Der Wald - Waldsterben 2.0

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Laurin
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Der Wald - Waldsterben 2.0

Post by Laurin »

Der Wald wäre ein wichtiger Kompensator sowohl als CO²-Senke, wie auch eine wichtige Hilfe gegen die Auswirkungen des Klimawandels. Leider betreiben wir aus Profitgier und Unverstand Raubbau am Wald, und pflanzen großflächig Baum-Plantagen, anstatt dass wir natürlichen Wald zulassen. Die Folgen sind überall zu sehen - der Wald verliert durch diese Art der Bewirtschaftung seine natürlichen Wasserspeicher- und Kühlfunktionen, die Fichtenplantagen verdorren großflächig, und bei extremen Starkregen wie kürzlich in NRW und Rheinlandpfalz, rauschen die Wassermassen ungebremst ins Tal - mit katastrophalen Folgen.

Dazu gibt es im SPIEGEL #30 von letzter Woche ein interessantes Interview mit dem Autor und Förster Peter Wohlleben (ab S. 22) - der dort massiv die konventionelle und von der Bundesregierung subventionierte Forstwirtschaft angreift.

Peter Wohlleben veranstaltet am 5. und 6.August einen nationalen Waldgipfel, an dem man auch virtuell (kostenlos) teilnehmen kann. Aktive Teilnehmer sind u.a. auch Robert Habeck, Svenja Schulze und Louisa Neubauer, aber auch viele andere.

Hier die Webseite zur Veranstaltung: https://www.wohllebens-waldakademie.de/waldgipfel

Und hier das Programm: https://www.wohllebens-waldakademie.de/ ... c46733.pdf
LaLe
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Re: Der Wald - Waldsterben 2.0

Post by LaLe »

Was das angeht sind wir in Lübeck mit unserem Konzept der naturnahen Waldnutzung tatsächlich mal richtig davor.

https://www.luebeck.de/de/rathaus/verwa ... index.html
Laurin
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Re: Der Wald - Waldsterben 2.0

Post by Laurin »

Im ZDF lief gerade ein interessantes Gespräch von Precht mit dem Förster Wohlleben: https://www.zdf.de/gesellschaft/precht/precht-230.html

Wohlleben kritisiert dort radikal die bestehende Forstwirtschaft, und hebt die Bedeutung ursprünglicher Wälder auch für das lokale Klima im Sinne von Kühlung und Regenbildung hervor - und fordert ein komplettes Umdenken in der Art des Waldumganges, und mehr natürlichen Wald.

:yes:

Zumindest Habeck von den Grünen sollte das Thema kennen, der war nämlich neulich auch bei dem von Wohlleben veranstalteten Waldgipfel dabei.
Laurin
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Re: Der Wald - Waldsterben 2.0

Post by Laurin »

Ich ziehe das aus dem Brennstoffzellen-Thread mal hierher, weil es hier besser passt:
giffi marauder wrote: 03.11.2021, 09:09 ...
Ich behaupte aber auch nicht, dass Holzverfeuerung als One-Fits-All-Lösung geeignet ist.
Aber das was wir als "Wald" kennen, sind zum Großteil Nadelholz-Monokulturen mit Ablaufdatum.
Das hier gebundene CO2 wird in den nächsten Jahrzehnten so und so wieder frei.
...
Das ist richtig - aber genau das sollten wir eigentlich ändern, wenn wir die Ressource Wald sinnvoller gegen den Klimawandel einsetzen wollen.

Profitorientierte Holzverbrennung im großen Stil, gar in Kraftwerken, ist schlicht ein Irrweg.

giffi marauder wrote: 03.11.2021, 09:09 ...
Wir haben ja nicht nur ein Co2-Problem sondern noch andere Baustellen wie z.B. abnehmende Biodiversität, Insektensterben etc,
die zwar zum Teil durch den Klimawandel (mit-)verursacht werden, aber selbst beim Erreichen von CO2-Neutralität nicht einfach verschwinden.
Richtig. Wie schon an anderer Stelle gesagt, würde ich deshalb keine weitere Flächenversiegelung in Deutschland mehr zulassen, und den Ausweis von Neubaugebieten und weiteren Straßen stoppen.

Bei bestehenden Gärten rund ums Einfamilienhäuschen ist ein Umdenken gefragt: Nicht mehr eine gepflegte aber langweilige parkähnliche Gartengestaltung, sondern auch Mut für ungeordnetes Wachstum, Wildblumenwiesen, Bäume, Sträucher und Ähnliches, und radikaler Verzicht auf Pestizide. Bei der Gesamtfläche der Gärten in Deutschland läge da ein großes Potenzial. Dem steht aber der typisch deutsche Ordnungstrieb entgegen.
:preif:
giffi marauder
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Re: Der Wald - Waldsterben 2.0

Post by giffi marauder »

Laurin wrote: 03.11.2021, 11:45 Ich ziehe das aus dem Brennstoffzellen-Thread mal hierher, weil es hier besser passt:
giffi marauder wrote: 03.11.2021, 09:09 ...
Ich behaupte aber auch nicht, dass Holzverfeuerung als One-Fits-All-Lösung geeignet ist.
Aber das was wir als "Wald" kennen, sind zum Großteil Nadelholz-Monokulturen mit Ablaufdatum.
Das hier gebundene CO2 wird in den nächsten Jahrzehnten so und so wieder frei.
...
Das ist richtig - aber genau das sollten wir eigentlich ändern, wenn wir die Ressource Wald sinnvoller gegen den Klimawandel einsetzen wollen.
Das Potential für zusätzliche CO2-Senken durch Aufforstungen wird, so denke ich, vielfach überschätzt.
Ich glaube wir dürfen froh sein, wenn wir genug aufforsten können, um die sterbenden Fichtenwälder durch
klimaresistenen Mischformen zumindest CO2-neutral zu erstzen.
Da steht eher der Schutz der Wälder vor dem Klimawandel durch massiven Umbau an, als dass man diese "gegen den Klimawandel" einsetzten könnte.
https://www.forstwirtschaft-in-deutschl ... imawandel/

Und ja, optimalerweise wird das dabei anfallende Holz als Bauholz verwendet um CO2 langfristig zu binden,
aber auch dabei entsteht noch genug Holzabfall, der sich binnen weniger Jahre auch auf natürliche Weise zersetzten würde.
Profitorientierte Holzverbrennung im großen Stil, gar in Kraftwerken, ist schlicht ein Irrweg.
Welche Art von Kraftwerken meinst du?
Grad waren wir noch bei kleinen Einzelanlagen für Hackgut und Pellets im EFH-Bereich. :gruebel:
Und ja, wir im Ort haben eine Nahwärmeanlage die mit lokalem Hackgut betrieben wird.
Der Vorteil bei größeren Kraftwerken wäre immerhin die Möglichkeit der zentralen CO2-Abscheidung,
aber für sinnvoll halte ich das auch nicht wirklich. :-)
Physik ist keine grüne Ideologie.
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Re: Der Wald - Waldsterben 2.0

Post by Laurin »

giffi marauder wrote: 03.11.2021, 13:00 ...
Das Potential für zusätzliche CO2-Senken durch Aufforstungen wird, so denke ich, vielfach überschätzt.
Ich glaube wir dürfen froh sein, wenn wir genug aufforsten können, um die sterbenden Fichtenwälder durch
klimaresistenen Mischformen zumindest CO2-neutral zu erstzen.
Da steht eher der Schutz der Wälder vor dem Klimawandel durch massiven Umbau an, als dass man diese "gegen den Klimawandel" einsetzten könnte.
https://www.forstwirtschaft-in-deutschl ... imawandel/
Folgt man Wohlleben, ist das alles purer Unsinn. Der Wald muss weder aufgeforstet noch durch klimaresistente Bäume ersetzt werden, schon gar nicht durch Baumsorten, die hier nicht heimisch sind - sondern lediglich sich selbst überlassen werden; dann regeneriert er sich selbst, besser als jede künstliche Plantage. Ein solcher Wald wird auch nicht mehr 'gesäubert', sondern umstürzende Bäume bleiben liegen und werden so wieder dem Ökosystem zugeführt.

Im Gegensatz zu den 'Wald-Plantagen' der kommerziellen Forstwirtschaft bildet der Wald dann selbst deutlich klimaresistentere Ökosysteme, bis hin zur Bodenkultur, als bei den künstlichen Plantagen. Sein Beweis ist der von ihm selbst betreute Wald, oder andere wenige noch natürliche Wälder, in denen man das Waldsterben wie bei den Forstplantagen nicht feststellen kann. Natürlich geht bei einem sich selbst überlassenen Urwald dann auch die Holzentnahme deutlich zurück - aber die sich entwickelnden CO²-Senken halten dafür hunderte von Jahren. Solche Wälder bilden aufgrund der besseren Bodenbedingungen wasserbindende Bodenschwämme, die solche Katastrophen wie im Ahrtal deutlich bremsen können, kühlen ihre Umgebung deutlich gegen Wärme ab, und lassen über sich sogar wieder Wolken entstehen.

Allerdings ist das nicht mit dem Renditestreben der Waldbesitzer kompatibel, die für ihren Profit die schnelle Holzentnahme wollen, möglichst noch zu Lebzeiten. Natürlich brauchen wir deshalb nicht auf Bauholz verzichten, sehr wohl aber auf diese riesigen Mengen an Brennholz, welches inzwischen ca. die Hälfte der Waldentnahme ausmacht.

Wohlleben fordert mehr natürliche Wälder, auch um dem Klimawandel und dessen Auswirkungen zu begegnen. Es müssen ja nicht gleich alle Wälder in Urwälder verwandelt werden, aber wir brauchen deutlich mehr als die nur 2-3% natürliche Wälder, die wir nur noch haben.

Würden wir dazu die Massentierhaltung zurückfahren, die für den Futteranbau einen enormen Flächenanbau verbraucht,könnten wir auch mehr landwirtschaftlich genutzte Flächen wieder in Wälder verwandeln. Gartenbesitzer und Kommunen könnten ebenfalls viel mehr Flächen der Natur überlassen, statt immer alles abzumähen.

Das würde nicht nur gegen den Klimawandel und dessen Auswirkungen helfen, sondern auch der Biodiversität zugute kommen.
Allein wegen dem Artensterben können wir nicht so weiter machen wie bisher.

giffi marauder wrote: 03.11.2021, 13:00
Laurin wrote: Profitorientierte Holzverbrennung im großen Stil, gar in Kraftwerken, ist schlicht ein Irrweg.
Welche Art von Kraftwerken meinst du? ...
Sowas zum Beispiel: Kohlekraftwerke gieren nach Holz
giffi marauder
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Re: Der Wald - Waldsterben 2.0

Post by giffi marauder »

Laurin wrote: 03.11.2021, 18:45
giffi marauder wrote: 03.11.2021, 13:00 ...
Das Potential für zusätzliche CO2-Senken durch Aufforstungen wird, so denke ich, vielfach überschätzt.
Ich glaube wir dürfen froh sein, wenn wir genug aufforsten können, um die sterbenden Fichtenwälder durch
klimaresistenen Mischformen zumindest CO2-neutral zu erstzen.
Da steht eher der Schutz der Wälder vor dem Klimawandel durch massiven Umbau an, als dass man diese "gegen den Klimawandel" einsetzten könnte.
https://www.forstwirtschaft-in-deutschl ... imawandel/
Folgt man Wohlleben, ist das alles purer Unsinn. Der Wald muss weder aufgeforstet noch durch klimaresistente Bäume ersetzt werden, schon gar nicht durch Baumsorten, die hier nicht heimisch sind - sondern lediglich sich selbst überlassen werden; dann regeneriert er sich selbst, besser als jede künstliche Plantage. Ein solcher Wald wird auch nicht mehr 'gesäubert', sondern umstürzende Bäume bleiben liegen und werden so wieder dem Ökosystem zugeführt.
Solltest du hier die Idee propagieren, ganz Deutschland wieder in Urwald und Naturwiesen zurückzuentwickeln,
bin ich dabei. :-)
giffi marauder wrote: 03.11.2021, 13:00
Laurin wrote: Profitorientierte Holzverbrennung im großen Stil, gar in Kraftwerken, ist schlicht ein Irrweg.
Welche Art von Kraftwerken meinst du? ...
Sowas zum Beispiel: Kohlekraftwerke gieren nach Holz
Das ist natürlich ein ziemlicher Unsinn. :hm:
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Troh.Klaus
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Re: Der Wald - Waldsterben 2.0

Post by Troh.Klaus »

giffi marauder wrote: 04.11.2021, 09:25 Solltest du hier die Idee propagieren, ganz Deutschland wieder in Urwald und Naturwiesen zurückzuentwickeln,
bin ich dabei. :-)
Wenn es keine Deutschen mehr gibt, kommt das von ganz alleine.
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Re: Der Wald - Waldsterben 2.0

Post by Laurin »

giffi marauder wrote: 04.11.2021, 09:25 ...
Solltest du hier die Idee propagieren, ganz Deutschland wieder in Urwald und Naturwiesen zurückzuentwickeln,
bin ich dabei. :-)
...
Nicht nur Deutschland ... :giggle:

Nein im Ernst - bei einem nicht gerade kleinen Teil halte ich das für möglich, und auch für erstrebenswert, wenn wir ein weiteres Artensterben nicht einfach hinnehmen wollen. Ich glaube dass wir zu einem neuen Verständnis von 'im Einklang mit der Natur'-leben kommen müssen, weg von dem Gedanken, die Natur nur als domestizier- und ausbeutbare Ressource und 'Nutzfläche' zu betrachten.

Wohlleben behauptet in seinen Büchern interessanterweise, das Bäume in naturbelassenen Räumen, u.a. über verbundene Pilzgeflechte und Botenstoffe, miteinander kommunizieren, und sich im Verbund sogar gegenseitig stärken können. Das hört sich auf den ersten Blick etwas romantisch an, aber für noch interessanter halte ich die Behauptung, dass große alte Bäume sich über epigentische Vorgänge über die Jahrhunderte sogar an ändernde Umweltbedingungen anpassen können, also in gewissen Ausmaß lernende lebende Systeme sind - die dann auch klimaresistenter als reine Nutzanpflanzungen sind.

Das wird über vergleichsweise kurzlebige Baumplantagen, bei denen der Förster fröhlich selektiert und immer wieder auf- und ausforstet, immer wieder unterbrochen, dazu der Waldboden durch die schweren Forstmaschinen verdichtet und teilweise sogar zerstört.
giffi marauder
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Re: Der Wald - Waldsterben 2.0

Post by giffi marauder »

Laurin wrote: 04.11.2021, 11:43
giffi marauder wrote: 04.11.2021, 09:25 ...
Solltest du hier die Idee propagieren, ganz Deutschland wieder in Urwald und Naturwiesen zurückzuentwickeln,
bin ich dabei. :-)
...
Nicht nur Deutschland ... :giggle:

Nein im Ernst - bei einem nicht gerade kleinen Teil halte ich das für möglich, und auch für erstrebenswert, wenn wir ein weiteres Artensterben nicht einfach hinnehmen wollen. Ich glaube dass wir zu einem neuen Verständnis von 'im Einklang mit der Natur'-leben kommen müssen, weg von dem Gedanken, die Natur nur als domestizier- und ausbeutbare Ressource und 'Nutzfläche' zu betrachten.

Wohlleben behauptet in seinen Büchern interessanterweise, das Bäume in naturbelassenen Räumen, u.a. über verbundene Pilzgeflechte und Botenstoffe, miteinander kommunizieren, und sich im Verbund sogar gegenseitig stärken können. Das hört sich auf den ersten Blick etwas romantisch an, aber für noch interessanter halte ich die Behauptung, dass große alte Bäume sich über epigentische Vorgänge über die Jahrhunderte sogar an ändernde Umweltbedingungen anpassen können, also in gewissen Ausmaß lernende lebende Systeme sind - die dann auch klimaresistenter als reine Nutzanpflanzungen sind.

Das wird über vergleichsweise kurzlebige Baumplantagen, bei denen der Förster fröhlich selektiert und immer wieder auf- und ausforstet, immer wieder unterbrochen, dazu der Waldboden durch die schweren Forstmaschinen verdichtet und teilweise sogar zerstört.
Das Hauptproblem am Klimawandel ist aber die Dynamik der Veränderungen.
Sind diese schneller als die Anpassungsfähigkeit, ist schnell schluss mit lustig.
Also selbst, wenn wir Wälder aus der Bewirtschaftung rausnehmen und sich selbst "der Natur" überlassen,
ist dies keineswegs ein Garant für eine entsprechend angepasste Erneuerung im notwendigen Zeitraum.

Sicherlich ist ein Umschwenken von intensiver Landnutzung auf extensiv oder gar exklusiv sinnvoll und wahrscheinlich sogar
unvermeidbar.
Also weg von den Umwelt-Enklaven" im Nutz-Raum hin zu Nutz-Enklaven im Umweltraum.
Aber wenn du schon wegen ein paar Cent Energiepreiserhöhung ein "Mitgehen der Bevölkerung" massiv schwinden siehtst,
was denkst du passiert, wenn dieses Thema angegangen wird und hier massiv in "Eigentumsrechte" resp. "Nutzungsrechte"
eingegriffen wird? :gruebel:
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Re: Der Wald - Waldsterben 2.0

Post by Laurin »

Nun ja, es ist ein großer Unterschied, ob man die große Masse der Bevölkerung gegen sich aufbringt, oder ein paar Großgrundbesitzer.
:-D

(Ersteres hielte ich für denkbar ungeschickt)


Und du hast Recht, ein großes Problem beim Klimawandel ist die Geschwindigkeit, in der er sich vollzieht, das macht Anpassungen der Natur so schwierig. Epigenetische Veränderungen und Anpassungen, von denen Wohlleben spricht, sind aber deutlich schneller als genetische Veränderungen, die i.d.R. viele Generationen brauchen. Und Baumriesen sind dazu in einem gewissen Umfang wohl fähig ...
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Re: Der Wald - Waldsterben 2.0

Post by Eisrose »

Ich möchte mal ein Plädoyer für die Forstwirtschaft einschieben: Ist Holz nicht ein ökologisch sinnvolles und sehr nachhaltiges Baumaterial? Nur dann müssen wir auch weiter Forstwirtschaft betreiben.

In diesem Zusammenhang zu Wohlleben: mir gefällt da nicht so ganz seine grundsätzliche Kritik an der Forstwirtschaft. Wenn wir weiterhin Bauholz brauchen, ist es doch geradezu notwendig, dass wir abgeholzten Wald immer wieder aufforsten. Ohne Forstwirtschaft gäbe es heute vermutlich überhaupt keinen alten Wald mehr, denn dann hätten wir schlichtweg alle Wälder bereits abgeholzt.

Das heisst jetzt nicht, dass wir nicht auch Wald der Natur überlassen können. Nur ich sehe da kein entweder Forstwirtschaft oder Naturwald. Wir brauchen beides.
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Re: Der Wald - Waldsterben 2.0

Post by Eisrose »

Laurin wrote: 03.11.2021, 18:45
Folgt man Wohlleben, ist das alles purer Unsinn. Der Wald muss weder aufgeforstet noch durch klimaresistente Bäume ersetzt werden, schon gar nicht durch Baumsorten, die hier nicht heimisch sind - sondern lediglich sich selbst überlassen werden; dann regeneriert er sich selbst, besser als jede künstliche Plantage. Ein solcher Wald wird auch nicht mehr 'gesäubert', sondern umstürzende Bäume bleiben liegen und werden so wieder dem Ökosystem zugeführt.
Ganz so einfach ist es dann doch nicht. Wo wir heute Fichtenwaldmonokulturen haben, würde sich von alleine mit Sicherheit kein natürlicher Mischwald bilden, jedenfalls nicht in den nächsten 1000 Jahren, sondern es bliebe erstmal beim Fichtenwald. Ein bisschen menschlicher Eingriff ist hier und da schon notwendig.

Auch der Begriff "Plantage" gefällt mir nicht so ganz: es gibt schon noch etwas zwischen Waldplantagen und Naturwald. Dieser Gegensatz ist mir zu konstruiert.
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Re: Der Wald - Waldsterben 2.0

Post by Laurin »

Eisrose wrote: 04.11.2021, 19:01 Ich möchte mal ein Plädoyer für die Forstwirtschaft einschieben: Ist Holz nicht ein ökologisch sinnvolles und sehr nachhaltiges Baumaterial? Nur dann müssen wir auch weiter Forstwirtschaft betreiben.

In diesem Zusammenhang zu Wohlleben: mir gefällt da nicht so ganz seine grundsätzliche Kritik an der Forstwirtschaft. Wenn wir weiterhin Bauholz brauchen, ist es doch geradezu notwendig, dass wir abgeholzten Wald immer wieder aufforsten. Ohne Forstwirtschaft gäbe es heute vermutlich überhaupt keinen alten Wald mehr, denn dann hätten wir schlichtweg alle Wälder bereits abgeholzt.

Das heisst jetzt nicht, dass wir nicht auch Wald der Natur überlassen können. Nur ich sehe da kein entweder Forstwirtschaft oder Naturwald. Wir brauchen beides.
Naja,
mit der Nachhaltigkeit ist es bei Holz so eine Sache. Wenn ein Baum eigentlich mehrere hundert Jahre alt werden könnte, wir daraus aber Möbel herstellen, die nach einigen Jahren dann wieder auf dem Sperrmüll landen, ist es damit auch nicht soweit her.
Ok, besser als Plastik allerdings allemal.

Ich zumindest habe auch nie davon gesprochen, überhaupt keine Forstwirtschaft mehr zu betreiben, da ich es auch als notwendig ansehe, über Bauholz zu verfügen. Wenn aber wie weiter oben ausgeführt etwa die Hälfte der Holzentnahme für Brennholz verwendet wird, könnten wir ohne irgendeinen Nachteil gut die Hälfte der bestehenden Wälder zu Urwäldern werden lassen - sobald wir über alternative Heizmöglichkeiten auf dem Land verfügen (deshalb der Brennstoffzellenthread).

Ob diese forstwirtschaftlichen 'Waldplantagen' im Klimawandel aber überhaupt bestehen können, ist noch die große Frage, und wohl auch abhängig davon, ob wir den Klimawandel eindämmen können oder nicht. Bei weiter schlechtem Verlauf könnte uns das dazu zwingen, komplett auf Naturwälder umstellen, mit reduzierter ökologisch kontrollierter selektiver Entnahme. Dann allerdings würde Holz dadurch auf jeden Fall teurer - aber besser als irgendwann nur noch überall Steppe.

Die teilweise Transformation in Naturwälder sollten wir aber bald angehen, da uns ansonsten die Zeit davon läuft.

Weitere Flächen für Naturwälder könnten wir gewinnen, wenn wir z.B.:
- die Fleischproduktion reduzieren würden
- anfangen würden überflüssige Straßen zurück zubauen
- einen Teil unserer Gärten verwildern lassen würden
- einen Teil der Stadtparks verwildern lassen
usw.

Aber auch die Forstwirtschaft wird die von ihr gemachten Fehler erkennen müssen, also z.B. auf Monokulturen verzichten oder nicht mehr mit schwerem Gerät rücksichtslos durch die Wälder kurven ...

Insgesamt kann man eine Menge tun, ohne einen entweder/oder-Konflikt beschwören zu müssen.
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Re: Der Wald - Waldsterben 2.0

Post by Eisrose »

Laurin wrote: 04.11.2021, 20:28
Ob diese forstwirtschaftlichen 'Waldplantagen' im Klimawandel aber überhaupt bestehen können, ist noch die große Frage, und wohl auch abhängig davon, ob wir den eindämmen können oder nicht. Alternativ könnten wir auch komplett auf Naturwälder umstellen, mit reduzierter ökologisch kontrollierter selektiver Entnahme. Dann allerdings würde Holz dadurch auf jeden Fall teurer - aber besser als irgendwann nur noch überall Steppe.

Die teilweise Transformation in Naturwälder sollten wir aber bald angehen, da uns ansonsten die Zeit davon läuft.
Auch hier:
Laurin wrote: 04.11.2021, 11:43 [...] aber für noch interessanter halte ich die Behauptung, dass große alte Bäume sich über epigentische Vorgänge über die Jahrhunderte sogar an ändernde Umweltbedingungen anpassen können, also in gewissen Ausmaß lernende lebende Systeme sind - die dann auch klimaresistenter als reine Nutzanpflanzungen sind.
Diese Behauptung könnte jedoch falsch sein. Zum Beispiel haben alte Buchen die letzten Dürrejahre sehr viel schlechter als junge Buchen überstanden. Zwar gibt es genetische Untersuchungen, die Dürreresistenzen im Erbgut von Buchen nachweisen können, schon im Samen, aber auch hier müsste der Mensch wieder eingreifen. Einfach den Wald sich selber überlassen könnte tatsächlich "Jahrhunderte" dauern, wie Du selbst schreibst. Für den heutigen Klimawandel hilft das dann gerade nichts.

Ich habe natürlich nichts dagegen, mehr Wald der Natur zu überlassen. Aber so einfach, wie Wohlleben das beschreibt, ist es nicht. Das Naturwälder sofort und ohne menschlichen Eingriff einem Nutzwald überlegen wären, halte ich für eine Illusion.

Und Plantage versus Wildnis ist eine wenig hilfreiche Polemisierung. Wo gerade in Deutschland schon immer Wert auf Nachhaltigkeit in der Forstwirtschaft gelegt wurde.
Laurin wrote: 04.11.2021, 20:28 Aber auch die Forstwirtschaft wird die von ihr gemachten Fehler erkennen müssen, also z.B. auf Monokulturen verzichten oder nicht mehr mit schwerem Gerät rücksichtslos durch die Wälder kurven ...
Hat die Forstwirtschaft nicht schon längst von ihr gemachte Fehler erkannt? Wo bitte wird denn heute noch auf Monokulturen gesetzt? Das ist doch ein Vorwurf von Gestern. Und das "schwere Gerät" fährt auf sogenannten Rückegassen und Rückewegen und "kurvt nicht rücksichtslos durch die Wälder."
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