
Der Literarische Salon
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Re: Der Literarische Salon
Noch nie von diesem Verlag gehört. Der hat ja wahnsinnig viele Bücher 

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Re: Der Literarische Salon
***
Eduard Mörike
(1804-1875)
Begegnung
Was doch heut Nacht ein Sturm gewesen,
Bis erst der Morgen sich geregt!
Wie hat der ungebetne Besen
Kamin und Gassen ausgefegt!
Da kommt ein Mädchen schon die Straßen,
Das halb verschüchtert um sich sieht;
Wie Rosen, die der Wind zerblasen,
So unstet ihr Gesichtchen glüht.
Ein schöner Bursch tritt ihr entgegen,
Er will ihr voll Entzücken nahn:
Wie sehn sich freudig und verlegen
Die ungewohnten Schelme an!
Er scheint zu fragen, ob das Liebchen
Die Zöpfe schon zurecht gemacht,
Die heute Nacht im offnen Stübchen
Ein Sturm in Unordnung gebracht.
Der Bursche träumt noch von den Küssen,
Die ihm das süße Kind getauscht,
Er steht, von Anmut hingerissen,
Derweil sie um die Ecke rauscht.
***
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Re: Der Literarische Salon
Rous2 hat geschrieben: ↑23.08.2025, 10:12Interessant! War Rilke eigentlich an Technik interessiert? Wenn ich das richtig recherchiert habe, entstand das Gedicht um 1900. Und damals wurde im (Stahl-)Brückenbau der Freivorbau eingeführt, auf den sich die Zeile »Kühn berechenbaren Bug« nach meiner Meinung nur beziehen kann, und wodurch man auf altmodische Lehrgerüste verzichten konnte. Klassische Beispiele wären die Müngstener Brücke (1897) und das Viaduc du Viaur (1902), beides übrigens Eisenbahnbrücken. Ein instruktives Foto vom Bau der ersteren findet man unter https://www.die-muengstener-bruecke.de/ ... ckenbogen/. Da lacht das Herz des Bauingenieurs!![]()
So sehr ich auch ältere und modernere Brücken bewundere

Mea maxima culpa

Tatsächlich fehlte eine komplette, nämlich die letzte Strophe, ich stelle es hier jetzt also noch einmal komplett ein:
***
Mitzuwirken (Da dich das geflügelte Entzücken)
Da dich das geflügelte Entzücken
über manchen frühen Abgrund trug,
baue jetzt der unerhörten Brücken
kühn berechenbaren Bug.
Wunder ist nicht nur im unerklärten
Überstehen der Gefahr;
erst in einer klaren reingewährten
Leistung wird das Wunder wunderbar.
Mitzuwirken ist nicht Überhebung
an dem unbeschreiblichen Bezug,
immer inniger wird die Verwebung,
nur Getragensein ist nicht genug.
Deine ausgeübten Kräfte spanne,
bis sie reichen, zwischen zwein
Widersprüchen … Denn im Manne
will der Gott beraten sein.
Rainer Maria Rilke
***
Auf dieser Seite ist eine, wie ich meine, gelungene Interpretation zu lesen.

Mein Versehen mit dem gekürzten Gedicht bitte ich zu entschuldigen ...

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Re: Der Literarische Salon
***
Friedrich Hebbel
(1813-1863)
O lieber Vogel mein
"Sag an, o lieber Vogel mein,
Sag an, wohin die Reise dein?"
Weiß nicht, wohin,
Mich treibt der Sinn,
Drum muß der Pfad wohl richtig sein!
"Sag an, o liebster Vogel mir,
Sag, was verspricht die Hoffnung dir?"
Ach, linde Luft
Und süßen Duft
Und neuen Lenz verspricht sie mir!
"Du hast die schöne Ferne nie
Gesehen, und du glaubst an sie?"
Du frägst mich viel,
Und das ist Spiel,
Die Antwort aber mach mir Müh'!
Nun zog in gläubig-frommem Sinn
Der Vogel übers Meer dahin,
Und linde Luft
Und süßer Duft,
Sie wurden wirklich sein Gewinn!
***
Ein sehr schönes Gedicht von Hebbel, wie ich meine.

Als ich noch im größten geschlossenen Kohlanbaugebiet Europas, dem LK Dithmarschen, wohnte, ließ ich es mir nicht nehmen, das Hebbelmuseum zu besuchen.
Für den Ort Wesselburen, mit seinen noch nicht einmal 4.000 Einwohnern, ist die Geburt Hebbels dort im Jahre 1813 sicher ein Glücksfall, denn wer würde sonst Wesselburen kennen?

Wer sich nun aber gar nicht für Hebbel interessiert, kann ja in Wesselburen das Kohlosseum besuchen, ein 2008 eröffnetes Spezialmuseum zum Thema Kohl.

Hebbel Gesellschaft
Hebbel Museum
Kohlosseum
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Re: Der Literarische Salon
Cabbage fields forever!Perryoldie hat geschrieben: ↑01.09.2025, 11:02 Als ich noch im größten geschlossenen Kohlanbaugebiet Europas, dem LK Dithmarschen, wohnte, [...]

Kein Wunder, dass Hebbel von linder Luft dichtete.

Wir haben zwar kein Kohlosseum, aber dafür ein Denkmal der Kohlbauern:

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Re: Der Literarische Salon
OK, das mit dem Freivorbau nehme ich zurück. Ein Blick in den Grimm belehrte mich nämlich, dass Bug allgemein für Bogen steht, nicht notwendigerweise für etwas Vorspringendes.Perryoldie hat geschrieben: ↑31.08.2025, 14:32
So sehr ich auch ältere und modernere Brücken bewundere, bin ich mir nicht sicher, ob Rilke dieses Thema in seinem Gedicht ansprach.
Hätte nicht gedacht, dass ich mich nach einem halben Jahrhundert noch mal mit Interpretationen von Gedichten beschäftigen würde.
Ich habe dann durch weitere Gedichte von Rilke geblättert und hatte den Eindruck, dass Brücken, real und im übertragenen Sinne, darin recht häufig vorkommen.
Und mit den letzten vier Zeilen werden sogar noch mehr Begriffe geliefert, die glatt aus einem Lehrbuch der Baustatik stammen könnten:
Brücke – berechenbar – Bogen – ausgeübte Kräfte – Getragen sein (Tragwerk) – Widerspruch (Brückenbogen üben Druckspannung, also Kraft pro Flächeneinheit, in den Widerlagern aus).
Ich will das jetzt nicht zu Tode reiten, und weiß auch nicht, ob Rilke diese Begriffe tatsächlich im ingenieurmäßigen Sinne benutzen wollte oder ob ihm das überhaupt bewusst war.
Was ich aber weiß, ist, dass es einige Ingenieure gab, die auch Gedichte machten – nach dem Motto »Dem Ingenieur ist nichts zu schwer«. Das stammt nämlich aus dem Ingenieurlied von Heinrich Seidel.
Und mit einem Gedicht von ihm, wie es aktueller nicht sein könnte, schließe ich dann:
Heinrich Seidel (1881)
Der bewaffnete Friede
In Waffen starrt die Welt,
In Strömen fließt das Geld!
Wir haben ja hienieden
Nur einen Wunsch - den Frieden,
Drum laßt uns Waffen schmieden!
Je mehr davon, je besser!
Ja, Frieden bis aufs Messer!
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Re: Der Literarische Salon

Das ist übrigens eine Kunst, die ich - wenn überhaupt - zumeist nur für mich beherrsche, nicht für andere. Soll heissen: Viele Gedichte verstehe ich intuitiv, hätte aber große Schwierigkeiten, dieses intuitive Verstehen in Worte zu übersetzen. Manche Gedichte, z.b. von Hölderlin, Novalis, oder Wilde, verstehe ich aber noch nicht einmal intuitiv, finde in ihnen aber fast immer einige Zeilen, die mir dann doch etwas sagen und so gebe ich mich halt damit zufrieden. Ich muss nicht (mehr) alles verstehen (wollen).

Da fällt mir ein Zitat von Pablo Picasso ein, der sich beschwerte, dass Menschen unbedingt seine Bilder verstehen wollen:
"Jeder möchte die Kunst verstehen. Warum versucht man nicht, die Lieder eines Vogels zu verstehen? Warum liebt man die Nacht, die Blumen, alles um uns herum, ohne es durchaus verstehen zu wollen und zu können? Aber wenn es um ein Bild geht, denken die Leute, sie müssen es verstehen."
Picasso sagte übrigens auch, dass er es wirklich bedauere, dass er in seinem Leben nie einen Comic gezeichnet hat. Das gefällt mir!
Manche Gedichtinterpretationen, die ich im Netz nachlese, weichen übrigens durchaus von meiner Meinung ab und dann sage ich mir, was immer auch ein Mensch aus einem Gedicht herausliest, das ist genauso richtig und wertvoll, wie das, was andere in einem Gedicht (zu) erkennen (glauben).
Jetzt darf natürlich ein Gedicht nicht fehlen.

***
Theodor Fontane
(1819-1898)
Mittag
Am Waldessaume träumt die Föhre.
Am Himmel weiße Wölkchen nur.
Es ist so still, daß ich sie höre,
die tiefe Stille der Natur.
Rings Sonnenschein auf Wies' und Wegen,
die Wipfel stumm, kein Lüftchen wach.
Und doch, es klingt, als ström' ein Regen
leis tönend auf das Blätterdach.
***
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Re: Der Literarische Salon
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Re: Der Literarische Salon
Früher hätte mich ein solches Bild "schockiert"


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Re: Der Literarische Salon
Das Problem ist, dass die eigenen Hände, mit denen man es für die Ewigkeit festhält, dabei verwittern und zu Staub zerfallen... 

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Re: Der Literarische Salon
Wenn man sich auf wirklich Wichtiges konzentriert, schafft man aber in seiner Lebensspanne schon so einiges. Und mal sehen, welche Speichermedienüberraschungen die Zukunft bereit hält (Kristalle, DNA-Chips etc.).Tell Sackett hat geschrieben: ↑05.09.2025, 10:53 Das Problem ist, dass die eigenen Hände, mit denen man es für die Ewigkeit festhält, dabei verwittern und zu Staub zerfallen...![]()
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Re: Der Literarische Salon
Was nützt es den Besitz für die Ewigkeit zu konservieren, wenn's mit dem eigenen Körper hapert...und es keine Erben gibt... 

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Re: Der Literarische Salon
Aus der Reihe 'Klassiker der Weltliteratur' (BR-alpha, 2009-2011) mit Tilman Spengler
W. Somerset Maugham
Dort sind noch weitere Episoden der Reihe zu finden.
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Re: Der Literarische Salon
Ich liebe Dürrenmatt.
Im Juni 1965 unterhielten sich der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki und der Literaturprofessor Hans Mayer im Zürcher Fernseh-Studio mit Friedrich Dürrenmatt über die Funktion der Literaturkritik und über die Rolle der Kritiker allgemein.
Wer eine Stunde aufwenden kann, wird reich beschenkt. Auch geeignet für PR Kritiker.
https://youtu.be/nuDeSWUXqXE?si=5wWG1bZZZLT2-wzN
Im Juni 1965 unterhielten sich der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki und der Literaturprofessor Hans Mayer im Zürcher Fernseh-Studio mit Friedrich Dürrenmatt über die Funktion der Literaturkritik und über die Rolle der Kritiker allgemein.
Wer eine Stunde aufwenden kann, wird reich beschenkt. Auch geeignet für PR Kritiker.
https://youtu.be/nuDeSWUXqXE?si=5wWG1bZZZLT2-wzN
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Re: Der Literarische Salon
Nicht nur die Sterne sondern vielleicht auch das Universum an sich.Perryoldie hat geschrieben: ↑05.09.2025, 10:51Früher hätte mich ein solches Bild "schockiert", doch wenn man bedenkt, dass selbst Sterne vergehen, ist es nicht schwer zu akzeptieren, dass die meisten Bücher irgendwann zu Staub zerfallen. Wenn man also etwas für die "Ewigkeit" festhalten möchte, sollte man es in (Wind- und Wetter geschützten) Stein meißeln.
![]()
Wobei ich da immer an die Szene aus dem alten Woody Allen-Spielfilm Der Stadtneurotiker denken muss, wo sein Charakter Alvy als Kind erklärt, daß er keine Hausaufgaben mehr machen mag, weil er gelesen hat, daß das Universum doch eh irgendwann zusammenbrechen wird, was das Ende von Allem bedeuten würde. Wozu sich also die Mühe machen.

Leider konnte ich keine auf Deutsch synchronisierte Fassung der betreffenden Szene finden, aber hier gehts zum englischen Original.
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"Yesterday, today was tomorrow. And tomorrow, today will be yesterday."
(Gestern war heute noch morgen. Und morgen wird heute gestern sein.)
--GEORGE HARRISON, in "Ding Dong, Ding Dong" aus der Dark Horse LP (1974)
(Gestern war heute noch morgen. Und morgen wird heute gestern sein.)
--GEORGE HARRISON, in "Ding Dong, Ding Dong" aus der Dark Horse LP (1974)