manden hat geschrieben: ↑01.10.2024, 14:23
Rebecca,
in dem Fall sollte er die Weichenstellung so lassen. Vielleicht können die Zugführer ja noch reagieren.
Nein das können sie in dem Fall auch nicht. Ändere nicht den Fall, um eine Lösung zu finden. Das ist ausgeschlossen. Es geht ja eben um das moralische (und juristische) Dilemma der Situation.
Wenn der Weichensteller also seine Pflicht vernachlässigt und nichts zum Schutz der Zugpassagiere tut, werden diese sicher sterben. Er würde also (weil er die Aufgabe hat die Sicherheit zu gewährleisten und es hier nicht tut), mit Vorsatz (Wissen - dolus 2. Grades) den Tod der Passagiere (und Zugführer) unmittelbar kausal durch Unterlassen herbeiführen.
Da sollte er nichts tun? Seine Pflicht ignorieren und sie einfach sterben lassen? Das wäre moralisch richtig? Bist du der Meinung, selbst wenn es eine Pflicht zum Handeln gibt, ist es im Zweifel besser nichts zu tun?
An der Moral hätte ich meine Zweifel.
Warum soll es hier richtiger sein, die Züge bewusst in den Tod fahren zu lassen?
Kleiner Exkurs ins deutsche Strafrecht:
Wer in einem Job arbeitet, wo er für die Sicherheit garantiert, ist zum Handeln verpflichtet, und kann Tötung/Körperverletzung durch Unterlassung herbeiführen (weil die Handlungspflicht besteht).
Also Züge prallen zusammen. 8 Leute tot.
Hat Weichensteller durch Handeln oder Unterlassen den Tod der Menschen verursacht? Ja.
Hat er Vorsatz hinsichtlich des Todes gehabt. D.h. hat er gewollt oder gewusst, dass er mit seiner Handlung oder seinem Unterlassen Menschen tötet? Ja. Vorsatz ist also auch gegeben.
Tatbestand von Totschlag ( § 212 StGB) ist also erfüllt.
Nächste Prüfstufe: Rechtswidrigkeit
Ist sein Handeln auch rechtswidrig gewesen. Tatbestand ist Indikator für die Rechtswidrigkeit, es sei denn Rechtfertigungsgründe liegen vor (z.B. Notwehr/Notstand). Das ist hier nicht gegeben. Es gibt keinen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff und das Abwägen von Menschleben gegen Menschenleben (im Sinne von: Was ist wertiger?) ist nicht gestattet (weder quantitativ noch qualitativ), weil es ein Verstoß gegen Art. 1 die Würde des Menschen darstellt.
Kommen wir zu letzten (juristischen) Prüfstufe: Schuld
Handelt der Weichensteller auch schuldhaft - die Tatbestandlichkeit und Rechtswidrigkeit sind nun Indikator für die Schuld, solange keine Entschuldigungsgründe (juristisch) vorliegen.
Das ist tatsächlich die Ebene, wo neben solchen Sachen wie Unzurechnungsfähigkeit, durchaus so moralische Probleme dann landen. Man kommt übrigens zum Ergebnis, dass EGAL was er tut moralisch vertretbar ist und ihn auch juristisch entschuldigt (da auch der entschuldigende Notstand nicht greift... wegen der Abwägung von Menschenleben usw.) löst man es dann mit dem "übergesetzlichen" Notstand.
Im Ergebnis sagt man, dass der Mensch in einer unmöglichen Situation ist, wo eigentlich alles gleich falsch ist, was er tun kann, aber wenn er sich entscheidet die einen oder die anderen sterben zu lassen, kann man es ihm hier nicht (auf der Ebene der Schuld) vorwerfen.
Und somit wäre seine Tat nicht strafbar (die Strafbarkeit entfällt dann Mangels Schuld auf Grundlage des "übergesetzlichen Notstandes" in der Ausnahmesituation - das ist keine Ausflucht... das wird juristisch mit den Grundrechten, Würde des Menschen usw. lang und ausführlich begründet... also keine "Willkür"-Entscheidung).
Aber das ist es, wie die Moral sich da in der Juristerei findet. Ich würde gerne von dir "manden" wissen, wie du zum Ergebnis kommst, dass es moralisch richtig ist, dass er hier nichts tun soll? Wieso glaubst du, dass dies und nur dies die moralisch richtige Entscheidung ist?