Gucky_Fan hat geschrieben: ↑20.06.2025, 09:32
Juristisch Frage ich mich ja, warum nicht in Deutschland lebende Ausländer vor einem deutschen Gericht klagen dürfen.
Die Frage des Gerichtsstandes ist nicht unbedingt abhängig vom Aufenthalt oder der Nationalität der Kläger*innen (so ganz generell - gilt nicht nur für Fragen des Asylrechts).
Es gibt die Fälle der gewillkürten Gerichtsbarkeit (häufig im Zivil-, und Handelsrechts. Da findet man in den Verträgen, welche Gerichte zuständig sein sollen, wenn es Streit über den Vertrag gibt - ist eingeschränkt bei Verbrauchern in Europa aufgrund der europäischen Gesetze zum Verbraucherschutz, die dort strenger sind als z.B. die in den USA).
Aber z.B. können auch Deutsche in den USA gegebenenfalls Firmen vor US-Gerichten verklagen (und dann wird dort auch nach US-Recht entschieden - aber eben auch die ganze Prozessbarkeit läuft danach).
Es ist z.B. geregelt, dass zur Durchsetzung der Rechte der europäischen Bürger*innen, diese in den USA klagen, können, wenn sie ihre Rechte z.B. durch die US-Regierung verletzt sehen. Das ist extra geschaffen worden durch völkerrechtlichen Vertrag, damit die EU die Datenübertragung in die USa wieder als DSGVO-konform (unter den Bedingungen des neuen Privacy-Abkommens) werten kann (bis das EuGH auch dort feststellen wird, dass das genauso wenig funktioniert, wie die vorigen Abmachungen).
Dazu hier auch vertiefend einige Ausführungen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Internati ... utschland)
Wenn nun unsere Regierung verpflichtet ist, sich an Verträge zu halten, die sie selbst geschlossen hat (und dazu zählen auch Verträge der Vorgängerregierung) und sie tut daas nicht, dann kann sie natürlich im Inland verklagt werden. Wie immer wenn sich unsere Regierung nicht an Recht und Gesetz hält (die Exekutive (Regierung) und auch die Legislative (Parlament, Gesetzgeber) steht nicht über der Judikative (Gerichte) - deren Gewalten sind mehr oder weniger gut gegeneinander austrahiert, je nachdem welches Land man sich anschaut (das grundsätzlich die Gewaltenteilung hat...).
Aber in kurz:
1.
Legislative (Parlament - bei uns Bundestag/Bundesrat - auf Bundesebene) macht die Gesetze - aber muss sich dabei eben auch an die Verfassung und anderen Gesetze halten, die schon vorher gemacht wurden (so diese nicht aufgehoben werden, was aber z.B. bei Verfassungsrecht 2/3 Mehrheit erfordert und bei Grundrechten sogar quasi gar nicht geht (Ewigkeitsgarantie unserer Verfassung, damit nicht nur weil ein Populist die Mehrheit des Volkes hinter sich bekommt die Grundrechte einfach formal abschaffen kann (Lehren aus der Weimarer Republik/3ten Reich, wo das passiert ist).
2.
Exekutive führt die Gesetze aus - auch die Exekutive ist wieder an Recht, Gesetz, Verfassung gebunden bei der Ausführung. D.h. die Exekutive (Verwaltung, Ämter etc.) dürfen Gesetze nicht ignorieren, d.h. sie müssen sogar, wenn der Gesetzgeber Sachen übersehen hat (was gar nicht selten vorkommt) in anderen Gesetzen weiter berücksichtigen und die Gesetze dabei so anwenden/auslegen, dass sie insgesamt möglichst stimmig bleiben. Oftmals kann z.B. eine verfassungskonforme oder europakonforme Auslegung eines einfachen deutschen Gesetzes notwendig sein (weil diese höherrangig sind). Dadurch kann z.B. ein Gesetz in der effektiven Anwendung so reduziert sein, dass eben statt einen Ermessensspielraum zu gewähren , immer nur eine Entscheidung möglich ist - das mag dann der Gesetzgeber sich noch anders gedacht haben, aber der darf eben auch nicht Gesetze ignorieren.
Das gilt übrigens nicht nur für das oft (zu Unrecht) geschasste EU-Recht, sondern durchaus ein Problem was häufig im Konflikt zwischen Bund und Ländern auftaucht. Denn es gibt viele Bereiche, wo die Bundesländer unmittelbar in der Gesetzgebung sind (wir haben ja auch Landesverfassung z.B.) aber in vielen Bereichen ist konkurrierende Gesetzgebung, wo die Länder nur soweit Gesetze erlassen/ausführen dürfen, solange sie dabei Bundesrecht nicht brechen (so ist das Sozialgesetzbuch z.B. Bundesrecht und Bayern oder Schleswig-Holstein können nicht einfach ein Landesgesetz machen, was die Regelung dort ignoriert oder abwandelt...). Auch hier ist die (Landes)Exekutive gefragt, bei der Umsetzung der (Landes)gesetze die Bundesgesetze zu berücksichtigen, soweit sie vorrangig sind, auch wenn damit Gesetzesideen des Landesgesetzgebers ins Leere laufen oder nicht funktionieren.
Die Exekutive wird aber stark dominiert von der Legislative (Regierung = Exekutive und stellt in unserer Demokratie auch immer die aktuelle gesetzgebende Mehrheit), weswegen letztlich die Gesetze oftmals sehr im Sinne der Legislative ausgelegt werden ... da ist unsere Gewaltenteilung immer ein bissel schwach... ABER...
3. dann kommt die
Judikative, die aufgrund einer stärkeren Unabhängigkeit von der aktuellen Regierung/Parlament, auch unabhängiger die Gesetze prüfen und auslegen kann und dann die Exekutive eben anweisen kann, Gesetze auf bestimmte Art und Weise auszulegen.
Der Punkt (im allgemeinen auch "Rechtsstaatsprinzip" ) genannt, ist quasi der Anker der in den westlichen Demokratien die Gewaltenteilung rettet, solange eben auch die Exekutive denn die Judikative respektiert ( ein Rechtsstaat bricht sehr schnell zusammen, wenn die Exekutive, die die faktische tägliche Macht hat (Polizei, Ordnungskräfte, Armee usw.) die anderen Mächte einfach ignoriert... (das geht auch in Richtung Parlament, wie man durchaus in anderen Ländern immer wieder mal sehen kann...).
Die Judikative ist da auch häufig wichtig, um die Landesgesetzgeber zu stoppen, die vorpreschen und ihre Ideen durchsetzen wollen, die aber Bundesrecht widersprechen bzw. wo die Landesgesetzgeber gar nicht die notwendige Gesetzgebungskompetenz haben (das gibt es im Verhältnis Land zu Bund // aber eben auch Bund zu EU).
--------------------------- Ausführungen zu unserer Verfassung und der Gewaltenteilung ---------------------------
Die Konstruktion unserer Verfassung und Gewaltenteilung, geht war davon aus, dass das Volk der Soverän ist, aber eben kein willkürlicher Soverän, der wenn ihm gerade danach ist (Mehrheit), einfach von heute auf morgen alles anders entscheiden kann und dabei immer noch nach den Regeln unseres Staates handelt (bewaffnete Revolutionen bewegen sich außerhalb der verfassungsgemäßen Ordnung).
Sinn ist eben, dass nur weil aktuell eine Stimmung da ist, nicht Grundrechte außer Kraft gesetzt können werden sollen, unmittelbar. Es soll eben nicht so sein, dass wenn jemand gerade sagt, "wäre aber besser wenn die Frauen nur noch arbeiten dürfen, wenn es der Ehemann oder der älteste männliche Verwandte auch gut findet und schriftlich erlaubt", dass eben nicht so ohne weiteres wieder eingeführt werden kann, nur weil plötzlich 2/3 der Wahlberechtigten dafür sind.
Wir können unsere eigenen Grundrechte nicht einfach abwählen. Wir können sie ausgestalten, wir können Verfahren regeln, da wo es die Verfassung erlaubt, können wir sie auch einschränken (insbesondere wenn Grundrechte gegeneinander abgewogen werden sogenannte Schrankenschranken der Grundrechte), aber es kann eben nicht einfach so beschlossen werden, weil gerade eine Mehrheit da ist, die Parlament (und damit automatisch bei uns auch Regierung) bestimmend stellt - sondern wir haben eben noch die Judikative (wo übrigens die höchsten Richter auch von der Legislative bestätigt sind - aber die haben eben anders als Regierung und Parlament nicht immer den gleichen Wahlzyklus, damit unsere Demokratie nicht zu einer Diktatur der Mehrheit wird.
Demokratie (nach westlichem Verständnis) ist nämlich mehr als dass der Souverän (das Volk) in seiner aktuellen Mehrheit alles diktieren kann, und dabei die Rechte der Minderheiten (die einen gerade nerven, unbequem sind, nicht so wichtig genommen werden), ignoriert. Die Minderheit diktiert natürlich auch nicht der Mehrheit. Aber die Rechte der Minderheiten, schränken den (unmittelbaren) Gestaltungsspielraum der aktuellen Mehrheit ein.
An der Stelle sei erinnert, dass aufgrund der Erfahrungen im Dritten Reich wir beschlossen haben, dass das Asylrecht ein Grundrecht ist. Die Ausgestaltung des Asylrechts kann man rechtlich verändern, aber das Asylrecht abschaffen wohl nicht. Und ab wann eine Veränderung eine effektive Abschaffung ist, die dann verfassungswidrig und damit nichtig wäre, darüber entscheidet dann eben auch die Judikative (und ja wenn alle drei Gewalten unsere Verfassung gemeinsam brechen... dann hilft auch nichts mehr... aber wir teilen die Macht des Souveräns (des Volkes) ja schon extra auf in die drei geteilten Säulen, damit gemeinsamer Bruch nicht so einfach ist... und auch nicht der Tagespolitik unterliegt.