Tennessee hat geschrieben: ↑06.09.2025, 10:38
Also, ich bin ein bisschen überrascht, von dem, was ich hier zuweilen lese. Da wird eine Lehrerin mit einem Messer angestochen, man weiß aus den entsprechenden Umfragen und Statistiken, dass die Gewalt gegen Lehrkräfte steigt, vor allem die körperliche Gewalt. Und wenn man, z.B. Gucky_Fan, sich darüber empört, ist die Reaktion: Wir hatten früher auch Messer mit. Die Medien bauschen das alles auf. Dass hier explizit ein Migrationshintergrund genannt wird, ist ausländerfeindlich.
Wer hat gesagt, dass es ausländerfeindlich ist? Es wird von einigen, mir eingeschlossen, nur darauf hingewiesen, dass Messerproblem kein explizites Migrationsproblem ist, sondern ein reales tatsächliches Sicherheitsproblem. Messerangriffe gibt es auch Zuhauf von Mitmenschen mit deutscher Nationalität und ohne Migrationshintergrund.
Messer waren auch bei uns schon immer ein Ding der Männlichkeit. Es geht darum, dass wir das MESSERproblem angehen! Und das Problem der Sicherheit allgemein - und das ist primär kein Migrationsproblem.
Tennesee hat geschrieben:
Sag mal geht es noch? Das ist Opferverhöhnung, das ist Täterschutz, das ist die Bagatellisierung von Straftaten. Die Frau wurde notoperiert und die wird sicherlich ganz glücklich sein, wenn sie hören würde, dass sie ja noch glimpflich davon gekommen ist, weil man selbst ja früher Pistolen an den Schulen erlebt hat.
Mir ist das egal, wer ein Messer führt oder ob man selbst früher Messer an der Schule hatte. Wenn ein Messer in die Schulen mitgebracht wird und wenn es benutzt wird, um jmd. zu verletzen, zu töten oder zu bedrohen, hat das sanktioniert zu werden. Und ob die Person Heidi, Franz-Michael oder Mustafa heißt, ist mir egal! Ich bin sowas von überrascht, mit welchen Relativierungsgeschichten plötzlich mit Straftaten umgegangen wird!
Da bin ich vollkommen bei dir. Die Gewaltproblematik muss gelöst werden. Aber weder sind Messer das einzige Problem (Messer sind bei uns ein größeres Problem als in anderen Staaten, weil wir gut sind Schußwaffen einzudämmen - sobald wir Messer eindämmen, ist es der nächste Gegenstand der auch im Alltag im Haushalt verwendet wird, der zur tödlichen Waffen wird).
Um das einzudämmen, muss man an die Wurzel: Nämlich die steigende Gewaltbereitschaft, die mangelnde Respektlosigkeit und Rücksichtnahme vor anderen Menschen generell und staatlichen Institutionen darüber hinaus.
Stichprobenartige Kontrollen als besonders gefährdeten Orten finde ich gut. Aber deswegen alle Schulen automatisch zu besonders gefährdeten Orten zu erklären, kann nicht die Lösung sein. Und in allen staatlichen Institituionen Metalldetektoren und Sicherheitdienst einführen erzeugt kein gesellschaftliches Gefühl von Sicherheit.
Im Gegenteil: Es verstärkt erheblich das Gefühl von Unsicherheit (wir haben bei uns nach den Messerangriffen von Neuss über Einführung von Metalldetektoren beim Sicherheitdienst an der Pforte diskutiert intern - PR - GF - Pressestelle und Datenschutz halt).
Hinzu kommt, dass dies, würde man das flächendeckend einführen nicht nur das Gefühl von Unsicherheit in der Bevölkerung (oder an Schulen, wenn wir es dort machen) weiter steigen würde, sondern es auch mit erheblichen Kosten verbunden ist.
Hinzu kommt (das ist ein Problem bei Stichprobenkontrollen auch), dass eben erst die Kontrolle zu einer Eskalation im Einzelfall führen kann. Stichproben sind wichtig (genau wie Blitzer bei Geschwindigkeitsbegrenzungen), um den Konformitätsdruck sich an Gesetze zu halten (der bei Menschen von Natur aus gegeben ist, und Grundlage aller gesellschaftlichen Ordnungen) zu erhöhen.
Umgekehrt, müssen die Leute, die kontrollieren eben geschult und vorbereitet sein, dass es genau dann eskalieren kann, wenn die Kontrolle durchgeführt werden soll, aber die Person nicht will. D.h. es braucht (sollten Lehrer das in Schulen machen) dort spezielle Schulungen wie die Lehrer*innen das tun sollen, wie sie damit umgehen usw.
Die Polizei empfiehlt regelmäßig, dass nur geschultes Sicherheitspersonal so etwas durchführen sollte - die eben wissen bei Eskalation zu reagieren. Ansonsten man bitten soll, dass die Tasche gegeben wird, dann Abstand einnehmen bei der Kontrolle und wenn die Person sich weigert, dann die Person eher dem Ort verweisen (Hausrecht) - was auch in Schulen möglich wäre.
Aber dafür müssen die Leute geschult werden. Sowohl Schulung als auch Stichproben kosten Zeit (und Geld).
Das kann und sollte man in die Hand nehmen.
Es geht nicht um Relativierung. Jeder Einzelfall ist absolut schrecklich. Bei dem Messerangriff in Solingen ist der Arbeitskollege meines Partners schwer verletzt worden und dann an den Verletzungen kurz darauf gestorben. Aber wenn ich gesamtgesellschaftliche und gesamtpolitische Entscheidungen treffe, dann muss ich daneben wie schrecklich der Einzelfall ist, eben auch durchaus bei der Wahl der Mittel beachten, dass es eben nicht der Regelfall ist und welche Dinge bei den Entscheidungen auf dem Spiel stehen.
Ich bin dafür mehr Maßnahmen durchzuführen. Ich glaube nur, dass die Maßnahmen, um effektiv und dauerhaft wirksam zu sein, nicht einfach in mehr Überwachungsdruck, mehr Technik, weniger Privatssphäre liegen, sondern mehr in Prävention, Schulung, Ausbildung, und Umfeld.
Deswegen auch der Hinweis, dass wir die Messer schon immer hatten (und Messerattacken auch - aber ja, sie haben in den letzten Jahren zugenommen. Das ist statistisch erwiesen). Es gibt aber einen Zusammenhang, dass eben auch das Vertrauen in die staatlichen Institutionen und die staatliche Ordnung abgenommen hat - das Bedürfnis das Recht mehr selbst in die Hand zu nehmen (Selbstjustiz) ist gestiegen.
Die Gründe dafür (kein Vertrauen mehr in Staat und gesellschaftliche Ordnung) wiederum sind vielfältig:
- Menschen, die Staat per se misstrauen (von Reichsbürger, über Links-, und Rechtsextremisten bis hin zu Menschen mit Migrationshintergrund)
- Menschen, die glauben, dass der Staat die Falschen schützt (Links-, und Rechtsextremisten, Menschen mit Migrationshintergrund)
- Menschen, die den (unregulierten) sozialen Medien mehr glauben und immer mehr in Blasen leben (keine spezielle Gruppe)
- Menschen, die per se Politikern nicht mehr glauben (wachsende Gruppe - auch Schichtenübergreifenden)
- Menschen, die mit einer immer komplexeren Welt (Recht, Technik, Menschendiversität) überfordert sind und sich damit allein gelassen fühlen (auch Gruppenübergreifend)
- Menschen, die von der Politik und den staatlichen Institutionen nicht angemessen angesprochen werden (Empfängerhorizont!) und deswegen nicht ausreichend mitgenommen werden (und sich dann auch zurecht ignoriert fühlen).
Wenn die Eltern Zuhause den Lehrauftrag der Schule (Links-, und Rechtextremisten, Reichsbürger, Oberschicht und Menschen mit bestimmten Migrationshintergründen) in Frage stellen und dort keinen Respekt mehr vor staatlichen Institutionen haben... dann haben es die Kinder in den Schulen auch nicht, und dann erhöht das erheblich die Gefahr von Angriffen.
Die kommen nicht alleine durch das "Messer" oder einem Migrationshintergrund, sondern zu einer allgemeinen Haltung zum Staat. Das löse ich nicht einfach durch mehr Überwachung und Polizei.
Das erhöht nicht den "Respekt" (im positiven Sinne) vom Staat, sondern das erhöht die "Angst" vorm Staat - und ich für meinen Teil möchte nicht in der typischen Angstgesellschaft eines Überwachungsstaates leben (China, Russland, Weissrussland um so die bekanntesten Beispiele zu nennen), sondern in einem Respekt-Staat, wo die Lehrerin nicht angegriffen wird, nicht weil man Angst vor der Strafe hat, sondern weil man Respekt vor der Institution hat.
Die Lösungsansätze dafür sind aber unterschiedlich - will ich Angst einflössen oder will ich Respekt einflössen? Furcht/Angst wird leider heutzutage viel zu häufig mit Respekt verwechselt. Um vor etwas Respekt zu haben, muss ich keine Angst davor haben.
Nebenbei sei erwähnt, dass die vielen Metalldetektoren in den USA auch nicht zu einer massiven Senkung der Taten dort geführt haben. Das Problem ist: Der Einzeltäter, der nicht sozial eingebunden ist - den bekommen wir nicht aufgehalten. Wir senken aber enorm die Gefahr, wenn Menschen, die potentiell gefährdet sind Täter*innen zu werden sozial eingebunden sind in ein Umfeld, in dem generell Akzeptanz und Respekt vor dem Staat und der Gesellschaft vorliegt.
Ich habe auch keinen Beitrag hier als Realtivierung verstanden. Der Einzelfall ist schrecklich. Aber der Einzelfall ist nicht repräsentativ für ganz Deutschland.
Wir haben auch eine Steigerung der Schusswaffenkriminalität (=
https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads ... l?nn=28062), seit mehreren Jahren.
Einzelfälle emotionalisieren - deswegen ist ja auch in der Berichterstattung in der Presse der Einzelfall wichtig, um den Menschen das Thema und die Problematik nahezubringen
Stalin hat geschrieben: Ein Toter ist eine Tragödie, eine Millionen Tote sind eine Statistik
Ist psychologisch erwiesen ist so.
Deswegen empört uns der Einzelfall mehr, als wenn wir nur nackte Zahlen sehen. Aber wenn wir gesamtgesellschaftliche Entscheidungen treffen wollen, dürfen wir uns nicht alleine von Einzelfällen treiben lassen.
Und wir tun es auch nicht. Die Anzahl der Messerangriffe hat zugenommen! Der Angriff auf Vertreter staatlicher Institutionen hat sich auf jeden Fall ausgedehnt - waren es vorher nur Polizisten (übrigens sehr viel auch von Täter*innen ganz ohne Migrationshintergrund - Chaostage in diversen Städten - eskalierende Demonstrationen von Rechts und Links....) betrifft es nun
auch Feuerwehrleute, Krankenwagen etc. - also eigentlich Institutionen die NUR helfen und nicht mal einschränkend regulieren.
Es gibt eine immer größere Rücksichtslosigkeit und Respektlosigkeit vor Regeln (man denke daran, dass häufiger und mehr ermahnt wird die Rettungsgasse auf Autobahnen zu bilden ... das Verständnis für solche Dinge ist verloren gegangen und das betrifft (leider) alle Gesellschaftsschichten und Herkünfte).
Und das Problem lösen wir nicht mit mehr Überwachung und mehr Polizei - Amerika ist ein gutes Beispiel (die diesen Weg versuchen und nur zu mehr Eskalation führt). Was funktioniert ist mehr an dem Bewusstsein der Menschen zu arbeiten (dass das funktioniert sieht man übrigens auch an den Beispielen der Staaten wie Russland und China, wo die Kinder von kleinauf zu Gehorsam für den Staat indoktriniert werden).
Ich glaube nicht, dass wir Kinder indoktrinieren müssen wie es die Dikaturen tun - aber mehr Bildung, mehr Verantwortung dort vom Staat würde Not tun - und ich glaube auch (subjektive Wahrnehmung!) dass das früher allgemein besser war.
Wie gesagt: das mangelnde Vertrauen in die Schulen und unsere Gesellschaft ist Schichten-, und Bevölkerungsgruppenübergreifend... (und es gab es schon immer bei der Oberschicht, die oftmals wenn sie Geld hatte die Leute dann auf Privatschulen geschickt und vom Rest der Gesellschaft isoliert hat - das hat die Gesellschaft ausgehalten, weil der Rest zumindest nicht das Gleiche gemacht hat) - nun hat sich das Phänomen aber auf andere Schichten ausgedehnt und es führt zu enormen gesellschaftlichen Fliehkräften in alle Richtungen und damit zu mehr Konflikten und weniger Respekt vor unseren staatlichen Institutionen.
Und die Lösung wird Geld kosten. Geld das man nicht immer direkt sieht durch mehr Polizisten auf der Straße. Geld das an Stellen wirkt, wo nicht jedermann hinschaut. Und die Presse berichtet nicht wo Geld und Maßnahmen wirken. Presse berichtet wo sie skandalisieren kann - und das ist auch deutlich stärker geworden. Presse konkurriert mit den sozialen Medien . dort wird um Klicks gekämpft, Klicks bekomme ich mit Empörung und Skandal. Auch das ist Teil des Problems. Weil auch dort erodiert das Vertrauen in den Staat.
Denn bei all dem was wir diskutieren, dürfen wir nicht vergessen, dass die Kriminalität der schweren Verbrechen immer noch in den letzten 50 Jahren abgenommen und nicht zugenommen hat (damals wurde nur weniger skandalisiert, bzw. es wurde nicht immer über soziale Medien gleich im gesamten Bundesgebiet diskutiert).
Und nur weil pro Tag bei uns 75 Kinder im Straßenverkehr verunglücken (verletzt oder schwerverletzt - Zahl der Toten ist Gott sei Dank niedriger), gibt es trotzdem keine gesamtgesellschaftliche Mehrheit für ein Tempo 30 fast überall (außer Autobahnen).
https://www.destatis.de/DE/Presse/Press ... 20mitteilt.
Ich will nicht relativieren. Es muss etwas getan werden. Aber wir dürfen die Diskussion nicht den Tathergang des Einzelfalls selbst begrenzen, weil wir sonst immer hinterdoktoren und mehr Probleme schaffen, anstatt sie zu lösen. Der Einzelfall sollte Anlass für Empörung, Mitgefühl und Erkenntnis sein, dass ein schwerwiegendes Problem dar ist. Die Lösung sollte aber nicht im Einzelfall gesucht werden, sondern deutlich genauer die Zusammenhänge betrachten. Kurzfristig mögen Stichproben helfen (und sollten durchgeführt werden!) aber Aufklärung und Bildung und Respekt (keine Angst) in allen Schichten vor dem Staaten muss wieder zunehmen.
Wie sollen wir gegen Koranschulen argumentieren, wenn die Reichen unseren Schulen auch nicht vertrauen und ihre Kinder zu Privatschulen und Internaten schicken? Wenn wir dort gesellschaftliche Segregation erlauben, dürfen wir uns nicht wundern, wenn es in anderen Schichten auch passiert.