Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

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Tell Sackett
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Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

Beitrag von Tell Sackett »

Tennessee hat geschrieben: 06.02.2025, 08:52
(...)Oder wie Sigourney Weaver das einmal bei Graham Norton sagte: SF-Fans seien mit ihre liebsten Fans, weil sie so leidenschaftlich seien, aber auch so kenntnisreich. Man könne sich bei SF-Fans keine Fehler leisten. Die fänden sie sofort und würden die auch sofort aufs Brot schmieren. Eigentlich die beste Qualitätskontrolle, die man sich vorstellen könne.
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RBB
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Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

Beitrag von RBB »

Band 1433 - Blockadebrecher - ist von Kurt Mahr, erschienen am 06.02.1989
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"Ob die Besitzerin etwas dagegen hat, wenn ich hier ein Aktustikfeld errichte?" fragte Gucky am nächsten Morgen in Lillys Café.

"Aber nie im Leben. Wird's denn so geheimnisvoll?" wollte Lee wissen.

"Nein, aber vielleicht persönlich. Jetzt traue ich deiner Lilly ja keine Bosheiten zu. Menschen mit ihrem Job wissen sowieso mehr über andere Leute, als der gesamte Rest, aber der Laden ist zu gut besucht." Gucky hantierte an seinem Chrono herum und kurz danach sah man das charakteristische Flimmern des Feldes. Auf diesem Weg wurde auch Lippenablesen unmöglich gemacht.

"So", begann der Ilt. Er hatte länger darüber nachgedacht, wie er denn das Gespräch eröffnen sollte. "Bevor ich dir gleich eine Frage stelle, sag ich dir was über mich. Du hast mich hier einfach nur als Gucky, den Mausbiber kennengelernt. Ich bin hauptberuflich aber so etwas wie Soldat, Kämpfer und wenn es hart auf hart kommt, kommandiere ich Raumschiffe oder ganze Flottenverbände. Obwohl die letzten beiden Tätigkeiten nicht unbedingt zu meinen Lieblingsbeschäftigungen gehören. Ich bin sowohl Einzelkämpfer als auch Teamplayer, wenn es denn sein muss. Nebenberuflich bin ich noch sowas wie Wissenschaftler. Ich habe, dies möchte ich in aller Bescheidenheit anmerken, einige Doktortitel, darunter einen in theoretischer Physik und einen in Geschichte. Naja, ich habe ja auch Zeit genug zum Lernen. Vielleicht aber weiß ich deshalb etwas mehr bei meinen Erzählungen. Und: Ich bin das, was man früher Diplom - Fremdrassenpsychologe nannte. Heutzutage heißt sowas Kosmopsychologe."

Er sah Lee in die Augen und merkte, dass sie sich ein bisschen unwohl fühlte.

"Keine Sorge, mein Kind", sagte er. "Den weitaus größten Teil von dem ganzen Krempel habe ich woanders gelassen. Und da bleibt er auch. Schließlich bin ich ja auf Urlaub hier auf eurer schönen Welt. Die darfst du mir eigentlich auch mal detaillierter zeigen, wenn du möchtest. Aber: Wenn hier jemand von außen den richtigen Blick auf einzelne Personen hat, bin ich das. Ich bin kein Mensch, ich bin ein Ilt. Dazu kommt, dass ich eine ziemliche Zeit unter Euresgleichen lebe und glaube mir bitte, es gibt nichts, aber auch rein gar nichts, was mir fremd ist. Bitte schließe aus den Frotzeleien von Bully und mir nicht auf den restlichen Gucky. Das dient bei uns Beiden nur zum Stressabbau. In mir drin sieht ganz anders aus. Denn wenn man so lange lebt wie ich, erfährt man alleine aus diesem Grund eine ganze Menge. Allemal zusätzlich noch, wenn man Telepath ist. Es ist jetzt nicht so, dass ich sämtliche Gedanken in meiner Umgebung sondiere. Hier klappt das ja sowieso nicht. O.k., ab und zu bin ich neugierig. Aber nur ganz, ganz selten."

Lee hatte einen Blick drauf, der Gucky mitteilte, dass sie ihm alles glaube, tatsächlich grade den letzten Satz nicht.

"Gut, vielleicht bin ich ein wenig zu oft neugierig, mag ja sein. Aber, und da kannst du dich zwingend drauf verlassen, es bleibt hier drin". Er zeigte auf seinen Kopf. "Nie wird irgendwer erfahren, was mir auf diesem Wege bekannt wurde. Noch nicht mal die Betroffenen selber. Sonst könnte ich sehr schnell meine Koffer packen. Betrachte mich einfach als Freund, der dir helfen will. Denke daran, deine Patienten haben mindestens die gleiche Hemmschwelle dir gegenüber, wie du das jetzt bei mir verspürst. Darf ich dir ein wenig hilfreich zur Seite stehen?"

Lee schluckte. Damit hatte sie nicht gerechnet, obwohl, nach ihrer Lebensgeschichte gestern Abend hätte sie es sich denken können. Sie fühlte sich von dem Ilt angeguckt. Naja, deswegen heißt er ja auch so, ging ihr durch den Kopf und sie musste unwillkürlich grinsen. Sie nickte. "Ja", sagte sie. "Ich bitte darum."

"Ich stelle jetzt noch keine Fragen", eröffnete Gucky ihr. "Vorher haben wir noch ein anderes Thema, sozusagen zur Einstimmung."

Er lehnte sich zurück, nippte an seinem Möhrensaft und begann:
"Menschen, Lee, sind seltsame Wesen. Sie sind von vorne bis hinten hormongesteuert und das geht bei manchen Figuren schief, wie zum Beispiel in deiner Familie. Das ist bei euch entwicklungsgeschichtlich begründet. Denn bei allem medizinischen und technischen Fortschritt seid ihr eigentlich immer noch die alten Steinzeitmenschen. Weißt du, ein kluger Mann hat mal gesagt: So haben sie mit dem Kopf und dem Mund den Fortschritt der Menschheit geschaffen, doch davon mal abgesehen und bei Lichte betrachtet, sind sie immer noch die alten Affen."

Gucky strahlte Lee an und die musste lachen. "Den Spruch kenne ich nicht, den muss ich mir merken. Das ist was für Billys Kneipe. Darf ich nicht vergessen!"

Der Ilt fingerte an seinem Chrono herum und sagte: "Das gibt es auch als Lied , habe ich dir grade geschickt. Aber wie war das denn ehedem bei euren Vorfahren? Geburt, Kindheit, Pubertät, Partnersuche, jede Menge Kinder kriegen, großziehen und dann? Waren sie überflüssig und konnten abtreten. Das alles in 35 Jahren. Ärztliche Versorgung gabs in der Steinzeit ja nicht. Sicherlich liegt die Lebenserwartung heutzutage wesentlich höher, aber, ich sag mal, die inneren Werte sind den medizinischen Spielereien nicht gefolgt.

Bei Ilts ist das anders. Wir sind von Natur aus mit einer Lebenserwartung von 500 - 600 Jahren ziemlich langlebig. Und was unser selber angeht, sind wir bekanntlich die Bescheidenheit in Person."

Lee lachte.

"Was denn? Sieh mich einfach nur an, dann weißt du doch Bescheid! Als ob ich jemals unbescheiden gewesen wäre, also wirklich!"

Lee setzte sich neben Gucky und kraulte ihm den Nacken.

"Sehr schön", kommentierte dieser. "Du hast jetzt für nächsten drei Stunden eine Beschäftigung. Wo war ich stehengeblieben? Ach ja. Bescheidenheit. Und: Es dauert alles etwas länger. Das Aufwachsen zum Beispiel. Eure Steinzeitler hatten längst das Zeitliche gesegnet, da war unser Nachwuchs noch nicht erwachsen. Nach Jahrzehnten überlegte man sich ganz langsam, ob man auf Partnersuche gehen sollte. Aber nur keine Hast! Denn wir werden nicht von Hormonen wie ihr bestimmt. Deswegen", Gucky sah seine Freundin schelmisch an, "gibt es bei mir auch keinen Hormonstau, wie ihn mir so einige Zeitgenossen unterstellen. Es sind keine da. Die haben einfach nicht begriffen, wie Ilts funktionieren."

"Aber ihr habt doch Nachwuchs bekommen", konstatierte Lee.

"Klar. Denn sonst gäbe es mich ja nicht. Ich, der ich in aller Bescheidenheit als mehrfacher Retter des Universums gelte, wäre nicht existent. Welch grausiger Gedanke! Nein. Natürlich gibt es bei Ilts Hormone. Aber alles zur passenden Zeit. Hatte man nämlich die passende Partnerin gefunden, musste man erstmal sehen, ob man es denn so viele und lange Jahrzehnte aushalten würde, bis der Nachwuchs groß ist. Wenn man dann irgendwann ans Zeugen heranging, war man aber schon deutlich über 100 Jahre alt. Danach waren die Hormone wieder weg und körperliche Nähe beschränkte sich eigentlich aufs Nackenkraulen. Wäre das bei Ilts wie bei euch, würden Welten wegen unserer Lebenserwartung nach kurzer Zeit in Ilts ersticken. Das ist nun der kleine, aber wesentliche Unterschied zu euch Menschen."

"Wenn es dich nicht gäbe...", begann Lee.

Gucky unterbrach sie und beendete den Satz: "...müsste man mich glatt erfinden. Weiß ich," strahlte er. "Das hat mir schon mal jemand gesagt. Aber jetzt bist du dran!"

Lee schluckte. "Ich glaube, ich kann von dir noch viel lernen", sagte sie. "Du kannst deinem jeweiligen Gegenüber wunderbar Ängste und Sorgen nehmen. Aber lass mir bitte noch einen Moment zum Nachdenken. Alleine deine Gegenwart gibt mir schon sehr viel und kann einiges von dem Durcheinander in mir sortieren. Komm, wir setzen uns unten an den Fluss und du erzählst mir den Fortgang der Geschichte. Danach sehen wir weiter."

Bangemachen gilt nicht, dachte Gucky, ließ Lee aber gewähren. Solche Dinge darf man eben nicht übers Knie brechen, wusste er. Also gewährte er seiner Freundin den Vortritt und watschelte hinter ihr her zum Fluss. Sie setzten sich auf eine Bank und ließen sich eine Weile von der Sonne bescheinen. Dann begann Gucky mit dem nächsten Teil.


Spoiler

Gucky berichtet über die Geschichte vom Blockadebrecher:

So, meine Liebe. Du wirst dich sehr freuen, denn es geht mit deinem Lieblings - Cantaro weiter. Daarshol ist wieder da. Am Anfang zwar nicht so ganz, wie er sich das vorgestellt hatte, aber so ganz blöd war der ja nicht.

Aber von Vorne:
Unsere fernöstliche Geistesgröße mit Namen Sato Ambush - du erinnerst dich an den? Das war der Typ mit den Pararealitäten, diesen seltsamen nebenhergehenden Wirklichkeiten oder auch Unwirklichkeiten, was außer ihm wohl niemand so richtig begriffen hatte. Ich jedenfalls nicht. Für mich ist das alles halbgares Zeug.

Was sagst du? Ich hätte eben noch mit einem Doktortitel in Physik angegeben? Mein Herz, der beschränkt sich auf klassische theoretische Physik. Einsteinuniversum, Lichtgeschwindigkeit im Zusammenhang mit dem Verhalten subatomarer Teilchen und so. Mit diesem ganzen Hyperphysik - Gedöns kann ich kaum was anfangen. Mit wollte mal einer erklären, wie ein Tesserakt aussieht. Eben. Das ist ein vierdimensionaler Würfel, wobei der innere genauso groß ist wie der äußere. Das hab ich nicht in meinen Kopf gekriegt und damit war das höherdimensionale Zeug bei mir durch. Obwohl ich Psi - Kräfte vom kurzwelligen Hyperspektrum habe. Oder so ähnlich. Aber dafür gab's und gibt's ja unsere Wissenschaftler. Wie Sato Ambush & Co.

Auf jeden Fall hatte der unseren fremden Kumpel etwas genauer untersucht, weil er wissen wollte, wie das denn funktionierte mit der Zusammenarbeit von biologischem Gewebe und den syntronischen Bestandteilen. Er war der Meinung, da müsse es eine Verbindung geben, so eine Art hypertoyktischer Verzahnung für Cantaro. Er fand sie. Und er entfernte sie. Es handelte sich um eine 0,8 Millimeter kleine Kugel. die als Koordinationsselektor einen Teil des Bewegungsablaufes steuerte, den die synthetischen Muskeln in Daarshols Droidenkörper zu bewältigen hatten. Ohne dieses Ding ging das nicht. Er war nämlich jetzt auf die Signale seines organischen Gehirns angewiesen und das war nun nicht so ganz einfach für ihn. Im Klartext: Er konnte sich nur noch äußerst langsam bewegen und noch nicht mal mir davonrennen und ich bin nun wirklich kein besonders schneller Läufer.

Er muss ein klein wenig angesäuert gewesen sein, denn eigentlich hätten wir bei der Fertigstellung des Pulswandlers seine Hilfe gebraucht. Das wäre sogar in seinem eigenen Interesse gewesen, alldieweil er ja nun auch in die Milchstraße zurückwollte. "Du kommst umsonst, kleiner Mann", hatte der Droide mit einer gewissen Gehässigkeit zu Sato gesagt. Und: Er solle sich wegscheren. Jetzt konnte man unser gutes fernöstliches Genie mit solchen Sprüchen nicht beeindrucken. Er fragte Darshool noch, ob ihm nicht der Gedanke gekommen wäre, dass die, denen er bei der Fertigstellung des Gerätes nicht helfen wolle, ihn einfach hier stehen lassen könnten. Dann ließ er unseren Freund alleine.

Meine Leute wälzten derweil andere Probleme. Eirene merkte, dass Covar Inguard wohl vor Heimweh eingehen würde und wieder nach Hause wollte. Die anderen überlegten grade, wie lange es wohl noch mit dem Blockadebrecher dauern solle und wie man danach vorzugehen gedachte, als sich Sato Ambush wieder meldete. Er habe den Verdacht, meinte er, dass Daarshol damit rechne, Phönix werde von seinen Artgenossen angegriffen werden oder er gedenke zu fliehen. Das ginge doch gar nicht, erhielt er zur Antwort. Denn erstens sei er ja im Moment nicht der Beweglichste überhaupt und zweitens nütze ihn eine Flucht sowieso nix, weil er ja nicht durch den Chronopulswall durchkomme. "Das macht nichts", antwortete Sato. "Er braucht sich nur irgendwohin zu begeben, wo hin und wieder Raumer seines Volkes auftauchen. Er strahlt dann ein Notsignal ab und man nimmt ihn auf."

Unser größter aller großen Meister, Perry Rhodan höchstdaselbst, machte der Diskussion ein Ende. Die Bedenken seien allesamt überflüssig und man solle sich doch lieber wichtigeren Dingen zuwenden. Vor so viel Weisheit muss man sich zu verbeugen. Die hat ihm aber nichts genützt, als man Sato Ambush am nächsten Morgen außer Gefecht am Fuß eines Mauervorsprungs fand. Paralysiert. Aber derart heftig, dass man froh war, dass er überhaupt noch lebte. Es würde wohl ein paar Tage dauern, bis er wieder der alte sei, meinten die Mediker. Und Darshool? Der war natürlich verschwunden. Trotz angeblicher Bewegungslosigkeit. Und dann? Durfte der arme, kleine Gucky wieder ran. Ich sollte ihn suchen. Wobei ich keine Ahnung hatte, wie. Nach Mentalsignalen sollte ich suchen. Wie das gehen sollte, wenn er sein organisches Bewusstsein völlig blockiert, sagten sie mir nicht. "Aber", so meinte unser aller Perry, "Darshool braucht die Blockade nur eine Sekunde zu lüften, dann hätte ich Aussichten, ihn zu finden."

Also ehrlich, ab und zu ist dieser Mann mir trotz seiner Erfahrung suspekt. So blöd kann doch der dämlichste Cantaro nicht sein, sich so einfach finden zu lassen. Ich fand ihn auch nicht und kam irgendwann mal total fix und fertig zurück. In der Zwischenzeit blieb der Kerl natürlich verschwunden und schmiedete Pläne. Er hatte eine Überbrückung gebaut, die das entfernte Kügelchen ersetzte. Die fraß zwar ziemlich viel Energie, aber er wollte baldmöglichst ein Raumschiff kapern, flüchten und sich an einer Cantaro - Flugroute auf Warteposition begeben. Dann hätte der die Überbrückung ausgeschaltet und einfach nur gewartet.

Sato Ambush war in der Zwischenzeit immer noch k.o. auf der Krankenstation und nicht ansprechbar. Dort hatte man festgestellt, dass der Paralysator ein äußerst heftiges Teil gewesen sein musste: Dreißig Megawatt hatte das Ding. Im Normalfall hatten damals großkalibrige Waffen höchsten zwei Megawatt. Mehr nicht. Also suchte man nach einem solchen Teil.

Ja. Und dann tauchte unser Freund Pedrass Foch auf. Er hielt Roi Danton die Waffe unter die Nase und behauptete, sie gehöre Reno Yantill, seinem Boss, und er habe sie aus dessen Gleiter geholt. Da habe Darshool sie wohl auch gefunden. Roi traute dem Kerl nicht so ganz über den Weg, denke ich. Allemal, als er feststellte, dass Foch wohl die Cantaro bewunderte. Sie hätten beeindruckende Intelligenz und verständen zu kämpfen und derlei Blabla mehr. Er wirkte auf Roi, als hätte er Einsicht in Darshools Pläne. Misstrauisch setzte Danton ihn wieder vor die Tür.

Natürlich fand man Darshool wieder. Sein Ziel war es nämlich, sich den Pulswandler anzueignen und dazu brachte er erstmal einen Testlauf ins Durcheinander. Dann nahm er drei Freihändler als Geisel. Er wollte endlich in die Gänge kommen. Naja, dabei hatte er aber Phrang-Toc, einen Karaponiden, vergessen. Darshool war schuld, dass er seine Lebensgefährtin verloren hatte. Und so baute der Felide eine neue Waffe, einen Cantaro - Killer, Techniker, der er war. Dieses Teil brachte die syntronischen Gänge im Inneren des Droiden ins Durcheinander und so setzte man den Droiden außer Gefecht.

Nun denn, wenn die eigenen Chancen schwinden, ist man zumeist zu vermehrter Zusammenarbeit bereit. Auf Darshool passten wir auf Grund der letzten Erlebnisse jetzt besser auf. Und siehe, er half tatsächlich mit, den Pulswandler in Betrieb zu nehmen. Das Ding erzeugte nämlich eine hyperenergetische Wellenfront, die periodische Verzerrungen des Raumzeitgefüges bewirkten. Frag mich nicht, wie Waringers Erfindung funktionierte, es muss irgendwas mit winziges Zeitverschiebungen im Nanosekundenbereich zu tun gehabt haben. Auf jeden Fall kamen die drei gestarteten Sonden durch den Chronopulswall. Als die Teile fünf Minuten später immer noch da waren, brach lauter Jubel aus und Sato Ambush weinte vor Freude.



Zwei Dinge blieben mir im Kopf haften:
Zum einen: Wer oder was sollte Darshool eigentlich daran hindert, seine ominöse Schaltung erneut vorzunehmen?
Und zum Zweiten: Nach mehreren Stunden explodierte eine der Sonden in ungefähr fünfzig Lichtjahren Entfernung. War die ganze Hoffnung umsonst gewesen?
"Und?", fragte Lee. "War die Hoffnung umsonst?"

"Gemach, gemach", erwiderte Gucky. "Habe ich dir nicht schon mal gesagt, dass du viel zu neugierig bist? Anstatt du dich freust, dass wir mal einen Schritt weiterkamen, wird man hier als armer, kleiner Mausbiber wieder in die Ecke gedrängt. Abwarten und Möhrensaft trinken, wie ich immer zu sagen pflege."

Lee seufzte. "Okay. Themenwechsel. Wo hast du eigentlich Bully heute Morgen gelassen? Frühstückt der nicht?"

"Oh", meinte Lees kleiner Freund. "Wenn der einmal dran ist, hört der nicht mehr auf. Aber er wollte nicht. Im Moment steht er sich selbst im Weg und muss sich über seinen weiteren Werdegang klar werden. Dazu sucht er bewusst die Einsamkeit in der hiesigen Wildnis. Das kann Stunden, aber auch ein paar Wochen dauern. Irgendwann taucht er schon wieder auf."

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Natürlich ist bei mir der Zyklusverlauf im Groben vorhanden, aber nur im ganz Groben. Trotzdem ist das eine oder andere Detail präsent.

So schaue ich beispielsweise bei den Kurt Mahr Bänden in bestimmten Situationen etwas genauer hin, um auf Hinweise zu stoßen, die mir damals entgangen sind.

Der Roman hat ich nicht ganz so fasziniert wie die HGF-Vorgänger, denn es war absehbar, dass Darshool wieder eingefangen wird. An einigen Stellen fiel Perry Rhodan daselbst mir auf die Nerven, weil er alles besser wusste und ständig einen Spruch obendrauf zu setzen hatte. Zum Beispiel, als er Sato Ambush beschied, man wolle sich jetzt wichtigeren Dingen zuwenden. Immerhin hat er danach seinen Fehler eingesehen.

Die Passagen, in denen Darshool seine Erlebnisse aus seiner Sicht schilderte und natürlich das Gespräch von Roi Danton mit Pedrass Foch haben mir gut gefallen und zogen mich in ihren Bann. Mal sehen, wie es weitergeht.
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Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

Beitrag von RBB »

Band 1434 - Station der Rätsel - ist von H. G. Ewers, erschienen am 17.02.1989
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Nach einem dreistündigen Frage- und Antwortmarathon atmeten beide durch.

"Wir haben also zwei Probleme ausgearbeitet", sagte Gucky und nahm sein Gegenüber ins Visier. "Zum einen, wie bei Bully erlebt, deine Schwierigkeiten gegenüber Männern, zu denen du meinst aufschauen zu müssen. Kerle, die du dominant einschätzt oder die du für edler, wichtiger oder sonst was hältst. Das zweite Thema beinhaltet die Schwierigkeit, eine Beziehung mit Männern einzugehen, die über eine normale Freundschaft hinausgeht. Weil du dann immer wieder die Zwölfjährige bist, die Angst hatte, dass ihr Vater ihr zu nahe kam. Gut, es war nicht der biologische Vater, aber das spielt keine Rolle. Bei beiden Themen entwickelst du Schuldgefühle, weil du meinst, du wärest die alleinige Ursache. Und den ganzen Kram hast du diesem elenden Drecksack zu verdanken. Stimmt das soweit?"

"Ja", antwortete Lee und nickte. Sie war ziemlich fertig. Sie hatte Gucky ihr Innerstes offengelegt, hatte das aber auch tun müssen. Der Mausbiber hatte ihr eröffnet, er könne ihr nur helfen, wenn rückhaltlos alles, aber auch wirklich alles auf den Tisch käme. Das war ihr als psychologischer Psychotherapeutin eigentlich klar. Aber es ist immer etwas anderes, wenn man selber betroffen ist, ergänzte sie in Gedanken. Ihr half die Tatsache, dass Gucky eigentlich ein Fremder war, gleichzeitig ihr aber trotz seiner Verspieltheit samt seiner Marotten überaus vertrauenswürdig erschien. Wäre der Ilt ein Mensch gewesen, hätte sie wohl größere Schwierigkeiten gehabt.

"Also", begann Gucky. "Gestatte mir einige wenige Sätze, dann lassen wir es für heute sein. Gut Ding will eben Weile haben. Du bist nichts schuld! Mit diesem Wissen solltest du nach Hause gehen. Der Schuldige ist jemand anderes, der Schuldige ist tot und kann dir nichts mehr antun. Und alle weiteren Leute haben nichts gegen dich. Auch die Männer wollen im Regelfall mit dir auf Augenhöhe reden. Niemand hat ein Interesse daran, dich platt zu machen. Niemand. Und: Halte dir vor Augen, dass du mit deinen zwei Berufen, als Therapeutin sowie Streitschlichterin sehr vielen Menschen etwas Gutes getan hast und sie eher zu dir aufsehen. Du bist freundlich, aus meiner Sicht grundehrlich, tust für Jeden alles, was du kannst und siehst im Zweifelsfall sowieso besser aus als deine Gegenüber."

Gucky setzte sich in Pose. "Von mir natürlich abgesehen. Du dürftest lange suchen, bist du jemanden findest, der noch schöner ist als ich!"

Lee lachte. "Es tut gut, das zu hören", sagte sie. "Es ist ja nun nicht so, als hätte ich mir das nicht schon werweiß wie oft selber erzählt, aber..." Sie suchte nach Worten.

"Manchmal muss man es von jemand anderem hören", beendete der Ilt den Satz. "Ich kenne das aus eigener Erfahrung. Ich stand ein paar Mal kurz vor dem Sendeschluss. Glaub also einem alten Mausbiber. Die wichtigste Lehre für heute ist: Vertraue deinen Gefühlen und deiner Erfahrung. Wenn einer vor dir steht und du bist der Meinung, dass der wohl der allergrößte Lump überhaupt ist, wird das mit Sicherheit stimmen. Das hat nichts mit schuldig oder nichtschuldig von dir zu tun, das ist dann eben so."

"Das weiß ich alles", antwortete Lee. "Eine psychische Erkrankung heißt ja nicht, dass man einen in der Klatsche hat. Bei anderen sehe ich das sofort. Es ist nur sehr schwer, das Erarbeitete bei sich selber anzuwenden."

"Geh als Allererstes ehrlich damit um. Gestehe es dir selber ein und teile dich vertrauenswürdigen Personen mit. Du wirst feststellen, dass dich keiner, absolut niemand zum Teufel jagen wird. Im Gegenteil. Du sorgst für mehr Verständnis deiner Situation."

Gucky stand auf und baute sich vor Lee auf. "Das reicht für heute. Du hast jetzt erstmal genug zu verdauen. Themenwechsel." Er schaltete das Akustikfeld, das sie auch hier umgeben hatte, ab und meinte: "Und damit wir auch tatsächlich von etwas anderem reden, geht es mit unserer Geschichte weiter."

"Ihr hattet diesen Cantaro wieder eingefangen und hoffentlich das Gerät fertig, das den Chronopulswall durchqueren konnte. Geht es endlich in die Milchstraße hinein?"

Gucky grinste. "Das wäre doch viel zu einfach", eröffnete er Lee. "Natürlich kommt vorher noch ein anderes Thema. Wenn ich nur wüsste, wie ich da eine komplette Story draus machen kann. Mal überlegen."


Spoiler
Gucky versucht sich an der Geschichte über die Station der Rätsel:


Du erinnerst dich an Covar Inguard? Richtig, der Eingeborene von Buglakis und Nachfahr eines Teiles der ehemaligen BASIS Besatzung. Er hatte sich uns angeschlossen und wollte... Ja, was wollte er eigentlich? Obwohl Perrys Tochter Eirene sich um ihn kümmerte, fühlte er sich im Laufe der Zeit überflüssig, sozusagen ständig als das fünfte Rad am Wagen. Und er hatte heftiges Heimweh.

Er gehörte nicht in die Welt der Freihändler auf Phönix, genau so wenig wie die nach Buglakis gehören würden. Seine Welt, das waren die Tafelberge, vor allem aber der Stamm der Erdenkinder auf den Tafelberg Terrania. Und dann war er weg.

Er verschwand im Dschungel der Freihändlerwelt und ward nicht mehr gesehen. Ich konnte ihn nicht finden, denn ich war anderweitig unterwegs. Du siehst also wieder, ohne Gucky ist alles nichts. Gar nichts. Einmal espern, zwei Teleportationen und das Thema ist erledigt. Aber so? Ging natürlich Eirene alleine auf Suche nach ihrem Schützling. In den Urwald. So im Großen und Ganzen war sie damals ja ganz vernünftig, aber da ging wohl ihre Jugend mit ihr durch. Sie fand Covar zwar, aber beide gerieten prompt in die Fänge des Monsters der Woche, eines Pilzgeflechtes, dass sie zersetzen und verspeisen wollte.

Aber ebenso prompt wurden sie natürlich gerettet, von einem Freihändler, einem Toklunten. Das sind so seltsame Ziegenbockähnliche aus einer anderen Galaxis. Der Pilz hatte Pech gehabt, er geriet nämlich zur Lieblingsmalzeit dieses Wesens und damit waren unsere zwei Helden gerettet.

Danach sollte es für Covar Inguard zurück nach Buglakis gehen. Zusammen mit, natürlich, Eirene, dann Perry, Atlan und dessen damaliger Lebensabschnittsgefährtin, der Akonin Iruna von Bass-Thet. Dummerweise tauchten grade jetzt ein paar Lichtjahre weit weg zwei oder drei Ewigkeitsschiffe der Cantaro auf und das wars dann mit der Begleitung für Perry und Atlan. Die wurden vor Ort gebraucht.

Der Rest ging auf Tour mit der CRAZY HORSE. Danach kam eine völlig wirre Geschichte mit einem Angriff von diesen Piraten - Kartanin, die Eirene und Covar nur knapp überleben und eine noch schrägere Story von einer Station, die Iruna auf Buglakis gefunden hatte. Das kriege aber nicht mehr auf die Reihe. Irgendwas mit einer fremden Station und einer Positronik, deren Biokomponente die Akonin mittels Pedotransferierung übernehmen wollte. Cappins spielten da mit, Hauri und Afu-Metem, der Fürst des Feuers, einer ganz üblen Gestalt. Und im Zusammenhang mit der Großen Kosmischen Katastrophe funktionierte Irunas Pedo - Kraft nicht mehr so richtig. Sie konnte nicht mehr in ihren Körper zurück, schaffte es aber noch, diesen für eine eventuelle Rückkehr zu stabilisieren.

Und Eirene? Ließ Covar Inguard da, wo er hingehörte und kehrte alleine zurück.



"Eigentlich war Covar ja ein ganz sympathischer Kerl", schloss Gucky seine Erzählung ab. "Aber er gehörte nun mal nicht zu uns. Wer weiß", sinnierte er, "wäre ich damals auf Tramp hundertfünfzig Jahre älter gewesen, wäre ich vielleicht auch nicht an Bord dieses schrägen Riesenteils gegangen, dass sich in Nachhinein als terranisches Raumschiff entpuppt hatte. Ich hätte nicht dahin gehört."

Der Ilt wirkte auf einmal sehr nachdenklich. "Mit den Orgh wäre ich wohl fertig geworden. Meine Heimat Tramp gäbe es dann wohl noch." Er hatte Tränen in den Augen, als er weiter darüber nachdachte.

Lee sah ihn an und sagte leise: "Für dich gilt aber das Gleiche wie für mich. Du bist es nicht schuld, kleiner Freund."

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Ich habe mit Ewers Romanen zumeist ein Problem. Ich glaube, das sagte ich schon einmal. Vielleicht liegt es auch an mir. Ich erwarte, dass Ewers Romane schlecht sind und ich nichts mit ihnen anfangen kann. Deswegen werden sie auch so. Für mich zumindest. So als sich selbst erfüllende Prophezeiung. Band 1434 war so einer. Ich habe mich letztlich durch ihn gequält, das Teil sechs Mal weggelegt und sieben Mal wieder angefangen, bis ich endlich am Ende angekommen war. Ein Lückenfüller reinsten Wassers mit einer Handlung, für die drei Sätze gereicht hätten. Ob man damals gemerkt hatte, dass man mit der Person Covar Inguard nichts anfangen konnte oder ob von vornherein geplant war, ihn wieder zu entsorgen?

So entwickelt Ewers eine in meinen Augen völlig abstruse Geschichte mit einen Wiederaufflammen des Hexamerons, den zitierten Cappins und ich weiß nicht wem noch. Immerhin war Ewers verlässlich. Der hatte es in den 300ern schon fertiggebracht, einen kompletten Zyklus auf 60 Seiten unterzubringen.
:preif:
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Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

Beitrag von RBB »

Zwischenspiel:

Sie hatten sich zwei Tage nicht gesehen. Gucky war der Meinung, dass Lee erstmal genug zum Nachdenken hatte. Immerhin durfte man einen solchen Therapieversuch nicht übertreiben. Zuviel Input auf einmal führt zum genauen Gegenteil des Beabsichtigten, ging es ihm durch den Kopf. Daher machte er offiziell einfach zwei Tage Urlaub von alledem.

Bully war im Moment nicht auffindbar, aber das störte ihn nicht. Der taucht schon irgendwann wieder auf, dachte er und tat einen kompletten Tag lang - nichts. Gar nichts. Er saß vor seinem kleinen Schiffchen, döste vor sich hin und genoss es, inmitten der Natur zu sein. Das mache ich viel zu selten. Immer nur Metallplastik um einen herum und wenn man woanders ist, jagt man irgendwelchen Strolchen hinterher. Nein. Pause. Morgen ist auch noch ein Tag, um mit dem Geplanten in die Gänge zu kommen.

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Zwei Tage später saßen sie wieder auf derselben Sitzgelegenheit am Fluss. Grade als Lee etwas sagen wollte, meinte Gucky, er habe Durst. Ob man hier auch auf den alten Roboter zurückgreifen könne. Lee flüsterte daraufhin etwas in ihren Chrono und kurz darauf erschien der klobige Kerl. "Eine Flasche stilles Wasser und für mich einen Möhrensaft" orderte Gucky.

Der Robot verneigte sich, sagte: "Sehr wohl, Sir," und verschwand. Just als er kurze Zeit später mit dem Gewünschten erschien und servierte, flanierten drei typisch englische alte Ladies vorbei und sahen der Bewirtung fasziniert zu.

"Klappt das auch bei uns?", wollten sie wissen.

Nachdem Gucky ihnen "Probiert's aus, Mädels" zugerufen hatte, sagte die Älteste der Damen: "Bring uns einen Tisch, drei Stühle sowie ausreichend Tee. Darjeeling, 1st flush. Sahne, Zucker und Zitrone separat." Auch hier verbeugte der Robot sich, meinte "Sehr wohl Ma'am", verschwand und kam umgehend mit dem Gewünschten zurück.

Kurz nachdem die Drei ihren ersten Schluck Tee zu sich genommen hatte, sagte die Lady mit dem seltsamen roten Hut zu ihren Begleiterinnen: "Schaut mal, das ist doch Lee Barringham, die Therapeutin."

"Du musst nämlich wissen, dass eine unserer Nachbarinnen nur in den höchsten Tönen von dir redet, meine Liebe", meinte sie zu Lee. Letzterer war das zunächst peinlich, später freute sie sich über das Lob und begann ein Gespräch mit den älteren Frauen.

Gucky war zufrieden und grinste in sich hinein. Der Anfang ist schon mal gemacht, dachte er.

Ebenso wenig wie die alten Damen hatte Lee die fünf Männer, Alter so Mitte Dreißig, auf dem Plan. Als der erste den Robot in der Ecke stehen sah, rief er seinen Kumpels zu: "Seht mal, da steht ja unser Lieblingskellner!"

Sie bestellten zwei Mal Cider, zwei Mal Best Bitter und ein Lager. Pints natürlich. Nachdem sie sich lautstark zugeprostet hatten, bauten sie sich vor Lee auf und einer von ihnen sagte zu ihr: "Ich weiß nicht, ob du dich an uns erinnerst. Es ist so sieben bis acht Jahre her, da hatten wir fünf uns unsterblich in der Wolle wegen eines größeren Stückes Land, dass jeder von uns haben wollte. Wir waren kurz davor, aufeinander loszugehen, als du auf einmal aufgetaucht bist. Wir haben uns oft über diesen Moment unterhalten und wissen bis heute nicht, was da passiert ist. Du hast uns alle einfach nur angesehen und wir konnten plötzlich wieder normal miteinander reden. Die Lösung war natürlich ganz einfach: Wir betreiben das Land gemeinsam und jedes Jahr ist ein anderer dran, es einzusäen. Das haben wir dir zu verdanken und wollten es dir schon immer mal mitteilen. Irgendwie ist es nie dazu gekommen. Und da wir heute hier sind, nutzen wir die Gelegenheit. Danke! Einfach nur danke!"

Die übrigen Vier stimmten mit ein und Lee war fassungslos.

Gucky strahlte sie an. "Willst du noch ein paar Beispiele mehr? Es kommen sicherlich noch welche."

Es kamen die unterschiedlichsten Leute. Gruppen, Einzelpersonen, alte Leute, junge Leute und alle hatten ihr aus irgendeinem Grund zu danken. Das ging solange weiter, bis die ganze Geschichte auf einmal eine Art Volksfestcharakter hatte und jemand wissen wollte, wer das denn alles bezahlen würde.

Gucky gab sich generös und sagte die Begleichung der Rechnung zu. Es ist ja nun nicht so, dass man als Ilt mit einigen Jährchen auf dem Buckel nicht ein paar Kröten in der Hinterhand hat, dachte er und erfreute sich an den feiernden Menschen. Auch wenn inzwischen einige darunter waren, die nichts mit dem ursprünglichen Zweck zu tun hatten. Besonders freute er sich darüber, dass Lee langsam auftaute und mitten in der Menge zu finden war.

Die Menschen waren gut drauf in ihrer auf Gucky unwirklich wirkenden Art. Sie sind keine High-Tech Freaks, sondern auf eine seltsame Art naturverbunden. Auf anderen Welten käme niemand auf die Idee, Arbeiten selber auszuüben, die ein Roboter übernehmen kann, dachte er. In den paar Tagen, die er hier war, hatte er viel mitbekommen und kam zum wiederholten Male zu dem Ergebnis, dass man sie unbedingt schützen musste - hier auf ihrer Welt am Ende der Milchstraße.

Eine Ecke wurde unruhig und die Unruhe ging in einen auf Gucky leicht schräg wirkenden Gesang über. Er hatte dergleichen noch nie gehört und der Text, in altem Englisch gesungen, hörte sich schwer nach Weltuntergang an. Fasziniert beobachtete, wie die ganze Meute inclusive der alten, Tee trinkenden Damen, bei der Textzeile "and I live by the river" in die Luft sprang und genau auf dem letzten "r" des Wortes River wieder auf dem Boden aufkam. Die alten Ladies hatten danach so einen typischen "Wisst ihr noch, früher, als wir noch jung und wild waren" Blick drauf. Und Lee feierte mit.

Zumindest so lange, bis dieser typische Engländer auftauchte. Mit Bowler Hat and Umbrella. Mit Anzug, West, Krawatte, dann diesen seltsamen runden Hut und einen Regenschirm. Trotz blauem Himmel und Sonnenschein. Homer würde vor lauter Begeisterung Luftsprünge machen, dachte Gucky und warf ein Auge auf seine Freundin. Als diese den Neuankömmling erblickte, stockte sie mitten in der Bewegung, wurde ein wenig weißer im Gesicht und wandte sich mitten im Gespräch von ihrem Umfeld ab. Dem Anderen ging es auch nicht viel besser. Sein Kommen hat mich auch ziemlich viel Überredungskraft gekostet, ging es Gucky wie zur Bestätigung des Verhaltens der Beiden durch den Kopf.

Sie standen mitten im Gewühl auf einmal voreinander und sahen wie peinlich berührt zu Boden. Nach einer Weile ging der Gucky schon bekannte Ruck durch Lee und sie sagte etwas, wohl eine Begrüßung, zu ihrem Gegenüber, der Entsprechendes erwiderte. Sie atmete tief ein und fragte ihn etwas. Von dem perfekt gestylten Englänger kam eine Gegenfrage und dann redete Lee geschlagene 30 Minuten auf ihn ein, höchstens mal von einer präzisen Bemerkung unterbrochen. Danach war Thema durch und sie wussten wieder nichts miteinander anzufangen. Der Mann sagte noch etwas, dann reichten sie sich unbeholfen die Hand und er ging wieder.

"Puh", machte Lee, als sie wieder bei Gucky ankam. "Der ist Staatssekretär im Gesundheitsministerium und wird wohl in Kürze das Ministeramt übernehmen."

"Also", meinte Gucky, "das war einer von den Typen, mit denen du im Normalfall nicht reden kannst, ohne umzufallen. Dafür hast du das aber ganz gut geregelt gekriegt. Ich bin zufrieden mit dir." Gucky nickte gönnerhaft.

"Aber soll ich dir mal was sagen?", sprach der Ilt weiter. "Von so wenigen Gestalten wie mir mal abgesehen, kann man den Leuten nur vor die Stirn gucken. Hier bei euch geht es mir schließlich auch nicht anders. Aber ich brauche keine Gedanken lesen zu können, um zu wissen, was sich da abgespielt hat. Er war mal unsterblich verliebt in dich. Richtig?"

Lee war peinlich berührt und wusste nicht, was sie sagen sollte. Um sie herum war beste Stimmung und sie hatte plötzlich das Gefühl, einfach nur überflüssig zu sein.

"Du brauchst nichts zu erklären, ich weiß es auch so." Gucky führte das Gespräch alleine weiter. "Du hast ihn abgewiesen, weil da auf einmal nicht die erwachsen werdende Lee stand, sondern die Zwölfjährige, die Angst vor ihrem Vater hatte. Und seit diesem Tag gehst du ihm aus dem Weg, hast ein extrem schlechtes Gewissen und weißt nicht, was du tun sollst. Aber soll ich dir mal was sagen?"

Er fixierte Lee mit den Augen.

"Der Kerl ist in einer für eure Welt sehr hohen Position und wird wohl noch höher steigen. Aber tief in sich drin hat auch er Komplexe. Er weiß nämlich genauso wenig wie du, wie er sich dir gegenüber verhalten soll. Er kriegt nämlich nicht auf die Kette, was damals mit euch zwei Hübschen passiert ist. Weil er immer noch in dich verliebt ist, macht er sich Riesenvorwürfe, weil er denkt, dich seinerzeit in irgendeiner Weise verletzt oder dir seelisch weh getan zu haben. Er fühlt sich dir gegenüber schuldig."

Lee sah Gucky mit aufgerissenen Augen an. "Ja, aber er hat doch gar nicht falsch gemacht. Er ist auch nichts schuld, er kann doch nichts für meine..." Sie stockte mitten im Satz und hätte sich fast verschluckt.

"Ach du meine Güte!", sagte sie, als sich die Erkenntnis mit einiger Verzögerung durchsetzte. "Ach du meine Güte!"

Ein sichtlich zufriedener Gucky nippte an seinem frisch gepressten Möhrensaft (mit einem Hauch Orange darin) und meinte zu seiner Freundin: "Das war der zweite Teil unserer Lektion. Probieren", er strahlte sie an, "geht nämlich immer noch über studieren. Und jetzt überlasse ich dich den Leuten hier, die dir alle was auch immer zu verdanken haben."

Sprachs, verschwand mit einem Plopp und ließ eine ziemlich fassungslose Lee inmitten all der Menschen am Ufer des ruhig dahinströmenden Flusses zurück.
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Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

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Band 1435 - Im Halo der Galaxis - ist von Clark Darlton, erschienen am 20.02.1989
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Sie hatten sich zehn Tage lang nicht gesehen. Lee hatte in ihrer Praxis genug zu tun und Gucky genoss seine Ruhe. Man will ja wirklich mal mal Urlaub machen und nicht nur Therapeutinnen therapieren, dachte er, als er die Naturschönheiten Newenglands bewunderte. Er sah seltsame Kreaturen in der Tiefsee sowie endlos scheinende Gletscher. Ewiggrüne Wälder und einen Fluss, der sich an einer Stelle sagenhafte 400 Meter in die Tiefe stürzte. Sowas sieht man eben nicht, wenn man nur von Metallplastik umgeben ist. Kein Wunder, dass Bully auch hier hinwollte, ging ihm durch den Kopf, als er über einem hunderte Quadratkilometer großem Urwald schwebte. In der Tat, Naturschutz nehmen sie hier wirklich ernst. Da können sich andere ein paar Scheiben von abschneiden.

Kurzfristig war er anderer Meinung, als er mitten in einer Savanne stand und vergessen hatte, den Niederenergieschirm einzuschalten. Was natürlich prompt dazu führte, dass ein Raubtier, eine Mischung aus Löwe und Bär, ihn wohl für eine willkommene Bereicherung seines Speiseplans hielt. Eine Notteleportation brachte ihn in Sicherheit und aus 15 Metern Entfernung beobachtete er hämisch, wie das Tier außerordentlich verwirrt feststellen musste, dass der sicher geglaubte Mittagstisch so plötzlich verschwunden war.

Er grübelte ein wenig über den Sinn des Lebens, über die Welt, auf der er hier war, aber auch deren Bewohner. Im Großen und Ganzen bewunderte er die Menschen von Newengland. Sie waren mit sich selbst im Reinen, ihrer Lebensart zufrieden und wollten mit der großen Politik nichts zu tun haben. Wenn er nur wüsste, an welches Volk die ihn erinnerten. Nein, die hab ich nicht kennengelernt, das habe ich gelesen. Aber wo? grübelte er. Das ist aber schon eine halbe Ewigkeit her. Er hatte noch in Erinnerung, dass diese Leute dort nicht größer waren als er und ihm daher so sympathisch gewesen waren. Er setzte sich auf einen kleinen Felsbrocken und dachte nach. Dann hatte er ihren Namen. ES als alter Mann war die Eselsbrücke gewesen. In der Geschichte lief nämlich jemand herum, der dem Alten von Wanderer ähnelte. Ein Zauberer war das, wusste er. Und die Handlung war nichts Reales, sondern ein Fantasy Märchen. Die kleinen Leute hießen Hobbits. Genau. An die Hobbits erinnerten sie ihn, die Menschen hier.

"Ich werde alles dafür tun, dass es euch auch in Zukunft genauso gut gehen wird wie heute", sagte er zu sich selber und sprang direkt ins Wartezimmer von Lees Praxis. Normalerweise erschreckten sich die Wartenden in solchen Fällen recht heftig, hier passierte - nichts. Er sah eine leicht zerknittert aussehende Jugendliche und eine Mutter mit ihrem kleinen Sohn. Der Kleine und das Mädchen bewegten sich überhaupt nicht, lediglich die Ältere sah ihn an, meinte: "Oh, hallo Gucky", und vertiefte sich wieder in ihr elektronisches Buch. Die Seiten schwebten wie eine Art Energieschirm vor ihr, dabei sah sie immer wieder prüfend aber auch liebend in Richtung des Fünfjährigen. Gucky schüttelte den Kopf und setzte sich auf einen freien Platz.

Als die letzten Patienten weg waren, betrat er den Behandlungsraum. Es sah so gar nicht nach den Therapieräumen früherer Jahrhunderte aus. So wie bei Sigmund Freud mit seinem Behandlungssofa, dachte er und hatte extrem nervende Gespräche mit einem damaligen Ausbilder vor seinem geistigen Auge. Nein, er sah ein freundliches, helles Zimmer mit einem kleinen runden Tisch in der Mitte und zwei Stühlen daneben. Diverse Pflanzen sowie ein Wasserspender ergänzten die Einrichtung. An den Wänden befanden sich eine Art lebender Bilder, die den Ilt als Betrachter umgehend in unberührte Natur führten. Ja, Lee hatte ein besonderes Geschick, sowohl für ihre Arbeit als auch die Einrichtung hier; das wurde ihm klar.

"Bei dir wird man ja von alleine wieder gesund, wenn man nur hier hineinkommt", sagte er.

"Das ist der Sinn der Sache", erklärte Lee. "Probleme haben die Menschen, die mich besuchen, genug. Da braucht es nicht auch noch einer schauderhaften Umgebung bei unseren Gesprächen. Aber ich freue mich, dass du da bist. Du willst mir sicherlich erzählen, wie es mit deiner Geschichte weitergeht."

"Da habe ich ja was angefangen", beschwerte Gucky sich. "Hast du überhaupt kein Pardon?"

"Aber doch nicht mit dem größten, schönsten und heldenhaftester aller Mausbiber", Lee strahlte den Ilt an. "Du kannst doch jetzt nicht mittendrin aufhören und mich dumm sterben lassen."

Gucky seufzte und bedauerte sich zum wiederholten Male. "Ich armer, kleiner Kerl", sagte er. "Wenn es denn sein muss..."


Spoiler

Gucky erzählt die Geschichte von dem Aufenthalt im Halo der Galaxis:


Es sollte tatsächlich losgehen. Mit Bullys CIMARRON und der BLUEJAY von der Organisation Drake im Schlepptau. Mit an Bord war natürlich unser Freund Daarshol; von den Freihändlern begleitete uns selbstredent Pedrass Foch.

Beodu, der träumende Attavennok aus Hangay und unser ehemaliger Meistersänger Salaam Siin ergänzten die Teilnehmenden. Das heißt, Salaam Siin sollte eigentlich gar nicht mitkommen, weil er nach Perrys Ansicht immer noch nicht fit genug war. Er konnte beispielsweise nach wie vor nicht singen und krächzte höchstens ein wenig herum, das deprimierte ihn ziemlich.

Da ich aber einen lebenslustigen Ophaler sehen wollte und niemanden, der vor sich hin frustrierte, nahm ich ihn trotzdem mit. Das heißt, Beodu half mir dabei. Wir bildeten nämlich das Triumvirat der Kleinen. Eine leerstehende Kabine war schnell in Besitz genommen und ich gab Beodu den Auftrag, für Salaams Ernährung zu sorgen.

Während wir drei uns soweit sortierten, liefen an anderem Ort die letzten Vorbereitungen zum Start reibungslos. Waringers Wundermaschine funktionierte angeblich einwandfrei und es sollte durch den Chronopulswall gehen. Endlich. Sorgen machte uns eigentlich nur noch der weiter entfernt hängende zweite Wall, der, wo die losgeschickte Sonde explodiert war. Letztlich kam man aber zu dem Ergebnis, dass man der Reihe nach vorgehen wollte. Erst der eine Wall, dann kann man sich immer noch über weitere Hindernisse aufregen. Auf Daarshol sollte besonders gut aufgepasst werden und Julian Tifflor sollte später durch das Siragusa Black Hole nachkommen. Oder es zumindest versuchen.

Dann starteten wir ins Ungewisse und unsere Reise nahm ihren Anfang.

Mich fasziniert ja immer wieder, dass die CIMARRON Bullys Schiff war. Denn dafür hatte der eigentlich reichlich wenig zu sagen. Gut, so ab und zu durfte er mal ein paar Bemerkungen von sich geben, aber so wirklich war das nix mit ihm. Später ist das ja besser geworden, aber im Großen und Ganzen ist es kein Wunder, dass er sich hier hin in die Einsamkeit zurückgezogen hat. Ich gehe mal davon aus, dass er nachdenkt, wie es mit ihm weitergehen soll.

Damals gab es für uns aber nur einen Gedanken: Hoffentlich geht das gut mit dem Wall. Gemerkt haben wir nicht viel. Die einzige Veränderung, die wir beim Passieren der unsichtbaren Grenze feststellten, war ein Vorbeihuschen von Buchstaben und Zahlen auf einem der separaten Digitalbildschirme. Kurze Zeit später verkündete Sato Ambush, wir wären durch. Der erste Jubel war noch verhalten. Denn noch hatten wir die zweite Sperre vor uns.

Und da konnte uns der Pulswandler nicht weiterhelfen. Denn das Ding war explodiert. Was fragst du? Einfach so? Ja, das dachten wir auch. Wir meinten, das Wunderteil wäre wohl heiß gelaufen oder dergleichen. Zumindest meinten wir das so lange, bis wir feststellten, dass Sato schwer verletzt war und unser Freund Darshool nicht mehr in seiner Kabine war. Wir waren nämlich mittlerweile ungefähr 80 Lichtjahre hinter der Innenseite des Chronopulswalls, als unsere Syntrons seltsame undeutliche Datenströme wahrnahmen. Dann schlug die fremde Technik erbarmungslos zu. Viren hatten wir uns eingefangen. Computerviren. Eigentlich war ich davon ausgegangen, dass sowas seit Ewigkeiten der Vergangenheit angehörte und unsere hochgezüchteten Rechner entsprechende Sicherheitsbarrieren aufwiesen. Pustekuchen. Nichts dergleichen. Die Technik fiel zum größten Teil aus, Türen waren nicht mehr verschließbar und Darshool überwältigte seine Wachen zwecks Flucht aus seinem Gefängnis.

Als Geisel nahm er ausgerechnet Pedrass Foch mit. Und ich konnte sie nicht orten. Den Cantaro sowieso nicht, weil der natürlich nur mit seiner technischen Gehirnhälfte dachte und Foch auch nicht, weil Darshool ihn k.o. geschlagen hatte. Salaam Siin hatte den Droiden zwar gesehen, das brachte mich aber nicht weiter, weil der Cantaro Pedrass Foch in seiner Gewalt hatte und ich Letzteren nicht gefährden wollte. Also gelang ihm mitsamt einer Space-Jet die Flucht. Das passte für ihn auch, weil grade eben fünf Ewigkeitsschiffe angriffen. Nachdem sie Darshools Jet aufgenommen hatten und wir ihnen unsere Transformkanonen gezeigt hatten, waren die Cantaro - Raumer ganz schnell wieder weg. Damit war der eigentliche Grund ihres Auftauchens dann sonnenklar.

Und wir? Naja, Sato wurde wieder gesund und wir fingen an, den Pulswandler zu reparieren. Die Explosion, so meinte unser Alternativ - Guru, hätten wir wohl Darshool zu verdanken. Der hatte extra eine Schaltung eingebaut, die nach der Durchquerung des Chronopulswalls wirksam wurde. Und bumm. Aber man gönnt sich ja sonst nichts.

Als der Virus ganz langsam aber sicher vertrieben wurde und die Ortung wieder funktionierte, bemerkten wir in der Nähe zwei fremde Schiffe, die genau wie wir hier gestrandet zu sein schienen. Wo die herkamen, konnten wir leider nicht feststellen. Und noch nicht mal ich konnte etwas espern. Ich merkte zwar, dass da was war, aber eben nicht wer oder was. Ich. Der schönste, beste und schlaueste aller Mausbiber. Stell dir das mal vor. Und Perry durfte ich auch noch beichten, dass wir mit Salaam Siin einen blinden Passagier an Bord hatten.




"Hast du eigentlich schon immer nur das gemacht, was du wolltest?", fragte Lee den Ilt.

"Nein, nicht immer", antwortete Gucky. "Aber doch das eine oder andere Mal. Insbesondere dann, wenn unser größter aller großen Meister mal wieder meinte, er hätte die Weisheit für sich alleine gepachtet. Dann musste ich ihn ein wenig lenken und zwar so, ohne dass er es merkte. Meistens hat es funktioniert."

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Manchmal wirken CD - Romane auf mich irgendwie putzig. Der hier war so einer. Er ließ sich leicht und locker lesen, aber das war sowas von einem typischen Clark Darlton, dass es typischer schon gar nicht mehr geht.

Gucky hatte den blinden Passagier Salaam Siin in einer leerstehenden Kabine untergebracht. Normalerweise war die Tür ja abgeschlossen, das ging aber wegen des Computervirus nicht. Und so hatten sich Transformtechniker Oliver und Orter-Spezialistin Bea ausgerechnet dieses Teil für ihr geplantes Techtelmechtel ausgesucht. Der arme Salaam fiel fast in Ohnmacht, als er das merkte, weil er ja nackt unter der Dusche stand. Und das im Jahr AD 4731. Sowas aber auch!

Aber eines der Hauptthemen in der LKS war ja auch Sex in Perry Rhodan. Nicht dass irgendwann noch der hier auftaucht:
Bild


Immerhin kriege ich die Geschichte mit Pedrass Foch langsam aber sicher auf die Reihe. So ganz leer ist das Gedächtnis doch noch nicht. Beruhigend.
:-D
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Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

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Band 1436 - Die Bionten von Kyon - ist von Robert Feldhoff, erschienen am 27.02.1989
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Wie geht es dir eigentlich?" fragte Gucky. "Mein Verschwinden musste sein. Du hättest dich sonst zu sehr auf meine Unterstützung verlassen."

"Mir geht es sehr gut und ich habe dir über allen Maßen zu danken", antwortete Lee. "Mir war gar nicht klar, welche Rolle ich im Leben so vieler Menschen spielte und immer noch spiele. Meine Jobs sind für mich so selbstverständlich..."

"Andere bauen Getreide an und du hilfst deinen Leute", erklärte der Ilt. "Ich hoffe, das hat dir ein wenig die Augen geöffnet. Solltest du nochmal in tiefstem Frust zu versinken drohen, denke an diesen Nachmittag. Wie lange hat das eigentlich noch gedauert?"

Lee grinste. "Bis zum nächsten Morgen. Irgendwann tauchte noch eine Band auf und spielte altes keltisches Zeug. Mit Dudelsäcken. Da ging die Post ab. Als die Sonne wieder aufging, stand auf einmal der Bürgermeister von Thamestown vor mir und beschwerte sich über den Lärm. Eigentlich hätte er mir wegen meiner Verdienste eine Art Orden verleihen wollen, meinte er zu mir. Aber nach diesem fürchterlichen Krach könne ich froh sein, wenn ich nicht wegen öffentlicher Ruhestörung verknackt würde. Ich habe natürlich alles auf dich abgewälzt."

Gucky seufzte. "Immer auf die Kleinen. Aber mit mir kann man es ja machen. Hat es denn geklappt? Vor zwei Wochen wärst du doch noch in Ohnmacht gefallen, wenn dir einer sowas unter die Nase gerieben hätte."

"Ich gab ihm eröffnet, er würde ja sehen, dass der Bedarf nach derartigen Veranstaltungen vorhanden wäre und er sich mal was überlegen solle. Sonst würden wir das ab sofort einmal wöchentlich durchziehen. Er hat mich total konsterniert angesehen und wusste nicht mehr, was er sagen sollte. Gut, ich war nicht mehr ganz nüchtern, das hat es vereinfacht. Aber ja, es hat geklappt. Und es war eigentlich ganz einfach. Wie mir mein Therapeut gesagt hat: Erst mit etwas Einfachem anfangen. Dann die komplizierten Dinge."

"Komm!" Gucky sah Lee an und gab ihr die Hand. "Draußen ist es schöner."

Er sprang mit ihr an die Stelle, an der Lee zu Beginn seines Urlaubes auf einmal hinter ihm gestanden hatte.

"Du willst sicherlich wissen, wie es weitergeht", sagte er. "Du hörst jetzt die vorerst letzte Geschichte mit meiner direkten Beteiligung. Danach spiele ich eine Weile keine Rolle mehr."

"Und das hast du überstanden? Meine Hochachtung!" Lees Blick war ein wenig ironisch.

"Man kann es sich kaum vorstellen. Ich, der erwiesenermaßen mehrfache Retter des Universums, bin nicht dabei. Aber merke dir, mein Kind: Man muss Jedem eine Chance geben. Sogar anderen Leuten." Gucky nickte generös, wurde aber sofort nachdenklich und begann seine Erzählung.


Spoiler
Gucky erzählt die Geschichte der Bionten von Kyon:

Er wurde wach und kannte seinen Namen nicht. Er hatte keinen Namen. Er hatte auch keine Kleidung, er war nackt. Er befand sich in einem kleinen Raum mit einer Wasch- und einer Trinkgelegenheit und hatte keine Ahnung, woher er das wusste. Ihm war auch nicht klar, woher sein Wissen über seine Gestalt kam. Dass er Schultern hatte zum Beispiel, von denen die eine merklich tiefer hing als die andere. Dass er eine humanoide Gestalt mit einem aufgeschwemmten Rumpf hatte. Er wusste nicht, wieso er zählen konnte. Dass er zum Beispiel an der rechten Hand sieben Finger hatte und an der linken Hand nur vier.

Er hatte keine Ahnung, dass er eigentlich nur ein Zerrbild einer menschlichen Gestalt war. Er wusste auch nicht, wieso er überhaupt existierte. Er probierte seinen Körper aus: Mit den kurzen und stämmigen Beinen würde er schnell laufen und hoch springen können. Aber ausdauernd? Eher nicht. Über seinen Augen hatte er noch zwei weitere funktionsunfähige Augenansätze, stellte er fest. War er typisch für irgendetwas oder irgendwen? Aber woher sollte er das wissen?

Auf einmal öffnete sich die Tür zu seinem Raum und er trat neugierig vor. Weit kam er nicht. Ein zwei Meter hoher, silberner Zylinder stand vor ihm. Der Zylinder gab seltsame Geräusche von sich und er begriff, dass die Töne Sprache waren. "Dein Name ist Zoporra", sagte das Ding. "Folge mir."

Zoporra lief hinter dem Teil her, aber er war mit seinen kurzen Beinen nicht schnell genug. Er dürfe nicht zurückbleiben, hörte er. Das würde sein Fehlerkonto erhöhen. Überhaupt erhöhte so ziemlich alles, was er tat, sein Fehlerkonto. Fragen stellen, vermeintlich zu langsame Gelehrbarkeit, Verweigerungen, einfach alles. Was es mit diesem Fehlerkonto auf sich hatte, wusste er natürlich auch nicht. Aber er lernte. Über den Weltraum. Über Sonnen und Planeten. Er lernte Sprachen. Interkosmo konnte er schon. Warum, wusste er nicht. Auch nicht, warum die Sprache Interkosmo hieß. Aber erlernte terranisch. Aus diesem Begriff leitete er ab, dass es einen Ort namens Terra geben müsse. Wo immer der auch war. Er lerne alles Nötige über Hypnoschulung, erfuhr er. Was er nicht lerne, brauche er nicht, teilte ihm das silberne Ding mit.

Auf einmal sah er eine weitere dieser silbernen Maschinen. Sie stand vor einem Hocker und zum ersten Mal sah Zoporra bewusst ein anderes Wesen. Der andere war nicht so unförmig wie er. Der Zweitling hieß Ornomall, erfuhr er. Zoporra hasste ihn vom ersten Augenblick an, weil der Andere besser aussah. Ohne es zu wollen, traten die zwei so ähnlichen und doch so ungleichen Wesen in einem Wettbewerb gegeneinander an. Relativ schnell stellte sich heraus, dass Ornomall zwar weniger körperliche Beeinträchtigungen, dafür aber massive Lernschwierigkeiten hatte. Was Zoporra sofort begriff, kapierte sein Gegenspieler erst nach langer bis sehr langer Zeit. Wenn überhaupt.

Im Laufe der Zeit merkten sie beide, dass die silbernen Maschinen Raumfahrer aus ihnen machen wollten. Ornomall hinterließ während des Lernens keinen besonders guten Eindruck und war ziemlich deprimiert. Fast hatte Zoporra ein wenig Mitleid mit ihm. So vergingen ungefähr 200 Tage und langsam aber sicher wollte Zoporra mehr wissen. Mehr kennen. Mehr sehen. Mehr als nur die in sich geschlossenen Räumlichkeiten, in denen sein Silberling ihn herumführte. Sicherlich, manchmal ging es mit einem Antigravlift auf- oder abwärts oder er sah den einen oder anderen Lernort. Er wusste aber auch, dass es ein außerhalb geben musste und da wollte er hin.

Und so versuchte er einen Ausbruch. Zwecklos. Kurz vor Erreichen des Zieles tauchte sein Zylinder wieder auf und erzählte ihm wieder etwas von seinem Fehlerkonto. Er habe den Grenzwert überschritten, hörte er. Die Maschine packte ihn in Höhe des verletzlichen Rumpfes und schleppte ihn zurück.

Zoporra hatte keine Ahnung, wie lange er in seiner Zelle eingesperrt war. Hunger und Durst musste er nicht ertragen, dafür aber endlose Langeweile. Gefühlt hatte es ewig gedauert, bis sich seine Tür öffnete und er seinen silbrigen Zylinder wieder sah. Er solle herauskommen. Würde er versuche zu fliehen, brauche man Waffengewalt, hörte er. Und tatsächlich, er sollte endlich mehr von der Welt sehen. Man brachte ihn zu einem Raumschiff. Er würde von hier fortgebracht, sagte das Ding zu ihm. Das Schott öffnete sich und überrascht fand er dahinter seinen ungeliebten Mitlehrling Ornomall.

Er sah aber noch andere Wesen, ungefähr fünfzig an der Zahl. Grob ähnelten sie ihm. In der Regel zwei Arme, zwei Beine, ein Kopf. Das wars aber auch. Er kapierte, dass die anderen ebenso wenig wie er den Anforderungen seiner Lehrmeister entsprachen. Sollten sie irgendwo entsorgt werden? Ja. Das war wohl die traurige Wahrheit. Wer auch immer es war, man wollte sie los sein, aus dem Sinn haben. Hielt sie für Ausschuss. Und so ging es zu einem ungemütlichen, kalten Planeten, der um eine rote Sonne kreiste. Dort sah er Wesen, die noch absonderlicher waren, als die, die er bislang gesehen hatte. Von Jiitüp, einem der Anführer, mit dem er sich angefreundet hatte, erfuhr er, dass sie zehn Millionen waren. Zehn Millionen mal Ausschuss.

Zoporra machte das Beste daraus und etablierte sich auf Grund seiner schnellen Auffassungsgabe neben Jiitüp als zweiter Anführer. Da man die Raumschiffe, mit denen sie "geliefert" wurden auf dem kalten Planeten stehen ließ, führten sie ab und zu Expeditionen in den Weltraum durch. Doch nie kam eines der Schiffe wieder zurück.

Es sollte viele Jahre dauern, bis der Alltag der Bionten erneut unterbrochen wurde. Man ortete fremde Flugkörper, die auf dem Planeten niedergingen und sah Wesen aussteigen, die einfach perfekt waren. Natürlich stellten sie sich die Frage, ob das die Urheber der Experimente waren, denen sie entstammten. Je länger sie darüber nachdachten, desto wahrscheinlicher erschien es ihnen. Und sie beabsichtigten, den Neuankömmlingen eine Falle zu stellen.

Naja, du kannst dir sicherlich denken, dass wir diese Neuen waren. Zwischen zwei Wällen gefangen, benötigten wir eine Welt, auf der wir in Ruhe unsere Rechner wieder programmieren konnten. Und weiter nachdenken konnten, wie es denn nun weitergehen solle. Denn der Virenwall machte uns zu schaffen. Wir hatten diverse Sonden ausgeschleust. Überlichtschnell, unterlichtschnell, mit Funk, ohne Funk oder Hyperfunk, um festzustellen, auf welche Art wir durchkommen könnten. Keine Chance. Alle waren explodiert. Zurück nach Phönix konnten wir auch nicht, denn Waringers Wundermaschinchen war nach der Explosion noch nicht einsatzfähig. Also ging es zu dem einzigen Planeten, den wir fanden. Eine ziemlich kühle Welt, die eine rote Sonne umkreiste.

Nach der Landung versuchten wir, Kontakt aufzunehmen. Was natürlich auch nicht klappte. Wir sahen zwar alle möglichen Bionten, die aber im Regelfall die Flucht ergriffen, sobald sie uns sahen. Ich beschreibe dir diese Wesen absichtlich nicht näher, es war furchtbar. Und sie konnten ja nichts dafür, dass sie in den Augen ihrer Erschaffer Ausschuss waren und hierhin entsorgt worden waren. Da hatte wohl jemand Gott gespielt. Das Ergebnis war grauenhaft. Aber dumm waren sie nicht. Sie stellten uns eine Falle, aus der noch nicht mal ich meine Leute vor dem sicheren Tod retten konnte. Das ist mir damals eine ganze Weile nachgelaufen.

Der Einzige, der uns helfen konnte, war Salaam Siin, unser Meistersänger. Er war körperlich völlig geheilt, aber seine Psyche sagte ihm andauernd, er könne noch nicht singen, würde es nie wieder lernen und sei völlig überflüssig. Sogar Suizid - Gedanken hatte er. Letztlich half, dass ich ihn unter massiven Stress stellte, indem ich ihn telekinetisch mitten ins Geschehen zwang. Und Salaam sang wieder. Aus schrillen, tödlichen Tönen wurden sanfte Melodien. Er allein schaffte es, die Bionten zu überzeugen. Sie legten die Waffen weg. Mein siebter Sinn, der mir auf Phönix gesagt hatte, es wäre besser, den Ophaler mitzunehmen, hatte mich nicht betrogen.

Der vorderste Biont stellte sich uns vor. "Ich bin Zoporra", sagte er. Perry bat ihn um etwas Geduld. Es dauere noch, bis man gemeinsame Pläne schmieden könne. Er habe Geduld, sagte Zoporra. Vor allem aber habe er jetzt Hoffnung.




Lee sagte kein Wort und sah Gucky entsetzt an.

"Ja", reflektierte der Ilt nochmals. "Sie haben diese Welt tatsächlich als eine Art Müllhalde für ihre schief gegangenen genetischen Experimente benutzt. Verbrecher ersten Ranges eben."

"Ich kann mir das gar nicht vorstellen. Die armen Teufel. Ich glaube, so etwas würde mir nach Jahrzehnten noch Probleme bereiten. Wie werdet ihr mit solchen Situationen fertig?" fragte Guckys Freundin.

"Glaube mir, das geht an uns auch nicht so einfach vorbei. Du meinst immer, du hättest schon alles gesehen und dann kommt Kyon. Wir haben im Laufe der Zeit natürlich Techniken entwickelt, mit derartigen Dingen schneller klar zu kommen. Aber glaub mir, in der Stille der Kabine tauchen die Gespenster so manches Mal wieder auf. Auch jetzt sind sie wieder da, obwohl Kyon schon so lange her ist."

Gucky stand auf und besah sich Lee von oben bis unten. "Aber hier habe ich eine sehr sympathische Begleiterin, die mir hilft, die bösen Geister aus meinem Kopf zu vertreiben." Er setzt sich wieder.

Just in diesem Moment sprach eine ihm sehr gut bekannte Stimme hinter ihm. "Dann wollen wir doch mal dafür sorgen, dass keine Langeweile aufkommt, wenn die Gespenster weg sind. Newengland hat ein Problem", sagte Reginald Bull.

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Meine Erinnerung hat mich nicht betrogen. Robert Feldhoff konnte gute und sehr gute Romane schreiben. Der hier ist so einer. Der extrem starke Beginn erinnerte mich - obwohl ganz anderes Thema - an WiVos Meisterwerk in Band 322 (Ein Gigant erwacht). Auch dort wird genau wie hier die Perspektive des Fremden eingenommen. In eine ähnliche Welt werden wir von Robert entführt. Wir sehen die Welt durch Zoporras Augen, ohne zunächst zu erfahren, wie diese eigentlich aussieht.

Als der Schwenk auf Rhodan und Co kommt, ist der Roman schon mehr als ein Drittel gelesen. Prompt flacht die Handlung etwas ab, um die starken Momente bei erneutem Blick auf Zoporra wieder erleben zu dürfen. Dort baut sich ein seltsames Grauen auf, als die Bionten detaillierter geschildert werden.

Eindeutig: Beide Daumen hoch!
:yes: :yes:
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Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

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Band 1437 - Der Weg nach Bentu-Karapau - ist von Marianne Sydow, erschienen am 06.03.1989
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"Ob ich einen sechsten Sinn habe?" fragte Reginald Bull. "Keine Ahnung. Ich weiß nicht, welcher Teufel mich ritt, als ich ausgerechnet in dieser felsigen Einöde unterwegs war. Um die Höhle da oben wollte ich eigentlich einen großen Bogen machen - an solchen Stellen finden sich häufig größere Raubtiere, zumeist bärenähnliche, die sich da eine gemütliche Wohnstatt eingerichtet haben. Und solche Genossen stört man besser nicht. Ich hätte auch nichts gemerkt, wenn das Ortungsteil meines Chrono nicht auf eine kleine Metallansammlung hingewiesen hätte. Aber auch das wäre mir egal gewesen, wenn das Metall nicht in reiner Form angezeigt worden wäre.

Jetzt ist so ein Teil nichts weltbewegendes", Bull hielt seinen rechten Arm hoch, "es kann Zeit und Datum für alle möglichen Welten anzeigen, ist gleichzeitig ein kleiner Rechner samt mittelgroßem Speicher und ein Mikrotranslator. Für alle Weitere ist es eigentlich zu blöd. Nur Metallansammlungen kann es seltsamerweise orten und auch die Konzentration angeben. So nach dem Motto: Drei Tonnen Gestein mit Metallanteil 2%. Es weiß aber nicht, welche Sorte. Und vor der Höhle zeigte es mir eine Metallansammlung von ein paar Kilo an mit einem sehr hohen reinen Anteil von was auch immer. Das macht natürlich neugierig."

Bull sah seine beiden Gegenüber an.

"Meine Güte, mach's nicht so spannend!" Gucky sah den Terraner giftig an.

"Hast nicht immer nur du von Ungeduld geredet, Kleiner? Denk dran, du sitzt im Glashaus. Da sollte man aber nicht mit Steinen werfen."

Als der Ilt merkte, dass auch Lee ihn zartschmelzend anlächelte, verzog er sich in seine Schmollecke und sagte nichts mehr.

"Nun denn. Ich zog vorsichtshalber meinen Paralysator, ging langsam in die Höhle hinein und erspähte einen jungen Mann, der grade dabei war, ein Hyperfunkgerät zusammen zu basteln. Als er merkte, dass jemand hinter ihm stand, erschreckte er sich sehr heftig und stand wahrscheinlich kurz vor einem Herzinfarkt. Ich fragte, ihn, was er da mache, erhielt aber keine Antwort. Er war total blockiert, konnte sich nicht bewegen, nichts sagen, gar nichts. Ihm war natürlich völlig klar, was die Folge eines Funkspruches gewesen wäre, daher seine Reaktion."

Lee würde ein wenig blass um die Nase. "Und dann?"

"Ich habe ihm eine leichte Backpfeife gegeben und er kam wieder in Wallung. Er sagte mir wortwörtlich, er fühle sich hier eingesperrt. Alle Welt könne die Wunder des Weltalls suchen und besuchen, er armer Teufel säße hier auf Newengland fest. Nur weil das die alten Säcke so wöllten. Es gäbe aber viele junge Leute, denen das auf den Zwirbel ginge. Er sei nicht der Einzige.

Und das", Bull sah Lee an, "ist euer Problem. Von den drei Raumschiffen, die wir im Ortungsschutz eurer Sonnen stationiert haben, hab ich einen Stapel Sonden angefordert, die den Rest von Newengland auf ähnliches untersuchen sollten. Gefunden haben sie nichts, was aber nicht viel heißen will. Ein Hyperfunkgerät kann man sich auch im Keller eines Gebäudes mitten in einer Großstadt aufbauen, da wird es von der besten Sonde nicht gefunden. Ich fürchte, mit eurer Ruhe könnte es bald vorbei sein."

"Was hast du mit ihm gemacht?" wollte Lee wissen.

"Nun, wer, wenn nicht ich konnte nachvollziehen, wie es ihm ging. Hätten wir damals, im Jahr 1971 alter Zeitrechnung, nicht die gleiche Neugierde in uns verspürt, wären wir nie bis zum Mond gekommen. Wer weiß, was dann mit der Erde passiert wäre. Genauso verlief unser nachfolgendes Gespräch. Nachdem ich ihm mein Wort gegeben hatte, dass ich alles versuchen würde, um sein Problem zu lösen, wurde er zugänglicher. Er hat mir seine Bastelteile überlassen, ich brachte ihn zurück in seinen Heimatort und ließ ihn gehen. Er versprach mir, kein Funkgerät mehr herstellen zu wollen und ich sagte ihm im Gegenzug zu, dass ich mich mit den entsprechenden offiziellen Stellen in Verbindung setzen würde. Und das werde ich morgen tun. Dort muss man eine Lösung finden. Es hat mich ja sowieso gewundert, dass ihr es solange nur unter euch hier ausgehalten habt. Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis jemand hier wegwollte."

Lee sah ihre Begleiter ratlos an. "Und was willst du denen erzählen?"

"Ganz einfach. Die Damen und Herren Großkopferten müssen sich was einfallen lassen. Und zwar eher heute als übermorgen. Das Problem muss gelöst werden. Aber weißt du, was das Schöne daran ist? Diesmal ist das nicht mein Thema."

Bull grinste, machte es sich auf einer Liege bequem und reckte sich. "Ist mein Whisky eigentlich noch hier? Wo ist denn unser Bedienungs-Robot?"

Die kantige Maschine kam umgehend, als hätte sie direkt hinter den Dreien gestanden. Natürlich führte sie Bullys Flasche Clynelish samt einem Nosing-Glas auf einem Tablett mit. "Zu Diensten, Sir", sagte sie mit ihrer blechernen Stimme, "Ihr Whisky, Sir." Der Robot goss ein, stellte Glas und Flasche neben Bully ab und verschwand wieder.

"Ich habe immer noch keine Ahnung, wo das Zeug her ist. Es ist mir aber auch völlig egal. Hauptsache, er schmeckt. Ich muss eh bei deinem McSowieso mal nachfragen, wie er das macht. Dann kann er mir auch gleich seine Whisky - Quelle verraten. Aber alles frühestens morgen. Dann ist auch noch ein Tag."

Er schnupperte an seinem Glas und nahm genießerisch einen kleinen Schluck.

"Bevor du gleich im schottischen Nirvana verschwindest", meinte Gucky zu seinem Freund, "darfst du den nächsten Teil der Geschichte erzählen. Ich habe genug geredet. Es geht mit der Heimkehr von Dao weiter."

"Wenn es denn unbedingt sein muss", beschwerte Bully sich. "Aber gut. Ich will es nicht schuld sein, wenn unser Kleiner seine Stimmbänder zu sehr malträtiert."


Spoiler
Reginald Bull erzählt die Geschichte von dem Weg nach Bentu-Karapau:

Du erinnerst dich an Dao-Lin-H'ay, die Kartanin?

Sie war zusammen mit uns in die unselige 695 - Jahres - Geschichte hineingeraten und jetzt auf dem Flug in Richtung Bentu-Karapau. Dort vermutete man die Perle Moto, einen ziemlich großer Datenspeicher mit allerlei Geheiminformationen. Das Problem war nur, dass niemand so genau wusste, wo dieses Bentu-Karapau genau lag. Also ging es mit diversen Zwischenstopps in die vermeintlich richtige Richtung, man hoffte einfach irgendwo auf Jemanden, der Dao die korrekten Koordinaten geben konnte.

Und dann gab es natürlich noch einen gewissen Feng-Lu. Das war der Kommandant des Verbandes, der an der gescheiterten Eroberung der NARGA SANT beteiligt gewesen war. Es war nach fast 700 Jahren überhaupt ein arges Durcheinander bei den Kartanin. Aus einem einzigen Reich sind ein ganzer Sack von Nachfolgereichen entstanden, die sich mehr oder weniger alle miteinander bekriegten. Oder auch nicht.

Feng-Lu war zwar Großadmiral, also ein recht hohes Tier bei den Militärs, sah aber wegen der Niederlage gegen Dao & Co bei seinem Kaiser Schwierigkeiten auf sich zukommen. Aber zu allererst ging es ihm um Rache an Dao-Lin-H'ay, die ihm diese schmähliche Niederlage bereitet hatte.

Dao hingegen musste zuerst lernen, wie sich einzelnen Staaten der Kartanin zusammensetzten. Vieles war nicht mehr so wie vorher, so hatte sie zum Beispiel das Gefühl, dass Männer inzwischen gleichberechtigt waren und das klassische Matriarchat beendet war. Was aber nicht hieß, dass das auch so bleiben sollte und alle damit einverstanden waren. Natürlich gab es Kräfte, die die alte Ordnung wieder herstellen und das Rad der Geschichte zurückdrehen wollten. Das neue Reich der Kartanin war nämlich wesentlich kleiner als das alte. Man hatte zwar den Streit mit den Wasserstoff atmenden Maakar beigelegt, dafür waren aber neue Probleme entstanden, allen voran die Karaponiden mitsamt ihrem Kaiserreich. Die betrachteten sich natürlich als die einzig wahren Feliden.

Dao flog also mit ihrem Schiff in Richtung einer Kartanin Kolonie namens, wie hieß diese Welt nochmal, ich komme mit den Kartanin - Begriffen nicht klar, was sagt du Kleiner?
Danke, Gucky. Dao-Lin-H'ay und die Hohe Frau Mei-Mei-H'ar, das ist eigentlich alles, was ich behalten habe. Der Rest ist zusammengestrickt und aus meinem hoffentlich noch funktionierenden Gedächtnis gekramt. Wenn also in den Geschichtsbüchern etwas anderes steht, als ich hier proklamiere, sieh es mir bitte nach. Ich bin eben nur ein alter Knacker, der auch nicht mehr alles auf die Reihe kriegt.

Also: Dao flog nach Vaarjadin, so hieß diese Kolonie und eigentlich erwartete sie, dass man sie dort gut empfangen würde. Immerhin hatte man ja einen Auftrag der Höchsten Frau. Man durfte zwar landen, aber umgehend war ein Sack voller Sicherheitsmaßnahmen geöffnet worden. Das ging bis hin zu einem Kordon von Sicherheitsleuten, die Dao auf Schritt und Tritt bewachten. Dahinter steckte irgendein Durcheinander in diversen Familien auf dieser Welt. Man versuchte, sie ein wenig über den Tisch zu ziehen, was natürlich nicht funktionierte. Dao war nämlich eine natürliche Telepathin, was ihre Gegenüber nicht wussten. Sie ließ sich demzufolge nicht drohen und machte ihren Standpunkt klar.

Also flog man weiter zur nächsten Welt, dort sollten zwei Gestalten sein, die ihr die gesuchten Koordinaten übermitteln sollten. Da ging es dann aber auch schon wieder los. Jede Menge Chaos, Misstrauen und dann die Karaponiden! Sie waren als Strolche bekannt, aber man wollte auch keine aktive Auseinandersetzung mit ihnen. Letztlich landete man thematisch wieder bei der Perle Moto, die wohl Teil eines geheimnisvollen Datenträgers war, der eine gigantische Kapazität haben musste. Man wurde sich darüber einig, dass die Perle auf keinen Fall in den Händen der Karaponiden bleiben durfte. Allerdings hätte eine Übernahme durch die Kartanin sofort zu einer bewaffneten Auseinandersetzung größeren Ausmaßes geführt, was nun auch niemand wollte.

Dao erläuterte, dass diese ominöse Perle eigentlich jemand ganz anderem gehörte, nämlich unserem Freund Icho Tolot, dem Haluter. Und der würde sie als friedliebendes Wesen auf keinen Fall gegen die Karaponiden oder die Kartanin einsetzen. Und Tolot sollte die Perle zurückerhalten. Natürlich würde nun jeder, selbstverständlich auch die eigenen Leute, Dao an einer Übergabe hindern wollen. Dao machte klar, dass sie das nicht allzu sehr interessierte. Sie war jahrhundertelang von ihrem Volk getrennt gewesen, ihre einst so mächtige Familie war so gut wie komplett verschwunden und sie hatte nun wirklich mit den aktuellen Kartanin nicht mehr viel gemein. Zudem, so argumentierte sie, würde ein solches Geschenk nur Krieg und Elend bringen.

Sie hatte die beiden überzeugt. Sie gingen mit an Bord von Daos Schiff und es ging ohne Probleme ab nach Bentu-Karapau. Und da wurde Dao an den Stellvertreter unseres eingangs erwähnten Feng-Lu ausgeliefert. Gleichzeitig brach das Chaos aus. Denn ohne Wissen von Dao-Lin-H'ay war eine ganze Flotte ihrem Schiff gefolgt und wollte den Stützpunkt der Karaponiden angreifen. Dao und fünfzig weitere Besatzungsmitglieder wurden daraufhin festgesetzt, nachdem ihr Schiff geentert worden war.

Was hatte Dao erreicht? Nichts. Sie waren gefangen. Auf ihrem eigenen Schiff. Und es ging in Begleitung zweier Trimarane ab in Richtung Hangay. Immerhin war die Perle Moto dort ebenfalls zu finden. Man würde sehen.



"Ihr könnte euch denken, dass ich eure Erzählungen allesamt aufzeichne?" fragte Lee ihre Begleiter.

"Davon gehe ich eigentlich aus", meinte Reginald Bull. "Und was machst du damit, wenn wir fertig sind?"

"Oh, vielleicht veröffentliche ich die Dinger als Bücher. So mit zehn bis fünfzehn Einzelbänden. Sie waren versprengt in Zeit und Raum oder so. Mit euren Animositäten darin. Dann haben die Leser auch was zu lachen."

"Und du wirst selbstverständlich zu dem Schluss kommen, dass die ganze Geschichte ohne mich, Gucky, den Retter des Universums, nicht funktioniert hätte."

"Aber sicher doch." Sie sah Gucky an. "Können diese Augen lügen?" fragte sie den Ilt.

Gucky war sich nicht ganz so sicher.

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Mit diesem Roman hatte ich Schwierigkeiten. Es lag nicht daran, dass Marianne Sydow schlecht geschrieben hätte. Nein, ich kam einfach nicht in die Story hinein und sie interessierte mich auch nicht. Der erste Dao Roman von MS hat mir gut bis sehr gut gefallen, mit dem hier bin ich nicht klargekommen. Warum weiß ich auch nicht. Vielleicht bin ich zu sehr darauf fixiert, zu erfahren, wie es denn endgültig in der Milchstraße weitergeht und da begeistert mich die Randgeschichte einfach nicht. Nun gut. Es kann einem nicht alles gefallen.

Die nächsten Romane von ihr sind ein Doppelband: 1448 und 1449. Bis dahin sollten wir etwas über die Geschehnisse in der abgesperrten Heimat erfahren haben. Dann sehe ich die PR - Welt wieder mit anderen Augen.
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Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

Beitrag von RBB »

Band 1438 - Kinder der Retorte - ist von Ernst Vlcek, erschienen am 13.03.1989
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Gucky sah auf seinen Chrono, stellte fest, dass es Zeit wäre und sprang zu Bully. Er wollte ihn sowie Lee am Regierungsgebäude abholen und sich ans Flussufer begeben.

"Wie? Ohne unsere Freundin? Wo hast du Lee gelassen?" fragte der Ilt.

"Ich habe ihnen gesagt, dass ich Lee zwingend in der Runde sehe, die jetzt Entscheidungen zu treffen hat. Die Alternative wäre ich, habe ich ihnen eröffnet. Da haben sie sich für Lee entschieden. Warum weiß ich auch nicht." Bull grinste. "Sie machte übrigens einen sehr guten Eindruck, nichts mehr mit Angst oder Problemen mit vermeintlich Höherrangigen. Was auch immer du da gemacht hast, es hat gewirkt. Sie hatte den ganzen Laden in kürzester Zeit zusammengefaltet. War auch notwendig. Denn hier scheint der Typ Politiker vorzuherrschen, der alles bis ins Kleinste durchdiskutiert und nicht zu einem Ergebnis kommt. Deswegen hat man als Außenstehender auch den Eindruck, dass hier nichts passiert. Einer aus der Regierungsgilde war entschieden besser drauf als der Rest. Der war Staatssekretär im Gesundheitsministerium, wenn ich das richtig behalten habe."

Gucky klärte Bull über das Gespräch an dem von ihm organisierten Abend am Fluss auf und erzählte ihm die Geschichte.

"Schön", sagte Bully. "Dann drücken wir mal die Daumen und hoffen das Beste. Nicht nur für Newengland, sondern auch für die Beiden."

Die alten Freunde setzten sich. "So", meinte Reginald Bull. "Den Rest des Tages tue ich nichts mehr. Schließlich hat man ja Urlaub."

Danach erzählten sie sich von ihren Erlebnissen in der Natur Newenglands. Gucky verpasste ein paar Mal den richtigen Moment, um Bully zu fragen, was er denn nun hier eigentlich wirklich hier wolle. Die Geschichte mit dem Urlaub nahm er ihm nicht so ohne Weiteres ab. Dafür war der Durchhänger am Anfang ihres Zusammentreffens zu groß gewesen. Irgendwas war mit dem Kerl los, dafür kannte man sich einfach zu gut.

Als er endlich den richtigen Zeitpunkt zum Einstieg kommen sah, ging es nicht mehr. Lee kam in Begleitung auf die beiden alten Freunde zu.

"Ich möchte euch Jemandem vorstellen." Sie wurde von einem Mann, circa 1.80 Meter groß, dunkle kurze Haare mit dunklem Anzug und Krawatte begleitet. "Das sind meine neuen Freunde", sagte sie und wies zuerst auf den Ilt und danach auf den Terraner. Man sah ihr ihren Stolz an, Bull und Gucky als Freunde bezeichnen zu dürfen.

"Der hier", sie zeigte auf den Mann neben ihr, "ist John Talbot, Staatssekretär im Gesundheitsministerium. John, das sind Reginald Bull und Gucky."

Talbot ging zunächst auf Bull zu und gab ihm sich verneigend die Hand. "Sir, es ist mir eine Ehre, den großen Reginald Bull hier auf Newengland begrüßen zu dürfen."

"Jetzt mach's bloß nicht zu offiziell", brummte Bull. "Sonst werde ich hier noch als lebendes Museum ausgestellt."

"Außerdem ist der so riesig nun auch wieder nicht", sagte Gucky dazu. "Jeder halbwegs vernünftige Terraner ist wesentlich größer als der."

"Es dreht sich hier sicherlich um geistige Größe, zu Zwerg", giftete Bully in Guckys Richtung. "Wie lang bist du denn? Ein Meter und irgendwas? Hat das eigentlich mal einer genau vermessen? Und so einer hat die Frechheit, überhaupt seinen Mund aufzumachen?"

"Ha! Geistige Größe!" kam aus Richtung des Ilts. "Dann dürftest du höchstens halb zu hoch sein wie ich!"

John Talbot sah Lee ein wenig ratlos an. Die lachte. "Das scheint die Lieblingsbeschäftigung von den Zweien zu sein. Sie sind nicht in der Lage, mal einen Tag gemeinsam zu verbringen, ohne sich gegenseitig anzugiften. Da gewöhnt man sich aber dran."

"Der Kleine ist eben etwas vorlaut. Mittlerweile ist er für erzieherische Maßnahmen zu leider alt. Aber zurück zu uns." Bull erwiderte den Händedruck und sagte zu Lees Begleiter: "Tu mir einen Gefallen und lass den Sir stecken. Den bin ich nicht mehr gewöhnt und den hätten wir hier sowieso nicht gebraucht. Die Freunde meiner Freundin Lee sind automatisch auch meine Freunde. Und für meine Freunde bin ich Reginald oder ganz einfach Bully. Ich freue mich, dich kennen zu lernen."

John fasste sich wieder und wandte sich dem Ilt zu. "Aber eine ganz besondere Freude ist es mir, den größten, besten, schönsten, bekanntesten und mutigsten aller Ilts auf unserer kleinen Hinterwäldler - Welt begrüßen zu dürfen. Lieber Gucky, du kannst nicht nachvollziehen, wie ich mich fühle, dem erwiesenen Retter des Universums die Hand schütteln zu dürfen."

Gucky stellte sich aufrecht zu seiner vollen Größe hin. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen war er jetzt ungefähr doppelt so groß wie Bull. Mindestens. Er sah diesen triumphierend an, meinte nur "Ha!" und setzte sich wieder hin. Gönnerhaft reichte er dem Politiker die Hand. "Solche Selbstverständlichkeiten hört man doch gerne. Es ist aber gut, dass du hier bist. Bei uns ist die eine oder andere Frage übriggeblieben. Vielleicht kannst du uns später bei deren Aufklärung helfen."

"Und was macht ihr Drei so den lieben langen Tag?" John sah seine Gegenüber an.

"Ich erfahre Lektionen in Geschichte aus erster Hand. Wir kriegen hier auf Newengland ja nicht alles mit. Wir sind im 12. Jahrhundert NGZ bei den Cantaro und der abgeschotteten Milchstraße. Ich zeichne alles auf und werde darüber Bücher schreiben. Du kannst dir gerne eine Kostprobe anhören."

"Du machst immer noch weiter", sagte Gucky zu Bull. "Ich muss mich nach wie vor schonen."

Der seufzte. "Was tut man nicht alles. Aber so ganz langsam wird es interessant. Es geht ins Innere der Milchstraße, wo so ziemlich alles von den diktatorisch herrschenden Cantaro bestimmt wurde."



Spoiler
Reginald Bull erzählte die Geschichte der Kinder der Retorte:


Die Kontrolle sollte so gut wie allumfassend sein. Auch und besonders, was die Existenz von Lebewesen anging. Die Intelligenzen, die in vivo, also auf natürlichem Wege gezeugt wurden, starben langsam aber sicher aus. Zumindest nach dem Willen der Cantaro. Es sollten grundsätzlich nur noch in vitro gezeugte Wesen existieren. Die Zufälle der Natur gehörten ausgemerzt.

Es war also absehbar, ab welchem Zeitpunkt nur noch Klone die Milchstraße bevölkern würden. Der riesengroße Haken an der Sache war, dass nicht alle künstlich erzeugten Wesen den Vorstellungen der Herrschenden entsprachen. Alles, was nicht ins Schema passte, war Genmüll und gehörte entsorgt. Auch, wenn ein vernunftbegabtes Wesen entstanden war. Ein Wesen mit eigenen Gefühlen und eigener Intelligenz. Diese armen Geschöpfe hatten den Tod vor Augen.

Einer dieser Kreateure war der Pheldor, ein genialer Genetiker von Aralon. Seine Aufgabe war es, Ara-Invitros herzustellen. Brauchte man zum Beispiel Aras, die gegen radioaktive Strahlung immun sein sollten, so wusste Pheldor, welche Genfaktoren zu implantieren waren. Oder er bekam eine Anforderung für Spezialisten, die vierzehn Tage ohne Wasser existieren konnten. Oder denen hohe UV - Werte nichts anhaben konnten. Oder, oder, oder. Pheldor kriegte alles hin.

Technische Probleme führten ihn nun im Auftrags NATHANS zum Euthet-System in der galaktischen Southside. Er sollte die Herstellung von Amphibios, eben amphibischer Ara - Klone steuern und überwachen. Diese Amphibios kamen einwandfrei und gesund aus der Retorte, jedoch starben sie allesamt bei Eintreten der Geschlechtsreife. Und da musste eben ein Fachmann ran. Der fand nach einiger Sucherei auch die Lösung: Eine Art Fliegender Fische war dafür verantwortlich. Diese Fliege - Fische stammten bereits aus Züchtungen, gewissermaßen aus einem Vorläufer des aktuellen Genprogramms. Und ohne die Fische hätten die Genetiker von Aralon nie die Grundlagen für das Klonen anderer Wesen hinbekommen.

Zunächst erhielt man vor Ort natürlich keine wesentlichen neuen Erkenntnisse bezüglich des Sterbens der Amphibios. Gut, man wusste, dass eine Gehirnschädigung zu Orientierungsverlusten führte, die eine phobische Wasserscheu zur Folge hatten. Die Amphibios wurden an Land getrieben, trockneten dort natürlich aus und starben. Erst als Pheldor merkte, dass die toten Amphibios den Fliegefischen als Nahrung dienten, kam er hinter die Geschichte. Die Fliegenden Fische waren wohl nicht ganz so dumm, wie man meinte. Sie waren Träger von Virenstämmen, mit denen sie den Mutterklon infizierten. Dieser Mutterklon gebar nun regelmäßig die in vitro - Wesen und gaben den per Virus entstandenen Gendefekt weiter. Pheldor war eben ein Genie.

Der junge Aribo war ein Invitro und ebenfalls ein Geistesriese. Jegliches Lernen fiel ihm leicht und er schaffte die härtesten Prüfungen sozusagen mit Links. Und: Er war ein besonderer Schützling Pheldors. Eigentlich konnte ihn also nichts passieren. Eigentlich. Denn er hatte einen Fehler: Er zeigte Gefühle. Er konnte zum Beispiel nervös werden. Perfekte Klone wurden aber nicht nervös. Sie zeigten überhaupt keine Gefühle. Also war er, und das war ihm natürlich völlig klar, Genmüll, der entsorgt werden musste. Aribo ist ebenso wie sein Freund Plinal lebensunwert.

Lebensunwert. Was für ein Wort. Die ganze Barbarei dieses Systems zeigte sich in ein paar Buchstaben. Das scheint aber ein leider immer wieder auftretendes Problem bei intelligenten Lebewesen zu sein: Immer wieder mal treten Diktatoren in die Welt, die meinen, sowas wie der liebe Gott zu sein. Sie legen in eigener Vollkommenheit fest, wer wie auszusehen und zu funktionieren hat. Alles andere kann auf den Müll. Dabei sind solche Gestalten die Einzigen, die entsorgt gehören.

Im Fall der Genklone war der Entscheider über Leben und Tod natürlich ein Cantaro. Clynac hieß er. Und kündigte all denen, die aus seiner Sicht nicht lebenswert waren, nach Abschluss der Prüfungen die Liquidierung an. Aribo und Plinal befürchteten nun nicht ohne Grund, dass ihr Leben in Bälde zu Ende sein könnte. Aber manchmal muss man Glück haben. Grade, als Clynac die Trennung von Spreu und Weizen ankündigte, erzählte eine Automatenstimme Aribo etwas von einer unerwarteten Verzögerung.

Diese Verzögerung bestand nun darin, dass Pheldor ihm eröffnete, er sei kein Klon wie alle anderen. Er wäre zwar ein Invitro, erfuhr Aribo, aber eben kein Fließbandprodukt. Er sei aus besonderem Material und daher so etwas wie Pheldors Sohn. Der arme Kerl verstand zunächst überhaupt nichts mehr. Als Pheldor dann noch nachschob, er würde seinen Quasi - Sohn dringend auf Plophos wegen einer Sonderaufgabe benötigen, schöpfte Aribo Hoffnung auf Überleben. Er machte seinem Ziehvater allerdings klar, dass er ohne Plinal nirgendwohin fliegen würde. Auch wenn ihn das sein Leben kosten würde.

Pheldor schaffte es, die Beiden mitzunehmen. Und alle Zwei über die Organisation WIDDER zu informieren. Dummerweise war nun Clynac mit an Bord des Schiffes nach Plophos unterwegs, was en Effekt des neu Erfahrenen so gut wie auf null setzte. Am Ziel angekommen, wollte der die weitere Flucht der Drei vereiteln. Ganz klappte das zum Glück nicht, mit einiger Mühe konnten die beiden befreundeten Invitros abhauen.

Es passierte natürlich noch einiges an Durcheinander, in dem Plinal leider ums Leben kam. Aribo jedoch konnte sich mit den anderen Kameraden zuerst mittels Transmitter und später in einem Raumschiff absetzen. Er trat der Organisation WIDDER bei, um Widerstand gegen das herrschende System leisten zu können. Am 23. Februar 1144 begann für den Ara - Klon Aribo ein neuer Lebensabschnitt.


Lee und John waren entsetzt.

Letztlich war die einzigen Begriffe, die sie aus diesem Vortrag nachhaltig im Gedächtnis speicherten, die Worte Genmüll und lebensunwert.

"Das ist alles an uns vorübergegangen, stellt euch das mal vor", sagte Lee. "Wenn ihr nicht gewesen wärt", meinte sie in Richtung Gucky und Bulls, "hätte uns unsere Sonne vielleicht nicht auf Dauer schützen können. Dann wäre es mit unserer Herrlichkeit aber schnell vorbei gewesen. Wie kann man nur so barbarisch sein?"

"Dieses Thema wird uns noch etwas länger begleiten, also sei tapfer", meinte Gucky. "Vielleicht kamen wir grade noch rechtzeitig, um alle diejenigen zu unterstützen, die die Hoffnung nicht aufgegeben hatten."

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Ein guter Roman von Ernst Vlceck. Zunächst schildert er das alles relativ wertneutral aus der Sicht Pheldors, des genialen Wissenschaftlers. Wir werden über organische Gebärmaschinen informiert und über die damit verbundenen Probleme.

Das Entsetzen kommt erst langsam durch die Person Aribos. Aber auch der ist zuerst ein normaler geklonter Ara. Dass er wegen seiner Gefühle eigentlich Genmüll ist, erfahren wir erst später. EV spielt raffiniert mit den Gefühlen der Lesenden, die versucht sind, jede Hoffnung fahren zu lassen. Dass es auch ganz leichten Anlass zu Optimismus gibt, lesen wir im zweiten Teil des Bandes. WIDDER existiert. Also muss es Cantaro - lose Zonen geben.
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Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

Beitrag von RBB »

So. Genau bis hierhin wollte ich zum jetzigen Zeitpunkt mit meinen Veröffentlichungen kommen. Das Original erschien am Sonntag, den 12. Februar 2023 und das war ein paar Tage vor Karneval, Weiberfastnacht war am 16.2.23. Danach war eben wegen Fastelovend eine Weile Ruhe. Das wird jetzt auch passieren. Aber nur fast. Ein Zwischenspiel kommt noch.

Denn Bully wird die örtliche Kneipe von diesem McSowieso betreten und dort auf etwas besonderes stoßen. Und er wird von einem Erlebnis der anderen Art berichten. Ich bitte schon im Vorfeld um Nachsicht, aber ich kann nun mal nicht raus aus meiner Haut....

:-D

Ich sag schon mal Kölle Alaaf. Die kleine Randbemerkung sei mir erlaubt. Denjenigen, die gerne Karneval feiern, wünsche ich mit Helau oder welchem Schlachtruf auch immer vill Spaß an d'r Freud (obwohl natürlich Alaaf das einzig Wahre ist). Allen anderen eine gute Zeit und lasst euch nicht die Laune von den jetzt Überhand nehmenden Sitzungsübertragungen vermiesen. Die sind nur ein Teilaspekt der ganzen Geschichte. Karneval spielt sich auf der Straße und in Kneipen ab. Nun nein, Alkohol- und Schnapsleichen und andere widerliche Auswüchse haben mit dem richtigen Karneval nichts zu tun. Und jetzt geht es an die Vorbereitung unserer Zoch - Teilnahme am Fastelovends-Sondaach.
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Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

Beitrag von RBB »

Zwischenspiel:

Wusste ich doch, dass der hier auftaucht! dachte Gucky, als er den rothaarigen Typ mit seiner untersetzten Gestalt den Singenden Ochsen betreten sah.

"Wetten, dass er direkt zur Theke geht und sich ein Bier holt?" fragte er seine Nachbarin, die mit ihm an dem für sie reservierten Tisch saß. Gucky war natürlich klar, dass seine Wette völlig überflüssig war. In der Tat ging Bully zum Tresen und fing aus dem Stand heraus eine Diskussion mit dem Wirt Billy McGuyre an. Letzterer setzte nach einer Äußerung Bulls einen Blick auf, als wolle er seinen Gast umgehend wieder vor die Tür setzen, beruhigte sich aber, als Bully augenscheinlich einlenkte.

Gucky sah, dass sein uralter Kumpel misstrauisch die elf Zapfhähne betrachtete und spitzte seine Ohren. Da Ilts ein ziemlich gutes Gehör haben, bekam er das eine oder andere von dem Gespräch mit.

"Ihr seid doch allesamt Engländer." Das war Reginald Bull. "Und wie Jeder weiß, seid ihr als solche nicht in der Lage, vernünftiges Bier zu brauen. Habt ihr nichts trinkbares?"

"Sir, meine Biere sind allesamt von hervorragender Qualität und somit vortrefflich genießbar."

"Das hat mir schon Mal ein Engländer erzählt. Ich habe mich auf ihn verlassen und erhielt dann eine dunkle Plörre, die zudem auch noch lauwarm war. Nein. Du musst schon was anderes servieren."

"Zu Zeiten des seligen Henry VIII. sind Leute mit solchen Ansichten aufgehangen oder geköpft worden. Ich stelle mit Bedauern fest, dass dies heute nicht mehr möglich ist. Vielleicht sollte man dergleichen wieder einführen. Wäre manchmal sicher ganz nützlich."

"Quatsch nicht. Was kommt eigentlich aus dem Hahn, der sich dahinten so schamvoll in der Ecke versteckt? Am Ende gar richtiges Bier?"

"Das gibts nur in 0,4 Liter Gläsern. Nicht in Pints. Kostet aber genauso viel wie ein Pint, obwohl weniger drin ist. Außerdem kann man davor nur warnen. Es schmeckt wie Spülwasser."

"Wunderbar. Wenn ein Engländer Bier für Spülwasser hält, ist das die größtmögliche Auszeichnung für einen Gerstensaft. Mach mir davon zwei Stück!"

"Was tut man nicht alles für seine Gäste. Aber wenn du unbedingt willst..."

Gucky sah, dass Billy McGuyre zwei zylindrisch geformte Gläser aus dem Schrank holte und sie mit dem Bier aus Zapfhahn Nummer zwölf füllte. Der war Gucky in der Tat beim ersten Besuch durchgegangen. Das Ergebnis war ein goldgelbes Bier mit einer leichten Schaumkrone. Bull nahm die Gläser in Empfang und kam freudestrahlend zu Lee und dem Ilt an den Tisch.

"Keine Sorge", meinte er. "Die sind beide für mich." Er setzte eines der Gläser an, trank es mit großen Schlucken leer und stellte es mit einem "Aaah!" auf den Tisch. "So. Jetzt fühle ich mich wohler", sagte er und machte einen äußerst zufriedenen Eindruck.

Gucky nahm das leere Glas in die Hand und betrachtete es. Die Form kannte er, nur, dass die Gläser im Original etwas kleiner waren und böse Zungen sie Reagenzgläser nannten. Er drehte das Teil, bis er die Aufschrift sehen konnte. Ein Aufkleber oder etwas ähnliches war darauf, die Vorderansicht einer gotischen Kathedrale mit Hauptportal und zwei hohen Türmen. Darüber stand in großen Buchstaben "Kölsch Style Ale". Unter dem Dom waren drei Reihen beschriftet: In der ersten Zeile stand: "Originally Brewed In Cologne / Terra", darunter: "Made By Licence. Brewery Bergster & Sons, Birmington, Southern Highlands, Newengland."

Letztlich identifizierte Gucky noch etwas in der unteren Zeile. Es sprang ihm direkt ins Auge, wahrscheinlich auf Grund eines technischen Tricks. Er konnte aber nur buchstabieren, das Geschriebene sagte ihm gar nichts: K - Ö - L - L - E....A - L - A - A - F. Dann ging ihm ein Licht auf. "Das ist aus der terranischen Stadt mit den Verrückten", sagte er, Reginald Bull zugewandt.

"Ja, zweifellos", erwiderte dieser. "Aber das Bier schmeckt allemal besser als das hiesige Zeug."

"Hier gibt es Bier von Verrückten?" fragte Lee interessiert. "Erzähl!"

"Ja", sagte Bull. "Ich hatte da mal an ich weiß nicht mehr welcher Tagung teilzunehmen und musste sogar vor Ort übernachten. Ist schon eine Weile her. Dummerweise hatten sich die Veranstalter die falsche Jahreszeit ausgesucht. Die dortigen Eingeborenen haben ja sowieso nicht mehr alle Latten am Zaun, aber zu diesem Zeitpunkt waren sie total ausgeflippt. Einmal im Jahr rasten sie da völlig aus und feiern irgendetwas, was außerhalb der regionalen Großregion niemand versteht. Sie verkleiden sich und laufen Lieder singend, höchstwahrscheinlich unanständige, durch ihre Stadt und stellen die Kneipen auf den Kopf.

Ich war also auf dem Weg zu meinem Hotel, als mir auf einmal der Weg von fünf weiblichen Lappenclowns blockiert wurde.

"Guck mal, ein Bully", rief eines der Mädels.

"Oh, ist der aber süß!" meinte eine andere. "Aber der ist so klein. Der Echte wirkt im Trivid wesentlich größer."

"Du musst dir ein paar Schuhe mit höheren Absätzen anziehen", eröffnete mir die Dritte. "Dann siehst du nicht so winzig aus!"

So ging das eine ganze Weile weiter, bis mich eine am Ohr zog. "Oh, der ist ja echt!" Sie drehte sich herum und rief einer Meute hinter sich zu, hier wäre ein echter Bully zu bewundern. Und schon standen gefühlte 150 Personen um mich herum und redeten in einem Kauderwelsch, dass kein Mensch verstehen konnte, auf mich ein."

Bull nahm einen weiteren Schluck Bier.

"Und was haben sie dann mit dir angestellt?" wollte Lee wissen.

"Manchmal muss man Glück haben. Irgendwer rief etwas von weiter hinten und dann waren sie genauso schnell wieder weg, wie sie gekommen waren. Ich atmete tief durch und sah zu, dass ich zu meinem Hotel kam. Der Portier - tatsächlich hatten sie dort einen richtigen, lebendigen Portier, eigentlich ein Anachronismus - hatte sich das Spiel aus der Ferne angesehen und grinste mich an. Als ich ihn fragte, was denn hier los sei, meinte er, dass würden Außenstehende sowieso nicht kapieren. Am besten sollte ich einfach mitfeiern. Er steckte mich in einen rot - weißen Pulli auf dem in Brusthöhe links ein Haifisch und rechts ein Ziegenbock prangte. Der Geißbock stand mit den Vorderhufen auf den Spitzen der Domtürme. Anschließend erhielt ich noch eine rote Pappnase und er empfahl mir drei Kneipen."

"Und weiter?"

"Naja", meinte Reginald Bull. "Ab und zu ist das Leben nur zu ertragen, wenn man selber einen auf Dachschaden macht. Bis in die zweite Kneipe habe ich es geschafft, da kam ich nicht mehr raus, als ich einmal gut drinnen war. Ich habe mitgefeiert und mitgesungen. War eine tolle Erfahrung. Es hat zwar was gedauert, bis mein Mikrotranslator mir das Gesungene mittels Minilautsprecher im Ohr übersetzen konnte, aber im Zweifelsfall reichte ein lalala auch aus. Zudem schienen sich die Lieder immer um dieselben Themen zu drehen: Dom, Rhein, Sonnenschein, Bier und endlose "wir sind sowieso die Schönsten und Besten überhaupt" Gesänge. Wie dem auch sei, auf jeden Fall sind sie von ihrer Stadt äußerst überzeugt. Aber dann passierte etwas, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Sie konnten nämlich neben dieser Art von Krawallmusik auch leisere Töne . Da war dieses Duo, das auf einmal auf der kleinen Bühne hinten in der Ecke stand. Er mit einem akustischen Gitarrenableger, ich hab da keine Ahnung von, und sie mit einer Keyboard - Tastatur, so ein Teil, auf dem man von Klavier bis Orchester alles spielen kann. Als die Beiden mit ihrer Musik begannen, konnte man eine Stecknadel fallen hören. Der ganze Klamauk war wie weggeblasen. Wir hörten ruhige und leise, sogar kritische Stücke, die sich auch mit den dunklen Seiten der Stadt auseinandersetzten. Zum Schluss kam natürlich, was kommen musste. Sie spielten diese uralte und nach eigenen Angaben einzig wahre Hymne von ihrer Heimat. Dazu haben sie mir mehr als einmal erklärt, dass sie egal von welchem Punkt des Universums aus jederzeit zu Fuß heim gehen würden, wenn es denn sein müsste. Und weißt du was? Das traue ich denen sogar zu. Okay, sie sind ziemlich selbstverliebt mit ihrem Dom und dem ganzen drumherum und das wissen sie auch. Ihnen ist auch klar, dass sie sie nicht mehr alle auf der Reihe haben. Aber soll ich dir mal was sagen: Sie sind auch noch stolz darauf. Und es scheint zu funktionieren. In meiner Kneipe feierten Springer - Frauen mit männlichen Aras und Terranerinnen mit Arkoniden. Einmal quer durch die ganze Lemurer - Sippschaft auf ein paar Quadratmetern. Dass sie sich auch noch für den Nabel der Welt und das Zentrum des Universums hielten und mit Sicherheit immer noch halten, bedarf keiner weiteren Erläuterung mehr. Das ist für die einfach selbstverständlich. Aber das war nun nicht wirklich neu für mich. So einen habe ich ja immer wieder mal neben mir sitzen. Dem geht es manchmal genauso. "

Er sah Gucky grinsend an und wusste, der würde ihn am liebsten wieder um die Lampe kreisen lassen. Der Mausbiber traute sich aber nicht, weil er Lees Hände in der Nähe seiner Ohren verspürte.

"Ja", schloss Bull seine Erzählung ab. "Das war eine dieser Nächte, dieser nicht planbaren Ereignisse, die das Leben schreibt. Was wären wir ohne diese Erlebnisse?"

"Und eure Tagung?" fragte Lee.

Bully grinste. "Die war nach dem ersten Tag vorbei. Am nächsten Morgen war niemand in der Lage, etwas Konstruktives von sich zu geben."

"Was haben die denn da eigentlich gefeiert? Irgendeinen Nationalheiligen?"

"Keine Ahnung", sagte Bully mit leuchtenden Augen und trank noch einen Schluck Bier. "Wirklich nicht. Aber ich würde jederzeit wieder dahingehen und mitfeiern."
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Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

Beitrag von RBB »

Kölle Alaaf!


...erlaube ich mir jetzt einfach mal...
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Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

Beitrag von RBB »

Band 1439 - Agenten weinen nicht - ist von K.H. Scheer, erschienen am 20.03.1989
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John Talbot sah den Ilt und den Terraner ernst an.

"Ich habe mich Zeit meines Lebens immer wieder gefragt, ob das, was wir hier auf Newengland veranstalten, so richtig ist. Dass wir uns aus allem heraushalten, Kontakte zur restlichen Galaxis außerordentlich selten sind und wenn, dann hauptsächlich über nicht rückverfolgbare Transmitter stattfinden. Ob wir von der hohen Politik unsere Leute nicht einfach nur eingesperrt halten. Aber wenn ich diese Geschichte nochmal Revue passieren lasse, läuft es mir eiskalt den Rücken herunter und ich sehe uns auf dem korrekten Weg."

"Naja", meinte Bull. "Erklär das mal den Leuten, die von hier wegwollen. Das kann doch nicht der Erste gewesen sein in all der Zeit. Wie seid ihr denn mit denen fertig geworden?"

"Die mussten sich eben darüber im Klaren sein, dass eine Rückkehr nicht so ohne weiteres möglich war. Über die Transmitter läuft nur Warenaustausch. Finanzen werden über eine Rechnereben geregelt, da bin ich nun nicht der unbedingte Spezialist. Raumflüge gibt es. Zumeist nur innerhalb des Systems. Oh, natürlich haben wir sogar Sternenflug - taugliche Schiffe, ganze drei Stück, aber die werden aus nachvollziehbaren Gründen so gut wie nie eingesetzt. Sollten wir Hilfe von außen brauchen, holen wir die Personen irgendwo ab und bringen sie nach Beendigung ihrer Tätigkeit wieder zurück. Zur Belohnung erhalten sie dann neben ihrem Entgelt eine Sonderration des besten newenglandischen Bieres."

Bully hätte sich fast an seinem Whisky verschluckt, den er zwischendurch bei dem Bedienungs-Robot wieder geordert hatte. "Es war aber noch niemals jemand zweimal hier?"

"Nicht, dass ich wüsste", antwortete diesmal Lee.

"Ist ja nicht so, dass ich das nicht verstehen kann…", murmelte er vor sich hin und dachte an die Zapfhähne in Billys Kneipe. "Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass ihr euch was überlegen müsst. Denn auf Dauer beweisen nur diejenigen Mut, die Gefahren erkennen können. Und auch nur die können agieren. Verstecken bringt auf Dauer nichts. Irgendwann steht euch mal der Zufall im Weg. Und dafür ist es gut, dass du als Vertreter der Politik hier bist. Denn der nächste Teil der Geschichte beginnt auch nicht viel besser, als der vorige."



Spoiler
Reginald Bull erzählt die Geschichte von den Agenten, die nicht weinen:

Yart Fulgen war auf Stiftermann III eigentlich nur mit seinem Hund Takks unterwegs, wie man eben mit seinem Hund so unterwegs ist. Nur, dass es kein normaler Spaziergang war. Und: Dass es auch kein normaler Hund war. Yart Fulgen wusste das. Alle anderen auf Stiftermann III konnten es zwar sehen, aber was sich genau hinter Takks Äußerem verbarg, wusste außer Fulgen niemand. Takk war eine Schimäre. Eine misslungene Biozüchtung. Ein Hundekörper, mit menschlichen Händen und menschlichem Gesicht ausgestattet. So weit, so offensichtlich. Völlig unbekannt war jedoch die Tatsache, dass Takk jedes Wort, das sein Herr Fulgen zu ihm sagte, wortwörtlich verstand. Takk war intelligent. Er konnte auch sprechen. Wie ein Mensch. Wäre das bekannt geworden, hätte Takk sein Lebensrecht verwirkt und wäre wohl umgehend getötet worden.

So war er aber einfach nur ein Hund, der sich nicht mehr als drei Meter von seinem Herrn entfernen durfte. Das hätte ihn aber fast nichts genützt, denn sie kamen prompt in eine Kontrolle hinein. Yart tat sein Bestes, um die patrouillierenden Überschweren zu beruhigen, letztlich rettete erst die handlange DE - Plakette auf seinem linken Oberarm ihrer beider Leben. Die Schimäre sei sehr wertvoll, erläuterte er den Soldaten noch. Und sie sei daseinsberechtigt.

Die Überschweren wussten, dass die Träger einer grünen DE - Plakette besser zu behandeln waren, als weniger privilegierte Humaniode. Er sei Statistiker und Soziologe mit Diplomatenstatus in den Diensten des Galaktikums eröffnete er den Kontrolleuren lächelnd und sein Hund sei ein ganz besonderes Exemplar. Er habe ihn mal vor dem Ertrinken gerettet, fügte er hinzu. Fulgen machte so ganz den Eindruck eines liebenswerten, aber leicht vertrottelten Wissenschaftlers, der auf Grund seiner beruflichen Qualitäten besonders behandelt wurde.

Tatsache war aber, dass er sich irgendwo herumgetrieben hatte, wo er nicht hindurfte. Den Überschweren waren Fulgens Erklärungen über sich selber und die Schimäre nicht ganz ausreichend. Es war zum Beispiel kaum zu glauben, dass solch eine Fehlzüchtung eine Daseins-Berechtigung erhalten würde. Letztlich hatten die Überschweren natürlich Recht. Fulgen trieb sich wegen einer Kontaktaufnahme zu einem Mittelsmann einer Widerstandsorganisation auf verbotenem Terrain herum. Der Plan misslang aber und der Verbindungsmann entging einer Gefangennahme nur durch Suizid. Fulgen wusste um sein Problem: Befolgte man die Richtlinien der Cantaro, war die Erteilung der Daseinsberechtigung kein Problem. Befolgte man sie nicht, wurde man sanft belehrt. Wobei diese sanfte Belehrung natürlich mit dem Entzug der Daseinsberechtigung einherging und anschließend mindestens die Verbannung folgte. Mindestens. Wenn nicht sogar der Tod, der besonders widerspenstigen Gestalten drohte.

Fulgen war selbstredent ein Wissenschaftler, soweit stimmte das alles. Was aber niemandem bekannt war, war die Tatsache, dass Fulgen ein Schläfer der Untergrundorganisation WIDDER war. Sieben Jahre stand Fulgen als untadeliger Diener des Systems da und jetzt schien es, als wolle man ihn zu einem aktiven Mitarbeiter von WIDDER machen. Letztlich hatte seine Maske als vertrottelter Wissenschaftler dann doch ausgereicht, um die Überschweren zu beruhigen. Man sammelte ihn ein und brachte ihn mit einem Dienstgleiter zurück in die Hauptstadt.

In seinem Institut angekommen, berichtete ihn seine Freundin Cristin Sarlaan von einem ausgelösten Alarm einer Überwachungssyntronik. Ausgerechnet dort, wo er sich herumgetrieben habe, sei ein Humanoider mit gefälschter Daseins - Ermächtigung entdeckt worden. Fulgen wurde blass und konnte seine Angst kaum noch unterdrücken, zumal der Sicherheitsbeauftragte von Stiftermann III, sein alter Kumpel Ralt Nestur, ebenfalls davon wusste. Der kam aber mit seinen Ermittlungen nicht weiter, weil der Ankömmling sich eben zerstrahlt hatte.

Yart Fulgen atmete tief durch. Seine Freundin Cristin war weder innerlich aufbegehrend noch eine WIDDER Agentin, das wusste er. Sie war systemtreu. Fulgen war überzeugt, dass seine Freundin nicht eine Sekunde an die Möglichkeit dachte, er könne etwas mit dem Widerstand zu tun haben. Sie hatte Yart informiert, weil sie ihn mochte, nicht weil es als Warnung dienen sollte. Wie dem auch gewesen sein mag, er musste vorsichtig agieren.

Einen Tag später lief in Fulgens Institut nichts mehr. NATHAN, der Großrechner auf Luna, hatte das syntronische Fundament von Stiftermann III lahmgelegt. In dem natürlich ausbrechenden Durcheinander merkte niemand, dass er von seiner Freundin Cristin einen Sondercode übermittelt bekam, mittels dessen er mit noch einigen weiteren Tricks doch Systemzugriff erhielt. Und dann sah er auf seinem Bildschirm etwas Seltsames: Eine uralte Space-Jet war gelandet, der zwei Personen entstiegen. Ein Cantaro und ein weiterer Humanoider namens Pedrass Foch. Unser alter Freund. Das wäre nun nicht weiter erwähnenswert gewesen, wenn die Jet nicht so steinalt gewesen wäre. Zudem berichteten die beiden von zwei großen Schiffen, die von Außerhalb den Schutzwall durchbrochen hatten. Und das war nun wirklich unmöglich. Seit Jahrhunderten stand fest, dass es außerhalb des Schutzwalles nur energetisches Chaos gab und sich dort - zumindest innerhalb der Lokalen Gruppe - niemand aufhalten konnte. Auch keine Raumschiffe. Was war also jetzt mit dem Cantaro und diesem Pedrass Foch?

Nun, der eben schon zitierte Sicherheitsbeauftragte tauchte auf und wollte mehr wissen. Als Foch aufmüpfig wurde, paralysierte Nestur diesen. Anschließend wurde Fulgens Bildschirm dunkel. Fulgen begriff, dass sein Schläfer - Dasein dem Ende zuging. Diese Information musste unbedingt an WIDDER weitergeleitet werden.

Nur wie? Da kam ihm, man glaubt es kaum, ausgerechnet ein Cantaro zu Hilfe. NATHAN höchstdaselbst habe ihn, Yart Fulgen, auserwählt, an einem intergalaktischen Kongress auf Ferrol teilzunehmen. Yart war von den Socken. Ausgerechnet er? Er konnte es kaum glauben, als seine Cristin ihn beglückwünschte. Er würde mit allem ausgestattet werden, teilte ihm Ralt Nestur mit. Eskorte, Dienstwaffe, Uniform. Alles. Er brauche sich um nichts zu kümmern. Der fassungslose Yart Fulgen übergab Takk in die Obhut seiner Freundin und wurde von dem obersten Überwacher von Stiftermann III persönlich an Bord des arkonidischen Kugelraumers gebracht.

Dort wurde Yart zunächst nach allen Regeln der Kunst verwöhnt. Erlesene Speisen und Getränke erwarteten ihn, der sich einen solchen Luxus überhaupt nicht vorstellen konnte. Die ihm zur Seite gestellte Hostess erwies sich nach einigem Hin und Herr allerdings als WIDDER Agentin und Kontaktperson, über die er auf Ferrol eine Weitergabe seiner Information veranlassen konnte.

Das Leben für WIDDER sei nicht einfach, erfuhr er und zumeist auch lebensgefährlich. Aber man habe etwas, dass alles andere aufwiege: Freiheit. Wirkliche und echte Freiheit. Allerdings mutmaßten seine Verbindungsleute und Ansprechpartner, dass sein Coup mitsamt seinem Verschwinden nicht unbeobachtet geblieben sei. Nestur habe wohl vor seinem Start schon bei der Einladung durch NATHAN geahnt, dass die ganze Geschichte nicht stimme.

So war es dann auch. Während der Kämpfe um seine geplante Flucht stand plötzlich Ralt Nestur vor ihm und eröffnete Fulgen, dass die ganze Geschichte mit NATHANs Einladung durchschaut worden war und er unter kompletter Beobachtung stand. Er erfuhr, dass sowohl Takk als auch seine Freundin Cristin tot waren. Suizid. Nestor versprach Fulgen Straffreiheit und wähnte sich sicher. Er hätte besser mit den weiteren Widerstandskämpfern gerechnet. Hatte er aber nicht. Yart Fulgen wurde gerettet und Nestur samt seiner Jet verschwanden in der blauleuchtenden Flut einer Gravitations- Schockwalze.

Als alles vorbei war und Fulgen sich in Sicherheit befand, wurde ihm auf einmal klar, dass er weder Takk noch Cristin jemals wiedersehen würde. Cristin war eine WIDDER Agentin, erfuhr er. Ihr Tod war ein Teil des Preises, der für ein künftiges Leben in Freiheit zu zahlen sei. Personen, die sich WIDDER anschlossen, wussten, worauf sie sich einließen. Im Zweifelsfall auf den Tod. Agenten, so erfuhr er, weinen nicht. Entscheidend wichtig war, dass jemand den Wall durchdrungen hatte.



"So ganz klappte die Totalüberwachung dann doch nicht," schloss Bull seinen Bericht ab. "Es gibt in der Geschichte der Menschheit so viele ungenannte und unbekannte Helden. Damit sie nicht ganz vergessen werden, habe ich mich in einzelne Teile unserer Historie vertieft. Denn sie sind erst dann wirklich tot, wenn niemand mehr an sie denkt."

John und Lee sahen den Terraner nachdenklich an.

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K.H. Scheer. Für so alte Säcke wie mich nach wie vor ein Name wie ein Donnerhall. Und diesmal hat es funktioniert. Scheer schrieb einen Roman, der mich von der ersten bis zur letzten Seite in seinen Bann gezogen hat. Letztlich war es eine ineinander verschachtelte Agentengeschichte, die er uns hier präsentierte. Die obige Zusammenfassung gibt den Roman in dieser Beziehung eigentlich kaum wieder.

Zu Beginn nimmt er den Faden von Ernst Vlcek wieder auf und spielt mit dem "Hund" Takk geschickt auf der Klaviatur des Grauens. Zunächst denkt man wirklich nur an einen Hund, bis der auf einmal menschliche Züge hat und sprechen kann. Mir geisterte plötzlich dieser alte SF/Horror - Film "Die Fliege" im Kopf herum. Dann: Lebens - Ermächtigungsplaketten. Überwachung.

Aber langsam, ganz langsam, kommen die ersten Hinweise, dass der totalitäre Staat, den die Cantaro da errichtet haben, doch ein klein wenig löchrig ist. Lassen wir uns überraschen, wie es weitergeht.

Das Schöne an diesem Roman ist die Tatsache, dass Scheer diesmal keinen Überhelden à la Clifton Callamon oder Ratber Tostan geschaffen hat, sondern uns mit Yart Fulgen einen Wissenschaftler vorstellt. Aus dem Gedächtnis heraus gehe ich davon aus, dass YF uns noch eine Weile erhalten bleibt.

Für mich: Daumen hoch. Eindeutig.
:yes:
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Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

Beitrag von RBB »

Band 1440 - Deckname Romulus - ist von Ernst Vlcek, erschienen am 27.03.1989
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Sie hatten sich wieder an den Waldrand verzogen. Den Vieren war am Fluss zuviel Öffentlichkeit bei ihren Gesprächsthemen.

"Das ist ja alles ganz nett, dass wir uns hier über vergangene Zeiten unterhalten", meinte Reginald Bull, "aber das löst euer Problem nicht."

Lee und John sahen den Terraner an und nickten. Der Politiker kommentierte Bullys Äußerung: "Ja, das ist zumindest uns beiden völlig klar. Bei der ersten Sitzung zu diesem Thema ging ganz schön die Post ab. Lee hat sie allesamt mit der Nase draufgestoßen."

"Dieser ganze teilweise abgewrackte Politikverein in unserer Hauptstadt begreift nämlich nicht", sagte Lee dazu ziemlich genervt, "dass Kopf in den Sand stecken nichts bringt. Ich habe sie gefragt, wie lange sie noch warten wollen. Bully hat nämlich Recht. Der junge Mann, den er im Gebirge gefunden hat, wird nicht der Einzige sein, der sich aktuell mit solchen Gedanken herumschlägt. Je mehr Zeit wir uns also mit einer Lösung lassen, desto wahrscheinlicher wird es, dass uns mal jemand durchrutscht und die Herrlichkeit hier vorbei ist. Ich habe vorgeschlagen, zuerst mal eine Abstimmung darüber vorzunehmen, ob wir weiterhin verstecken spielen oder ob wir uns dem Rest der Galaxis öffnen sollen. Das wäre aus meiner Sicht der erste Schritt. Dann sehen wir weiter."

"Gar nicht so schlecht", knurrte Bull. "Dann habt zumindest mal ein Pack-an und wisst, woran ihr seid."

"Ich muss leider wieder zurück. Das Tagesgeschäft drängt." John Talbot erhob sich, um sich zu verabschieden. "Aber bevor ich gehe, haben wir zwei uns noch bei Gucky zu bedanken."

Lee und John stellten sich vor den Ilt. Talbot ging in die Knie und sah Gucky auf Augenhöhe an "Dir haben wir zu verdanken, dass wir uns wiedergefunden haben. Und dir haben wir zu verdanken, dass Lee inzwischen in der Lage ist, klar nach vorne und nach oben zu schauen. Viele ihrer Probleme vermeintlich höher Gestellten gegenüber sind verschwunden. Wie auch immer du das gemacht hast. Danke!" John verneigte sich.

Gucky konnte mit so viel Lob eigentlich gar nichts anfangen und wusste ausnahmsweise mal nicht so richtig, was er sagen sollte. Das änderte sich auch nicht, als Lee ihn hochnahm und ihm einen Kuss auf die Nase gab. "Dem schließe ich mich an", fügte sie dankbar hinzu. "Gucky, der galaktische Universal - Therapeut! Der aber auch Einzelne sieht und weiß, was zu tun ist."

"Jetzt hört aber auf, sonst dreht der Kleine uns hier noch durch." Das war Bully. "Man kann auch alles übertreiben!"

"Mach du dir mal gar keine Sorgen. Du kommst auch noch an die Reihe!" Gucky sah seinen alten Freund triumphierend an. "Dann geht's dir ans Fell."

Bully tat vorsichtshalber, als habe er Guckys Bemerkung nicht gehört. Der redete zudem einfach weiter.

"Aber zuerst, Dicker, erzählst du uns noch was."

Der Angesprochene seufzte "Ich dachte, ich bin hier in Urlaub. Aber wenn es denn sein muss..."


Spoiler
Reginald Bull erzählte die Geschichte von der Person, die unter "Deckname Romulus" agiert:

Es braucht viel, um einen Reginald Bull aus den Pantinen zu hauen. Wirklich. Wenn man so alt ist wie ich, gibt es nicht allzu viel, was einen nachhaltig beeindruckt. Weil...

Aber wie lautet noch der alte Spruch? Alles schon mal dagewesen. Das hier war aber tatsächlich neu. Auch für mich. Sogar dann, wenn man so ein alter Sack ist wie ich. Es hätte mich fast umgehauen.

Aber fangen wir von vorne an. Dies ist die Geschichte von Aribo, dem Widerstandskämpfer. Dem "Klon-Sohn" dieses Ara - Wissenschaftlers. Des Jungen, der den Weg zu WIDDER gefunden hatte. Dies ist ein Teil der Geschichte von Galbraith Deighton, unseres alten Gefährten. Und es ist ein Teil der Geschichte des Mannes, der sich hinter dem Decknamen Romulus verbarg.

Es war Aribos erster Einsatz als Widder. Er war mit Iratio und Mory sowie einigen anderen an Bord der ELYSIAN auf Anordnung von Romulus höchstdaselbst im Eugal-System unterwegs. Man erwartete dort ein Raumfort der Cantaro, das man zu erobern gedachte. Nach fünf Tagen ereignislosen Gammeldienstes tauchte das 1.000 Meter lange Teil plötzlich in der Ortung auf. Aribo war von den Socken, solch ein Riesenschiff hatte er noch nie gesehen. Nun, es war eines der großen Forts, eine Major - Plattform, das nun in den Besitz von WIDDER übergehen sollte. Man hoffte natürlich, dass der im Regelfall dazugehörende Nakk noch an Bord war, dann hätte man einen Wahnsinns - Fang gemacht.

Ich muss noch etwas zu den Namen sagen. Iratio hieß natürlich ebenso wenig Iratio, wie Mory auch nicht Mory war. Oder Tipa eben nicht Tipa. Es handelte sich der Tarnung dienende Decknamen. Und sie alle einte ein Ziel: Der Kampf für Freiheit. Dafür brachten sie im Ernstfall große Opfer, ihr Leben eingeschlossen. Natürlich galt das auch für Aribo, den missratenen Invitro - Ara, den Klon, der nicht der Norm entsprach. Eigentlich war er also sowieso schon tot. Dass er noch lebte, hatte er seinem toten Klon - Vater zu verdanken. Deswegen gehörte sein Leben der Organisation WIDDER und dem Kampf.

Mit ein wenig Glück sollte die Übernahme des Forts klappen. Laut vorliegender Informationen wäre an Bord nur mit einer kleinen Besatzung und somit kaum Widerstand zu rechnen. Also gehörte Aribo zum Enterkommando. Weit kam man nicht: Die ELYSIAN wurde von einem Traktorstrahl eingefangen und deren Besatzung von einem Robotkommando festgesetzt. Und Aribo? Sah sich an Bord des Forts einigen skelettartigen Robotern gegenüber und dann traf ihn etwas, dass er nicht näher beschreiben konnte, ihm aber die Besinnung raubte.

Als er erwachte, wusste er nicht, was aus den anderen geworden war. Waren sie im Kampf gefallen? Und was stand ihm bevor? Da sprach ihn eine schnarrende, künstliche Stimme an und eröffnete ihm, dass er eigentlich nur Ausschussware sei und ihn noch einige Experimente erwarten würden. Vorgestellt hatte sich die Stimme nicht. Hinter dem Geplärre, so fand er später heraus, verbarg sich der Kommandant des Forts mit Namen ORION-738, der Nakk Awarin. Aribo wusste nicht viel über Nakken, eigentlich nur, dass sie seltsame, höherdimensional denkende, wurmartige Wesen waren. Sie brauchten eine Art Maske, um in unseren Welten zurechtzukommen, wurde Aribo klar, daher die schräge Stimme. Er befürchtete natürlich das Schlimmste, was aber zu seinem Glück nicht eintraf. Iratio, Mory und mit Sicherheit noch ein paar weitere Kameraden hatten den Nakk unschädlich gemacht. Die ORION-738 war in den Händen von WIDDER.

Damit ihnen mit ihrer Eroberung niemand und schon gar kein Cantaro in die Quere kam, mussten die Kämpfenden schleunigst das Plophos - System verlassen und aus dem Eugal - Sektor verschwinden. Gesagt, getan. Man experimentierte ein wenig wegen fehlender Codes für die Syntrons herum, schaffte den Start sowie die Aktivierung des Metagravantriebs. Glücklich und zufrieden wähnte man das Unternehmen an einem für alle Beteiligten positiven Ende.

Nun, was soll ich sagen? Nach vierzig Lichtjahren war die Herrlichkeit vorbei, das Fort fiel zurück in den Normalraum und an einen Weiterflug war nicht zu denken. Der Nakk eröffnete ihnen, dass sie sich ein Wrack eingehandelt hatten. Die ORION-738 sollte ausrangiert werden. Oder warum, so fragte Awarin, hätte man sonst ein so leichtes Spiel gehabt?

Aber trotz und alledem - das Fort war selbst in wrackem Zustand hoch interessant die WIDDER und man wollte es unter allem Umständen behalten und zum anvisierten Ziel bringen.

Natürlich war die Eroberung von ORION nicht das Einzige, was WIDDER plante, erforschte und durchführte. So war der Organisation durchaus klar, dass es diverse Wälle gab, die die Milchstraße von dem angeblich unbewohnbaren "Außerhalb" trennten.

WIDDER hatte überall Stützpunkte, unter anderem Nordlicht auf dem 39. Wegaplaneten. Man forschte mit diversen Arten von Computerviren herum, um es irgendwann einmal zumindest durch den Virenwall zu schaffen. Mit diversen technische Spiegeltricks konnte man Funkverbindung untereinander aufnehmen, ohne dass genau geortet werden konnte, wo der Spruch denn nun herkam. So erfuhr zum Beispiel Nordlicht von der Übernahme der ORION-738, was allerdings in der Tat sehr nach Präsentierteller ausgesehen hatte. Nun ja, man kam zu dem Ergebnis, dass Romulus schon wisse, auf was er sich da einlasse. Immerhin sah man die Möglichkeit, die ORION mit neuen Waffen und neuen Triebwerken auszustatten. Letztlich wird das wohl der Grund für den Befehl von der QUEEN LIBERTY gewesen sein, die Stellung zu halten.

Dann kam über Funk die Info, dass zwei Raumschiffe von außerhalb zwischen den Wällen hängengeblieben waren. Tatsächlich: Da stand, dass Menschen von jenseits der Wälle in die Milchstraße eingedrungen waren. Das musste natürlich umgehend an den Kopf von WIDDER weitergeleitet werden. Es war nun Romulus, der das lange geplante Unternehmen Dammbruch in die Wege leitete. Den Flug durch den Virenwall.


Unsere Freunde an Bord der ORION-738 warteten. Und warteten und warteten und warteten. Immer mehr kamen sie zu dem Ergebnis, in eine Falle geraten zu sein. Es war diese besondere Art von Angst und Langeweile, die sie gefangen hielt. Gerade, als sie den x-ten Überwachungsgang durch leere Korridore machten und sich anödeten, erreichte sie ein Funkspruch. Von ganz oben, der QUEEN LIBERTY, dem Schiff von Romulus. Man starte das Unternehmen Dammbruch, hörten sie. Damit hätte unsere heutige Geschichte zu Ende sein können. War sie aber nicht.

Aribo, der stets wachsame und misstrauische Neuling bei WIDDER, hatte auf einem Inspektionsgang eine seltsame Art von Ortung festgestellt. Dahinter verbarg sich ein Transmitter, der etliche Hyguphoten, also spezielle Kampf - Klone auf Ertruserbasis ausspuckte. Die Falle war zugeschnappt. Und noch jemand kam aus dem Transmitter: Ein Unsterblicher. Galbraith Deighton, Mit dem Deighton, den wir kannten, hatte er nichts mehr zu tun. Eigentlich war er ein Droide, der aus diversen Eimern Technik und dem Original - Gehirn bestand. Er hatte Mory gefangen und redete auf sie ein, sie möge doch ein Treffen mit einem alten Freund arrangieren. Er meinte natürlich Romulus. Deighton war klar, dass Romulus kein normaler Mensch sein konnte, dafür agierte er zu lange und zu einheitlich über die Jahrhunderte hinweg. Er war aber auf dem falschen Dampfer. Er hielt Geoffrey Abel Waringer für den WIDDER - Chef.

Da passte es natürlich genau, dass just in diesem Moment die QUEEN LIBERTY erschien und ORION-738 anfunkte. ORION antwortete mit einer perfekt simulierten Stimme von Mory und fügte sogar den korrekten Tagescode hinzu. Deighton sagte kein Wort dazu und Mory hatte nur eine Antwort darauf: Er musste einen Kameraden zum Sprechen gebracht haben.

Es kam, wie es kommen musste: Die QUEEN LIBERTY näherte sich dem Wachforts und wurde per Traktorstrahl angezogen. Eine Warnung seitens der sich entfernenden ELYSIAN kam zu spät. Aber auch für die ELYSIAN mit Iratio an Bord kam jede Hilfe zu spät: Das Schiff wurde abgeschossen. Als während der Verhandlungen zwischen Deighton und dem vermeintlichen Waringer - Romulus zwei Cantaroschiffe erschienen, gelang der QUEEN LIBERTY in letzter Sekunde die Flucht. Die Sache mit ORION-738 hatte sich erledigt.

Romulus dachte nach. Wer war denn nun Galbraith Deighton wirklich? Es war ihre erste Begegnung seit über 600 Jahren, sinnierte er. Natürlich wusste Romulus, dass Gal Gefühlmechaniker war und mutmaßte, dass er unter der aktuellen Situation schwer litt. Vielleicht bereute er, dass er sich darauf eingelassen hatte, ein Droide zu werden. Aber für eine Umkehr schien es zu spät. Gal war wohl inzwischen eine Marionette der Cantaro.

Aber das Unternehmen Dammbruch lief an. Mit Hängen und Würgen kam man durch den Virenwall durch und sie fanden die Schiffe von draußen.

Und jetzt, meine Lieben, wechsele ich die Perspektive. Wir gehen von der QUEEN LIBERTY weg zu unserer CIMARRON. Uns erreichte ein knapper Funkspruch von der QL. Sie wären freie Galaktiker und damit Feinde der Cantaro, sagten sie. Und sie gehörten der Widerstandsorganisation WIDDER an. Sie würden die zwei Raumschiffe suchen, die dem Wall um die Milchstraße durchdrungen hätten. Wenn wir die gleiche Gesinnung hätten, wären wir Freunde, funkte unser Empfangskomitee.

Ob man auf der anderen Seite unser Schiff erkannt hatte? Ob man merkte, dass es aus derselben Typenreihe wie eben die CIMARRON war? Oder war das zu lange her? Ich meldete mich als Kommandant der CIMARRON und stellte uns als Galaktiker von außerhalb der Milchstraße vor. Unsere Feinde, sagte ich, seien die Cantaro und alle, die gegen die Cantaro waren, wären unsere Freunde.

Auf der anderen Seite muss in diesem Moment jemand umgefallen sein. Wie dem auch gewesen sein mag, die Antwort kam kurze Zeit später: "Hi, Bully", sagte eine uns nur zu gut bekannte Stimme. "Hier spricht Homer, der Kopf von WIDDER. Warum zum Teufel hat ihr euch so verdammt viel Zeit gelassen? Wir warten schon eine Ewigkeit auf euch..."

Während Homer G. Adams noch weitersprach, hatte Gucky Perry und mich schon gekrallt und war mit uns mitten in die Zentrale der QUEEN LIBERTY gesprungen. Da standen wir nun wie die Ölgötzen und niemand sprach auch nur ein Wort. Wir merkten nicht, ob und was um uns herum geschah. Wir merkten auch nicht, dass die automatische Warnanlage bei unserer Rematerialisation angesprungen war. Wir standen einfach nur da. Gucky brach den Bann. Er schwebte auf Adams zu und fiel ihm in die Arme. Dann folgten Perry und ich. Wir tobten herum wie kleine Kinder und heulten Rotz und Wasser.

Dummerweise endete die Wiedersehensfreude irgendwann und der Realismus kehrte wieder ein. Unmengen an Fragen standen im Raum und wurden bestmöglich beantwortet. Leider, so mussten wir einsehen, war Homer auch nicht klar, wie das Cantaro - System funktionierte. Was mit Gal genau passiert war, wusste er ebenso wenig, wie er die Frage beantworten konnte, was sich denn hinter dem System verbarg. Er kannte weder die Hierarchie noch die wahren Motive der Herrscher, er wusste nur, dass Cantaro, Nakken und NATHAN in einer Art Triumvirat zusammengeschaltet waren.


"Zusammen schaffen wir es", sagte Homer G. Adams noch.

Bully sah in die Runde und wollte so schnell wie möglich das Thema wechseln. Dummerweise kam ihm Gucky in die Quere.

"Du hast noch nicht alles erzählt", meinte der Ilt. "Da fehlt noch was. Auch wenn dir das jetzt und hier nicht passt."

"Lass doch Gucky." Das war Lee. "Es mag Dinge geben, die gehören hier nicht hin."

"Nein." sagte Gucky. "Du bist Psychotherapeutin und ich kenne den Dicken seit Ewig und drei Tagen. Außerdem denke ich, es ist im Zusammenleben von Unsterblichen und normalen Existenzen wichtig, deutlich zu machen, dass auch unsereins nicht immer nur locker und flockig durchs Leben geht. Soll ich weiterreden?" Er hatte sich Bully zugewandt.

Der holte tief Luft. "Nein, natürlich nicht."

Reginald Bull setzt sich grade hin. "Ich hatte eine noch persönliche Frage an Homer. Ich fragte ihn nach Vanitiy Fair, dieser überaus attraktiven und faszinierenden Frau, die wir bei unserem vorübergehenden Ausflug in die Vergangenheit kennengelernt hatten. Homer wusste zunächst nicht, von wem ich redete. Ich erläuterte ihm, dass Vanity Fair die Frau war, die Galbraith Deighton uns bei unserem Aufenthalt zur Seite gestellt hatte.

Aber so genau wusste Homer das auch nicht. Kurz nach unserem Verschwinden hatte sie den Dienst quittiert und war einfach weg. Einfach so. Das war noch, bevor die Milchstraße versiegelt wurde. Galbraith Deighton hatte sich damals Homer gegenüber ziemlich abfällig über die geäußert. Er behauptete nämlich, sie sei schwanger und irgendwohin verschwunden. Sie bringe wohl ihren Bastard zur Welt. Das war der Ausdruck, den er brauchte, sagte Homer. Demnach war Gal wohl nicht der Vater."

Der Terraner wirkte ziemlich zerfahren auf seine beiden Begleiter. Allzu viel musste er jetzt nicht mehr erklären.

"Ich glaube, ich gehe jetzt ein Bier oder auch zwei trinken. Das könnte ich jetzt gut gebrauchen."

"Ja, das glaube ich auch", sagte Lee. Als Bull ein paar Meter weg war, sah sie Gucky an. Der nickte. "Wir sollten ihn jetzt nicht allein lassen. Das hatte ihn nämlich damals wirklich aus den Pantinen gehauen.", schloss der Ilt die Runde und teleportierte mit Lee.

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So ganz langsam klären sich erste Details. Wir wissen zwar immer noch nichts wirklich Wesentliches, kommen aber mit diesem Roman einen ziemlichen Schritt weiter. Wir wissen, wer oder was sich hinter WIDDER verbirgt und Homer G. Adams hat einen seiner im Gesamtkontext der Serie äußerst seltenen Auftritte. Aber in diesem Zyklus zeigte er endlich mal, dass er im Falle eines Falles mehr kann als nur Geld zählen. Das hatte mir damals sehr gut gefallen. Und die Herrscher - Clique? So ganz funktioniert das System mit seiner Totalkontrolle wohl doch nicht. Löcher finden sich eben immer.

Geschickt hangelt Ernst Vlcek in den Charakteren von ganz unten (Aribo) bis ganz oben (Rhodan). Der Roman ist gut geschrieben, die Figuren sind glaubhaft und am Schluss erwartet uns mit Bullys Nachwuchs eine faustdicke Überraschung.

Daumen hoch! :yes:
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Tennessee
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Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

Beitrag von Tennessee »

RBB hat geschrieben: 09.03.2025, 10:57 [...] Homer G. Adams hat einen seiner im Gesamtkontext der Serie äußerst seltenen Auftritte. Aber in diesem Zyklus zeigte er endlich mal, dass er im Falle eines Falles mehr kann als nur Geld zählen. Das hatte mir damals sehr gut gefallen. [...]
Homer G Adams hatte ja schon in den 1200ern eine kleine Charaktererweiterung erfahren, im Zusammenhang mit dem Warner und Stalker. Damals hatte er die ganze Hanse hintergangen. Bei den "Cantaro" hatte man das Finanzgenie dann völlig entgegen seiner üblichen Charaktertradition gebürstet - was für viele bis heute positiv in Erinnerung blieb und zeigt, dass ein ungewöhnlicher Umgang mit den Figuren erfolgreich und bereichernd sein kann.
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Richard
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Re: Klassiker - Die Cantaro. Eine Zyklusbetrachtung mit begleitender Story

Beitrag von Richard »

Ich denke, dass diese Darstellung von Homer als Chef des Widerstands den Grundstein für all seine geheimen Aktionen/Organisationen war. Man hat wohl gemerkt, dass in Homer doch mehr Potential steckt als ursprünglich vorgesehen/angedacht.
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