depot holen und verteilen.
Drenshoor wurde mit seiner Erkrankung immer wahnsinniger; er malte sich aus, wie er Gefangene in verstümmeltem Zustand in das Lager zurückschicken und dort sterben lassen wollte. Die Moral der Widder wäre dann wohl vernichtet. Zur Durchführung kam sein Plan nicht. Er merkte, wie es ihm immer schlechter ging und verlor schließlich das Bewusstsein.

Natürlich wurde er wieder wach, weil er seinen Lebensimpuls erhielt. Während die Kämpfe mit den bewaffneten Widdern aufgenommen wurden, waren die Mattenwillys soweit. Sie wollten in Trance die Impulse des Zentralplasmas verstärken oder ersetzen. Dass ihre Impulse von denen des Plasmas abwichen, merkten sie nicht. Irgendwann wurden sie wieder wach und waren der Meinung, ein Jahrtausendwerk vollbracht zu haben. Was sie natürlich nicht gemacht hatten. Sie hatten das Plasma an den Rand des Wahnsinns gebracht und eigentlich nur Unheil angerichtet, meinten die Wissenschaftler. Aber nur solange, bis der Nakk Varonzem die Steuerung des Vorgangs übernommen hatte. Kurze Zeit später kam die Meldung, dass die fünf Cantaro vor Ort zu Boden gegangen waren.

Und Drenshoor? Er wollte Robbery, den Terraner, unschädlich machen. Letztlich verging er in einer Explosion. Er hatte wohl den Todesimpuls erhalten. Warum auch immer. Die Gefangenen wurden befreit und so gab es für uns Widder endlich einmal positive Nachrichten.

Sato Ambush hatte zwar mit dem Einsatz des SHF-Senders einen Erfolg erzielt, war aber mit dem Ergebnis nicht zufrieden. Sicherlich, man hatte es geschafft, einzelne Cantaro eine Weile zu manipulieren. Aber Drenshoor hatte auf die letzten Sendungen nicht mehr angesprochen. Der Plan, über das Kontrollfunknetz alle Cantaro zu erreichen, war ohne das gesamte Zentralplasma nicht durchführbar. Das musste jetzt her.



"Wer war denn nun dieser ominöse Robbery?", fragte Lee.

"Oh!", meinte Homer G. Adams. "Habe ich das nicht erwähnt? Robbery war natürlich nicht sein echter Name. Er war einer der meistgesuchten Menschen der Milchstraße und musste einfach Maske machen. Einer seiner Kameraden vor Ort hatte plötzlich einen Lichtblick und riss Robbery die Bio - Maske herunter. Vor uns stand Perry Rhodan."

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Ein locker lesbarer Roman, in dem AE uns auf den aktuellen Stand der Dinge bringt. Nicht weltbewegend, aber keinesfalls schlecht.

Dass unser größter aller großen Meister mit von der Partie war, konnte man sich denken. Dieser seltsame Terraner in der Handlung hatte zwar ein anderes Gesicht und dunkle Haare, aber der Rest....

So war das Auftauchen Rhodans zum Ende hin außer für sein Umfeld nicht wirklich eine Überraschung. Zwanzig Bände vor Schluss wird der Weg klar: Das Zentralplasma muss zur Gänze zurück und dann geht die Post ab. Mit wirkungsvollen Maßnahmen rechne ich nicht vor Band 1496 oder noch später. Merke: Früher war auch nicht alles besser. Auch nicht anders. Doch. Dieser Zyklus scheint mal ganz ohne Superintelligenzen zu funktionieren.

Für AE's Band 1480 ein glatte drei.
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Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

Beitrag von Richard »

In meinen Augen war eines der zentralen Themen im Cantaro-Zyklus durchaus, wo denn ES ist, was mit ES passiert ist.
Und beim Ende dieses Zyklusses wird man erfahren, ob man es tatsächlich mit einem Zyklus ohne höhere kosmische Entitäten zu tun hatte oder nicht.
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Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

Beitrag von RBB »

Richard hat geschrieben: 10.08.2025, 14:34 In meinen Augen war eines der zentralen Themen im Cantaro-Zyklus durchaus, wo denn ES ist, was mit ES passiert ist.
Und beim Ende dieses Zyklusses wird man erfahren, ob man es tatsächlich mit einem Zyklus ohne höhere kosmische Entitäten zu tun hatte oder nicht.
Ja, stimmt genau. Die Frage, wo der alte Lachsack denn abgeblieben war, wenn man ihn denn mal brauchte, wurde öfters gestellt.

Bis jetzt hatte man aber davon abgesehen (Ursachenforschung mal außen vor gelassen) einen komplett SI freien Zyklus geschaffen. Den zu lesen bzw. aktuell nochmal nachzuarbeiten, tut richtig gut.
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Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

Beitrag von RBB »

Band 1481 - Keine Chance für Raumfort Choktash - ist von Robert Feldhoff, erschienen am 9. Januar 1990
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John war von Homer G. Adams in Beschlag genommen worden und saß mit ihm am Nebentisch. Lee hörte mit einem halben Ohr, dass die Beiden sich natürlich über Geld unterhielten. Worüber auch sonst.

Tarota Danger, die siganesische Historikerin, war noch unter ihnen und würde es wohl auch bleiben. Sie zeigte sich sehr interessiert am Fortlauf der Erzählungen und hatte Lee angeboten, ihr bei der späteren Auswertung der umfangreichen Beiträge zur Seite zu stehen. Lee, die merkte, dass sie etwas zu optimistisch gewesen war, was die Verarbeitung ihres Abenteuers anging, war hocherfreut. Den Wert einer Wissenschaftlerin, zu deren Vortrag sich sogar ein Atlan da Gonozal aus dem fernen Arkon dazuschaltete, war nicht zu unterschätzen. Außerdem hatte sie Tarota als Mensch und als Freundin schätzen gelernt.

Sie schlenderten erneut durch das riesige Museum und kamen in einen Raum, in dem auf einer riesengroßen Leinwand ein vorsintflutliches uraltes Video ablief. Das Ding war schwarzweiß, Lee hörte ein fürchterliches Gebrüll; Männer in altmodischen Anzügen liefen durch die Gegend, hatten Zettel in der Hand und riefen anderen Männern in ebenfalls altmodischen Anzügen in sehr hektischer Art und Weise irgendetwas zu und schrieben auf ihren Notizblöcken herum. Mitten im Raum standen Rundtheken - ähnliche Holzbauten, in denen ebenfalls Männer arbeiteten und was auch immer notierten. Wiederum andere redeten auf die Thekenmänner ein, alles verlief in einer Art und Weise, dass Lee zwangsläufig davon ausging, dass mindestens die Hälfte der Anwesenden kurz vor dem Herzinfarkt stehen musste.

Sie blickte einen grinsenden Reginald Bull an.

"Du meine Güte, was ist das denn?" fragte sie.

"Das ist die damals weltgrößte Aktienbörse, die New York Stock Exchange. Wir sind im Jahr 1953 alter Zeitrechnung und damit mehr als anderthalb Jahrzehnte vor unserem Mondflug. Hier wurden Aktienkurse ermittelt. Die so hektisch schreienden Figuren sind Börsenmakler. Übrigens auch der Typ, der sich so teilnahmslos mit dem Rücken an einer der Holztheken lehnt und so tut, als gehöre er nicht hierhin. Pass mal auf!"

Lee betrachtete den Mann mit Halbglatze in seinem hellen Anzug. Er blickte auf etwas außerhalb der Reichweite des Films und plötzlich, wie aus dem Nichts, lief er in Richtung eines anderen, sich ebenfalls kaum bewegenden Mannes und redete in einer Art und Weise auf ihn ein, dass Lee nur noch den Kopf schütteln konnte.

Sie war hin und weg.

"Wenn einer im Singenden Ochsen so aus dem Stand heraus rumtoben würde wie der hier, gäbe es mit ziemlicher Sicherheit von Billy ein Paar hinter die Ohren. Was zum Teufel machen die da? Ging das nicht zivilisierter?"

"Wie ich schon sagte", erläuterte Bully. "Sie handeln mit Aktien. Alles basierte auf Angebot und Nachfrage. Da es noch keine Rechner gab, musste die Chose auf mündlichem Wege funktionieren. Wenn ein Makler nun 1.000 Aktien einer bestimmten Firma verkaufen wollte, konnte es sein, dass sein Gegenpart genau diese Papiere haben wollte, der aber natürlich nicht direkt neben ihm stand, sondern am anderen Ende des Raumes. Daher das Geschrei. Auf Außenstehende wirkt das natürlich total chaotisch, aber mir hat mal einer zugesichert, dass das alles seinen tieferen Sinn hatte und zumeist einwandfrei funktionierte. Heutzutage ist das selbstverständlich einfacher. Du gehst an einen entsprechenden Rechner, gibst deine Order ein und das wars. Heute existieren auch wesentlich bessere Sicherheitsfaktoren, die zum Beispiel verhindern, dass Spekulanten Kurse manipulieren können und so große Firmen oder gar ganze Branchen ins Unglück stürzen. Damals wurden über die Börsen an einem einzigen Tag schon Mal Weltwirtschaftskrisen ausgelöst."

Lee schüttelte den Kopf und wunderte sich einmal mehr, dass die Menschheit es damals geschafft hatte, in den Weltraum zu fliegen. In allen Bereichen kaum Ruhe, nur Hektik und keine Entspannung. Nein, sie würde Newengland nie dauerhaft verlassen.

"Wirklich geändert haben sie sich aber nicht", piepste Guckys Stimme aus dem Hintergrund. "Glaub einem alten Mausbiber."

Lee nickte und ihr fiel der Spruch wieder ein, nachdem die Menschen im Grund genommen immer noch die alten Affen waren.

Sie beendeten den Museumsbesuch und schlenderten durch eine Parkanlage. Tarota saß auf Lees rechter Schulter und hatte sich am Kragen ihrer Bluse eingehakt, damit hatte sie ausreichende Stabilität. An einer Sitzgelegenheit direkt an dem länglichen Teich nahmen sie Platz.

"Ich glaube", sagte Bully, "wir machen weiter. Irgendwann muss man ja auch an ein Ende kommen. Selbst wenn es noch ein wenig dauert. "

"Dann komm in die Hufe, Dicker", meinte Gucky und lehnte sich zurück, damit Lee ihn besser kraulen konnte.



Spoiler
Reginald erzählt die Geschichte Keine Chance für Raumfort Choktash:

Sie hieß Constancca und war an der medizinischen Fakultät der Akademia Terrania die einzige Absolventin gewesen, die in den 440 er Jahren den Studiengang in weniger als zehn Jahren abgeschlossen hatte. Medizin war ihre Berufung, ergänzend Exomedizin, Exodiagnostik und ein Minimum an Psychologie. Als ob das nicht gereicht hätte, erhielt sie noch eine Ausbildung in Hyperphysik. Alles in Allem hatte also allein ihre Grundausbildung zwanzig Jahre gedauert. Nicht viel bei der durchschnittlichen Lebenserwartung einer Terranerin dieses Zeitalters. Trotzdem musste man schon ziemlich begabt sein, wenn das Ganze unter einen Hut kommen sollte.

Wie es heutzutage, eben unsere ominösen siebenhundert Jahre später auf Terra aussah, wusste niemand. Das Solsystem war hinter einem undurchdringlichen Energieschirm verschwunden und unser unbekannter Freund namens Monos herrschte dort.

Die Cantaro, die wir zunächst als das Maß aller Dinge betrachteten, konnten wir immer mehr als Handlanger herabstufen. Sie brauchten einen Lebensimpuls, um weiterleben zu können und erhielten einen Todesimpuls, wenn sie nach Meinung der über ihnen Stehenden nicht wohl taten. Die genauen Hintergründe kannte zwar niemand, aber wir gingen davon aus, dass sie auf diesem Weg treu und bei Laune gehalten werden sollten. Die Gefahr, dass sie sich gegen das System entschieden, war Monos oder wem auch immer wohl zu groß.

Und diese Cantaro waren das aktuelle Spezialgebiet von Constancca. Sie wusste, dass diese Wesen eine Synthese aus genetischer Zucht und Mikrotechnik bildeten. Auf der einen Seite waren sie tödlich wie Kampfroboter und andererseits ein empfindlicher Mechanismus. Und da hatte sie angesetzt.

Sie hatte nämlich festgestellt, dass die Herzen der Cantaro mit den Wurmfortsätzen zusammenhingen. Berührte man diesen Wurmfortsatz, um ihn zu entfernen, explodierte der Cantaro. Also, so beschied sie den staunenden Anwesenden, man bräuchte also nur das Herz samt Wurmfortsatz herauszuoperieren und ein neues künstliches Herz einzusetzen. Dann wäre der Cantaro sozusagen geheilt, Todes- und Lebensimpulse kämen nicht mehr an ihn heran und er wäre losgelöst von Monos' Zwang.

Es dauerte ungefähr zwei Wochen bis sie den ganzen Verein inklusive ihres Chefs Sedge Midmays von meiner CIMARRON überzeugt hatte. Natürlich waren die 15 gefangenen Cantaro nicht unbedingt begeistert, als sie von diesen geplanten Operationen hörten, ließen sich dann aber doch darauf ein.

Bei sechs Cantaros lief alles einwandfrei, beim siebten ging es schief. Er verglühte im wahrsten Sinne des Wortes. Warum, war unklar. Vielleicht ein zweiter Sicherheitsmechanismus. Die Operationen wurden eingestellt. Constancca zermarterte sich ihr Hirn, aber auch sie konnte keine Wunder vollbringen. Also mussten vor weiteren Eingriffen zunächst die Gründe für den Fehlschlag gefunden werden.

Ein paar Etagen höher, also bei uns als den oberen Zehntausend, liefen Pläne zur Störung des cantarischen Kontrollfunknetzes. Ein wichtiges Element war das Zentralplasma, das den Störprozess unterstützte. Aber: Wenig Plasma, wenig Reichweite. Das komplette Zentralplasma samt der halutischen Flotte musste her, um im großen Stil angreifen zu können. Das Problem war nun einfach, das Zentralplasma in die Milchstraße hinein zu bekommen, da der Riegel um sie herum immer noch bestand. Wir sahen nicht die geringste Möglichkeit, genügend Pulswandler für die Frachtschiffe zu produzieren. Der Druck der Cantaro war übermächtig.

Aber wir wussten von unserem Generalfähnrich Shoudar ziemlich genau, wie die Wälle erzeugt wurden. In regelmäßigen Abständen existierten leistungsfähige Projektorstationen. Die logische Folgerung war klar: Mit ein paar Stationen weniger war der Weg frei. Zumindest teilweise. Dann bräuchten wir noch etliche Nakken, die gab's im Humanidrom. Aber eins nach dem anderen.

Ein passendes Raumschiff zwecks Aufstöberns einer solchen Station war schnell gefunden: Die ARCHIBALD, ein ziemlich wrackes Schiff, das seine besseren Tage wohl vor ungefähr 500 Jahren gehabt hatte. Wir rechneten alle damit, dass das Schiff abgeschossen werden würde, gingen aber davon aus, dass der Besatzung unter ihrem Kommandanten Loydel Shvartz nicht allzu viel passieren würde. Wir wussten ja, dass man seitens der Beherrscher der Milchstraße auf der Suche nach uns war, also Perry und Co. haben wollte. Daher sollten bis auf Weiteres Gefangene gemacht werden, um sie dann vor das Supremkommando zu schleppen und zu verhören.

Genauso kam es auch. Shvartz flog mit der ARCHIBALD, übrigens mit seiner Freundin Constancca an Bord, in Richtung Southside der Milchstraße. Dort war am Wenigsten los, aber trotzdem mussten dort Stationen zu finden sein. Perry flog mit der GOGORSK hinterher. Wenn der Plan aufging, wurde die Station zerstört, die Cantaro gefangen genommen und unsere Leute konnten früh genug flüchten. Mit ganz viel Glück wären auch ein oder zwei Nakken dabei.

Loydel und seine Leute wurden fündig. Die ARCHIBALD wurde angefunkt, Absender war das Raumfort Choktash. Fliehen konnten unsere Freunde nicht, das Triebwerk des betagten Schiffes hatte einen mittelschweren Hau und funktionierte nicht mehr. Dem Angriff der Station konnten sie nicht statthalten, schafften es aber, über ihre Beiboote das sterbende Schiff zu verlassen. Kurze Zeit später war die ehrwürdige, alte ARCHIBALD Geschichte und Shvartz und seine Mannschaft gefangen. Kurz vor dem Ende konnten sie noch eine Nachricht an Perry absenden, der mit seiner GOGORSK samt der erfolgreich operierten Cantaro unterwegs war.

Natürlich war es ein Vabanque - Spiel. Mit einem Spiegeltrick machten unsere operierten Cantaro einen auf geflüchtet und wurden von ihren Artgenossen auf der Station aufgenommen. Unsere Leute, die als eine Art fünfte Kolonne auf Choktash waren, erzielten erste Erfolge: Sie hatten drei Nakken auf ihre Seite gezogen und die in ihrer Kleidung versteckte Sprengladung wurde nicht gefunden. Es explodierte nämlich erst etwas, wenn mindestens zehn der diversen bunten Kleidungsstücke zusammenkamen und angezündet wurden. Für sich gesehen, war eine Hose eine Hose und ein Hemd ein Hemd. Schön bunt und schön hässlich, aber mehr nicht.

Es gab einigen Durcheinander, aber der Plan ging auf: Die detonierende Kleidung sorgte für eine ausreichende Menge Verwirrung. Währenddessen konnten sich unsere Einsatz - Cantaro in den Besitz einer Arkonbombe bringen. Wobei ich sagen muss, dass sie die Herkunft dieses fürchterlichen Vernichtungswerkzeuges nicht erklärten, aber egal. Sie hatten sie und setzten die Besatzung der Station mit deren Vernichtung unter Druck. Unsere Feinde wählten das kleinere Übel: Lieber ergeben und die Station blieb wenigstens heil. Dann könnte sie zumindest zurückerobert werden. Also ergaben sie sich.

Der Rest war einfach: Perry nahm Freund und Feind auf. Zuvor hatte man noch einen Weg gefunden, die Station vollständig zu zerstören. Das Ding explodierte, das erste kleine Loch im Wall war da. Weitere würden folgen.

Die Aktion war ein voller Erfolg gewesen. Der Einzige, der zum Schluss hin deprimiert war, sollte der arme Loydel Shvartz gewesen sein. Er war nicht nur seines Schiffes verlustig geworden, er hatte so wie es aussah, auch keine Chance bei der von ihm verehrten Constancca.



"Sieh mal an", sagte Lee. "Ihr könnt ja auch positiv. Nun gut. Wurde ja auch Zeit."

Gucky schüttelte den Kopf. "Kind, Kind, Kind", meinte er. "Es musste auf lange Sicht ja vernünftig ausgegangen sein. Sonst stände ich nicht vor dir. Denn eines kannst du mir glauben: Wenn die komplette Geschichte schief gegangen wäre, wäre ich definitiv mit untergegangen. Ich hätte meine Freunde nie im Stich gelassen. Ich hätte Monos gefunden. Und meine letzte Amtshandlung wäre gewesen, ihn ins Jenseits zu befördern. Und sollte das auch mein Tod gewesen sein."

"Ja", erwiderte Lee ernst. "Das glaube ich dir unbedingt. Du bist jemand von absoluter Ehre."

"Aber", Gucky setzte seinen Dozentenblick auf, '"das wäre doch überaus furchtbar gewesen. Wer würde denn immer wieder das Universum retten, wenn ich nicht mehr unter den Lebenden weilen würde?"

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Endlich geht es aufwärts. Robert Feldhoff serviert uns einen Band, der Hoffnung macht und so ganz ganz langsam kann man erkennen, wo die Reise hingeht. Ich denke, es geht zum Humanidrom Nakken abholen und parallel nach Andromeda zum Zentralplasma. Vielleicht werden noch ein paar Stationen zerstört. Und letztlich kommen wir nach Terra und werden dem Teufel begegnen, der in den dortigen Hallen lebt.

Das ist auch gut so. Katastrophen hatten wir genug, die Anzahl der Toten ist wahrscheinlich nicht mehr zählbar.

RF hinterlässt uns einen Roman, der zu Beginn bei mir echtes "Feldhoff - Feeling" erzeugt. Die Vorstellung der Medizinerin Constancca und ihr Disput mit Sedge Midmays hat schon was. An einer Stelle merkt man, dass Robert jünger war, als seine Mitautoren: Frisch von den Cantaro gefangen genommen, müssen alle unsere Freunde ihrer Kleidung entledigen, weil die untersucht wird. In einem Raum wohlgemerkt. Da entsteht keinerlei Peinlichkeit, Robert beschreibt die Szenerie sehr sachlich. Nicht nur ein KHS hätte hier wohl Probleme gehabt.

Im weiteren Verlauf ging der Roman dann etwas zurück auf Normalniveau, um zum Ende hin nochmal zuzulegen. Von mir eine glatte zwei.
Kölle es un bliev e Jeföhl!!
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Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

Beitrag von RBB »

Band 1482 - Der Alleingang des Außenseiters - ist von Kurt Mahr, erschienen am 16. Januar 1990
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Reginald Bull nahm Lee und Tarota ins Visier.

"Ich kann mir ja vorstellen, dass es viele Ecken und Enden in unserer Politik gab und gibt, mit denen man nicht zwangsläufig einverstanden sein muss. Wie du schon sagtest, Lee - der Transfer einer ganzen Galaxis in ein anderes Universum, welche Hybris! Ich könnte dir jetzt genau sagen welcher Teufel uns da geritten hat, übrigens im so ziemlich wahrsten Sinne des Wortes. Aber das würde mindestens genauso lange dauern wie die aktuelle Story. Vielleicht länger, weil wir mehr zu erklären und zu diskutieren hätten.

Die Crux an der ganzen Sache liegt an den Dingen, die wir nicht oder nur sehr marginal beeinflussen können. Nimm mal diese ganzen sogenannten höheren Wesen. Superintelligenzen und dergleichen. Sieh nur mal die unsrige. Wir hatten vor Urzeiten dieses seltsame galaktische Rätsel gelöst und Perry durfte mehr oder weniger im Alleingang entscheiden, wer durch die Zelldusche eine Lebensverlängerung von 62 Jahren erhielt. Auf einmal kam dieser Kerl an, lachte sich kaputt und erklärte uns, er hätte ein paar Zellaktivatoren in der Milchstraße verteilt. Wer einen fände, dürfte ihn behalten. Nochmal Gelächter und weg war er. Fünfundzwanzig von den Dingern waren in diverse Ecken gelegt worden. Es gab aber weit mehr Leute, die eine Zelldusche erhielten.

Wir fanden zwar die meisten von den verstreuten Teilen, was aber trotzdem sehr viele aus unserer Garde zum Tode verurteilte. Denn die Zelldusche hatte ES mitgenommen. Natürlich wurde das weg argumentiert, indem ES uns später erklärte, niemand der Betroffenen habe sich über zu kurze Lebenszeiten beschweren dürfen. Alle Zellduscher hätten wesentlich länger gelegt, als die Natur es ihnen zugestanden hätte. Ich sehe das anders und frage mich ab und zu heute noch, wer damals für mich gestorben ist.

Und das war noch eine der harmloseren Geschichten. Wenn denen irgendwas quer hängt, müssen wir agieren, können aber nur versuchen, die aufziehende Katastrophe in Grenzen zu halten. Brauchten wir andersrum unsere Haus- und Hof SI einmal, war sie meistens nicht aufzufinden, warum auch immer. Erreichten wir sie ausnahmsweise mal, warf sie uns irgendwelche kryptischen Bemerkungen an den Kopf, mit denen man nichts anzufangen wusste. Dann lachte sie sich wieder kaputt und war wieder weg.

Und ES ist wohlgemerkt, eine Superintelligenz, die es gut mit uns meint und zu den positiven dieser Gattung zählt. Dazu kommen negative Superintelligenzen, Kosmokraten, Chaotarchen und was weiß ich. Deren Streitigkeiten werden zuweilen recht heftig. In so eine Auseinandersetzung sind wir geraten, als es uns nach Tarkan verschlagen hatte. Dort war nun eine andere Superintelligenz namens ESTARTU zugange und damit beschäftigt, Hangay in unser Universum zu transferieren. Und wir Idioten mittendrin.

Es ist keinesfalls so, als hätten wir das in die Wege geleitet. Letztlich wurden wir durch dieses in höheren Bereichen geführte Gezänk bei unserer Rückkehr 695 Jahre in einem Stasisfeld gefangen. Als wir da wieder herauskamen, sah es so aus, wie wir es dir hier schildern."

Bully atmete tief durch und lehnte sich zurück.

"Was der Dicke damit meint", fuhr Gucky fort, "ist, dass ihr nicht versuchen solltet, eine Wertung dieser Tarkan Vorgeschichte vorzunehmen. Macht eine offene Dokumentation aus dem Cantaro - Gedöns. Zeigt von mir aus die von uns gemachten Fehler in diesem Teil unserer Geschichte auf, aber bleibt fair. Sonst ist die Gefahr zu groß, dass politische Chaoten eure Arbeit zu eigenen Zwecken ausnutzen."

"Keine Sorge", meinte Dr. Tarota Danger. "Jeder arbeitet im eigenen Bereich. Politik ist, sage ich jetzt mal, sowieso nicht unsere Stärke und ich denke, ich kann für uns beide reden, wenn ich behaupte, dass wir ein möglichst ehrliches Ergebnis haben wollen. Da gehören keine Verteufelungen oder missratene Mutmaßungen hinein."

"Außerdem", sagte Lee, "wollen wir von Jedem von euch eine Art Vorwort haben, was wir sicherlich nicht bekämen, wenn wir blödes Zeug schreiben würden. Aber ihr werdet von euren Fehlgriffen hören oder lesen und sie von wissenschaftlicher Seite aus kommentiert bekommen. "

Der Terraner nickte zufrieden. "Da können und müssen wir mit leben. Schalte dein Aufzeichnungsgerät ein, es geht weiter."

Lee schenkte Reginald ihr freundlichstes Lächeln. "Das läuft schon die ganz Zeit mit. Wir haben doch auch die Pflicht, über eure Sorgen in dieser Sache zu berichten."

Daraufhin schüttelte Bull den Kopf. "Ich sag besser nichts mehr und fange direkt mit dem nächsten Teil an. Homer G. Adams hatte ein Problem. Er musste einen Saboteur jagen und möglichst schnell finden."


Spoiler
Reginald Bull erzählt die Geschichte von dem Alleingang des Außenseiters:


Der Übeltäter hatte zum wiederholten Male zugeschlagen. Eine Warnung war rausgegangen, unterzeichnet mit Homers Tarnnamen Romulus, allerdings ohne, dass der sie verfasst, geschweige denn abgeschickt hatte. Und in den damaligen Zeiten der Cantaro - Offensive war das etwas, was nicht sein durfte. Die Angriffe der Cantaro gingen zwar immer häufiger ins Leere, weil vorher echte Warnungen kamen, aber letztlich drehte es sich um Heleios, die Zentrale der WIDDER. Wenn nun aus allen möglichen Richtungen nach derartigen Funksprüchen Raumschiffe in Richtung dieser Welt unterwegs waren, bestand die große Gefahr, dass sie von unseren Feinden gefunden wurde. Es nützte alles nichts, der Verräter musste gefunden werden.

Zum Glück war er technisch eine absolute Niete, weil die Nachrichten nie da ankamen, wo sie hinsollten, sondern auf Grund diverser Unebenheiten abgefangen werden konnten. Das hieß aber nicht, dass der Verräter das nicht irgendwann mal merken würde und besser werden konnte. Homer stand kurz davor, zuviel zu kriegen. Seit verdammten fünf Monaten suchten sie den Kerl mittlerweile.

Natürlich fanden sie ihn. Sie hatten Sonden auf Suche geschickt, von denen eine dem Bösewicht anscheinend ziemlich nahegekommen war. Er hatte sie zerstören müssen und so kamen sie ihm auf die Schliche. Selbstverständlich wollte man ihn lebendig haben, das war aber, wie einer der Suchroboter sich ausdrückte, außerhalb der Möglichkeiten. Der Täter konnte nicht paralysiert werden: Er war ein Cantaro. Einer der zu den WIDDERN übergetretenen und operierten Fremden. Warum der Cantaro das getan hatte, blieb unklar. Aber egal. Ein Problem weniger. Niemand konnte mehr geheime Daten versenden.

Parallel dazu waren alle möglichen Tagungen und Gespräche im Gange, wie wir mit dem Chronopulswall umgehen sollten. Das heißt, es war klar, dass weitere Stationen zerstört werden mussten. Wir brauchten ein paar Löcher darin, um sowohl die Posbiraumer mit dem Zentralplasma als auch die halutischen Schiffe in die Milchstraße hinein zu bekommen. Ein Fort namens Choktash war zwar zerstört, das reichte aber nicht. Wir erwarteten 12.000 Schiffe und der Haluter Tenquo Dharab war schon in Richtung Andromeda unterwegs, um dort alles in die Wege zu leiten.

Ihr wisst, dass mir Laber - Veranstaltungen ab einer gewissen Menge auf den Nerv gehen. Man kommt zu keinem Ende und ist hauptsächlich mit Warten beschäftigt, was noch mehr an mir zerrt. Und ich denke, ich war meiner unmittelbaren Umgebung nicht unbedingt der beste aller Chefs. Ich wollte grade etwas unternehmen, als auf einmal dieser Loydel Shvartz vor mir stand und mir eröffnete, dass er mit uns auf der CIMARRON in einen Einsatz fliegen wolle. Er sei der beste Mann dafür, meinte er. Schließlich sei er zwar seiner ARCHIBALD verlustig geworden, habe als Ausgleich aber dafür gesorgt, dass das erste Cantaro Forts zerstört worden sei. Wir zanken uns ein wenig herum, am Ende nahm ich ihn als fünftes Rad am Wagen mit. Man wusste ja nie.

Es galt festzustellen, ob die Zerstörung einiger Stationen zu einem zumindest örtlichen Ausfall des Chronopulswalls führen würde. Also ging es am 23. September 1146 los. Endlich. Unsere Spezialisten hatten es geschafft, aus den auf Choktash erbeuteten Daten die Standorte von über 1.000 Stationen herauszulesen und wir suchten uns das Raumfort Shomrach aus. Und unser Freund Loydel Shvartz - dabei fällt mir ein - wo kam der eigentlich her? Der war auf einmal da und regte die Leute auf. Egal. Er hatte sich eine besondere Aufgabe ausgesucht, indem er von der zu zerstörenden Station den Hypertrop - Zapfer ausbauen wollte. Dort arbeitete man mit gepulster, annähernd kontinuierlicher Zapfung. Die hatte den großen Vorteil, dass man sie im Gegensatz zu der von uns verwendeten Technik nicht über Lichtjahre hinweg orten konnte. Eigentlich passte das ja in unsere Entwicklungsgeschichte hinein. Wir waren nämlich schon immer groß darin gewesen, uns anderswo etwas anzueignen. Dann brauchte man nicht so viel Gehirnschmalz in die Entwicklung stecken.

Shvartz erklärte mir, was er vorhatte. Mir erschien das zeitlich ein wenig zu eng und ich erläuterte ihm, dass wir circa zwanzig Forts vernichten müssten; da wäre sicherlich eines bei, bei dem es einfacher wäre als ausgerechnet hier.

Natürlich erklärte er sich einverstanden und ebenso natürlich machte er sich eigenständig auf den Weg. Ich hätte es mir denken können. Wenn ein Mensch dieses Schlages sich etwas in das zarte Köpfchen gesetzt hatte, war alles vorbei. Man kam mit Argumenten nicht mehr weiter und konnte eigentlich nur noch hoffen. Und tatsächlich schaffte er es. Sekunden vor der Explosion kam sein Schiff im letzten Moment aus der Hölle heraus. Den Zapfer hatte er in Einzelteilen an Bord.

Aus einem flüchtenden Schiff zogen wir noch einige Cantaro heraus, denen wir versprachen, sie vor dem Todesimpuls zu retten und dann ging es ab nach Heleios.

Dort hatte Sato Ambush eine Idee gehabt. Einer der nicht operierten Cantaro war unter den mehrfach gestaffelten Schutzschirmen explodiert, weil er den Lebensimpuls nicht mehr erhielt. Unser Pararealist war der Meinung, dass der Todesimpuls, den die Bedauernswerten erhielten, die den Herren der Straßen oder wem auch immer nicht gefielen, nicht für ewig und drei Tage ausgestrahlt würde. Da hatte er wohl Recht. Es wäre absolut sinnlos und Verschwendung von Ressourcen, einen solchen Impuls auf Dauer abzustrahlen. Also wurde der Schutzschirm für die betroffenen Cantaro nach 30 Tagen abgeschaltet. Dann müssten sie soweit in Sicherheit gewesen sein und konnten durch den Lebensimpuls weiterhin existieren.



"Sato Ambush eröffnete mir noch, dass er in Kürze auf eine Expedition in Richtung Humanidrom gehen würde, um dort die Nakken zu überreden, demnächst für uns tätig zu werden."

"Eine Frage", sagte der zu uns in unsere Ecke gekommene John Talbot. "Wieso sind die Cantaro nie von alleine auf die Idee gekommen, sich unter Schutzschirme zu stellen, um so dem Todesimpuls zu entgehen?"

"Darüber haben wir auch nachgedacht, damals. Allein, eine vernünftige Antwort gibt es nicht. Dumm waren die Kerle ja nicht und eigentlich hätten sie eine Möglichkeit finden können, das stimmt. Aber so sehr im Detail steckten wir in der Technik und vor allem der Psyche der Cantaro nicht drin."

Sie hingen noch eine Weile ihren Gedanken nach, bis Gucky seinen terranischen Freund anstupste und Tarota nebst ihm einen Wink zum Verschwinden gab. Bull nickte und dann verließen sie leise ihre Plätze. Tarota hatte der Ilt vorher telekinetisch auf Bullys Schulter gesetzt.

"Ja, Kleiner, du hast Recht. Ab und zu sind wir dann doch nur im Weg. Lassen wir die Beiden alleine. Wer weiß, wann sie das nächste Mal Zeit haben, um zueinander zu finden."
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Kurt Mahr serviert uns wieder einen Chef - Roman. Vor dem Endspurt bringt er das lesende Volk nochmal auf den aktuellen Stand der Dinge. Cantaro samt fünfter Herzkammer, ARINET und WIDDER. Das Zentralplasma, die Posbis und die Haluter werden thematisiert. Wir erfahren im Roman, wer wo grade unterwegs ist und er erklärt uns nochmal, wie der Kontrollfunkapparat außer Betrieb gesetzt werden soll. Alleine die Wiederholungen machen 50% des Romanes aus. Teilweise ist das sinnvoll, weil man ja nicht mehr unbedingt weiß, wo die Anoree sich momentan herumtreiben (sie sind mit der YALCANDU wo auch immer), teilweise hat man es im Band vorher erst gelesen.

Handlung? Ja, die gibt es auch. Reginald Bull ist langweilig, weil er warten muss. Naja, das dürfte er ja kennen. Aber immerhin: Es gibt ihn noch. Dann wird der Saboteur auf den ersten Seiten nebenbei unschädlich gemacht, das hätte man vielleicht etwas spannender machen können. Dann kommt tatsächlich noch der angekündigte Alleingang von Loydel S. im letzten Viertel des Bandes. Natürlich schafft er es auf den letzten Drücker. Spannung? Nein. Wenn ein neuer Typ bei zwei Autoren in zwei hintereinander liegenden Romanen als Hauptfigur auftaucht, haben wir einen Helden vor uns. So eine Art Don Redhorse. Und Helden sterben nicht so einfach.

Zum Ende hin kündigt Sato Ambush seine Tour in Richtung Humanidrom an, um Nakken zu suchen. Das wird wohl drei - vier Bände andauern und dann dürfte es langsam aber sicher ans Eingemachte gehen. Denn wer sich hinter alle dem verbirgt, wissen wir immer noch nicht.

Für mich steht Band 1482 wegen fehlender Spannung bei einer drei minus. Der Zyklus steht für mich nach wie vor bei eins bis zwei. Natürlich kann man zu dem Ergebnis kommen, es könnte etwas schneller voran gehen. Aber Erfolge müssen in solchen Situationen mühselig erkämpft werden. Hier fällt bislang niemandem etwas in den Schoß. Und die Tatsache, dass Monos als ein Spross Gesils immer noch völlig unbekannt über alle dem schwebt, lässt es einen kaum erwarten, den nächsten Roman in die Hand zu nehmen.
Kölle es un bliev e Jeföhl!!
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