Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

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RBB
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Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

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Band 1485 - Werkstatt der Sucher - ist von Peter Griese, erschienen am 06. Februar 1990
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"Ihr habt uns ja schon einiges über das Humanidrom erzählt", sagte Lee. "Wie muss, wie kann ich mir das eigentlich vorstellen? Geht das überhaupt?"

Gucky sah Bully an und meinte ein wenig ratlos: "Von außen könnte man sich das wie zwei aneinandergesetzte Glibbertiere denken, Amöben eben, die sich irgendwie nach außen umstülpen, aber beide gleich, was meinst du, Bully?"

Der Angesprochene zuckte mit der Schulter und ergänzte: "Du kannst es dir wie zwei altmodische Hüte vorstellen, die mit den Krempen aneinandergesetzt worden sind. Aber das gibt es nur annähernd her. Das Teil muss man gesehen haben."

Er blickte auf seinen Chrono und sagte: "Projektiere das Humanidrom."

Ein nur sehr schwer erklärbares Teil entstand vor ihnen. Lee fand die Aussage, dass es kaum beschreibbar war, nachvollziehbar. Das dreidimensionale Abbild drehte sich in alle Richtungen, was dazu führte, das Lee gar nichts mehr auf die Reihe kriegte. "Wie groß war das Ding?" fragte sie.

"Einmal in Äquatorhöhe außen rum waren 7.000 Meter und von ganz oben nach ganz unten auch", antwortete der Ilt. "Also ein ganz netter Brocken. Frag aber bitte nicht, wie es innen ausgesehen hatte. Interdimensional verquert, würd ich mal sagen. Gänge führten wie Schläuche hindurch und wie bei vierdimensionalen Bauwerken verschwand etwas vor einem - einfach so. Von einem Moment zum anderen. Ohne Hilfe hättest du dich da drinnen sofort verlaufen. Es geht sogar das Gerücht um, dass Personen im Inneren dieses Bauwerkes verschwanden und nie wieder aufgetaucht sind. Zudem gingen damals die Nakken im Inneren ihren Forschungen nach. Wobei aber niemand weiß, was sie da wirklich gesucht haben. Die haben sich natürlich nicht verlaufen. Kein Wunder, sie waren ja selber halb mehrdimensionale Wesen, zumindest im Denken."

Dr. Tarota Danger hatte ihre zwischenzeitlichen Arbeiten an den Aufzeichnungen unterbrochen und landete auf dem Tisch. "Ich muss mal was anderes sehen", gab sie von sich. "Zwei Tage nur eure Aufzeichnungen hören und reicht fürs Erste." Sie blickte Lee an. "Da hast du dir aber was vorgenommen", sagte sie, sah Lee an und lachte. "Ich denke, damit bist du bis ans Ende deiner Tage beschäftigt. Aber mal sehen, vielleicht kriege ich noch ein paar Leute zur Mitarbeit motiviert."

Sie wendete sich Reginald Bull und Gucky zu. "Das Humanidrom war doch später mal Sitz des Galaktikums, bevor es während einer Besetzung durch größere Mengen Unholde von Ronald Tekener und seinen Leuten gesprengt wurde. Wie habt ihr euch denn dort drinnen fortbewegt? Anscheinend seid ja zumindest ihr wieder rausgekommen."

"Es gab spezielle Roboter", erklärte der Terraner. "Vertigos." Diskusförmige Dinger mit 50 cm Durchmesser und 10 cm Höhe. Ich glaube, das waren eine Viertelmillion. Sie führten Anwesende durch das System der vermeintlichen Irrgärten und Irrwege. Augenscheinlich hat es ja was genützt", schloss er grinsend seinen Vortrag ab. "Sonst säßen wir nicht hier."

Bull lehnte sich zurück.

"Ich glaube, unsere Leute wären seinerzeit da auch nicht wieder herausgekommen, damals, 1146. Sie hätten sich gnadenlos verlaufen, die Bewohner, die Nakken, brauchten sie nicht zu fragen. Für die waren sie sowieso überflüssig und gehörten entsorgt. Zum Glück hieß einer des Teams Sato Ambush."



Spoiler
Reginald Bull erzählt die Geschichte von der Werkstatt der Sucher:

Sie waren mit vier Personen in den Transmitter gestiegen, aber nur zu Dritt angekommen. Captain Ahab alias Balaam alias Stalker war verschwunden. Wieso und wohin wussten sie nicht und sie erfuhren es auch nicht. Er war einfach weg. Sie hatten sich zu Beginn noch ein wenig nach ihm bemüht, als sie aber das verwirrende Umfeld nach Verlassen der Empfangsstation sahen, gaben sie es auf.

Zumal sie während des Transportes von einer merkwürdigen Zeitlosigkeit umgeben waren. Normalerweise betritt man einen Transmitter und - plopp - ist man im Empfänger gelandet. Vom eigentlichen Sprung durch den Hyperraum kriegt man nichts mit, was bleibt, ist ein etwas nerviger Entzerrungsschmerz. Hier war das anders. Aber wer weiß, was da für Kräfte mit im Spiel waren. Auf jeden Fall überstiegen sie das normale Vorstellungsvermögen deutlich.

Die Eindrücke waren scheinbar real, müssen aber zumindest unvollständig gewesen sein. Dadurch verfälschte sich die Realität und gestaltete den Transmitterdurchgang zu einem unbegreiflichen Vorgang. Sato Ambush hat später mal versucht, es mir zu erklären. Aber spätestens, als er zu einer Erläuterung mit seinen pararealen Wirklichkeiten oder Unwirklichkeiten mit einem bestimmten oder unbestimmbaren Realitätsgradienten ankam, hat bei mir alles ausgesetzt.

Wie dem auch war: Sie spürten ihre Nähe, alles war undefinierbar zeitlos, miteinander kommunizieren konnten sie nicht. Sie versuchten es auch gar nicht. Sie hatten jeden Kontakt zum Raum verloren, zudem spielte die Zeit ihnen den üblen Streich, sie existiere gar nicht. Was sie unterwegs aber mitbekommen hatten, war die Tatsache, dass ihr vierter Mann verschwunden war. War der nicht schuld am Tod eines Nakken? War er deswegen weg?

Denken konnten sie. Immerhin etwas. Ihnen wurde klar, dass die Zeitlosigkeit nur eingebildet war, denn sie hörten die Stimme eines Nakk, der sich mit Hilfe seiner Sicht-Sprech-Maske meldete. Das Erzeugen von Tönen erforderte Zeit. Also gab es sie noch. Allerdings war das, was sei verstanden, nicht unbedingt positiv.

Niemand hätte sie aufgefordert, die Werkstatt der Sucher zu betreten, sagte der Nakk. Immerhin seien sie aus eigenem Antrieb gekommen, auch wenn man ihnen großzügigerweise den Weg geöffnet habe. Die Verantwortung für das, was geschehen werde, liege ausschließlich bei ihnen. Wenn die Interessen beider Seiten verwandt wären, so die Stimme weiter, könne es einer Verständigung geben. Wenn nicht, würde man das Eindringen bereuen. Eine Gelegenheit zur Umkehr gäbe es dann nicht.

Verständigung oder Tod. Dazwischen gab es nichts. Das war das Denken der Nakk. Welche Variante die wahrscheinlichere war, konnten sie sich lebhaft vorstellen. Schließlich wurden sie aus der seltsamen Zeitlosigkeit entlassen und Sato Ambush, Loydel Shvartz und der Haluter Lingam Tennar standen auf der Innenseite einer Kugel mit zwanzig Metern Durchmesser. Die Schwerkraft betrug 0,6 g und Tennar vermutete sofort, dass sie im Inneren einer Raumzeitfalte waren. Das wäre jetzt nicht das Problem gewesen. Er griff nach dem über seiner Schulter hängenden Hyperdim-Resonator und meinte, das hätte man gleich.

Dann tauchte aus dem Nichts eine zerlumpte menschliche Gestalt auf, blieb für eine halbe Sekunde sichtbar, schnappte sich den Resonator, kicherte wie irre und verschwand mitsamt dem technischen Gerät. Später stellte sich heraus, dass die arme Socke ein entführter Mensch war, der sich durch Medikamenteneinnahme von den anderen seines Trupps entfernen konnte. Leider hatten die Dinger extreme Nebenwirkungen, sodass er total irre wurde und wohl auch das Gegengift nur dazu geführt hatte, dass er keinen anderen Ausweg als Suizid gesehen hatte.

Jetzt würde ich euch ja gerne erklären, wie Lingam Tennar wieder zu seinem Resonator kam. Leider ist unser Denken auf drei Dimensionen beschränkt und die nächsthöhere Raumdimension kriegen wir nicht in unsere Köpfe. Also gehen wir mal eins tiefer. Stellt euch eine zweidimensionale Welt vor, vor mir aus auf einem riesengroßen Blatt Papier existierend. Darauf leben zweidimensionale Wesen. Dreiecke, Vierecke, Kreise undsoweiter. Ein Strich, eine einfache Linie ist für die dortigen Bewohner genauso unüberwindlich für eine normale Mauer für dich. Fähigkeiten besonders begabter Wesen lassen wir mal komplett außen vor.

Habt ihr's? Gut. Unsere Winzlinge wuseln also auf dem Blatt hin und her und gehen ihren Beschäftigungen nach. Auf einmal erhalten wie Besuch von einem dreidimensionalen Körper, sagen wir, einem Würfel. Sie können ihn erst wahrnehmen, wenn er auf ihrem Blatt Papier landet. Da unseren Freunden der Sinn für die dritte Dimension fehlt, taucht der Würfel wie aus dem Nichts auf und sie sehen ihn als Quadrat auf ihrem Blatt Papier. Dass es sich tatsächlich um einen Würfel handelt, können sie nicht wissen. Ihnen fehlt das Verständnis für die dritte Dimension. Klar soweit?

Sollte der Würfel nun die Fähigkeit haben ihr Blatt Papier zu durchdringen, sehen sie stets und ständig ein Quadrat. Ist der Würfel durch das Blatt hindurch, verschwindet das Quadrat aus der Sicht der Zweidimensionalen. Von jetzt auf gleich. Wie das Quadrat das gemacht hat, wissen sie nicht. Richtig kompliziert wird es, wenn der Würfel nicht "glatt" auf dem Blatt aufsetzt, sondern spitzwinklig, wenn er also auf einer Kante steht. Dann sehen die Kleinen zuerst ein immer größer werdendes Dreieck aus dem Nichts auftauchen, dass später in ein Sechseck übergeht, dann wieder zum Dreieck wird, diesmal kleiner werdend, und wieder wie eben im Nichts verschwindet. Sollten ein paar ganz kluge Kerlchen dabei sein, werden sie vielleicht mathematische Berechnungen anstellen, um auf diesem Wege nachvollziehen zu können, was sie da erlebt haben. Wirklich begreifen können sie es nicht.

Und genau das ist unserem Dreierteam passiert. Die Hand des Diebes fuchtelte, wieder aus dem Nichts kommend, vor Tennar herum. Der griff zu und zerrte die ganze Gestalt aus ihrem unsichtbaren Versteck, irgendwo in einer anderen Dimension liegend. Er nahm ihm den Resonator ab, wollte ihn festhalten, um ihm zu helfen. Der Haluter staunte nicht schlecht, als er die schmächtige Gestalt nicht halten konnte. Eine Sekunde später war er wieder weg. Aber sie hatten das Gerät zurück und konnten die Raumzeitfalte verlassen.

Warum ich das hier so detailliert erzähle?

Nun, unsere Freunde erlebten immer wieder derartiges. Irgendwas tauchte aus dem Nichts auf und verschwand direkt wieder. Ab und zu waren mal ein paar augenscheinlich meditierende Nakken dabei, die aber kaum waren. ansprechbar. Überhaupt: Was diese seltsamen Wesen da trieben, hatte noch nicht mal Sato Ambush mittels seiner Para-Realitäten herausbekommen. Wenn sie überhaupt etwas von sich gaben, war das lediglich ein Wort: Shaarim. Mehr nicht. Was das bedeutete, war unklar.

Das heißt, einmal bekamen sie tatsächlich eine Antwort. Sato Ambush hatte erfahren, dass sie in der Werkstatt der Sucher wären. Die Meditierenden seien die die Sucher, teilte man ihm mit. Deren Suche sei die nach dem Unerklärbaren, sagte man ihm. Darauf wollte Sato wissen, worauf sich das Unerklärbare beziehen würde, also auf welchem Gebiet die Meditierenden forschen würden.

Prompt erhielt er zur Antwort, dass alleine seine Frage unsinnig sei. Denn wenn das Unerklärbare in irgendeiner Weise erklärbar wäre, wäre es ja nicht das Unerklärbare. Also sei jede Frage in dieser Richtung widdersinnig.

So oder ähnlich dürft ihr euch Kommunikation mit den Nakken vorstellen. So richtig weiter kommt man da nicht. Sie erhielten einen Sack voller mysteriöser Bemerkungen und Schlagworte wie Dogmatik des Überseins, Strategie des Unerklärbaren, Dislozierung der Unmöglichkeiten, Lizitation des Überflüssigen oder dergleichen mehr.

Und immer wieder Shaarim. Bis sie plötzlich vor ihm standen. Shaarim war ein Nakk und anscheinend hatten die anderen nicht mehr getan, als nach ihm zu rufen. Dieser eröffnete den Dreien, man hätte ihr Verhalten analysiert und wäre zu dem Schluss gekommen, dass sie nur stören würden und ihre Interessen nicht mit denen der Nakken übereinstimmen würden. Daher hätten sie den Weg der drei Stufen zu gehen.

Nun, dieser Weg erwies sich als äußerst abenteuerlich und wenn man auf Loydel Shvartz gehört hätte, wären sie wohl nicht wieder lebend aus dem Humanidrom herausgekommen. Aber trotz Sato Ambush und Lingam Tennar hätten sie es nicht geschafft, wenn nicht plötzlich Varonzem vor ihnen gestanden hätte. Varonzem war der Nakk, der in Andromeda die Lebenskraft des Zentralplasmas steigern wollte, ihr erinnert euch?

Nun, die anderen Nakken hatten von Varonzem einen Riesenrespekt. Nach einer kurzen Konferenz mit Shaarim eröffnete Letzterer unseren drei erstaunten Kameraden, dass 200 Nakken sie begleiten würden. Man würde bei der Manipulation des Kontrollfunknetztes mithelfen. Die Nakken wurden in Folge zunächst über den Transmitter zurück nach Lockvorth gebracht und danach auf die drei Raumschiffe verteilt. Die konnten den anrückenden Cantaro so grade noch entkommen.




"Und was nun mit diesem Captain Ahab? Wo ist der abgeblieben?" wollte Lee wissen.

"Das war zu dieser Zeit völlig unbekannt. Man kenne keinen Balaam, erklärten die Nakken und damit war das Thema beendet. Mehr erfuhren sie nicht."

"Seltsame Kerlchen." Lee wandte sich Gucky zu. "Da bist du mir lieber", sagte sie zu dem Ilt und kraulte ihm den Nacken.

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Peter Griese gehört zu den Autoren, von denen ich wusste, dass es sie gab, aber konkret etwas unter seiner Schreibe vorstellen konnte ich mir nicht. In diesem Zyklus hat er zu Beginn einen für mich grottenschlechten und einen guten bis sehr guten Roman abgeliefert. Der hier war genau dazwischen.

Die Schilderung der Transmitter - Reise (ein Sprung war es ja nicht) zu Beginn hat mich beeindruckt, ebenso hat mir die Beschreibung des Terraners gefallen, der den Resonator entwendet hatte. Eine verzweifelte Person, die es ins Humanidrom verschlagen hatte. Schade, dass er sterben musste. Ich hätte es ihm gegönnt, wenn er mit Ambush und Co hätte flüchten können.

Wer mit absolut auf den Nerv ging, war Loydel Shvartz. Immer wieder wollte er seine Artillerie zu den unmöglichsten Gegebenheiten sprechen lassen. Und immer wieder mussten Sato Ambush und Lingam Tennar ihm bremsen. Natürlich sollte er als "normaler" Gegenpol zu Ambush mitsamt seiner Para-Realitäten und den Nakken dienen. Er sollte wohl der Punkt sein, an dem die Leserschaft sich festhalten sollte. Das kam bei mir aber absolut nicht an und war für mich total daneben.

Diese Eskapaden haben den Roman für mich abgewertet. Von einer glatten zwei ging es abwärts auf eine ganz knappe drei.
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Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

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Band 1486 - Mission auf Akkartil - ist von H. G. Ewers, erschienen am 13. Februar 1990
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Olymp lag hinter ihnen. Somit auch der große, Roi Danton gewidmete Teil des Kaiserpalastes, nicht aber die leicht spöttischen Bemerkungen der beiden Newenglander.

"Seid mir nicht böse", begann John Talbot. "Aber ihr wart doch ziemlich verpeilt, dass ihr ihn nicht erkannt habt. Ich meine, ihr kanntet Michael Reginald Rhodan doch von Geburt an. Ihr kanntet seine Gestik, seinen Gang und seine Art, sich auszudrücken:"

"Vor allen Dingen", ergänzte Lee, "wusstet ihr um sein Faible für die alten Franzosen. Und dann kommt da einer als Geck verkleidet an, macht euch alle lang und keiner kommt auf den Gedanken, wer das wirklich ist?"

"Atlan hat's ja gemerkt", brummte Bull. "Warum wir zu blöd dazu waren, ist mir bis heute unklar. Ihr habt ja recht. Diese ganzen ironischen, spöttischen Bemerkungen hätten uns auf die richtige Spur bringen können. Trotz Zeitpolizei und OLD MAN. Aber wenn's noch nicht mal der eigene Vater auf die Reihe kriegt, brauche ich mich als Patenonkel zumindest nicht hinten in die Ecke zu stellen. Und unser Meister aller Klassen hier", er zeigte auf Gucky, "war auch nicht besser als wir. Tröstlich."

"Da kann ich noch nicht mal widersprechen" meinte der Ilt. "Der Bengel war uns einfach über. Da nützen auch keine Beschönigungen. Die ganze Geschichte ist ja, wie ihr gesehen habt, von Spezialisten bis zum Geht-nicht-mehr durchgekaut worden und man hat Etliches festgestellt, an dem wir es hätten merken müssen. Haben wir aber nicht. Vielleicht hat das den gleichen Grund, warum wir hier endlose Geschichten bis ins Detail erzählen können, nur eben andersrum."

Er zuckte in einer sehr menschlich wirkenden Art und Weise mit den Schultern.

"Aber ihr seht", eröffnete Gucky seinen Zuhörern, "noch nicht mal ich kann alles wissen. Aber es war doch wenigstens interessant für euch, mal zu erfahren, dass auch unsereins nicht perfekt ist. Auch ein Mausbiber ist nur ein Mensch."

Sie frotzelten noch eine Weile herum, dann waren sie am Ziel ihrer langen Reise. In der Gegend der äußeren Oortschen Wolke waren sie noch gut ein Lichtjahr vom eigentlichen Solsystem entfernt und Sol war ein Fleck mitten auf dem Zentralebildschirm, etwas heller als die anderen kleinen Punkte.

"Setzt euch mal hier hin passt auf", sagte Gucky und nickte dem jungen Ortungsspezialisten zu. Der nahm ein paar Schaltungen vor und die beiden Newenglander hätten das Gefühl, alleine im Weltraum zu sein. Wie vor einiger Zeit auf dem Schiff Icho Tolots ging es Lee durch den Kopf. Sie beschleunigten und kamen dem Ziel näher.

Die KI des Bordrechners erläuterte den Neuankömmlingen die Umgebung. Der erste Außenposten hieß Makemake und zog als Plutoid, als Zwergplanet, seine Bahn. Er benötigte rund 309 Jahre zur Umkreisung Sols. Makemake war eines der klassischen Kuipergürtelobjekte, die in den Außenbezirken des solaren Systems teils fast kreisrund, teils extrem exzentrisch ihre Bahnen zogen.

Sie wussten, dass es den zentralen Zwergplaneten Pluto schon länger nicht mehr gab. Er wurde in einer kriegerischen Auseinandersetzung mit den Takerern zerstört. Überhaupt, dachte Lee, ist das Solsystem immer wieder Zentrum von derartigen Kämpfen gewesen. Und sie fragte sich, ob denn eine Öffnung Newenglands zum Rest der Galaxis wirklich der richtige Weg sei. Andererseits ist das Solsystem das Solsystem. Aus irgendwelchen Gründen, die ihr nicht klar waren, spielte es immer wieder eine Rolle im Zentrum diverser Ereignisse. So wusste sie, dass von ursprünglich elf Planeten nur noch acht übrig waren. Terra selber und der Mars waren das eine oder andere Mal verschwunden, wo und wie auch immer, fanden über kurz oder lang aber wieder in ihre Heimat zurück.

Sie setzen ihre Reise fort. Neptun, flüsterte die KI, danach Uranus und sie flogen an den blau schimmernden Gasriesen vorbei. Ihren ersten richtigen Stopp machten sie kurz darauf. Saturn, ging es Lee durch den Kopf, das muss der Saturn sein. Fasziniert betrachtete sie die Ringe, die ein einmaliges Bild abgaben. Natürlich hatten jede Menge Planeten Ringe, im Regelfall waren das allesamt Gasriesen, aber Saturn war ein Sonderfall. 9,5facher Erddurchmesser, 95 Erdmassen, erfuhren sie, aber das war ihnen eigentlich völlig egal. Sie konnten sich an dem beeindruckenden Bild nicht sattsehen.

Wie mag das von einem der Monde aussehen? Du stehst morgens auf und statt zu deiner Sonne blickst auf so etwas. Ob du deinen Blick für die Schönheit der Natur bewahrst? Oder wird das irgendwann mal selbstverständlich für dich? Sie wusste es nicht.

Sie lernten, dass Perry Rhodan auf dem Saturnmond Titan seinen Sohn Roi Danton wieder getroffen hatte. Die Beiden hatten sich plötzlich völlig fassungslos gegenüber gestanden. Und Roi Danton, ganz der Schelm, der er nun mal war, entführte umgehend eine der anwesenden Damen und ließ den Rest verdattert im Regen stehen. Ich muss Gucky mal fragen, was aus ihm geworden ist. Zumindest bei uns zu Hause waren keine neueren Informationen über ihn vorhanden.

Dann: Jupiter. Der Riese des Systems. Das ist der Hauptgott der alten Römer, über die Atlan uns einiges erzählt hat und über die ich gerne noch mehr erfahren hätte. Auf jeden Fall passte der Name. Trotz oder grade wegen seiner Außenposition Garant für die Entwicklung des Lebens auf der Erde, weil er für das System seit undenklichen Zeiten als eine Art Staubsauger tätig war und sich jede Menge Asteroiden, Kometen und sonstige Himmelskörper einverleibte, die ohne ihn unbeirrbar ihren Weg ins Innere fortgesetzt hätten und auf den inneren Welten zerstörerisch gewirkt hätten.

Okay, in ihrem System war East Alderney noch größer, aber sie war nie so nah an ihm dran gewesen, als dass sie einen Vergleich hätte starten können. Eigentlich hatte sie ihn nur einmal durch ein Fernrohr betrachtet und da hatte er nicht sonderlich beeindruckend ausgesehen. Aber wenn man direkt vor einem derartigen Monster war, sah das schon anders aus. Die KI machte auf den Großen Roten Fleck aufmerksam, einem seit Jahrtausenden tobenden langlebigen und auffälligen Sturms. Eineinhalb mal so breit wie der Durchmesser der Erde. Ob man sich den mal genauer von unten oder innen angesehen hat? Wenn man in schwarze Löcher fliegen kann, dürfte der hier ja nicht unbedingt das Problem sein. Vielleicht lässt man ihn aber auch als Naturwunder in Ruhe.

Sie sahen die bizarren Eiswelten der Jupitermonde, die den Riesen in großer Zahl umkreisten. Und dann...

...richtete sich der Blick ins Innere System, dem wahren Ziel Terra, der Erde, dem Ursprung, entgegen. Da sollte es nun hingehen.

Eigentlich. Wenn sie nicht ziemlich brutal aus ihren Träumen gerissen worden wären.

"Bevor ihr jetzt völlig in interplanetaren Faszinationen versinkt", holte Gucky sie mit seiner schrillen Piepsstimme in die Wirklichkeit zurück, "wollen wir doch mal sehen, ob es noch lange dauert, bis wir mit unserer Geschichte im Solsystem ankommen."

"Du bist ein elender Nichtsnutz!", schimpfte Lee mit dem Ilt. "Sowas kann man auch zartfühlender machen. Ich wusste noch gar nicht, dass Mausbiber derartige Barbaren sein können."

"Quatsch", kommentierte der Angesprochene. "Auf das Thema Barbaren sind grundsätzlich nur der hier", er zeigte auf Bully, "und seine Artgenossen abonniert. Ilts sind das edelste, höchstentwickelte und verständigste Volk dieser Galaxis. Ach, was sag ich. Des Universums!"

Reginald Bull verdrehte die Augen und machte eine Geste, die wohl so etwas wie "der hat recht und wir unsere Ruhe" besagen sollte. Seufzend sagte er: "Ich stelle mir bei diesen Sprüchen immer wieder vor, hier liefen noch zwanzig von seiner Sorte rum. Wie damals auf dem Mars. Glaubt mir, dann wären wir schön längst in der Klapse."

Gucky brummelte noch: "Da gehört manch einer von euch sowieso hin.", kam damit aber nicht richtig durch, weil Bull grade meinte, er erzähle mal weiter. Schließlich wolle man ja irgendwann mal zu einem Ende kommen.

"Sato Ambush", begann er, "hatte also zweihundert Nakken vom Humanidrom mitgenommen und die drei Schiffe waren in Richtung Heleios unterwegs."


Spoiler
Reginald Bull erzählt die Geschichte von der Mission auf Akkartil:



Es klappt natürlich nie etwas so, wie man es sich vorstellt. Warum hätte das bei Sato Ambush auch besser sein sollen?

Nach Abschluss des Abenteuers im Humanidrom hatte er sich in seine Kabine an Bord der UXMAL zurückgezogen und sich als allererstes des lästigen SERUNS entledigt. Nach einer ausgiebigen Dusche mitsamt Thermalmassage zog er seine Wohlfühlklamotten, eben seinen Kimono, an und begann ganz langsam, sich wieder wie ein normaler Mensch zu fühlen. Er verneigte sich vor dem in einer Wandnische stehenden Bodhisattwa und begann zu meditieren.

Wisst ihr, was ein Bodhisattwa ist? Nein? Okay. Das Wort stammt aus dem altterranischen Sanskrit, einer Sammlung verschiedener Sprachen des Altindischen. Wir haben ein zusammengesetztes Wort aus bodhi, also "Erleuchtung oder "Erwachen" und sattwa, das bedeutet so viel wie "Das Seiende" oder "Wesen". Ein Bodhisattwa ist also ein Erleuchtungswesen. Im Mahayana - Buddhismus werden sie als nach höchster Erkenntnis strebende Existenzen bezeichnet. Sie wollen Tugendvollkommenheit erreichen, um sie zum Heil aller lebenden Wesen einzusetzen.

Sato Ambushs Geist verschwand während dieser Meditationen irgendwo im nirgendwo, fragt mich bitte nichts Genaues. Auf jeden Fall holte er sich dort die Kraft, sein Leben in diesem Sinne zu meistern. Nur: Dieses Mal klappte es mit seiner Konzentration nicht so ganz. Er schob es zunächst auf das Humanidrom, später auf die Nakken und kam nicht richtig weiter. Er rief in der Zentrale an und dort beschied ihm Loydel Shvartz, dass es wohl Schwierigkeiten gebe. Die Nakken schienen sich zu streiten. Man habe ein ständiges Hin und Her zwischen den Unterkünften bemerkt und stelle jetzt zwei Fraktionen fest.

Kurze Zeit später standen zwei dieser unbegreiflichen Wesen, nämlich Varonzem und Emzafor vor Satos Kabine und verlangten Einlass. Der Flug nach Heleios müsse unterbrochen werden, sagte Emzafor nach fünfminütigem Schweigen. Das Tortula gehöre aufgebrochen, eröffneten sie dem Pararealisten. Eine weitere Erklärung wäre für Außenstehende nicht möglich. Es handele sich um eine interne Angelegenheit der Nakken und man habe sie auf Akkartil abzusetzen.

Mit solchen Sprüchen konnte man einen Sato Ambush natürlich nicht beeindrucken. So erfuhr er, dass man gewisse Kommunikationsschwierigkeiten aufzulösen habe und das eben nur auf Akkartil möglich sei. Sobald man wieder raashdja sei, könne man ohne weitere Unterbrechung weiter nach Heleios fliegen.

Weitere Fragen Ambushs beantworteten sei nicht. Sie seien zwingend auf Akkartil abzuladen, wenn man weiterhin eine Kooperation zwischen ihnen und den Widdern wünsche.

Akkartil gehörte zu der roten Riesensonne Rachmayn und war deren einziger Planet. Diese Welt hatte aber eine sehr seltsame Besonderheit: Sie wurde umkreist. Aber nicht von einem Mond, sondern von einem Mini - Black Hole. Diese Konstellation zog die Nakken wohl an. Was blieb Sato Ambush also anders übrig, als den Nakken die Landung auf Akkartil zu erlauben?

Man setzte also die Nakken ab, anschließend machte sich Ambush vorab mit der UXMAL auf in Richtung Heleios, um dort vom Stand der Aktion zu berichten. Als Ersatz kam die JOLLY ROGER mit Nikki Frickel an Bord zu den zwei anderen Schiffen.

Die JOLLY ROGER war nicht irgendein Raumschiff, sie war ein LAURIN, das soll heißen sie hatte einen besonderen Ortungsschutz und war somit unauffindbar bzw. unsichtbar. Daher auch der Name, der an die unsichtbaren Laurins aus der Frühzeit des Solaren Imperiums erinnern sollten. Und unsere Nikki Frickel war nun nicht unbedingt die Sorte Frau, die sich mit Wartereien abfinden konnte. So forschte sie den Nakken hinterher und fand unter einem Gebirge eine gewaltige Anlage der Schneckenartigen, in die sie mit einem Erkundungstrupp vorstieß.

Dann ging es los. Sie erlebte ein dermaßen konfuses Zeug, dass ich beim besten Willen nicht darüber berichten kann. Zeitverschiebungen, Begleitpersonen, die es nicht gab und derlei Dinge mehr. Ab und zu wäre es einfach besser, auf einem Raumschiff abzuwarten, ob man denn nun wirklich benötigt wird oder nicht. Aber sowas?

Später resümierte sie, dass alle ihre Erlebnisse wohl nie geschehen waren und ihre Erinnerungen daran bloß imaginär wären. Was auch immer das heißen sollte. Wäre Sato Ambush noch da gewesen, hätte der es ihr wohl erklären können; aber so musste sie leider mit Perry Rhodan vorliebnehmen. Der tröstete sie mit den Worten, dass Zeitphänomene sich weitgehend dem menschlichen Begreifen entzögen. Nikki stand ziemlich ratlos da, dann überkam sie noch eine Erinnerung: Sie habe erfahren, dass die Bionten von Kyon und anderen Getto-Welten sich zu einem Sammelpunkt zu begeben hätten, einer Welt namens Mycon. Dies habe ein auf sie sehr charismatisch wirkender Terraner namens Ager Catomen angeordnet.

Homer G. Adams, der Chef der WIDDER, erklärte zu Nikkis Info nachdenklich, dass er diesen Namen schon mal gehört habe. Aber die beiden Personen könnten nicht identisch sein, immerhin habe sein Ager Catomen bereits vor sechshundertfünfzig Jahren gelebt. Er hatte damals, übrigens mit tatkräftiger Unterstützung von Galbraith Deighton, dafür gesorgt, dass die besten Hansesprecher ausgetauscht würden und so die politische Wende zum Schlechten eingeleitet.



"Und die Nakken? Haben die sich wieder eingekriegt?", wollte Lee wissen.

"Haben sie. Sie hatten irgendwas mit einer Geheimloge zu klären gehabt und waren sich wieder einig geworden. Emzafor kam in Folge nochmals darauf zu sprechen, dass seinerzeit ihr Artgenosse Ermancluq von dem Nakken Ayshupon getötet worden sei. Emzafor wolle sich auf die Suche nach ihm machen, wohl, bevor dieser weiteren Unsinn anstellen könne. Alle anderen flogen weiter nach Heleios."

"Noch was. Besonders gut leiden konntest du sie wohl nicht, was?"

Bull fühlte sich ertappt und brummte etwas wie: "Man kann ja nicht jede und jeden sympathisch finden."

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Diesen Roman zu bewerten, wäre nicht fair. Eigentlich auch nicht, ihn zu kommentieren. Denn er hatte zwei für mich extrem schlechte Voraussetzungen: Erstens den Auto HGE und zweitens die Hauptperson Nikki Frickel.

Mir ist hier etwas passiert, was mir eigentlich nie passiert: Ich habe beim größten Teil des Romans absolut nicht kapiert, was der Autor uns hiermit antun und schildern wollte. Deswegen war ich heilfroh, also ich auf Seite 58 endlich lesen konnte, dass alle geschilderten Erinnerungen lediglich imaginär waren.

Das war wohl ein klassischer Füllroman mehr oder weniger kurz vor dem anstehenden Finale. Für mich sieht es so aus, als wäre der einzige Sinn des Bandes gewesen, uns den Namen Ager Catomen zu präsentieren. Gut. Habe ich zur Kenntnis genommen. Über den Rest decke ich den Mantel des Schweigens.
:-=
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Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

Beitrag von RBB »

Band 1487 - Rebellion in der Gen-Fabrik - ist von H. G. Francis, erschienen am 20. Februar 1990
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Sie waren antriebslos im Asteroidengürtel unterwegs.

"Das sind die Überreste von Zeut, dem damaligen fünften, ur-vorherig aber sechsten Planeten des Solsystems. Vor etwas mehr als 55.000 Jahren wurde er von den Bestien zerstört", erläuterte Gucky. "Sie nannten sich damals zwar schon Haluter, weil sie sich auf einem Planeten namens Halut niedergelassen hatten, das wars aber auch mit der Ähnlichkeit mit den sanften Riesen von heute. Es hätte zudem nicht viel gefehlt, dann wäre die Erde auch weg gewesen. Das hätte übrigens zweimal passieren können. 52.500 Jahre nach dem ersten Angriff der Bestien kam der zweite. Die, ich sag mal, richtigen Haluter, deren direkte Nachkommen, haben uns gerettet."

"Und schon stellt sich wieder die Frage, ob wir Newengland aus der Versenkung holen sollen oder nicht", merkte John Talbot an.

"Solltet ihr", antwortete der Ilt. "Es gibt viele besiedelte Welten in der Milchstraße, sehr viele. Den meisten passiert absolut nichts. Auch unter den Cantaro gab es außer Newengland noch weitere Planeten, auf denen sich nicht allzu viel abgespielt hat. Sie waren einfach nicht interessant genug. Es ist nämlich ziemlich schwierig, eine ganze Galaxis komplett unter Kontrolle zu haben. Im Regelfall erfolgt eine Konzentration auf die wirklich wichtigen Welten; will man jedes System total in seinen Bann kriegen, ist die Zersplitterung zu groß. Also muss man auswählen. Und Newengland würde in meinem zukünftigen Imperium der Mausbiber nicht zwingend die erste Geige spielen. Und gegen absolute Katastrophen wie die Sache mit dem Schwarm ist man sowieso machtlos. Ihr müsst nur aufpassen, wenn auf einmal so ein neunmalkluger Typ wie Perry Rhodan bei euch rumläuft. Diese Figuren ziehen das Unheil an wie Motten das Licht, wollen das aber nicht wahrhaben. Den müsst ihr wegschicken oder irgendwas mit ihm machen, auf dass er keinen Blödsinn anstellen kann."

"Eben!" brummte Bull. "Ihr verpasst einfach sehr viel. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit, in einer solchen absoluten Katastrophenzeit zu leben, nicht sehr hoch. Bei uns alten Säcken sieht das natürlich anders aus. Im Normalfall lebt es sich auf der Erde ganz gut. Aber das werdet ihr ja bald erfahren.“

"Ich muss Chuck etwas aus Irland mitbringen", sinnierte Lee vor sich hin. "Wenn ich das vergesse, komme ich besser gar nicht erst heim."

"Keine Sorge, Kind", wurde sie von Gucky beruhigt. "Ein paar Holos, ein paar originale Klamotten und einen Leprechaun. Besonders der wird es ihm antun. Leprechauns sind Naturgeister und beschäftigen sich hauptsächlich damit, ihre Goldstücke zu zählen, die sie immer wieder am Ende des Regenbogens finden. Dummerweise sind sie extrem geizig und verstecken ihren Reichtum. Sollte Chuck es allerdings schaffen, dem Knilch zu entlocken, wo er sein Gold versteckt hat, erhält er als Belohnung einen ganzen Eimer davon. Leprechauns sind kleine, grün angezogene Männchen mit Hut, roten Haaren und rotem Bart."

"Womit wir bei dem einzigen Unterschied zu dem Kerl hier sind", ergänzte Bully. "Unser herzallerliebster Mausbiber hat zwar ein leicht ins rötlich-braun gehendes Fell und ist ein kleines Männchen. Aber er ist nicht grün angezogen. Und ich kann ihn mir beim besten Willen nicht als Schuhmacher der Feen vorstellen."

"Dafür gehe ich aber als helfender Hausgeist durch. Sonst könnt ihr demnächst euer Universum alleine retten und sehen, was ihr davon habt."

"Zugegeben. Manchmal bist du ganz nützlich, dass muss sogar ich anerkennen."

"Ich glaube," schaltete sich Tarota Danger ein," einer der wesentlichen Punkte unserer zu erstellenden Dokumentation werden die Schmeicheleien sein, mit denen ihr zwei euch gegenseitig erfreut. Lee wird sicherlich mittlerweile in der Lage sein, eine tiefenpsychologische Betrachtung darüber zu schreiben. Auch wenn es etwas länger dauert, bis die fertig sein wird. Aber wie geht es denn nun weiter?", holte sie die Anwesenden zurück in die Wirklichkeit.

"Dann wollen wir mal", sagte Bull. "Die Nakken waren angekommen. Ebenso hatten sich fast alle Schiffe der Widder und unserer zurückgekehrten Tarkan-Flotte auf Heleios eingefunden. Einzig Perry war mit seiner ODIN und der BOX-17411 auf Akkartil zurückgeblieben."


Spoiler
Reginald Bull erzählt die Geschichte von der Rebellion in der Gen-Fabrik:


Der Sturm, den die Herren der Straßen in den vergangenen Monaten gegen die WIDDER entfachten, hatte sich gelegt. Mit umfassenden Gegenmaßnahmen hatten wir so gut wie alle noch tätigen Teams evakuiert. Ein paar wenige waren noch im Einsatz, die aber zumeist in Schlüsselpositionen und es war entweder unmöglich oder zu gefährlich, mit ihnen in Kontakt zu treten oder sie zu warnen.

Ich berichtete in großer Runde über unsere Maßnahmen und kam zu dem Ergebnis, dass Homer in den vergangenen Jahrhunderten schon schlimmere Rückschläge erlitten hatte. Wir sprachen über die Größe der Löcher, die wir in den Chronopulswall stanzen mussten, um das Zentralplasma an die richtigen Orte und Stellen zu kriegen. Zusammenfassend ließ sich sagen, dass die besten Voraussetzungen für eine Großaktion gegen die immer noch ominösen Herren der Straßen vorlagen.

Es hätte wohl auch keine Schwierigkeiten mehr gegeben, wenn Nikki Frickel uns nicht über die Bionten von Kyon in Kenntnis gesetzt hätte. Ein gewisser Ager Catomen bereiste diese Niemandslandwelten, auf denen die Cantaro ihren Gen-Müll, eine perverse Bezeichnung für ihre Fehlzüchtungen, abgesetzt hatten. Wer war dieser Ager Catomen? Was sollte die Sammelaktion? Das letzte Aufgebot der Cantaro konnte es nicht sein - sie hatten Kämpfer-Klone ohne Ende.

Irgendwas braute sich da zusammen.

Homer berichtete uns von einem Hansesprecher gleichen Namens. Er war von Galbraith Deighton protegiert auf diesen Posten gekommen, nachdem es gegen Ende der 80er Jahre des 5. Jahrhunderts zu etlichen mysteriösen Unfällen bei den damaligen Hansesprechern gekommen war. Catomen war Vertreter eines harten Kurses und wir fragten uns, ob er mit dem heutigen Catomen identisch war.

Homer G. Adams hielt die Antwort auf diese Frage für so wichtig, dass er sich persönlich um deren Klärung kümmern wollte. Kurz darauf startete die QUEEN LIBERTY mit einem hochwertigen Einsatztrupp an Bord: Gucky, Ras Tschubai und Fellmer Lloyd waren dabei. Ihr Ziel war der Planet Mycon, der nach Nikki Frickels Aussage einer der Sammelplätze der Bionten sein sollte.

Unsere Sorgen waren berechtigt, wie der folgende zweite Teil dieser Story erklären soll.

Der Cantaro Peeroush leitete die Gen-Fabrik auf Aptulat im Heimatsystem der Báalols. Er war unumschränkter Herrscher über und in der Fabrik und hatte mit Ilmarem eine zunächst willfährige rechte Hand. Er war maßgebend an der Zucht der nächsten Generation sogenannter Jahrhundert-Klone beteiligt. Die waren aus dem Genmaterial der Antis, also der Báalols, gefertigt. Die Báalols waren für die Cantaro deswegen interessant, weil sie unter dem Einfluss ihrer Doppelsonne Aptut und den zum Teil aus Psi Materie bestehenden Ringen um ihren Planeten Parafähigkeiten erworben hatten. Sie waren mithin die richtige Grundlage, um psibegabte Züchtungen in die Welt zu setzen, sogenannte Báalol 700 Klone. Die sollten nach einigem Training in der Lage sein, ganze Raumschiffsbesatzungen in den Wahnsinn zu treiben oder explodieren zu lassen. Natürlich waren sie zum Einsatz gegen die WIDDER gedacht.

Das Endspiel stand uns also noch bevor.

Die neue Züchtung nannte man Octos, ganz einfach, weil sie in einem Oktober fertiggestellt wurden. Aber wir schienen den Cantaro damals doch einiges an Durcheinander und Sorgen präsentiert zu haben, denn die Züchtungen sollten auf einmal drei Jahre früher als ursprünglich geplant fertig werden. Gut, das wurden sie auch, dass man dabei eine außerordentliche Menge Gen-Müll fabrizierte, spielte keine Rolle.

Wobei mir bei der Bezeichnung Gen-Müll immer noch schlecht wird und ich weiß, dem Kleinen geht es ebenso. Es handelt sich um nichts anderes als künstlich hergestellte Lebewesen. Ganz arme Teufel, die irgendwo eingesammelt wurden, aber nur, um sie schwerstens zu missbrauchen. Die ganze Geschichte war ein riesengroßes Verbrechen, dass beendet gehörte.

War es da ein Wunder, dass Ilmarem irgendwann langsam aber sicher begann, sich zu fragen, ob das denn alles so richtig war? Auf der Báalol-Welt gab es auf einigen Inseln immer noch allen Cantaro zum Trotz die Ureinwohner, friedliebende Wesen, die wie zu klein geratene Humanoide aussahen. Als diese eigentlichen Eigentümer von Aptulat durch eine Versuchsreihe von Octos vernichtet und ausgerottet wurden, begann Ilmarem zu zweifeln.

Allemal, da Peeroush Ilmarem eröffnete, an höherer Stelle wären die Octos für zu schlecht befunden worden, letzterer aber mitbekam, dass das durchaus nicht der Fall war. Im Gegenteil: Der Cantaro war hochgelobt worden. Auf die Frage hin, was denn nun aus "diesem Ara" werden solle, hörte Ilmarem, dass Peeroush diese Schwierigkeit regeln wolle.

Damit war er natürlich unten durch. Und Ilmarem gelang die Kontaktaufnahme zu einem Widerständler aus den Reihen der WIDDER. Dass es sich dabei ausgerechnet um seinen persönlichen Assistenten Taphon handelte, gibt der Geschichte ein besonderes Flair.

Im weiteren Verlauf kam Ilmarems Lebensgefährtin zu Tode. Als der ursprünglich von ihm verdächtigte Taphon stellte sich als unschuldig herausstellte, arbeiteten die Beiden zusammen. Relativ schnell wurde dem Ara klar, dass der WIDDER eine höchst komplizierte, aber äußerst wirksame Bombe bauen wollte, mit der er die Báalol-700er in die Luft jagen wollte.

Der langen Rede kurzer Sinn: Kurz vor der Explosion und der damit endgültigen Vernichtung der Zuchtanlage betrat Peeroush das Labor, in dem die Bombe untergebracht war. Er nahm ein paar Schaltungen vor, dann war die Gefahr gebannt. Alles war nach Plan verlaufen. Taphon war tot, das Problem Ilmarem war keines mehr. Die Octos hatten zugeschlagen und ihn durch eine Zellexplosion getötet. Sie funktionierten perfekt.




"Und dann?" fragte eine wieder fassungslose Lee.

"Nun, Peeroush machte sich mit 37 Octos und einer ziemlichen Menge Gen-Müll auf in Richtung Mycon. Der Gen-Müll war für unterwegs gedacht. Als Übungsmaterial für die 700er."

Die beiden Newenglander erschauerten und fragten sich, was da noch alles auf sie zukommen würde.

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H. G. Francis ist mir der wesentlich liebere H.G. Er präsentiert uns einen zweigeteilten Ronan: Im ersten, wesentlich kürzeren Teil, fasst Reginald Bull den aktuellen Stand der Dinge zusammen. Man ahnt zwar, dass sich nach Nikki Frickels Bericht etwas zusammenbraut, weiß aber nicht so ganz genau, was das kommen soll. Gucky und seine zwei Gefährten aus alten Tagen, namentlich Fellmer Lloyd und Ras Tschubai starten in einen Einsatz.

Im zweiten Teil erleben wir die Welt aus der Sicht des Aras Ilmarem. HGF schildert uns, wie aus einem überzeugten Mitarbeiter Peeroushs langsam aber sicher ein Gegner wird. Er lässt uns an dessen Zweifeln am System teilhaben und man fiebert mit ihm auf die Lösung des Falles, nämlich die Explosion der Anlage hin.

Aber nur, um zum Ende hin völlig gefrustet zur Kenntnis nehmen zu müssen, dass Peeroush alles genauso geplant hatte. Der Band hat mir sehr gut gefallen. HGF hatte mit seiner Art zu schreiben, die Fähigkeit, die Leserschaft zu vereinnahmen und mit auf seine Reise zu nehmen. Die Story ist klar strukturiert und zielführend aufgebaut. Dass am Schluss alles mit einem Satz als geplant entlarvt wird, ist eine wirklich Überraschung. So dumm scheinen die Cantaro nun auch wieder nicht zu sein.

Toller Roman! :yes:
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Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

Beitrag von RBB »

Zwischenspiel:

Den Merkur hatten sie sich ausgespart, diese heiße felsige Einöde war nicht unbedingt ihr Traumziel. Die Venus war zwar schon interessanter, aber mit einer durchschnittlichen Tagestemperatur von 45 Grad Celsius entschieden zu heiß. Das ist eher was für die Arkoniden, die sich auf Larsaf II sicherlich wohl gefühlt hatten, ging es Lee durch den Kopf. Und der Mars war aus ihrer Sicht ein "falscher" Planet. Zum einen, weil er nicht das Original war. Der hier ist vor einiger Zeit aus einem Paralleluniversum gekommen, weil sein Vorgänger mal mit welcher Katastrophe auch immer verschwunden war und zum zweiten, weil diese Welt durch das Terraforming nichts mehr mit dem Originalzustand zu tun hatte.

Sowohl sie als auch John waren der Meinung, dass man der Natur ihr Recht lassen müsse. Das komplette Verändern einer ganzen Welt gehörte nicht dazu. Also Terra. Die Erde. Der Ursprung.

Ob eigentlich alle humanoiden Bewohner der Milchstraße direkt oder indirekt von der Erde stammen? Sie wusste es nicht. Ihr war lediglich klar, dass jede Menge Menschen oder eben Lemuroide, wie das heutzutage hieß, in der Milchstraße, aber auch in Andromeda oder sonstwo letztlich von hier stammten.

Sie sieht von außen wesentlich schöner aus als zum Beispiel Arkon 1, dachte sie und griff nach Johns Hand. Bewegungslos sahen sie die wunderschöne blaue Welt auf dem Zentralebildschirm näherkommen und es lief ihnen beiden eiskalt den Rücken hinunter.

Lee war völlig fertig. Einen klaren Gedanken zu fassen, war ihr unmöglich und sie stand kurz davor, Rotz und Wasser zu heulen. Sie hatte sich zwar zu Hause immer wieder mal gefragt, wie es wohl sein möge, hier zu sein, hatte aber nie damit gerechnet, dass ihr ein Besuch auf Terra tatsächlich einmal ermöglicht würde. Das Schiff sank unter Einschaltung der Antigravtriebwerke langsam hinab und sie konnte einen ersten Blick auf Terrania werfen.

"Sie dir das an", flüsterte John. "Eine Metropole ohne Ende. Und ich habe gedacht, Thamestown wäre eine Großstadt." Lee nickte. Sie war voller Ergriffenheit und nicht in der Lage, etwas zu erwidern. Vor Ort war es Nacht, aber das spielte keine Rolle. Eine Stadt wie diese schlief nicht. Es schien völlig unvorstellbar, dass hier zu irgendeinem Zeitpunkt Ruhe einkehren würde.

"Schaut mal dahin", sagte Gucky und wies auf die linke Seite des Bildschirms. "Das ist euer Ziel."

Sie blickten auf, ja was war das? Ein schwebendes Gebäude, das wie eine gepflückte Blume aussah? Tatsächlich, das Teil war nicht mit dem Boden verbunden.

"Das ist die Solare Residenz", erklärte der Ilt weiter. "Sie ist einer Orchidee nachempfunden. Der Hauptteil des Gebäudes ist in den fünf Blütenblättern am oberen Rand zu finden. Man kann sie von unten, also dem Stiel betreten und dann circa 1.000 Meter in einem offenen Antigravschacht nach oben schweben. Allerdings sollte man keine Höhenangst haben. Der Blick nach unten bleibt frei."

Der Ilt grinste, als John ein wenig grün im Gesicht wurde.

"Na, nicht schwindelfrei? Macht nichts. Papa Gucky ist ja bei dir." Er schwebte nach oben und klopfte seinem Gast gönnerhaft auf die Schulter. "Ihr seid übrigens eingeladen. In der Residenz befindet sich das Restaurant Terranias, das Marco Polo. Dort möchte euch noch jemand kennenlernen."

Lee konnte sich vorstellen, wer das war und ihr war erneut äußerst blümerant zu Mute. Das alles ist für zwei Hinterwäldler doch ein wenig viel. Es ist gut, dass man vorher nicht weiß, was passieren wird und was man sich antut. Sonst würde man im Leben viel verpassen.

"Kluges Mädchen!" Gucky nickte ihr gönnerhaft zu. "Nein, ich habe keine Gedanken gelesen. Ich habe nur deine Miene entziffert. Dein Gesicht spricht Bände. Aber zuerst könnt ihr euch ein wenig akklimatisieren. Ins Marco Polo geht es erst in zwei Tagen. Terrania hat noch mehr zu bieten. Fragt im Zweifelsfall Bully. Der kennt mit Sicherheit die besten Kneipen oder er kennt jemand, der einen kennt, der euch rundführen kann. Und nur um deine noch nicht gestellte Frage zu beantworten: Natürlich geht es auch nach London und nach Edinburgh." Dabei nickte er John zu.

"Aber erstmal dürft ihr euch eingewöhnen. Ich lade euch zu einem ordentlichen Frühstück in mein Haus am Goshun-See ein. Danach sehen wir weiter."

Lee war sich nicht sicher, ob sie überhaupt etwas essen konnte.
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Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

Beitrag von RBB »

Band 1488 - Söhne der Hölle - ist von K. H. Scheer, erschienen am 27. Februar 1990
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Ein erstes Schweben mit einem Gleiter über eine Metropole, die eine verwirrende Vielfalt zeigte. Die weiße Stadt, mehrfach zerstört, ganze Stadtteile entführt, x-mal wieder aufgebaut strahlte etwas für Lee und John Unfassbares aus. Macht? ging es der Newenglanderin durch den Kopf. Nein. Selbstbewusstsein. Ein riesengroßes, extremes Selbstbewusstsein. Thamestown ist ein Dorf, stellte sie deprimiert fest.

Reginald Bull, der genau wusste, wie Terrania auf Fremde wirkte, die zum ersten Mal hier waren, knurrte: "Nur keine falsche Bescheidenheit, Leute. Eure Welt hat etwas, was dieses Gebilde hier nur an wenigen Ecken hat: Charme. Urwüchsigkeit und natürliche Schönheit. Da könnt ihr stolz drauf sein. Glaubt mal nicht, dass drei aus unserer Gilde es ansonsten so lange auf Newengland ausgehalten hätten." Sie sah, dass der Rotschopf nachdenklich wurde. "Toio, unsere Kleine und ich, wir hätten uns bei euch mit Sicherheit wohl gefühlt."

Nach der Landung verabschiedete der Terraner sich vorübergehend, weil er, wie er sagte, mal nachsehen müsse, was alles an Zeug in seinem Büro liegengeblieben wäre.

"Das ist auch seit Ewigkeiten gleich", sagte er. "Kram, der keinen interessiert, scheint so wichtig zu sein, dass ich ihn mit meiner Kennung abzeichnen muss. Danach wird das Gedöns archiviert und kommt niemals mehr ans Tageslicht. Pass auf, dass es dir nicht genauso geht!", schloss er seine Bemerkung an, John dabei anblickend. Damit verschwand er.

Gucky zeigte ihnen anschließend die nach seinen Worten "einzig wahre Sehenswürdigkeit Terranias und seiner Umgebung, nein der ganzen Erde. Ach, was sag ich, des ganzen Solsystems!" Zur Überraschung seiner Gäste entpuppte sich das derart Angepriesene als eine größere Menge Gewächshäuser.

"Hier" erklärte der Ilt voller Stolz und wies mit einer Hand in Richtung des Eingangs, "ist meine Möhrenzuchtplantage. Es gibt kaum eine Sorte Mohrrüben, die ihr hier nicht findet."

Er zeigte ihnen die dunkelblauen, fast schon schwarzen Möhren von Ertrus, die nur mit künstlicher Gravitation einwandfrei gediehen. "Natürlich wachsen die Dinger auch mit terranischer Standartgravitation. Dann schmecken sie aber nach labbrigem, altem Gummi. Das hier ist schon was anderes."

Er hielt ihnen eine frisch geerntete dunkle Möhre unter die Nase. Sie roch nach einer faszinierenden Mischung aus diversen Früchten und rotem Pfeffer. "Vorsicht", beschied er seinen Freunden. "Das Zeug ist an 3,4 g gewöhnt und wahrscheinlich ein wenig stabiler als euer Gebiss. Weichkochen ist für unsereins notwendig. Dann abkühlen lassen, mit Olivenöl beträufeln und die Welt vergessen." Er besorgte eine Kostprobe, Lee und John waren begeistert.

Er zeigte ihnen grasgrüne Möhren, die wie Spargel schmeckten und laut Gucky von einer Welt stammten, die noch hinterwäldlerischer sei als Newengland; danach weiße Möhren, die mit roten Schlieren durchzogen waren und von Plophos kamen nebst hellblauen von Olymp, mit dunkelblauen Streifen darauf und darin. Lee wusste später nicht mehr, was sie alles gesehen hatten.

"Was ist denn deine Lieblingsmöhre?", fragte John.

"Ich muss leider zu meiner Schande gestehen, dass ich die noch nicht gefunden habe. Sie fehlt mir noch. Ihr wisst, wie ich meinen Möhrensaft am liebsten trinke?"

"Natürlich. Dreiviertel Möhren, ein Viertel frisch gepresster Blutorangensaft und ein Schuss Maracuja", sagte Lee.

"Genau. Das habe ich noch nicht geschafft. Irgendwas fehlt da noch."

Lee wusste jetzt, was sie in ihrer Freizeit zu tun hätte. Sie würde Gucky ideale Möhre züchten. Was sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnte, war, dass das Wort Freizeit für sie in Bälde ein Fremdwort werden würde.

"Was passiert eigentlich mit deinen Zuchtgemüse?" wollte sie wissen.

"Oh", antwortete der Ilt, "das wird als Guckys Meister-Möhren zu einem großen Teil für viel Geld an Spezialitätenrestaurants verkauft. Die Preise habe ich derart hoch gesetzt, dass sich nach dem Absatz eines Viertels der Ernte die Fixkosten drin habe. Homer hatte mir seinerzeit dazu mal was erklärt und es funktioniert tatsächlich. Das Meiste geht an finanziell nicht so gut gestellte Personen, an Kinder die halbe Zeit sogar umsonst. Ihr müsstet mal sehen, was hier los ist, wenn eine Horde Siebenjährige zu Besuch ist."

Er grinste.

"Einmal hatte eine Lehrerin nicht auf mich gehört und in eine ertrusische Möhre herzhaft reingebissen. Danach hatte sie einen Schneidezahn weniger. Die Kinder lachten sich kaputt, anscheinend war die Dame nicht sonderlich beliebt gewesen. Und der liebe Gucky hat das sofort zum Anlass genommen, den Kindern zu erklären, dass man auf Fachleute besser hören sollte."

"Gegen Ende der Erntezeit bleiben aber immer einige Überschüsse übrig", fuhr Gucky fort. "Das Geld geht an eine gemeinnützige Tierschutzorganisation, die auf besiedelten Welten große Rückzugsräume für die einheimische Tier- und Pflanzenwelt schafft. Terra war vor Urzeiten auf dem besten Wege gewesen, die genetische Vielfalt ihres Planeten unwiederbringlich zu zerstören. Das darf nirgendwo mehr passieren."

Sie setzen sich zu einer Pause in eine Ecke, dann wurde der Kleine nachdenklich. "Vielleicht ist es ganz gut, dass Bully nicht dabei ist", meinte er. "In der nächsten Folge unserer Geschichte gebe ich nicht das allerbeste Bild ab."

"Wir waren mit Homer auf dessen QUEEN LIBERTY in Richtung Mycon unterwegs. Dort wurden die bedauernswerten Züchtungen gesammelt, die unter dem Namen Genmüll bekannt waren."

Spoiler
Gucky erzählt die Geschichte der Söhne der Hölle:


Sie waren die Klone aus den Reihen der Octos und im Weltall auf Trainingsfahrt unterwegs. Die ANUBIS flog alle 37 aus dieser Reihe nach Mycon, um festzustellen, wieweit deren Para Fähigkeiten gediehen waren.

Peeroush, der neue Cantaro Stratege, betrachtete eine punktgenaue Ausbildung und das Training der Octos als extrem wichtig. Hochqualifizierte Wissenschaftler hatten ihnen gezielt die Psi-Gaben Zwangshypnose und Suggestion angedeihen lassen, aber die Zuchtergebnisse waren in der Anwendung ihrer übernatürlichen Kräfte noch unerfahren. Die Siebenhunderter, wie sie auch genannt wurden, waren aus der gleichen Ei-Konstruktion hervor gegangen. Nach vielen Fehlschlägen hatte ihre Genstruktur endlich die erwünschten Werte ausgewiesen und so hochwertige Invitro-Klone hervorgebracht. Normalerweise hätte man sie Mutanten genannt.

Das alles bedeutete aber nicht, dass ein Cantaro wie Peeroush diese Wesen als vollwertige Existenzen betrachtet hätte. Weit gefehlt. Sie waren aus seiner Sicht Werkzeuge, mehr nicht. Okay, sie waren mehr wert als der Genmüll, der auf dem Wege zu den Báalol 700 produziert worden war. Von diesen absolut bedauernswerten Produkten waren auch jede Menge an Bord des Schiffes. Sie waren Trainingsmaterial für die richtigen Klone. Man plante, im Kollektiv zu üben, um die Minderwertigen gemeinsam zum Wahnsinn zu treiben und ihre Zellstruktur explodieren zu lassen.

Das Ziel war natürlich, dass man nach dieser gemeinsamen "Arbeit der Zerstrahlung Unnützer" derartiges irgendwann mal alleine hinkriegte.

Entschuldigt bitte. Ich muss mich wieder beruhigen. Auch nach all dieser Zeit fällt es immer noch schwer, mir den Jargon dieser Verbrecher anzueignen. Unnütze. Wer zum Teufel ist in der Lage, Leben zu sortieren? Diese Anmaßung, andere unnütz zu nennen. Okay. Dreimal tief Luft holen, bis zwanzig zählen und weiter geht's.

Der Verehrungswürdige, so nannten die 700er Peeroush, hatte ihnen eine große, mit allem Komfort ausgestattete Gemeinschaftskabine zugewiesen, sozusagen als Zeichen seines Wohlwollens. Die missratenen Retortenwesen hausten zusammengepfercht in den Laderäumen des Transporters. Die Zustände müssen chaotisch gewesen sein. Zum Beispiel griff niemand ein, wenn sie sich bei der Essensausgabe gegenseitig umbrachten. Die stärksten und fähigsten Invitros beanspruchten nach kurzer Zeit alle Rechte für sich. Sinn und Zweck dieser Übung war es, herauszufinden, welche Wesen noch einigermaßen verwertbar waren. Schließlich sollte eine mit übersinnlichen Psigaben ausgerüstete Spezialarmee aufgebaut werden.

An deren Spitze sollten die 700er agieren. Bis dahin hatten sie noch viel zu lernen.

Eine dieser Lerneinheiten bestand nun darin, dass der Genmüll die 700er angreifen sollte, damit diese lernten, sich zu verteidigen und ihre Kräfte auszubauen. Natürlich klappte das. In letzter Konsequenz hatte es dazu geführt, dass mehr als dreihundert Bionten von einer Flut von Wahnsinnsimpulsen erfasst wurden und anschließend über die anderen Bios herfielen. Im Kollektiv wurden die wahnsinnig gewordenen Opfer vernichtet.

Für euch und mich wäre das furchtbar gewesen, für Peeroush war es lediglich ein positives Testergebnis. Über dessen Begleiterscheinungen lohnte es sich nicht nachzudenken. Die überlebende Fracht wurde nach der Landung auf Mycon abgesetzt, an Bord wurden danach die Überreste der ermordeten Geschöpfe desintegriert.

Jetzt kommen wir ins Spiel. Denn wir wussten von Tetch Wossonow, einer WIDDER auf Mycon, dass mit Ager Catomen einer der Herren der Straßen in Kürze vor Ort erwartet wurde. Wir gingen davon aus, dass es von diesen Herren nicht allzu viele gab - sonst wäre uns schon längst mal einer über den Weg gelaufen. Also wäre der Tod von einem dieser Gentlemen mit Sicherheit ein ziemlicher Schlag gegen die Herrscher der Milchstraße und somit galt es, dieser Besucher zu töten.

An Bord der QUEEN LIBERTY eröffnete uns ein äußerst nervöser Homer G. Adams, dass die Anwendung von Psi - Kräften durch das Einsatzteam zu unterlassen sei. Er wies doch tatsächlich auf das Nichtgebrauchsgebot hin. Nun, das Einsatzteam, das waren Ras Tschubai, Fellmer Lloyd und ich. Also drei gestandene und in Einsätzen erfahrene Leute. Ein Fehler, und ich würde als Fremder erkannt, maßregelte man mich. Wir durften nicht teleportieren, nichts. Wozu wir drei dann überhaupt in den Einsatz gehen sollten, erschloss sich keinem von uns.

Der Bote sei über unsere Ankunft informiert. Nun, ich war schon seit ehedem der Meinung, dass ein Gucky ohne Psikräfte zu nicht sehr viel nütze ist. Ich bin nicht sonderlich stark. Beweglichkeit oder Schnelligkeit? Vergiss es. Also wäre ich wohl besser zurück an Bord geblieben, um im Falle eines Falle als Retter in der Not aufzutauchen.

Letztlich waren wir Köder, mehr nicht. Wir sollten dazu dienen, erfuhren wir endlich, die Aufmerksamkeit von Wossonow abzulenken. Natürlich rechnete Peeroush mit einem Angriff der WIDDER beim Erscheinen Ager Catomens. Man würde sich mit uns beschäftigen und der WIDDER würde in der Zwischenzeit Catomen ausschalten.

Wisst ihr, ich bin als Ilt sicherlich ein Unikum und zwangsläufig ein Einzelexemplar. Ich bin klein und sehe in den Augen vieler Wesen aus wie ein Tier. Und manch einer hat es bereut, mich nicht für voll zu nehmen. Aber ich komme nicht damit klar, wenn mich jemand nicht gleichwertig behandelt. Und das fing damit an, dass dieser Wossonow mich andauernd mit Bepelzter anredete. So richtig von oben herab. Und ich durfte mich nicht wehren. Wäre Bully mit dabei gewesen, hätte es umgehend Kasalla mit Anlauf gegeben.

Als Ras mir dann auch noch sagte, ich solle keinen Blödsinn machen, war es vorbei. Dann Wossonow, der sich für das Maß aller Dinge hielt. Ras bezeichnete ihn damals als eine Mischung zwischen Atlan und Tekener, eben ein alles riskierender Supermann. Er eröffnete mir zum Beispiel, dass die Zeiten, als raumfahrende Völker von ultrahyperhochfrequenten Emissionen noch keine Ahnung hatten, endgültig vorbei wären. Er könne mit seinen Spezialsensoren eine beginnende Psi-Aktivität schneller orten, als ich sie umsetzen könne.

Den Beweis blieb er mir allerdings schuldig. Ich weiß nicht, was mich dazu brachte. Vielleicht war es die hochnäsige Behandlung, vielleicht fühlte ich mich nutzlos, vielleicht war es die Ausstrahlung der 700er und der anderen Bionten. Wahrscheinlich brachte mich eine ungesunde Mischung aus allem dazu. Ich versuchte, in das Bewusstsein eines 700er Klons einzudringen.

Was natürlich misslang. Und der Angriff auf Ager Catomen ging selbstverständlich auch schief. Immerhin schafften wir es zurück auf die QUEEN LIBERTY, wo ich mir anschließend ein paar abholen durfte.

Aber wenn nochmal einer Bepelzter zu mir sagt, hat der es hinter sich. Nach all der Zeit noch.

Wir kehrten ins Heleios System zurück und erfuhren von dem Haluter Tenquo Dharab, dass zehntausend Fragmentraumer der Posbis mitsamt des Zentralplasmas und zweitausend Schiffen der Haluter in Kürze eintreffen würde.



"Peeroush, erfuhren wir später, wurde von Catomen zum Mitglied des Supremkommandos ernannt und erhielt den Auftrag, die Esper Armee zusammenzustellen."

"War mir doch klar, dass ich euch hier finde. Nach so einer Geschichte sitzt man lieber hier und isst Guckys Monster-Möhren, was?" fragte eine bekannte Stimme aus dem Hintergrund. Bully sah den Ilt an und fragte: "Das war dieser verquaste Einsatz, oder?"

Der Ilt nickte. "Ich komme mit allem klar. Ich begreife, dass ich mich dann und wann wie auch immer zurückhalten muss. Ich bin Einzelkämpfer im Einsatz oder Teamplayer. Ich bin Chef im Ring oder auch nicht. Zur Not spiele ich auch Flottenkommandeur. Ich komme nicht damit klar, wenn mich jemand nicht für voll nimmt."

Reginald Bull nickte. "Ja", sagte er. "Das kann ich nachvollziehen."
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Was mach ich denn jetzt mit diesem Roman? Und welcher Supermann - Teufel hat KHS da schon wieder geritten?

Aber der Reihe nach.

Der Roman fängt gut bis sehr gut an. KHS beschreibt die 700er Klons und die Zustände an Bord der ANUBIS und das auf eine stellenweise ziemlich heftige Art. Stichworte wie unnützes Leben erinnern die Leserschaft furchtbarste und dunkelste Zeiten in Europa und erläutert so erneut, welcher in letzter Konsequenz widerliche Verein die Milchstraße beherrscht. Es wird nachhaltig klar, warum die weg müssen. Es gruselt einen an manchen Passagen und man zieht seinen imaginären Hut vor dem Autor.

Leider ist das auf Seite 24 beendet. Vorher war ein Schwenk von der ANUBIS zur QUEEN LIBERTY, wo Ras Tschubai und Gucky sich über ZA's und Aktivatorenkoller unterhalten. Das war noch in Ordnung. Dann lässt Homer G. Adams den großen Macker raushängen und weist Gucky auf das Nichtgebrauchsgebot hin. Er meint damit Psi - Kräfte.

Nebenbei erfahren wir zwar, warum HGA sich nicht operieren lässt: In seinem Rückgrat liegen einige absonderlich gestaltete Nervenbahnen. Er befürchtet, bei einer Korrektur sein fotografisches Gedächtnis zu verlieren. Gut. Endlich wissen wir das mal.

Homer redet mit den alten Kämpen, als hätten sie sie nicht mehr alle. Natürlich hat er sich in den 695 Jahren ohne Rhodan und Co verändert und vielleicht auch einen anderen Ton angewöhnt, aber das hier war absolut nicht meins.

Und dann Tetch Wossonow. Der scheer'sche Superheld der Woche. KHS kann es einfach nicht lassen, immer wieder solche Typen in seine Romane einzubauen. Die Art, wie er mit seinem Einsatzkameraden Gucky redet, ist einfach hammerhart. Bepelzter. Was soll das? In einem extrem wichtigen Einsatz lässt diese Figur den großen Macker raushängen. Mit Namen spricht er den Ilt nicht an. Immer nur von oben runter. Wie gesagt, im Einsatz. Und Gucky kreischt laut auf, als an einer Stelle Wasser kurz über seine Stiefel schwappt.

Nein, der zweite Teil war nix für mich, selbst wenn zwischendurch der erste immer wieder durchkommt. Scheer konnte mir nicht klar machen, wieso jemand der Erfahrung eines Gucky derart daneben ist, dass er augenscheinlich nicht von der Wichtigkeit eines Ager Catomen überzeugt ist. Es soll wegen mir durchaus so sein, dass Wossonow Gucky über ist. Schon allein wegen der wesentlich besseren Ortskenntnis. Keine Frage.

Aber so? Ein Band, dem ich zu Beginn die Höchstnote verpassen wollte, käme bei einer Bewertung so grade noch auf eine vier minus. So grade noch.
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