Wahlrecht

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Eisrose
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Re: Bundestagswahl 2025

Beitrag von Eisrose »

Gucky_Fan hat geschrieben: 24.02.2025, 15:38 Völlig unverständlich diese Abwerung der Erststimme
Vor der Wahlrechtsreform hatte Deutschland das viertgrösste Parlament der Welt. Nach China, Russland und Nordkorea. Ja, völlig unverständlich, dass man das reformieren wollte. Und wenn jetzt kommt, man hätte es anders machen können: nein, hätte man nicht. Die Union (motiviert vor allem durch die CSU) hat sich nämlich mit Händen und Füssen gegen jede Änderung gewehrt.
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Reinhard
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Re: Bundestagswahl 2025

Beitrag von Reinhard »

giffi marauder hat geschrieben: 24.02.2025, 15:37 Würde die Wahl in allen Bundesländern so ausgehen wie in Bayern,
wären das bei 299 Wahlkreisen dann 803 Bundestagsabgeordnete statt wie bisher 733 bzw. 630
nach dem neuen Modell.
es gibt ja kein Naturgesetz, das uns vorschreibt 299 Wahlkreise zu haben. Wenn man sich anschaut, welche Bevölkerungszahl jeweils in einem Wahlkreis zusammengefasst ist, könnte man da schon etwas mehr machen als die paar Anpassungen von 2021 auf 2025. Dann gibt es eben planmäßig nur noch 250 oder 270 Wahlkreise. Jetzt wird die Zahl der Direktkandidaten durch eine Lotterie von 299 auf irgend einen Wert darunter reduziert.
Und was ist mit denen, die als 2. oder gar 3. in ihrem Wahlkreis noch immer mehr (absolute) Stimmen
gesammelt haben, als ein Kollege der mit weniger Stimmen anderswo 1. geworden ist?
Müssten das nicht auch berücksichtigt werden? :gruebel:
Nein, weil nicht Erster geworden. Und wenn dann richtig, dann gibt's halt 2 Wochen später eine Stichwahl

Kleine Begebenheit am Rande, wenn du als Direktkandidat einer kleinen Partei zweiter oder dritter wirst, kommts du in den Bundestag. Augsburg Stadt: Volker Ulrich CSU 31,1% kommt nicht rein, weil die Liste nicht herangezogen wird. Claudia Roth Grüne 20,6% kommt über Liste sicher rein. Und um dem ganzen die Krone aufzusetzen. Raimond Scheirich AfD 17,3% kommt auch über Liste rein, während es für Ulrike Bahr SPD 14,1% nicht reicht, weil zu weit hinten auf der Liste. Gerade gegen die beiden nicht ganz unbekannten Damen von Grüne und SPD plus den AfD Kandidaten finde ich die 31,1% kein so schlechtes Ergebnis Hat jetzt eben Pech gehabt der Herr Ulrich, wäre er in einer kleineren Partei könnte er das Ticket nach Berlin schon mal buchen.

Da muss man ja in Zukunft befürchten, dass man als Kandidat der im Bundesland größten Partei dadurch kalt gestellt wird, das Kleinparteien ihre bekanntesten Gesichter im eigenen Wahlkreis antreten lassen um einem genug Stimmen abzuluchsen, dass man durch den Effekt raus fällt.

Da beschweren sich immer alle, dass es in der Politik alles nach Parteilinie und Hinterzimmerverhandlungen abläuft und dann nimmt man das bisschen Direkte Demokratie das wir haben auch noch unter Beschuss. Wundert mich gar nicht, dass das Wahlvolk in Augsburg ein wenig ungehalten ist ob dieses Ergebnisses
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Re: Bundestagswahl 2025

Beitrag von Gucky_Fan »

Ich finde auch dass man die Wahlkreise verringern sollte und stattdessen der Wahlkreissieger im Bundestag sitzen sollte.
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Fab
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Re: Bundestagswahl 2025

Beitrag von Fab »

giffi marauder hat geschrieben:.......Da DE aber kein Mehrheitswahlrecht kennt, in dem nur je ein "Gewinner" die Wähler repräsentiert...........
M. W. stimmt das nicht.
Der Grundgesetzartikel zum Wahlrecht ist erstaunlich unkonkret.
Er überlässt dem Bundestag die Art des Wahlrechts zu entscheiden. Nach fairen Regeln - also kein gerrymandering a la USA.

Also theoretisch könnte eine Bundestagsmehrheit auch ein reines Mehrheitswahlrecht verabschieden.
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Re: Bundestagswahl 2025

Beitrag von Josiep »

Es ist eigentlich ganz einfach die 299 Direktkanditaten bekommen den Platz über das Mehrheitswahlrecht.(direkt gewählt)

Die restlichen 299 werden über das Verhältniswahlrecht (% ialler Anteil) gewählt was meiner Meinung nach so in Sinne des Grundgesetztes ist.

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Eisrose
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Re: Bundestagswahl 2025

Beitrag von Eisrose »

Josiep hat geschrieben: 24.02.2025, 22:36 Es ist eigentlich ganz einfach die 299 Direktkanditaten bekommen den Platz über das Mehrheitswahlrecht.(direkt gewählt)

Die restlichen 299 werden über das Verhältniswahlrecht (% ialler Anteil) gewählt was meiner Meinung nach so in Sinne des Grundgesetztes ist.
Wende ich dieses Verfahren auf die gestrige Wahl an, hätte die Union rund 200 Direktmandate über das Mehrheitswahlrecht gewonnen und rund 100 über das Verhältniswahlrecht. Insgesamt also knapp über 50 Prozent der Abgeordneten, obwohl sie nur 28 Prozent der Stimmen erhalten haben. Ist das wirklich demokratischer?

Was dann aber auch passieren könnte ist, dass sich andere Parteien beim Mehrheitswahlteil absprechen und sich auf einen Direktkandidaten einigen. Wieder das gestrige Wahlergebnis aber SPD, Grüne und Linke hätten sich jeweils auf einen Kandidaten geeinigt. Das könnte dann sogar für 250 direkt gewählte Abgeordnete reichen. Mit den rund 36 Prozent der Stimmen der drei Parteien nach dem Verhältniswahlanteil, kämen sie dann nochmal auf rund 150 Abgeordnete. Macht insgesamt 400 Abgeordnete. Eine Zwei-Drittel-Mehrheit an Abgeordneten im Parlament (die könnten dann das GG ändern) mit einem Drittel der Stimmen. Ist das wirklich demokratischer?

Aber natürlich könnte die AfD das dann auch wieder verhindern und ohne das die Union irgendwas dagegen tun kann, auf den eigenen Direktkandidaten verzichten. Also dort, wo der eigene AfD-Direktkandidat nicht gewinnt zur Wahl des CDU-Kandidaten aufrufen. Bedeutet dann bis zu 260 Direktmandate für die Union über das Mehrheitswahlrecht und wieder rund 100 über das Verhältniswahlrecht. Macht dann 60 Prozent der Abgeordneten mit 28 Prozent der Stimmen. Ist das wirklich demokratischer?

Und natürlich jede Menge Mauschelei schon vor der Wahl... Also so einfach ist es nicht.
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Re: Bundestagswahl 2025

Beitrag von Gucky_Fan »

Man könnte aber auch die Wahlkreise verringern und so für Chancen sorgen für die Erststimme.
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Eisrose
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Re: Bundestagswahl 2025

Beitrag von Eisrose »

Gucky_Fan hat geschrieben: 24.02.2025, 23:30 Man könnte aber auch die Wahlkreise verringern und so für Chancen sorgen für die Erststimme.
Auch das ist nicht so einfach, wie man sich das auf den ersten Blick vorstellt. Denn wenn jede Stimme annähernd gleich viel zählen soll, müssen alle Wahlkreise ungefähr gleich viele Wähler haben.

Je geringer die Zahl der Wahlkreise, desto schwieriger wird das. Es sei denn, man teilt bei jeder Wahl die Wahlkreise völlig neu ein, über regionale Grenzen hinweg, am besten sogar noch über Ländergrenzen hinweg. Was erheblichen Verwaltungsaufwand und Koordinierung zwischen mehreren Verwaltungen mehrerer Rathäuser unter Umständen auch mehrerer Bundesländer bedeutet. Ob das über die Ländergrenzen hinweg überhaupt möglich ist, weiss ich nicht mal. Auf jeden Fall jede Menge Potential für Fehler und Chaos. Und eine Wahl innerhalb von 60 Tagen durchzuführen, wie gerade geschehen, wäre dann praktisch unmöglich.

Es gab da wohl eine Studie, die weniger als 250 Wahlkreise (war mal Vorschlag von Grünen, Linken und FDP) nicht für realisierbar ansah. Und bei 270 Wahlkreisen (war mal Vorschlag der CDU) ist das Parlament noch immer zu gross.
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Re: Bundestagswahl 2025

Beitrag von Josiep »

Der Wähler ist nicht so dumm wie man glaubt er sie oder es braucht nur den Direktkanditaten und dergleichen Partei seine Stimmen geben.

Jetzt teil er hin und wieder auf die wichtige Erststimme den guten Kanditaten aus den Wahlkreis geben und die unwichtige Zweitstimme kann man dann ja einer Partei geben die nicht so tole ist aber auch gerne in den Bundestag möchte, das nächstemal klappt es bestimmt besser.
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Rebecca
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Re: Bundestagswahl 2025

Beitrag von Rebecca »

Josiep hat geschrieben: 24.02.2025, 22:36 Es ist eigentlich ganz einfach die 299 Direktkanditaten bekommen den Platz über das Mehrheitswahlrecht.(direkt gewählt)

Die restlichen 299 werden über das Verhältniswahlrecht (% ialler Anteil) gewählt was meiner Meinung nach so in Sinne des Grundgesetztes ist.

Die anderen Reglungen sind es nicht und nur weil Verfassungsrichter nicht rechnen können verliert die Demokratie.
Im Grundgesetz steht dazu gar nichts. Sowohl eine reine Mehrheitswahl wie in Großbritannien oder eine reine Verhältnissen ohne Erststimmen wäre Grundgesetzkoform. (Das hat das Beuneesverfassungsgercht bereits vor Hahrzenten entschieden)

Die gesetzliche Regrlung, die wir seit Jahrzehnten haben ist, dass es im Jern eine Verhältniswahl ist (also der Zweitstimme die größere Bedeutung zukommt - da es im Kern eine Verhältniswahl ist. Also die Mehrheitsverhältnisse durch die ZWEITSTIMME abgebildet werden müssen (auch das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. So kam es erst zu den Ausgleichsmandaten - da die Überhangmandaten die Verhältnisse nach der Zweitstimme relevant veränderten).

Und das ist seit der Gründung der Bundesrepublik die gewählte Ausprägung des Wahlrechts. Den Direktmandaten kommt ein untergeordnete Fsktor zu. Deswegen ist rs nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts auch konform dass ein Wahlkreissieger einer Partei den Platz nicht erhält wenn die Zweitstimmen nicht reichen das ist bereits vor der Wahl geprüft worden.

Kann man das Wahlrecht anders Ausgestaltung? Ja.
Steht im Grundgesetz was zu Direktmandaten? Nein (man könnte auf die genauso gut verzichten...)
Könnte man auf die Verhältniswahl verzichten und Mehrheitswahl über die Direktmandaten machen? Ja

Könnte man Hälfte Hälfte machen? Also die Wahl weder klar der Verhältniswahl zuordnen (wie jetzt) und auch klar der Mehrheitswahl (Wegfall der Zweitstimme).
Darüber will ich nicht spekulieren. Den Fall gab es nicht nicht und ist weder geprüft noch vom Bundesverfassungsgericht in einem obiter dictum erwogen worden.
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Re: Bundestagswahl 2025

Beitrag von giffi marauder »

Gucky_Fan hat geschrieben: 24.02.2025, 16:00 Ich glaube aber schon dass es ein Ungerechtigkeitsgefühl gibt, da vielen der Kandidat des Wahlkreises näher steht in der Wahrnehmung. Wie gesagt ich höre heute viel von Bekannte aus Augsburg dazu.
Ja, gefühlte Ungerechtigkeit ist in letzer Zeit mindestens so weit verbreitet wie gefühlte Angst.
Das liegt einerseits daran, dass das Rechtssystem selbst ist im besten Fall nur eine Annäherung an das Gerechtigkeitsempfinden der Menschen
sein kann, da es in der in der Gesamtbevölkerung gar keinen einheitlichen "Common Sense" gibt.
Andererseits auch daran, dass es modern geworden ist, die eigene subjektive Richtschnur qua Prädikat "Hausverstand"
als objektives Optimal sehen zu wollen.
Parteien die Versprechen alles genau so zu machen, wie "die Wähler" das wollen, verdienen ziemlich gut damit.
Mein Hausverstand sagt mir, da unmöglich, dass das eine dreiste Lüge ist. :-)

Des weiteren würde ich bevorzugen, hier etwas mehr persönliche Meinung einfließen zu lassen
und nicht immer gleich "die vielen" als Zeugen zu benennen.
Denn dass du immer viele zu kennen vorgibst, die mit dir einer Meinung sind,
bedeutet ja nicht automatisch, dass das tatsächlich viele wären.
Vielleicht scheints dir nur so, weil dir die, die um dich rumstehen, den Blick aufs Ganze verstellen. :gruebel:
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Re: Bundestagswahl 2025

Beitrag von giffi marauder »

Josiep hat geschrieben: 24.02.2025, 22:36 Es ist eigentlich ganz einfach die 299 Direktkanditaten bekommen den Platz über das Mehrheitswahlrecht.(direkt gewählt)

Die restlichen 299 werden über das Verhältniswahlrecht (% ialler Anteil) gewählt was meiner Meinung nach so in Sinne des Grundgesetztes ist.

Die anderen Reglungen sind es nicht und nur weil Verfassungsrichter nicht rechnen können verliert die Demokratie.
Bei uns in Österreich ist das ein bisschen anders.
Österreich ist ganz klar eine "repräsentative Demokratie".
Das beduetet einerseits, dass das Volk durch Repräsentanten im Parlament vertreten ist (im Gegensatz zur rein direkten Demokratie),
als auch andererseits, dass sich die "Vielfalt der Volkswillen" im Parlament wiederspiegelt und nicht nur einer Mehrheit.

Ich denke nicht, dass dadurch "die Demokratie" verliert, sondern im Gegenteil.

Vor allem jene Parteien, die suggerieren möchten, es gäbe einen homogenen Volkswillen
und sich dann auch noch als dessen Vertreter aufspielen wollen im Grunde keine Demokratie.

Ein starkes Mehrheitswahlrecht wäre durchaus in deren Sinne.

Dass die AfD unermüdlich behauptet "der Wählerwillen" würde ignoriert ist natürlich Unfug.
Eben diese Vielfalt der Wählerwillen wurde bei der Wahl erhoben und festgestellt, dass die AfD
den Willen von 20,8% der Wähler repräsentiert und dafür 152 Sitze im Parlament
bekommt.

Woher diese 20,8% der Bevölkerung ihren Anspruch herleiten, nun sagen zu wollen,
wo es lang zu gehen hätte, erschließt sich mir im demokratischen Sinne nicht.

Für mich ist genau dieses Narrativ vom "missachteten Wählerwillen" zu tiefst undemokratisch. ;)
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Re: Wahlrecht

Beitrag von Gucky_Fan »

Nun ich habe in Augsburg mit einigen auch nicht CSUWählern und auch mit zwei Grünwählern gesprochen, die es ausgesprochen unfair fanden, dass der Gewinner der Erststimme nicht im Parlament sitzt.
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Re: Wahlrecht

Beitrag von Rebecca »

Gucky_Fan hat geschrieben: 25.02.2025, 11:23 Nun ich habe in Augsburg mit einigen auch nicht CSUWählern und auch mit zwei Grünwählern gesprochen, die es ausgesprochen unfair fanden, dass der Gewinner der Erststimme nicht im Parlament sitzt.
Es wäre aber aufgrund der Tatsache, dass nach der Struktur wir ein Verhältniswahlrecht deutlich ungerechter, wenn das Stärkeverhältnis von Parteien durch Überhangmandate verzerrt würde.
Das hat auch das Bundesverfassungsgericht so gesehen - deswegen gab es die Ausgleichsmandaten, deswegen gab es den aufgeblähten Bundestag.

Eine Lösung, die das Problem gelöst hätte (zugunsten des Verhältniswahlrecht ohne komplett auf Direktmandate zu verzichten), wäre eine starke Reduzierung der Direktmandate gewesen. 100 Direktmandate. Damit wäre die Wahrscheinlichkeit, dass ein Sieger eines Direktmandats den Platz nicht bekommen hätte deutlich reduziert würden.

Dagegen waren aber die Parteien, die üblicherweisr von Überhangmandaten profitieren (CDU, CSU). Deswegen empfinde ich die Diskussion immer etwas verlogen.
Man soll sich klar für das Mehrheitswahlrecht aussprechen (bei dem ca. 30-40 % der Wählerstimmen vollkommen wegfallen und keine Bedeutung haben - der Nachteil des Mehrheitswahlrechts - Vorteil sind klarere Mehrheitsverhältnisse in der Regel).
Oder eben klar für das Verhältniswahlrecht (dafür hätte man aber Direktmandate deutlich reduzieren oder wegfallen lassen müssen).

Aber der "Gerechtigkeitsnarrativ" ist stark politisiert von denen, die lieber ein Mehrheitswahlrecht hätten (in der Erwartung davon stärker zu profitieren) (dass z.B. auch bei der SPD ein "*Überhandmandat" weggefallen ist mit dem neuen Wahlrecht ist dafür nicht relevant in der Geschichte der Bundesrepublik hat die Union überproportional von den Überhangmandaten (als wir sie noch hatten) profitiert und der "Überhang" auf Unionsseite führte zu den massiven Ausgleichsmandaten, damit das Verhältnisergebnis nicht entkräftet wird durch die Überhangmandate.

Das alles, weil wir im KERN ein Verhältniswahlrecht haben. Die Zweitstimme soll die Macht im Bundestag entscheiden - nicht die Erststimme. Das ist die Wertung des Gesetzes seit Gründung der Bundesrepublik.
Das kann man ÄNDERN! Gar keine Frage. Aber der Narrativ, dass es immer anders war, und erst jetzt durch Änderung quasi ungerecht geworden ist, ist schlichtweg falsch. Wir hatten nie ein Mehrheitwahlrecht, wo die Erststimme wichtiger war. Die Entscheidung seit Gründung der Bundesrepublik war die Bedeutung der Zweitstimme.
Es waren die Überhangmandate die systemwidrig das verzerrt haben (das ist vom Bundesverfassungsgericht (nicht erst seit kurzem und nicht erst einmal) so festgestellt worden. Der Gesetzgeber hat nur lange gebraucht das zu korrigieren. Erst durch die Ausgleichsmandate (die übrigens auch darauf zurückgehen, dass jede andere Lösung der Union vorher immer zu Lasten des Verhältnisergebisses ging.).

Im Übrigen würde ich persönlich auch einen insgesamt kleineren Bundestag durchaus für sinng halten... aber das ist weder ein pro/contra für oder gegen Verhältniswahlrecht/Mehrheitswahlrecht.

Der förderale Gedanke, dass eben das Gebiet vor Ort mitsprechen darf und nicht derr Bund alles entscheidet, findet man bei uns nicht in den Direktmandaten (dafür waren die nie gedacht), sondern im Bundesrat, wo eben die Länder ein Mitspracherecht haben und die Interessen vor Ort vertreten.

Die Direktmandanten sollten auch niemals die Interessen vor Ort vertreten (im Gegenteil - sie sollten sich wie alle Abgeordneten vorrangig dem ganzen Volk und nicht einer Klientel vor Ort verpflichtet fühlen). Der Grund für die Direktmandate war eigentlich schlichtweg "Werbung" für das "demokratiefeindliche" Deutschland nach der NS-Zeit. Die Bürger*innen sollten die Demokratie LIVE sehen können... und das "Gefühl" haben näher dran zu sein, damit sie die Demokratie mehr "mögen".
Findet sich alles in den Protokollen der Herrenchiemseer Konferenz zum Grundgesetz und den Bundesverfassungsgerichtsurteilen zu unserem Wahlsystem, die sich damit auseinandersetzen (ich habe meine Hausarbeit im Examen über unser Wahlrecht und deren Einschränkungen (5-Prozent Klausel / Grundmandatsklausel) und Einflussnahmen (Aufrufe von Arbeitgebern etc.) geschrieben.
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Re: Wahlrecht

Beitrag von Eisrose »

Rebecca hat geschrieben: 25.02.2025, 11:39 Eine Lösung, die das Problem gelöst hätte (zugunsten des Verhältniswahlrecht ohne komplett auf Direktmandate zu verzichten), wäre eine starke Reduzierung der Direktmandate gewesen. 100 Direktmandate. Damit wäre die Wahrscheinlichkeit, dass ein Sieger eines Direktmandats den Platz nicht bekommen hätte deutlich reduziert würden.
Wie schon oben gesagt: das ist keine Lösung, da dadurch neue Probleme entstehen.

Für die Wahlkreiseinteilung ist wichtig:

1.) Die Stimmen der Wähler müssen ungefähr den gleichen Einfluss haben, also Wahlkreise ungefähr gleich viele Wähler enthalten.

2.) Wahlkreise müssen eine ähnliche Interessen-Struktur haben, also nicht etwa Gebiete abbilden, die Land- und Stadtbevölkerung durcheinander wirbeln.

3.) Die Grenzen der Bundesländer einhalten und nach Möglichkeit auch die regionalen Grenzen von Landkreisen und Gemeinden beachten.

Über Punkt 1.) kann man dabei nicht diskutieren, das ist zwingend einzuhalten. Und das alles ist mit weniger als 250 Wahlkreisen wohl nicht mehr machbar. Also nur 100 Wahlkreise zu haben, ist praktisch unmöglich, jedenfalls, wenn man nicht die genannten Prinzipien aufgeben will.

P.S. Was ich sagen will ist: eine Wahlrechtsreform ist lange nicht so einfach, wie einige meinen.
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