Re: Gendern: geschlechtsbewusster Sprachgebrauch
Verfasst: 22.12.2024, 12:26
Singular
- Der Schauspieler
- Die Schauspielerin
- [Name] mit dem Beruf Schauspiel
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Der Aspekt des "Sichtbarmachens", der auf feministische Kritik aus mindestens den 70er Jahren zurückgeht, "kollidiert" mit dem Aspekt der "Inklusion" nichtbinärer "(geschlechtlicher) Identitäten" (wie du es ausdrückst). Das heute übliche "...-erinnen und -er" macht die weiblichen "-...erinnen" explizit sichtbar, schließt aber nichtbinäre Geschlechter/Gender umso deutlicher aus.Tennessee hat geschrieben: ↑21.12.2024, 17:06 Das Interessante ist ja, dass das generische Maskulinum nicht mehr benutzt werden soll(te), um mehr Sichtbarkeit bzgl. anderer (geschlechtlicher) Identitäten zu gewährleisten. Kurioserweise sorgt die genderneutrale Sprache, wie z.B. das hier besprochene System nach Phettberg, genau für das Gegenteil: die Geschlechteridentitäten werden unsichtbar oder, um es etwas politisch euphorischer zu sagen: inkludiert.
Ich stimme dir durchaus in Punkten zu, aber ich verstehe nicht, warum es ein Problem sein soll, dass Phettberg seinen Ansatz aus einer "sehr ego-zentrischen Position" entwickelt hat. Ich bin Naturwissenschaftler und ich weiß aus Erfahrung, dass die meisten großen Entdeckungen und Entwicklungen nicht aus einer "philantropischen" Position mit Blick auf das Gemeinwohl gefunden/entwickelt wurden, sondern sehr oft auf sehr banalen und egozentrischen Motivationen gründen.Tennessee hat geschrieben: ↑21.12.2024, 17:06 Das Prinzip hinter Phettbergs Ansatz ist mir durchaus klar, aber ich halte es aus mehreren Gründen für fragwürdig. Zunächst einmal auch wegen der Person Phettberg, die dieses Sprachsystem erdacht hatte. Und zwar deswegen, weil Phettberg eine Person war, die zuweilen ganz bewusst und provokativ, aber zuweilen auch unbewusst und unbedarft, zwischen ernstzunehmender Kritik/Analyse und kompletter Ironisierung dieser changierte. Und das alles auch sehr oft aus einer sehr ego-zentrischen Position heraus.
Das ist in der Tat ein Nachteil, der aus der Gewohnheit des Diminiutivs -i und der Gleichheit in der Aussprache mit -y in der gesprochenen Sprache entspringt (in der Schriftsprache ist das nicht der Fall). Ich möchte das nicht kleinreden, auch wenn es natürlich ebenfalls eine Gewohnheitssache ist.Tennessee hat geschrieben: ↑21.12.2024, 17:06 Des weiteren ist in unserem Sprachgebrauch der y- oder i-Laut sehr oft mit einer "süßen" Diminuitierung und Verniedlichung verbunden: Baby, Schatzi, Handy, Schnucki ... Während bei Begriffen wie Lesy, Autory, Lehrys, Foristy oder Wissenschaftlys alles vielleicht noch mit einer mehr oder minder hochgezogenen Augenbraue bedacht werden kann, wird es bei anderen Sätzen ein wenig schwieriger mit der Argumentation, dass man sich daran bloß gewöhnen müsse:
Hunderte Magdeburgys wurden durch einen Autoanschlag verletzt.
Bürgys aus Magdeburg ringen mit dem Tod.
Die Polizei vermeldet, dass immer mehr Homosexuellys (homosexuell betrifft ja Männer und Frauen) von Diskriminierung betroffen sind.
Millionen Judys wurden von Nazionalsozialistys ermordet und diskriminiert.
Ich kannte Phettberg nicht und jetzt kann man ihn auch nicht mehr fragen. Aber ich habe frage mich schon, wie du auf die Idee kommen kannst, dass ausgerechnet Phettberg Gleichberechtigung und Inklusion "der Lächerlichkeit" preisgeben wollte.Tennessee hat geschrieben: ↑21.12.2024, 17:06 Unter der Prämisse, dass man solche Lautgewohnheiten auch so empfindet, kann sich dann der Phettberg-Ansatz als ein ziemlich zynisches Sprachsystem zeigen, welches eben durch die Nutzung eines sprachenspezifischen Lautsystems weniger die Sichtbarkeit oder Gleichberechtigung bestimmter Begriffe zeigt, als sie vielmehr der Lächerlichkeit preisgibt. Ob sich Phettberg dies aus der Ironie oder der Ernsthaftigkeit heraus gedacht hatte, ist mir aber unklar.
Vielleicht stimmt das heute sogar beim Wort "Bürger". Aber dir sollte klar sein, dass dies sehr lange Zeit nicht der Fall war.
Bei der Kollision von Sichtbarkeit und Inklusion gebe ich dir Recht. Eben deshalb verwundert mich die Paradoxie, dass viele "Betroffene" zum einen eine stärkere Sichtbarkeit ihrer Geschlechtsidentität aktiv vertreten (z.B. über bestimmte Pronomina wie sie/they), aber auf der anderen Seite ein Sprachsystem befürworten, dass sie wieder unsichtbar macht. (Ich würde jetzt davon ausgehen, dass viele genderfluide Menschen Phettbergs Theorie gutheißen. Das weiß ich aber nicht.) Und dass über eine y-Endung Denkprozesse angeregt werden, ist argumentativ nur über den Gedanken haltbar, dass die von dir vertretene Gewöhnung einsetzt und sich eben kein Verlachungszustand etabliert. Dies sind aber beides Thesen, die sich aktuell nur spekulativ weiterverfolgen ließen. Ich denke, dass die Etablierung bei weitem nicht so schnell von statten gehen würde, wie du dir das vorstellst, eben weil die bestehenden y-Endungen (auch mit ihrem i-Klang) als Verniedlichungslaut weiterhin vorhanden sind.nanograinger hat geschrieben: ↑22.12.2024, 13:52 Der Aspekt des "Sichtbarmachens", der auf feministische Kritik aus mindestens den 70er Jahren zurückgeht, "kollidiert" [...] dass mit einem Schauspiely eben nicht nur 100% Frauen oder Männer gemeint sind.
Absolutes d'accord. Der Punkt ist aber, dass naturwissenschaftliche Theorien über Messungen, Berechnungen u.ä. verifiziert und objektiviert werden können. Für den z.B. ego-zentrischen Chemiker, Physiker, Ingenieur usw. gilt, dass seine Theorie von seiner Person losgelöst Gültigkeit haben wird.nanograinger hat geschrieben: ↑22.12.2024, 13:52 Ich stimme dir durchaus in Punkten zu, aber ich verstehe nicht, warum es ein Problem sein soll, dass Phettberg seinen Ansatz aus einer "sehr ego-zentrischen Position" entwickelt hat. Ich bin Naturwissenschaftler und ich weiß aus Erfahrung, dass die meisten großen Entdeckungen und Entwicklungen nicht aus einer "philantropischen" Position mit Blick auf das Gemeinwohl gefunden/entwickelt wurden, sondern sehr oft auf sehr banalen und egozentrischen Motivationen gründen.
Ich habe mich auch lange nicht mehr mit Phettberg beschäftigt, früher zu Zeiten seiner "Nette Leut-Show" mehr. Aber ich glaube, auch in seinen Nachrufen wurden seine Ironisierung und seine Doppelbödigkeit (übrigens nicht immer negativ gemeint!) sehr stark hervorgehoben. Ob er sein entgendertes Sprachsystem als Ironie oder als Ernst entwickelt hat, weiß ich nicht. Dass ich mich das frage und sein System für mich deswegen auch fragwürdig ist, habe ich ja ausgeführt.nanograinger hat geschrieben: ↑22.12.2024, 13:52 Ich kannte Phettberg nicht und jetzt kann man ihn auch nicht mehr fragen. Aber ich habe frage mich schon, wie du auf die Idee kommen kannst, dass ausgerechnet Phettberg Gleichberechtigung und Inklusion "der Lächerlichkeit" preisgeben wollte.![]()
Das ist ja als deine Haltung und deine Meinung auch völlig okay. Das macht ja jeder von uns hier, dass wir einen gedanklichen Ansatz wählen und eine Position vertreten.nanograinger hat geschrieben: ↑22.12.2024, 13:52 Und selbst wenn dem so wäre, so spielt das für mich keine Rolle. Im Gegensatz [...] sondern auf die (Möglichkeit) der Umsetzung.
Genderismus gibt es nicht. Gendern ist selbst keine Idiologie.Perry1986 hat geschrieben: ↑22.12.2024, 15:13 Absolut. Der ganze Genderismus ruft in mir immer Assoziationen an Perrys erste Begegnung mit den Arkoniden auf dem Mond hervor: Diese geben sich völlig degeneriert irgendwelchen sinnbefreiten Tätigkeiten hin und merken garnicht, dass ihre ganze Hochzivilisation im Zerfall begriffen ist (Thora und Crest natürlich ausgenommen)...
Ich stimme dir dahingehend zu, dass Mieten, Inflation oder steigende Verrohung ggü z.B. Ärzten, Polizisten, Lehrern o.ä. derzeit gesellschaftlich wichtigere Themen sind, als eine gendergerechte Sprache. Dennoch finde ich es auch nicht gut, dieses Thema, wenn es mal hier besprochen wird, mit Hilfe von Relativierungsargumenten zu deklassieren. Letztendlich ließe sich das für o.g. Themen auch machen. Denn verglichen mit vielen anderen Orten auf diesem Planten, sind diese Themen Luxusdiskussionen, wenn es zugleich Menschen gibt, die sich noch nicht mal Grundnahrungsmittel leisten können, die gar kein Haus oder eine Wohnung haben oder die exekutiert werden, wenn sie eine falsche Person küssen oder ihr Haar in der Öffentlichkeit zeigen.Gucky_Fan hat geschrieben: ↑22.12.2024, 15:07 Und ich fürchte dass dieser Gedanke das richtige ausdrückt
Bei vielen kommt an, dass sich die Politik nur mit Randthemen beschäftigt und nich für die Masse.
Was dringends geboten ist, dass man solche Debatten nicht vergisst aber sich auf Themen besinnt, die die Massen bewegen. Bei Kollegen waren das gerade bezahlbare Mieten, Ausländer und ätzende Krankenkassenbeitragssteigerung sowie Inflation bei Grundnahrungsmitteln.
Es wurde kein Gendern "eingeführt". Es besteht keine Pflicht und der Duden will es nicht aufnehmenGucky_Fan hat geschrieben: ↑22.12.2024, 16:15 Ich will es nicht relativieren, sehe es aber als Beispiel dafür, dass etwas eingeführt wurde ohne zu bedenken wieviel Widerstand und Hass es produzieren würde.
Ich denke, wenn man nicht so besserwisserisch und belehrend gewesen wäre, sondern den Leuten Zeit gegeben hätte, hätte man mehr erreicht.
Ich gehe davon aus, dass wie bei anderen Themen, verschiedenen Personen verschiedene Meinungen haben. Das gilt auch für genderfluide Personen zum Thema Ent-Gendern. Nach meiner Erfahrung (die nur anekdotisch ist) sind genderfluide Personen durchaus bestimmt, wie sie persönlich addressiert werden sollen. Ob sie mehrheitlich für Neutralisierung oder Genderstern o.ä. sind, weiß ich nicht. Wie gesagt, ich bin kein Experte bei diesem Thema, nur interessierter Laie.Tennessee hat geschrieben: ↑22.12.2024, 15:58... (Ich würde jetzt davon ausgehen, dass viele genderfluide Menschen Phettbergs Theorie gutheißen. Das weiß ich aber nicht.)
...
Und dass über eine y-Endung Denkprozesse angeregt werden, ist argumentativ nur über den Gedanken haltbar, dass die von dir vertretene Gewöhnung einsetzt und sich eben kein Verlachungszustand etabliert.
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Und kurze Frage: "mit einem Schauspiely"... Müsste es nicht eines Schauspiely heißen? "einem" ist doch maskulin. Oder vertu ich mich da?
Das mag ja sein, aber das Ent-Gendern nach Phettberg ist ja keine Theorie, sondern ein konkreter Vorschlag zur Umsetzung geschlechtsneutraler, inklusiver Sprache. Und da er sehr einfach ist, stellt er auch keine wesentliche Barriere für Nicht-Muttersprachler dar, soweit ich das sehe.Tennessee hat geschrieben: ↑22.12.2024, 15:58...nanograinger hat geschrieben: ↑22.12.2024, 13:52 Ich stimme dir durchaus in Punkten zu, aber ich verstehe nicht, warum es ein Problem sein soll, dass Phettberg seinen Ansatz aus einer "sehr ego-zentrischen Position" entwickelt hat...
Im Bereich der geisteswissenschaftlichen/ kulturwissenschaftlichen Theorien ist das problematischer. Zwar ließen sie sich sicher durch Beobachtungen oder argumentative Ergänzungen bestätigen/beglaubigen, aber wenn dies eben nicht auf naturwissenschaftlichen Bestätigungsmechanismen beruhen, ließe sich Theorie und Person nur schwer trennen.
Ein Beispiel dafür: Wir alle haben sicherlich von der tollen Rechtschreibmethode "Schreiben nach Hören" ... aber letztendlich stellte sich heraus, dass seine Theorie absoluter Mumpitz ist.