Der Literarische Salon

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kad
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Re: Der Literarische Salon

Beitrag von kad »

Heute kein Gedicht, sondern ein Interessanter Artikel.

Im Artikel vom 14. November 2024 von den beiden amerikanischen Philosophen Brian Porter & Edouard Machery wird folgendes adressiert:

„Wir wollen herausfinden, (1) ob Menschen KI-generierte Gedichte von professionellen, von Menschen geschriebenen Gedichten unterscheiden können, (2) welche Merkmale eines Gedichts Menschen nutzen, um diese Urteile zu fällen, (3) ob die Wahrnehmung von Gedichten als von Menschen geschrieben oder KI-generiert die qualitative Bewertung der Gedichte beeinflusst und (4) ob die tatsächliche Urheberschaft eines Gedichts die qualitative Bewertung der Gedichte beeinflusst.“

Das Resultat:
KI-generierte Poesie ist nicht von von Menschen geschriebener Poesie zu unterscheiden und wird positiver bewertet.
ZB wird ein von Shakespeare geschriebenes Gedicht als „schlechter“ wahrgenommen, als ein KI generiertes Gedicht im Stile von Shakespeare :mellow:

Wieso das so ist wird im Artikel auch beschrieben.
Im Artikel hat es halt auch etwas Statistik. Das kann man überlesen.

https://www.nature.com/articles/s41598-024-76900-1

Und jetzt der Test :-)
Eines ist von Shakespeare, das andere KI-generiert im Stile von Shakespeare

When winter's frost does chill the wintry air,
And all the earth is covered in a shroud;
My thoughts turn to thee, gentle and fair,
And in thy love, I find a warmth endowed.

For though the snow may fall and winds may blow,
And all the world may seem a dreary sight;
Thy love, like sunshine, melts the icy snow,
And fills my heart with such a pure delight.

Thy smile, like sunshine breaking through the clouds,
Brings hope and joy to my despairing soul;
And in thy laughter, my heart sings aloud,
As if with joy, it seeks to fill the whole.

So let the winter come, with all its cold,
For in thy love, my heart shall ne'er grow old




Thy bosom is endeared with all hearts,
Which I by lacking have supposed dead,
And there reigns love and all love’s loving parts,
And all those friends which I thought buried.
How many a holy and obsequious tear
Hath dear religious love stol’n from mine eye
As interest of the dead, which now appear
But things removed that hidden in thee lie!
Thou art the grave where buried love doth live,
Hung with the trophies of my lovers gone,
Who all their parts of me to thee did give;
That due of many now is thine alone:
Their images I loved I view in thee,
And thou, all they, has all the all of me.
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Re: Der Literarische Salon

Beitrag von Tell Sackett »

Wir sind dabei uns rechts zu überholen... :-D
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Re: Der Literarische Salon

Beitrag von Perryoldie »


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Man vergisst vielleicht, wo man die Friedenspfeife vergraben hat.
Aber man vergisst niemals, wo das Beil liegt.

Mark Twain


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Vertrauen ist das Gefühl,
einem Menschen sogar dann glauben zu können,
wenn man weiß, dass man an seiner Stelle lügen würde.

Henry Louis Mencken



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Es gibt Menschen mit leuchtendem und Menschen mit glänzendem Verstande.
Die ersten erhellen ihre Umgebung, die zweiten verdunkeln sie.

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Re: Der Literarische Salon

Beitrag von Perryoldie »

kad hat geschrieben: 02.12.2024, 10:41 [...]

Das Resultat:
KI-generierte Poesie ist nicht von von Menschen geschriebener Poesie zu unterscheiden und wird positiver bewertet.
ZB wird ein von Shakespeare geschriebenes Gedicht als „schlechter“ wahrgenommen, als ein KI generiertes Gedicht im Stile von Shakespeare :mellow:

[...]

Zwar konnte ich auf Grund mangelnder Englischkenntnisse nicht alles verstehen, aber das hindert mich nicht daran, meinen Senf dazuzugeben. :-))

KI an sich gibt es ja noch gar nicht, man sagt es nur, die übliche Angeberei der Forscher halt :-D . Das, was heute als KI bezeichnet wird, ist genau genommen Deep Learning (DL). Eine echte KI wird es lt. Wissenschaft vielleicht in 20 Jahren geben, sofern da dann überhaupt noch jemand durchblickt. Schon heute aber hat man bei den DL-Systemen den Überblick verloren und versteht nicht mehr, warum das System sich u.U. falsch verhält, wobei das System das selbst ja auch nicht erkennt und auch nicht imstande ist, das zu erkennen. Eine echte KI wäre aber dazu fähig.

Heutige "KI" sind nichts weiter als "Rechensysteme", die in unglaublich kurzer Zeit auf unglaublich große Datenmengen zugreifen und diese verarbeiten können und so den Anschein von Intelligenz erwecken. Wenn also eine "KI" ein Gedicht im Stile Shakespeares verfasst, ist das nichts weiter als "Zusammengewürfeltes", von etwas, was zuvor von Menschen erdacht und geschrieben wurde. Mit Intelligenz und Kreativität hat das also nichts zu tun, nur mit Rechenleistung. Es käme ja auch niemand auf die Idee, einem Schachcomputer Intelligenz zuzuschreiben. :-D

Das ganze zeigt aber deutlich, wie wichtig es ist, Bücher zu Haus zu haben. :-)
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Re: Der Literarische Salon

Beitrag von Graf Maunzy »

Perryoldie hat geschrieben: 04.12.2024, 11:44
kad hat geschrieben: 02.12.2024, 10:41 [...]

Das Resultat:
KI-generierte Poesie ist nicht von von Menschen geschriebener Poesie zu unterscheiden und wird positiver bewertet.
ZB wird ein von Shakespeare geschriebenes Gedicht als „schlechter“ wahrgenommen, als ein KI generiertes Gedicht im Stile von Shakespeare :mellow:

[...]

Zwar konnte ich auf Grund mangelnder Englischkenntnisse nicht alles verstehen, aber das hindert mich nicht daran, meinen Senf dazuzugeben. :-))

KI an sich gibt es ja noch gar nicht, man sagt es nur, die übliche Angeberei der Forscher halt :-D . Das, was heute als KI bezeichnet wird, ist genau genommen Deep Learning (DL). Eine echte KI wird es lt. Wissenschaft vielleicht in 20 Jahren geben, sofern da dann überhaupt noch jemand durchblickt. Schon heute aber hat man bei den DL-Systemen den Überblick verloren und versteht nicht mehr, warum das System sich u.U. falsch verhält, wobei das System das selbst ja auch nicht erkennt und auch nicht imstande ist, das zu erkennen. Eine echte KI wäre aber dazu fähig.

Heutige "KI" sind nichts weiter als "Rechensysteme", die in unglaublich kurzer Zeit auf unglaublich große Datenmengen zugreifen und diese verarbeiten können und so den Anschein von Intelligenz erwecken. Wenn also eine "KI" ein Gedicht im Stile Shakespeares verfasst, ist das nichts weiter als "Zusammengewürfeltes", von etwas, was zuvor von Menschen erdacht und geschrieben wurde. Mit Intelligenz und Kreativität hat das also nichts zu tun, nur mit Rechenleistung. Es käme ja auch niemand auf die Idee, einem Schachcomputer Intelligenz zuzuschreiben. :-D

Das ganze zeigt aber deutlich, wie wichtig es ist, Bücher zu Haus zu haben. :-)
Sehr gut zusammengefasst. :yes:
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Re: Der Literarische Salon

Beitrag von Perryoldie »

Alice hat geschrieben: 04.12.2024, 13:03 Sehr gut zusammengefasst. :yes:
Dankeschön. :-)
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Re: Der Literarische Salon

Beitrag von Perryoldie »



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Nie ist das, was man tut, entscheidend,
sondern immer erst das, was man danach tut.

Robert Musil


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Auch das kleinste Ding hat seine Wurzel in der Unendlichkeit,
ist also nicht völlig zu ergründen.

Wilhelm Busch


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Was dein Feind nicht wissen soll,
das sage deinem Freunde nicht.

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Re: Der Literarische Salon

Beitrag von Rous2 »

Perryoldie hat geschrieben: 04.12.2024, 13:45 Nie ist das, was man tut, entscheidend,
sondern immer erst das, was man danach tut.
Robert Musil
Vielen Dank! Robert Musil ist auch so ein viel Gelobter, aber kaum Gelesener. Ich hatte mich bei ihm eingelesen, als ich einen Urlaub im Fersental verbrachte, wo er im 1. Weltkrieg Abschnittskommandeur war und seine Erzählung »Grigia« entstand. Die Zeitschrift »Pardon«, die wir als Pennäler unter der Schulbank lasen, hatte mal einen Auszug aus seinem Roman »Mann ohne Eigenschaften« als angebliches Produkt eines Angestellten, der in seiner Freizeit schrieb, an renommierte Verlage geschickt. Das wurde überall abgelehnt, kein Lektor erkannte den Text, in dem lediglich das Wort »Busenband« durch »BH« ersetzt worden war (ja, wir reden von Literatur für reife Leser, wie es damals verschämt hieß).

Aber um auf das Zitat zurückzukommen: Theodor Storm, der ja nicht bloß ein Weihnachtsonkel war, formulierte es ganz ähnlich:
Der eine fragt: Was kommt danach?/ Der andere fragt nur: Ist es recht?/ Und also unterscheidet sich/ Der Freie von dem Knecht.
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Re: Der Literarische Salon

Beitrag von kad »

Perryoldie hat geschrieben: 04.12.2024, 11:44
meinen Senf dazuzugeben. :-))

Heutige "KI" sind nichts weiter als "Rechensysteme", die in unglaublich kurzer Zeit auf unglaublich große Datenmengen zugreifen und diese verarbeiten können und so den Anschein von Intelligenz erwecken. Wenn also eine "KI" ein Gedicht im Stile Shakespeares verfasst, ist das nichts weiter als "Zusammengewürfeltes", von etwas, was zuvor von Menschen erdacht und geschrieben wurde. Mit Intelligenz und Kreativität hat das also nichts zu tun, nur mit Rechenleistung. Es käme ja auch niemand auf die Idee, einem Schachcomputer Intelligenz zuzuschreiben. :-D
Ich will dir in keiner Weise widersprechen, weil ich keine wahreren Einsichten habe. Vielleicht nur eine andere Perspektive.
Ich bin einverstanden, dass deep learning der bessere Begriff ist als KI. Aber vor allem, weil wir keine gute Definition für Intelligenz haben. Zb messen IQ Tests vor allem analytisch, intellektuelle Fähigkeiten. Und das ist nahe bei deep learning. alpha proof (habe darüber in einem anderen post geschrieben), alpha chess und alpha go zeigen, dass deep learning durchaus analytisch mächtig sein kann.

Yuval Harari (und andere) warnt vor KI, weil er glaubt, dass schon alleine deep learning (ie simulierte menschliche Intelligenz) reicht, in vielfacherweise grossen Schaden anzurichten und auch Nutzen zu bringen.
Andere sind der Ansicht, dass Bewusstsein essentiell ist, um zielgerichtet zu handeln und daher wichtiger Bestandteil von Intelligenz ist. Penrose ist der Meinung, dass Bewusstsein nicht durch deep learning erreicht werden könne, sondern quantenmechanische Effekte beinhalte und daher durch eine Turing Maschine nicht simuliert werden könne. Was vielleicht impliziert, dass deep learning eine beschränkte Rolle hat.
Wie dem auch sei. Ich glaube deep learning wird aus praktischer Sicht eine sehr relevante Rolle spielen und in 99.9% die menschliche „Intelligenz“ übertreffen. Ob JSB, Shakespeare und Einstein wirklich einen Unterschied ausmachen, können wir in ein paar Jahrzehnten diskutieren.
kad
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Re: Der Literarische Salon

Beitrag von kad »

Perryoldie hat geschrieben: 21.11.2024, 12:10 Irgendwann schreibe ich auch gerne mal einen längeren Beitrag über Rückert, den ich als Dichter ebenso schätze, wie als Mensch. :-)
Wann?
kad
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Re: Der Literarische Salon

Beitrag von kad »

Johann Peter Hebel (* 10. Mai 1760 in Basel; † 22. Sep. 1826 in Schwetzingen)

Wie heisst des Kaisers Töchterlein

Ratet aus, ratet ein!
Wie heißt des Kaisers Töchterlein?
Wie heißt das grausame Mädchen?
Einst spann es am blutigen Rädchen,
Einst schürt' es hell die Flamme an,
Zum Menschenbraten lobesam
Dann zeichnet es rote Stickerei
Auf Menschenhaut zu guter Frist!
Anjetzt es eine alte Jungfer ist,
Und doch sind ihm noch Männer treu.


Ich liebe Rätsel. Sogar im literarischen Salon sind sie willkommen.
Wer ist gemeint?
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Re: Der Literarische Salon

Beitrag von Perryoldie »

Rous2 hat geschrieben: 04.12.2024, 19:17 Vielen Dank! Robert Musil ist auch so ein viel Gelobter, aber kaum Gelesener.
Gerne :-) und danke ebenfalls für die "Pardon - Anekdote". Pardon las ich früher auch gerne.

Robert Musils "Leseschicksal" hast Du sehr treffend beschrieben :-D und es ist ein Schicksal, das offensichtlich viele Dichter seit langer Zeit teilen, denn schon Lessing (1729-1781) beklagte: "Alle Dichter wollen weniger gelobt und fleißiger gelesen sein." :-D

Ich stelle hier mal den Link zu Musils Wikipediaeintrag ein, den ich sehr lesenwert finde:

https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Musil
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Re: Der Literarische Salon

Beitrag von Perryoldie »

kad hat geschrieben: 04.12.2024, 23:32 Ich will dir in keiner Weise widersprechen, weil ich keine wahreren Einsichten habe. Vielleicht nur eine andere Perspektive.
Widerspruch stört mich nicht :nein: und danke für Deine Perspektiven. :yes:

Vor allem ...
kad hat geschrieben: 04.12.2024, 23:32 Penrose ist der Meinung, dass Bewusstsein nicht durch deep learning erreicht werden könne, sondern quantenmechanische Effekte beinhalte und daher durch eine Turing Maschine nicht simuliert werden könne. Was vielleicht impliziert, dass deep learning eine beschränkte Rolle hat.
... fand ich sehr interessant.
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Re: Der Literarische Salon

Beitrag von Perryoldie »

kad hat geschrieben: 04.12.2024, 23:45
Perryoldie hat geschrieben: 21.11.2024, 12:10 Irgendwann schreibe ich auch gerne mal einen längeren Beitrag über Rückert, den ich als Dichter ebenso schätze, wie als Mensch. :-)
Wann?
Das steht in den Sternen :-D , weil ich dafür in der richtigen Stimmung sein muss, ansonsten würde mir das schreiben keinen Spaß machen. :-)
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Re: Der Literarische Salon

Beitrag von Rous2 »

Perryoldie hat geschrieben: 05.12.2024, 12:59 Ich stelle hier mal den Link zu Musils Wikipediaeintrag ein, den ich sehr lesenwert finde [...]
Ja, eine sehr vielschichtige Biographie. Erinnert mich bezüglich der Wanderungen zwischen Physik und Psyche ein bisschen an Klaus Mahn (ohne jetzt schriftstellerische Werturteile damit verknüpfen zu wollen). Und, ja die Frauen. Ein Buch mit drei Erzählungen, das ich noch als vergilbtes rororo-Taschenbuch habe, trägt den Titel »Drei Frauen«; darunter auch die erwähnte Grigia.
»Sie hieß Lene Maria Lenzi; das klang wie Selvot und Gronleit oder Malga Mendana, nach Amethystkristallen und Blumen, er aber nannte sie noch lieber Grigia, mit langem I und verhauchtem Dscha, nach der Kuh, die sie hatte, und Grigia, die Graue, rief.«
Wer könnte denn heute so etwas schreiben, ohne einen Shitstorm auszulösen? Aber neben solchen (und anderen nonchalant (wie man heute sagen würde) sexistischen Formulierungen finden sich auch hinreißend poetische, die wie bei Büchner (ach, die Synapsen! Lenzi führt zu Lenz) die Beschreibung äußerer Verhältnisse in innere Empfindungen transformieren:
»Oben aber war der Wald dunkel und der Berg hieß Selvot. Er trug über dem Wald Almböden, die, verschneit, in breitem, gemäßigtem Wellenschlag über die Nachbarberge weg das kleine hart ansteigende Seitental begleiteten, in das die Expedition einrücken sollte. Kamen, um Milch zu liefern und Polenta zu kaufen, Männer von diesen Bergen, so brachten sie manchmal große Drusen Bergkristall oder Amethyst mit, die in vielen Spalten so üppig wachsen sollten wie anderswo Blumen auf der Wiese, und diese unheimlich schönen Märchengebilde verstärkten noch mehr den Eindruck, dass sich unter dem Aussehen dieser Gegend, das so fremd vertraut flackerte wie die Sterne in mancher Nacht, etwas sehnsüchtig Erwartetes verberge.«
Ich habe damals vor 20 Jahren nach dem Urlaub auch einen kleinen Reisebericht geschrieben, der mehr über den Schauplatz enthält und noch bei archive.org verfügbar ist: https://web.archive.org/web/20071107062 ... ch2003.htm.
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