Eisrose hat geschrieben: ↑12.07.2024, 19:13
Das würde ich nicht so sehen, denn die Zusammensetzung des Bundestags wird vollständig anhand der Zweitstimmen berechnet. Durch Überhangmandate werden keine Mehrheiten verschoben, da es Ausgleichsmandate gibt. Wenn eine Partei, wie die CSU, viele Überhangmandate holt, erhalten die anderen Parteien so lange Ausgleichsmandate, bis das Zweitstimmenverhältnis der Parteien wiederhergestellt ist.
Historie:
Ursprünglich wurde nicht ausgeglichen, dann wurde ausgeglichen mit maximal 10 Mandaten oder so, und alles was darüber war konnte zur Verschiebung von Mehrheitsverhältnissen führen bei knappen Ausgängen. Und das hatten wir auch schon.
Das Bundesverfassungsgericht hat diese Regelung als verfassungswidrig kassiert, weil durch diese Ausgleichsmandate eben das Verhältniswahlrechtsergebnis (was bei der personalisierten Verhältniswahl an erster Stelle steht) verletzt. Insbesondere konnte es zum Ergebnis kommen, dass es günstig sein kann, einer Partei die Zweitstimme (Verhältniswahl) nicht zu geben, um ein Überhangmandat zu generieren, was dann die Mehrheitsverhältnisse beeinflusst - bzw. umgekehrt, wenn ich meine Stimme gebe, verhindere ich einen zusätzlichen Sitz für die Partei (da die Überhangmandate nach Bundesländern berechnet werden und eine Verrechnung nur bedingt möglich ist - auch hier war die CSU schon immer im Vorteil, weil da eine Verrechnung NIE möglich war. (Förderalismus.... yey

).
Nachdem das Urteil da war, kam das Wahlrecht, was wir bis zuletzt hatten nämlich der vollkommene Ausgleich der Überhangmandate. Das führte zu dem Blähbundestag (zweitgrößte Volksvertretung in der Welt... allein bei den Chinesen ist es größer... selbst die Inder mit ihren 1 Millarden Einwohner haben weniger Sitze im Parlament... auch die USA mit 333 Millionen Einwohnern (Stand 2022) haben weniger.
Das kostet den Steuerzahler nicht nur Geld, das erschwert auch tatsächlich die Arbeit der Abgeordneten. Denn die sollen ja schon frei entscheiden und nicht nur Stimmvieh für die Parteien sein. Es ist sogar so, dass um so mehr Abgeordnete da sind, um so mächtiger wird die Partei und um so weniger kann der einzelne Abgeordnete bewirken.
Das Problem hat der Gesetzgeber gesehen und darin waren sich tatsächlich ALLE Parteien einig (auch CDU und CSU, und Linke) es müssen Maßnahmen ergriffen werden, um die Zahl der Abgeordneten zu senken.
Die CDU, CSU wollte wieder Überhangmandate mit anderen Grenzenwerten einführen, die dann hoffentlich(!) nicht zu einer Verschiebung der Mehrheit führen... gaben aber selbst zu, dass das mit der Zersplitterung der Parteien schwierig ist, deswegen wollten sie auch gleich mal die Prozenthürde um 1 erhöhen (da hat aber schon die FDP nicht mehr mitgemacht).
Die Linke wollte eine Senkung der Prozenthürde haben und eine Beibehaltung der Grundmandatsklausel (wie gesagt, die halte ich für notwendig solange wir eine 5% Hürde haben).
Aber alle konnten sich nicht einigen. Der Vorschlag der Ampelparteien jetzt ist insofern gar nicht so schlecht, weil hier eine typische Kleinpartei (FDP) und eine die mal eine war (Grüne) mitbestimmt haben, und insofern die Rechte der kleinen Parteien auch nicht ganz untergegangen sind.
Dass die Linke jetzt bei 3 % liegt ist auch BSW geschuldet. Zu dem Zeitpunkt als das beschlossen wurde, war das alles nicht absehbar. Und ja, ich bin der Meinung, dass irgendwo eine Grenze sein sollte - unabhängig ob man 3 Direktmandate hat oder nicht. Man soll ja immer noch das Volk vertreten und NICHT UND NIEMALS den Wahlkreis (zumindest nicht mehr als alle anderen Wahlkreise auch). Regionale Partikularinteressen sollen vermieden werden. Dafür ist nämlich eigentlich unsere zweite Kammer, der Bundesrat zuständig. Aber ja... Theorie und Praxis.
Die personalisierte Verhältniswahl wie wir sie hatten mit Überhangmandaten ist verfassungswidrig. Der immer größer werdende Bundestag wohl auch.
Es gab tatsächlich auch den Vorschlag (ich weiß nicht von wem), den Bundestag einfach drastisch zu verkleinern (in der Basiskonfiguration) und dann halt wieder auszugleichen. Dafür müsste man dann natürlich auch die Zahl der Wahlkreise mit Direktmandaten entsprechend reduzieren.
Da lief die CSU wieder Sturm gegen...
Eine Lösung, die verfassungskonform ist und niemanden einschränkt, gibt es derzeit nicht. Die Frage ist, wo man den besten Ausgleich findet und verfassungskonform bleibt.