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Franz von Schober
(1796-1882)
Schiffers Scheidelied
Die Wogen am Gestade schwellen,
Es klatscht der Wind im Segeltuch,
Und murmelt in den weißen Wellen;
Ich höre seinen wilden Spruch:
Er ruft mich fort, es winkt mir der Kahn,
Vor Ungeduld schaukelnd, auf weite Bahn.
Dort streckt sie sich in öder Ferne,
Du kannst nicht mit, siehst du, mein Kind.
Wie leicht versinken meine Sterne,
Wie leicht erwächst zum Sturm der Wind,
Dann droht in tausend Gestalten der Tod,
Wie trotzt ich ihm, wüßt ich dich in Noth?
O löse deiner Arme Schlinge
Und löse auch von mir dein Herz;
Weiß ich es denn, ob ich's vollbringe
Und siegreich kehre heimathwärts?
Die Welle, die jetzt so lockend singt,
Vielleicht ist's dieselbe, die mich verschlingt.
Noch ist's in deine Hand gegeben,
Noch gingst du nichts unlösbar ein,
O trenne schnell dein junges Leben
Von meinem ungewissen Seyn.
O wolle, wolle, bevor du mußt,
Entsagung ist leichter als Verlust!
Und laß mich im Bewußtseyn steuern,
Daß ich allein auf Erden bin,
Dann beugt sich vor dem Ungeheuern,
Vorm Unerhörten nicht mein Sinn.
Ich treibe mit dem Entsetzen Spiel
Und stehe plötzlich vielleicht am Ziel.
Denn hoch auf meiner Maste Spitzen
Wird stets dein Bild begeisternd stehn,
Und, angeflammet von den Blitzen,
Mit seinem Glanz den Muth erhöhn;
Und hausen die Winde auch noch so bang,
Sie übertäuben nicht deiner Stimme Klang.
Und kann ich dich nur sehn und hören,
So hat's mit mir noch keine Noth,
Das Leben will ich nicht entbehren,
Und kämpfen werd ich mit dem Tod.
Wie würde mir je eine Welt zur Last,
Die Engel so schön wie dich umfaßt?
Auch du sollst nicht mein Bild zerschlagen,
Mit Freundschaftsthränen weih es ein,
Es soll in Schmerz- und Freudetagen
Dein Trost und dein Vertrauter seyn.
Ja bleibe, wenn mich auch alles verließ,
Mein Freund im heimischen Paradies.
Und spült dann auch die falsche Welle
Mich todt zurück zum Blumenstrand,
So weiß ich doch an lieber Stelle
Noch eine, eine treue Hand,
Der weder Verachtung noch Schmerz es wehrt,
Daß sie meinen Resten ein Grab bescheert
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Natürlich vertont von Schubert, hier interpretiert durch Dietrich Fischer-Dieskau und Gerald Moore
https://youtu.be/HsC3An3h00E?si=Hg9s4jWjSrXsUX8R