Kjeldahl hat geschrieben: ↑05.01.2023, 12:00
Sowohl hier als auch sonst überall zeichnet sich - für mich, subjektiv (aber man hört es auch sonst hier und da) - eine Tendenz zu einer Diskussions-Unkultur ab.
Die Neigung zu Haltungs-Journalismus und Polarisierungsdenken, in dem außer "richtig" und "falsch" (das auch noch, obwohl oft subjektiv, im Duktus der Objektivität (natürlich immer nur bei den anderen....

)) nichts gilt.
Es gibt kein Zuhören mehr, kein aufeinander Zugehen. Es gibt nur noch Gegner und Abweichler die (ich übertreibe absichtlich), bzw. deren Meinung zu vernichten sind.
Es wird selektiv gefiltert, damit es in die eigene Bubble passt, Gegenargumente werden ausgeblendet oder desavouiert, mit allgemein negativen Attributen konnotiert, um sie nicht zur Kenntnis nehmen zu müssen.
Wissenschaft als Begriff wird missbraucht, um sich selbst zu überhöhen und andere zu vermindern.....
Alles wird - ich wiederhole mich - unter dem Deckmäntelchen der Objektivität subjektiviert - und damit ausgehöhlt.
Womit ich bei einem Video von Professor Rieck angekommen bin.... der das eigentlich ganz schön zusammenfasst - und als so gefährlich ansieht, wie ich das tue... Wenn alle nur noch nach dem Gleichtakt suchen, ist es mit der Demokratie vorbei.
...
Naja,
der Professor sagt ja noch etwas anderes, bzw. er spricht von einer 'Gleichschaltung der Meinungen', die angeblich irgendwie passiert - und bringt als Beispiel das gleichzeitige rhythmische Losklatschen bei Konzerten. Ein denkbar schlechtes Beispiel, vielleicht fehlt dem Prof ja einfach nur das Rhythmusgefühl.
Ansonsten würde ich dem teilweise zustimmen, teilweise aber auch nicht. Im Thema Corona hatten wir keine 'Gleichschaltung' in den Medien, im Gegenteil, sogar höchst kontroverse Diskussionen - da kann man auch mal den ungeliebten Lanz als Beispiel nehmen, der in seinen Sendungen eben immer wieder Experten von den verschiedensten Ausrichtungen zu Wort kommen ließ und selbst noch scheinbar abseitige Aspekte beleuchtete. Und auch in der Politik wurde heftig um den richtigen Weg gerungen - von wegen chinesisches Vorbild, die entsprechenden Ministerpräsidenten-Konferenzen gaben regelmäßig einen schrägen Missklang von Meinungen und Maßnahmen von sich, der die meisten von uns ziemlich entnervt hatte, und ein einheitliches Vorgehen unmöglich machte. So wurde auch kein 'Lockdown' wirklich konsequent durchgezogen. Also am Beispiel Corona passt das m.E. nicht - es sei denn man hätte Sympathien mit den Leuten, die Corona für eine bessere Grippe hielten, also eigentlich alle wissenschaftlichen Expertisen leugneten und lieber auf irgendwelche Schwurbeleien hörten.
Viel eher passt das beim Ukraine-Krieg und seinen Folgen. Da gibt es, getrieben von den großen Medien, ja eigentlich nur noch
eine Meinung, und die lautet seit einem Jahr 'mehr Waffen!'. Wer sich dem verweigert, wird sofort der Putin-Hut übergezogen. Es gibt dazu in alle großen Parteien und Medien einen erschreckenden Gleichklang.
Das andere sind die Echokammern. Das ist leider fast überall so. Beim Professor in den Kommentaren finden sich fast nur Bewunderer des Kanalhelden, genauso wie in den Kanälen von Frau Wagenknecht oder jedem x-beliebigen anderen, der auf YT politisch tätig ist. Schwimmt man da mal sichtbar gegen den jeweiligen Strom und schreibt einen wirklich kritischen und gegenläufigen Kommentar rein, geht's schnell rund und wird man nieder gemacht; je nachdem, wieviel zivilisatorische Tünche in dem jeweiligen Kanal übrig ist. Versucht mal, bei denen die auf YT quasi zur Selbstjustiz gegenüber den Leuten der 'Letzten Generation' auf YT aufrufen, die Aktivisten zu verteidigen oder euch auch nur gegen Gewalt auszusprechen. ^^
Und damit wären wir dann auch bei der Form der Diskussion, die in der Tat oft nur im verbalen Draufhauen besteht. Das ist aber so, seitdem es Twitter und Co gibt, und das Internet Raum für anonyme Meinungsäußerung bietet, ist also kein wirklich neues Phänomen. Denkt z.B. daran, was sich früher alles bei SLinfo abgespielt hat, oder im ersten Perry Rhodan-Forum - wo man im Nachfolgeforum dann einen Personalausweis-Zwang eingeführt hat, weil sich die Leute, selbst bei eigentlich ganz harmlosen Hobby-Themen, die Rübe eingeschlagen haben.
Verschärft hat sich das allerdings noch einmal spürbar, seit die Flüchtlingskrise 2015 von den Rechten zur extremen Polarisierung benutzt wurde, und in dem Gefolge dann eine AfD in die Parlamente gespült wurde. Polarisieren, Provozieren und die Schürung und Abschöpfung von Missmut sind ja deren Geschäftsmodell - und daran kann jeder Diskussionsansatz eigentlich nur noch scheitern, einfach - weil zumindest von dieser Seite gar kein Interesse mehr an sachlicher Diskussion besteht.