Wahlrecht

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Rebecca
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Re: Wahlrecht

Beitrag von Rebecca »

Eisrose hat geschrieben: 25.02.2025, 12:25 2.) Wahlkreise müssen eine ähnliche Interessen-Struktur haben, also nicht etwa Gebiete abbilden, die Land- und Stadtbevölkerung durcheinander wirbeln.

3.) Die Grenzen der Bundesländer einhalten und nach Möglichkeit auch die regionalen Grenzen von Landkreisen und Gemeinden beachten.
Warum? Die Direktmandate sollen NICHT die Interessen der Wähler ihres Wahlkreises vertreten. Das war nie so gedacht!
Der Sinn war schlichtweg, dass die Abgeordneten vor Ort zum "Anfassen" da sind...

Die Direktmandate sollen nicht dazu führen, dass die einzelnen Regionen eine "Stimme" bekommen - dafür ist der Bundesrat da. Der Sinn der Direktmandate in der Verhältniswahl (die wir primär haben) ist, dass die Abgeordneten greifbarer vor Ort werden - nicht dass sie die Interessen vor Ort vertreten.
Alle Abgeordneten sollen IMMER die Interesse der ganzen Bundesrepublik vor Wahlkreis (und vor Partei stellen).

Meines Erachtens ist der (strukturell-rechtlich fehlerhafte) Gedanke, dass die Direktmandate die Interessen des Wahlkreises vertreten soll, der der zu der gefühlten Ungerechtigkeit führt.
Weil so der Gedanke kommt, dass bestimmte Wahlkreise keine Stimme/Vertretung mehr im Bundestag haben.
Der Punkt ist aber: So wie es seit Jahrzehnten gedacht war... hätten sie das nie haben soll. Dass einige Abgeordnete da ihre Wiederwahl wichtig war als unsere Verfassung und sie Interessenspolitik für ihren Wahlkreis gemacht haben ist der eigentliche Systemfehler.

Die Interessenspolitik der Regionen wird durch den Bundesrat abgebildet.

Das war übrigens auch einer der Gründe, warum sich unsere Verfassungsväter GEGEN das Mehrheitswahlrecht ausgesprochen haben (das ist diskutiert worden) nach anglikanischen Vorbild.
Man wollte dass die gewählten Volksvertreter nicht Partikularinteressen der Wahlkreise vertreten, sondern die Interessen des gesamten Volkes... um das sicherzustellen, hat man eben auch der Zeitstimme den Vorrang eingeräumt.
Das Direktmandat war nur ein Zugeständnis, um die Demokratie besser verkaufen zu können - man musse ja schon den Deutschen verkaufen, dass sie ihren politischen Führer (nach der neuen Verfassungsordnung der Kanzler) nicht mehr direkt wählen können... und Sinn war es damals schon, eben Populismus zu vermeiden und institutionelle Checks and Balances einzuführen.

_______

Was ich aber zugestehen will:
Der Sinn war der Abgeordnete zum Anfassen vor Ort, zu dem man einen Bezug hat. Wenn der Wahlkreis nun so groß wird, dass der Abgeordnete gar nicht mehr die Chance hat vor Ort Werbung für die Demokratie zu haben, ist er letztlich genauso fern, als wenn ich nur über die Zweitstimme wähle...
Der Werbeeffekt des Direktmandats im Wahlkreis bleibt aus, bei zu großen Wahlkreis.
Und das ist für mich auch ein (strukturell-rechtliches) gutes Argument, das gegen eine starke Vergrößerung der Wahlkreis für Direktmandate und Reduzierung der Direktmandatszahl spricht.
Dann kann man tatsächlich auch gleich darauf verzichten - dass regionale Interesse berücksichtigt werden ist dann über den Bundestag gut abgedeckt.

P.S.: Nur so am Rande: Das Mehrheitswahlrecht was zu der starken Bindung an die Partikularinteresse des jeweiligen Wahlkreises führt ist durchaus verbreitet: USA, Großbritannien, Frankreich - um direkt drei große Beispiel (und ein nicht-anglikanisches Beispiel) zu nennen, machen das so.

P.P.S.: In NRW ist es übrigens schon immer so gewesen, dass es durchaus starke Mischung von Land/Stadtbevölkerung in Wahlkreisen gibt, oder so Überschneidung von Städten mit unterschiedlichen Regionalinteressen.
Für Interessierte: https://www.landtag.nrw.de/home/der-lan ... reise.html
Das liegt daran, dass es eben nie darum ging die Interessen der Region abzubilden, sondern: vor allem gleich große Stimmbezirke zu haben (das ist wichtiger als die Interessen) und die Wahlkreise nach Möglichkeit von der Größe so auszugestalten, dass der Kandidat Nähe zu der Bevölkerung suchen kann (also auch nicht räumlich zu weit ausufern zu lassen).

P.P.P.S.: Es gibt übrigens Regionen deren Partikularinteressen aus historischen Gründen so wichtig genommen werden, dass sie direkt Einfluss nehmen können und sollen auf die Bundespolitik und das ist in unserer Struktur abgedeckt (und umstritten!): Unsere Stadtländer (Hamburg, Bremen, Berlin).
Da liegt es nicht allein an der größe ... im Ruhrgebiet zerschneiden sie auch eiskalt riesige Städte, um Wahlbezirke zu bauen und Köln ist deutlich größer als das Bundesland Bremen von der Bevölkerung her.
Köln hat auch mehr Einwohner als das Saarland... - von daher: die Abbildung von Regionen und wichtigen Partikularinteressen (aus politisch-historischer Sicht) erfolgt über die Bundesländer - nicht über die Wahlkreise.
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Re: Wahlrecht

Beitrag von Eisrose »

Rebecca hat geschrieben: 25.02.2025, 12:45
Eisrose hat geschrieben: 25.02.2025, 12:25 2.) Wahlkreise müssen eine ähnliche Interessen-Struktur haben, also nicht etwa Gebiete abbilden, die Land- und Stadtbevölkerung durcheinander wirbeln.

3.) Die Grenzen der Bundesländer einhalten und nach Möglichkeit auch die regionalen Grenzen von Landkreisen und Gemeinden beachten.
Warum? Die Direktmandate sollen NICHT die Interessen der Wähler ihres Wahlkreises vertreten. Das war nie so gedacht!
Der Sinn war schlichtweg, dass die Abgeordneten vor Ort zum "Anfassen" da sind...
Du unterschlägst hier Punkt 1.)
Eisrose hat geschrieben: 25.02.2025, 12:25 Für die Wahlkreiseinteilung ist wichtig:

1.) Die Stimmen der Wähler müssen ungefähr den gleichen Einfluss haben, also Wahlkreise ungefähr gleich viele Wähler enthalten.
Wie schon oben gesagt, müsste bei weniger als 250 Wahlkreisen bei JEDER Wahl eine komplett neue Wahlkreiseinteilung gemacht werden. Und das über mindestens die Zuständigkeitsgrenzen der Landkreise und Gemeinden hinweg. Das ist fehleranfällig und kann schnell chaotisch werden. Auch benötigen Wahlen dadurch eine viel längere Vorlaufzeit als zum Beispiel die bei der Vertrauensfrage vorgesehenen 60 Tage. Eine Grundgesetzänderung wäre dadurch also doch wieder nötig. Auch ist die Kontinuität der Wahlkreise nicht mehr vorhanden. Also Probleme schafft es allemal...

Und meine Vermutung ist, ohne dass ich das jetzt geprüft habe, dass auch die Punkte 2 und 3 nicht aus den Fingern gesogen wurden, sondern auf irgendwelchen Gerichtsurteilen beruhen. Das müsste Dich doch ansprechen? ;)

Jedenfalls gilt: je weniger Wahlkreise, desto schwieriger wird es.
Möge der US-Präsident jede Nacht gut schlafen, jedes Golf-Turnier gewinnen, so dass er seine schlechte Laune nicht an der Welt auslässt.
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Re: Wahlrecht

Beitrag von Rebecca »

Eisrose hat geschrieben: 25.02.2025, 13:04 Und meine Vermutung ist, ohne dass ich das jetzt geprüft habe, dass auch die Punkte 2 und 3 nicht aus den Fingern gesogen wurden, sondern auf irgendwelchen Gerichtsurteilen beruhen. Das müsste Dich doch ansprechen? ;)

Jedenfalls gilt: je weniger Wahlkreise, desto schwieriger wird es.
Punkt 3 ja (weil die Länder die Wahlkreise einteilen), Punkt 2 mit der Interessensstruktur nein. Das hat keine rechtliche Grundlage.

Habe ja das mit den wenigen Wahlkreisen und Problemen, die es da gibt schon zugestanden! ;)
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Fab
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Re: Wahlrecht

Beitrag von Fab »

Rebecca hat geschrieben:Das war übrigens auch einer der Gründe, warum sich unsere Verfassungsväter GEGEN das Mehrheitswahlrecht ausgesprochen haben (das ist diskutiert worden) nach anglikanischen Vorbild.
Die Verfassungsväter haben sich für gar nix ausgesprochen. Siehe §38 GG.
Schon gar nicht nahmen sie Bezug auf britisches Kirchenrecht.
### Persönliche Rempelei entfernt ^^ [Mod Laurin] ###
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Art 38
(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.

(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.
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Re: Wahlrecht

Beitrag von Rebecca »

Fab hat geschrieben: 25.02.2025, 19:22 Die Verfassungsväter haben sich für gar nix ausgesprochen. Siehe §38 GG.
Oh doch haben sie - nicht in der Verfassung. Ich rede von den Beratungen zur Verfassung, wo sie beschlossen wurde (die Herrenchiemseer Konferenz). Das was dort gesagt wurde, wird sehr wohl häufig bei der Auslegung des Grundgesetzes zur Rate gezogen.

In der Verfassung steht nicht drin, welche Gedanken und Diskussionen es dazu gab - in den Protokollen zur Herrenchiemseer Konferenz aber sehr wohl. Und das anglikanische Mehrheitswahlrecht war da natürlich im Gespräch. Und da ging es auch nicht um britisches Kirchenrecht, sondern es war eher der Blick nach Übersee zu den USA.
Es gab auch einige Konflikte zwischen den Teilnehmern der Herrenchiemseer Konferenz und den Siegermächten - dabei gab es dann auch Kompromisse bei der Formulierung der Verfassung.

Als Rechtswissenschaftlerin setze ich mich bei Gesetzen und Verfassungstexten nicht nur mit den Wortlaut auseinander, sondern auch der Entstehungsgeschichte und den Intentionen der Verfassungsväter.

Die Verfassungsväter haben uns mehr mitgegeben, als nur den reinen Text des Grundgesetzes.
Insofern wäre ich dir dankbar, hier nicht von juristischen Nonsens zu reden. Und die Frage, ob man Mehrheits-, oder Verhältniswahlrecht reinschreiben soll ist dort heiß diskutiert worden (eben mit Argumenten und Begründungen). Auf die habe ich mich bezogen. Und das ist durchaus juristische Arbeit.

Tatsächlich wurde, weil die Verfassungsväter das eben nicht entscheiden wollten am Ende (und auch Sorge hatten hinsichtlich der Allierten im Rücken), dies dann bewusst in die Hände des Gesetzgebers gelegt - das erste Bundeswahlgesetz, was dann beschlossen wurde...
Und auch dort hat man sich der Frage gestellt Mehrheitswahlrecht oder Verhältniswahlrecht... und auch dort hat man dann wieder geschaut, was die Verfassungsväter bei der Erarbeitung der Verfassung sich gedacht haben (teilweise war das ja personenidentisch...).

Und rausgekommen ist das personalisierte Verhältniswahlrecht - mit der klaren Betonung auf Verhältniswahl.

Und ich würde mich freuen, wenn du davon absiehst mich zu beleidigen. Und ja, mir zu unterstellen, ich würde juristischen NONSENS verbreiten, empfinde ich als Beleidigung.

Verfassungsväter und deren Diskussionen ist nicht GLEICH was dann in die Verfassung kam. Es gab gute politische Gründe es eben nicht in die Verfassung zu schreiben. Das ändert nichts daran, dass sie eine Meinung dazu haben und das diskutiert haben.
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Re: Wahlrecht

Beitrag von Josiep »

Wen schon Änderungen dann richtig.

Weg mit der 5% Hürde für viele kleine Partein zu hoch, siehe mal wieder freie Wähler.

3% wie in Europa müssten reichen ev- bekommen die SSW, die Sorben und ev. die Oberpfälzer und ein Niederbayer ein Direktmandat.

Die Wahlkreise neu aufteilen geht wird immer mal wieder gemacht dann ist man dann plötzlich obwohl zu einen anderen Landkreis gehörig in einen Wahlkreis der zum Nachbarlandkreis gehört.

Mehr Wahlkreise (600) und die Direktmandate abschaffen also 600 Sitze nach Verhältniswahlrecht gewählt, okay ist dann wieder Direktwahl :klatsch:

Die Liste müsste man noch als Wähler gestallten dürfen als hoch oder runder wählen.
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Re: Wahlrecht

Beitrag von Reinhard »

Josiep hat geschrieben: 27.02.2025, 21:30 Weg mit der 5% Hürde für viele kleine Partein zu hoch, siehe mal wieder freie Wähler.
3% wie in Europa müssten reichen ev- bekommen die SSW, die Sorben und ev. die Oberpfälzer und ein Niederbayer ein Direktmandat.
sehe ich nicht so, gerade die letzten Jahre zeigen doch, dass es durchaus möglich ist als neue Partei die 5% zu schaffen, Piraten in Landesparlamenten, AfD, BSW auch in Landesparlamenten und fast im Bund, und das bei extrem kurzer Vorlaufzeit. Grad Freie Wähler gibt's ja nicht erst seit gestern und in Bayern sind die eine etablierte Größe. Spätestens wer in Landesparlamenten sitzt kann dann auch eine gewisse Konstanz zeigen und hat genug Aufmerksamkeit und Strukturen für einen bundesweiten Erfolg. Und wenn nicht, dann finden sich eben nicht genug Wähler, die deren Programm/Meinung/Hauptthema als vertretenswert erachten.
Die Wahlkreise neu aufteilen geht wird immer mal wieder gemacht dann ist man dann plötzlich obwohl zu einen anderen Landkreis gehörig in einen Wahlkreis der zum Nachbarlandkreis gehört.

Mehr Wahlkreise (600) und die Direktmandate abschaffen also 600 Sitze nach Verhältniswahlrecht gewählt, okay ist dann wieder Direktwahl :klatsch:
Äh, verstehe ich jetzt grad nicht. Wenn du rein nach Verhältniswahlrecht vorgehst ist nichts mehr mit Direktwahl. Dann kannst du eigentlich die Wahlkreise auch ganz bleiben lassen.
Die Liste müsste man noch als Wähler gestallten dürfen als hoch oder runder wählen.
Das finde ich in der Theorie eine sehr gute Idee. Wir haben das von der Kommunal- bis rauf zur Landtagswahl. Das wäre ein System mit Verhältniswahl, bei dem die Wähler echten Einfluss auf die Zusammensetzung des Parlaments hätten und nicht nur die Parteien. So ein bisschen parteiinterne Konkurrenz könnte den Motivationsgrad des ein oder anderen Parteisoldaten auf der Liste durchaus steigern. Allerdings ist das Wahlvolk entweder zu faul, zu dumm, oder zu uninteressiert dafür. Die meisten kreuzen doch einfach die Liste, oder die obersten Kandidaten an. Einen wirklichen Effekt hat dieses je nach Ausprägung durchaus komplexe Wahlsystem aber erst, wenn eine kritische Masse das aktiv nutzt, was leider selten der Fall ist.
Und aus persönlicher Erfahrung heraus, das bayrische Kommunalwahlsystem, dass wie in einigen anderen Bundesländern der Idee noch das Panaschieren und Kumulieren mit einem ganzen Sack voll Stimmen, hinzufügt kann bei der Stimmauszählung echt Arbeitsaufwand erzeugen, wenn die Wähler das aktiv nutzen.
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Re: Wahlrecht

Beitrag von giffi marauder »

Also bei uns ist das etwas anders.
Wir wählen eine Partei und können Vorzugsstimmen vergeben.
Dies aber nur an nominierte Personen dieser Partei.

Um auch hier die Regionalität ins Spiel zu bringen (geografische Repräsentation),
läuft das wie folgt.

Jede Partei erstell:
eine Bundesliste
eine Landesliste je Bundesland
eine regionale Wahlkreisliste je Wahlkreis.
Jede dieser Listen kann so viele Namen enthalten, wie es Nationalratsmandate gibt.

Wie diese Listen erstellt werden, obliegt den Parteien.
Die Grünen machen das, durch durch Bewerbung, Hearing und Wahl für jeden Listenplatz
durch die Parteimitglieder in Versammlungen auf Wahlkreis- und Landesebene, durch eine
Delegiertenversammlung für die Bundesliste.
(Das auch das so seine Probleme hat, sei dahingestellt).

Andere Parteien entscheiden dies ohne direkte Beteiligung der Mitgleider.

Nach der Wahl wird anhand der abgegebenen Stimmen eine Wahlzahl bestimmt,
indem die abgegebenen Stimmen durch die 183 Mandate dividiert werden.

Enthält die im Wahlkreis X für eine Partei Y abegebenen Stimmen diese Zahl n-mal,
kommen die ersten n Personen der Wahlkreisliste X der Partei Y ins Parlament.
Die "unverbrauchten" Stimmen werden nach "oben" weitergereicht und bestimmen dann analog
wieviele Personen von der Landesliste Y ins Parlamanet kommen.
Die dann noch überzähligen Stimmen werden noch für die Entsendungen lt. Bundesliste Y herangezogen.

Damit ist die Anzahl der Mandatare mit 183 fest vorgegeben und jeder von diesen braucht für den Einzug ins Parlament
ungefähr(*) gleich viele Stimmen.

In diesem Sinne gibts bei uns auch keine "Wahlkreissieger" so wie bei euch.

Allerdings ist es für kleinere Parteien fast unmöglich, regional die notewendige Stimmzahl zu erreichen.
Bei diesen (auch bei den Grünen) kommen deshalb vor allem die vorderen Listenplätze der Landes-
und Bundesliste zum Zug und nur ganz selten Mandatare der Regionallisten.

Bei größeren Parteien ist das schon leichter.
Die Zahl der Mandate je Wahlkreis wird auf Basis von Volkszählungsdaten festgelegt und spiegeln so
ungefähr die Anzahl der Wahlbereichtigen im Wahlkreis wieder und liegt zwischen 1 (7E Osttirol) und 9 (6A Graz und Umgebung).
Dadurch ist es auch nicht unüblich, dass zwei oder mehr Personen (auch unterschiedlicher Parteien) eines Wahlkreises ins Parlament kommen.

Wir passen also nicht die größe der Wahlkreise an, sondern die Zahl der zugeteilten Mandate.
(*) deshalb oben auch nur "ungefähr", weil sich die Mandatsanzahl ja nicht an Hand der abgegebenen Stimmen festgelegt wird
und diese somit auch unabhängig von der Wahlbeteiligung ist.

Ob nun eine Partei (am Beispiel von "Graz und Umgebung" mit 9 Mandaten) ihre Wahlkreis-Listenplätze auf
"Graz" bzw. "Umgebung" gerecht aufteilt oder nur mit Städtern besetzt ist ihre Sache.

Die Spitzenleute stehen sowieso meist auf mehreren Listen (Bund, Land, Regional).
Üblicherweise ziehen diese dann mit dem niederrangisten Mandat in den Nationalrat,
weil dann auf Landes- oder Bundesliste andere Personen nachrücken können.

Fest geregelt ist das aber nicht, da werden schon mal innerparteiliche Machtspielchen gespielt. :rolleyes:

Die Vorzugsstimme kann auf jeder Ebene unterschiedlich vergeben werden,
dient aber lediglich einer möglichen Vorreihung innerhalb dieser Listen.
Für einen Listenplatzwechsel braucht man aber ziemlich viele Vorzugsstimmen.

Im Grunde ein lupenreines Verhältniswahlrecht mit einem Direktmandatsmechanismus für Listenpläzte
und nicht für gewählte Personen.

Überaus spannend finde ich, dass dieses im Detail doch ganz andere "Wahlgesetz" dem Wesen nach auch
der Intention eures Grundgesetztes genügen würde, weil die österreichsichen Verfassung diesem in den Grundzügen
doch sehr ähnlich ist.

Ich war 2024 Nationalratskandidat auf Platz 112 der Regionalliste. :yes:
Der Einzug ins Parlament ist sich dann aber ganz knapp nicht ausgegangen. :(

Ich hab mir noch nicht mal selbst eine Vozugsstimme gegeben, weil ich dachte ich steh auf Platz 183 der Landesliste
und hab mich dann auf die Schnelle dort nicht gefunden. :-D
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Re: Wahlrecht

Beitrag von Reinhard »

giffi marauder hat geschrieben: 28.02.2025, 09:54 Also bei uns ist das etwas anders.
joah, das System hat auch was
Die Vorzugsstimme kann auf jeder Ebene unterschiedlich vergeben werden,
dient aber lediglich einer möglichen Vorreihung innerhalb dieser Listen.
Für einen Listenplatzwechsel braucht man aber ziemlich viele Vorzugsstimmen.
das entspricht etwa unserem Panaschieren und Kumulieren das wir je nach Bundesland auf Kommunal- bis Landesebene haben, da kann man dann sogar Leute aus verschiedenen Listen kombinieren. Wäre also zumindest so etwa der Hälfte der Wähler nicht völlig unbekannt. Ich hatte das letzte mal als ich noch dort gewohnt habe für den Nürnberger Stadtrat 70 Stimmen, die ich über drei Parteien verteilt habe. Das ist dann die übertriebene Form des Systems. Da bekommen die Leute die das auszählen müssen ordentlich was zu tun, wenn das viele Wähler machen.
Überaus spannend finde ich, dass dieses im Detail doch ganz andere "Wahlgesetz" dem Wesen nach auch
der Intention eures Grundgesetztes genügen würde, weil die österreichsichen Verfassung diesem in den Grundzügen
doch sehr ähnlich ist.
Das deutsche Grundgesetz ist dazu ausreichend schwammig formuliert, dass dem Wahlgesetz ziemliche Freiheiten zugestanden werden. Mal von der historischen Entstehung abgesehen denke ich dass das durchaus absichtlich so gestaltet wurde.

ich befürchte nur, dass die deutschen Parteien da keine Lust zu haben, die Tendenz ging ja bei der letzten Wahlrechtsänderung eher in Richtung mehr Entscheidungsgewalt über die Listengestaltung und weniger durch das Wahlverhalten als umgekehrt.
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Re: Wahlrecht

Beitrag von Kytoma »

Ist eine Kandidatin die mit 3% der Stimmen in ihrem Wahlkreis in den Bundestag einzieht, wirklich vom Volk gewählt? Kann sie sich als Volksvertreterin bezeichnen?
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Re: Wahlrecht

Beitrag von Gucky_Fan »

Aber ich denke gerade in den Städten Augsburg, Frankfurt Tübingen Darmdtadt gibt es schon Verärgerung, dass der Erststimmenkandidat nicht reingekommen ist. Ich finde was man überhaupt nicht braucht ist noch mehr Verachtung für die Politik
Reinhard
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Re: Wahlrecht

Beitrag von Reinhard »

Gucky_Fan hat geschrieben: 28.02.2025, 12:10 Aber ich denke gerade in den Städten Augsburg, Frankfurt Tübingen Darmdtadt gibt es schon Verärgerung, dass der Erststimmenkandidat nicht reingekommen ist. Ich finde was man überhaupt nicht braucht ist noch mehr Verachtung für die Politik
Den Ärger in den betreffenden Wahlkreisen kann ich gut nachvollziehen.

Wobei das eben dem Umstand geschuldet ist, dass man nicht wirklich was am Wahlsystem ändern will. Sondern ohne das System zu ändern an ein paar Randparametern rumdoktert. Dann gibt es zwangsläufig das Spannungsdreieck. Bundestag wird zu Groß - manche Direktkandidaten kommen nicht rein - Wahlkreise werden so groß, dass sie schwer handhabbar sind.

Auf die Idee mal einen Schritt zurück zu treten und das Gesamtsystem etwas umfassender zu betrachten kommt man gar nicht. Wir müssen ja noch nicht mal zwangsweise über die Grenze z.B. wie oben nach Österreich schauen, wir selbst haben ja sogar auf Landesebene schon leicht abweichende Wahlsysteme. Anstatt sich zu überlegen wie ein modernes stabiles Wahlsystem ausschauen könnte wird erst mal überprüft, ob das für die eigene Partei Vor- oder Nachteile bringt. Und dann wundern warum nichts vorwärts geht und die Wähler die Faust in der Tasche ballen.
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Re: Wahlrecht

Beitrag von Eisrose »

Reinhard hat geschrieben: 28.02.2025, 13:02 Wobei das eben dem Umstand geschuldet ist, dass man nicht wirklich was am Wahlsystem ändern will.
Das glaube ich nicht. Man will schon am Wahlrecht was ändern, nur jeder will was anderes und man kann sich nicht einigen.
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Re: Wahlrecht

Beitrag von Eisrose »

Kytoma hat geschrieben: 28.02.2025, 12:10 Ist eine Kandidatin die mit 3% der Stimmen in ihrem Wahlkreis in den Bundestag einzieht, wirklich vom Volk gewählt? Kann sie sich als Volksvertreterin bezeichnen?
Das ist eine Anspielung auf das Ergebnis von Göring-Eckardt, dass aktuell durchs Internet geistert und Erst- und Zweitstimme durcheinander bringt.

Ja, Göring-Eckardt hat nur 3 Prozent als Direktkandidatin eingefahren und zieht über die Landesliste trotzdem in den Bundestag. Man kann über die Landesliste sogar ins Parlament einziehen, wenn man überhaupt kein Direktkandidat war also 0 Prozent Erststimmen bekommen hat. Wie übrigens auch die Hälfte aller AfD- oder CDU-Leute, die nur über die Landesliste in den Bundestag gekommen sind. Warum pickt man da nicht irgend jemand raus? Wie man das zum Aufreger stilisieren kann, ist mir völlig unbegreiflich.

Und ja, sie kann sich Volksvertreterin nennen, da sie demokratisch auf die Landesliste gewählt wurde und die Landesliste wiederum vom Wähler mit der Zweitstimme gewählt wurde.
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Re: Wahlrecht

Beitrag von Reinhard »

Eisrose hat geschrieben: 28.02.2025, 13:38
Kytoma hat geschrieben: 28.02.2025, 12:10 Ist eine Kandidatin die mit 3% der Stimmen in ihrem Wahlkreis in den Bundestag einzieht, wirklich vom Volk gewählt? Kann sie sich als Volksvertreterin bezeichnen?
Das ist eine Anspielung auf das Ergebnis von Göring-Eckardt, dass aktuell durchs Internet geistert und Erst- und Zweitstimme durcheinander bringt.

Ja, Göring-Eckardt hat nur 3 Prozent als Direktkandidatin eingefahren und zieht über die Landesliste trotzdem in den Bundestag. Man kann über die Landesliste sogar ins Parlament einziehen, wenn man überhaupt kein Direktkandidat war also 0 Prozent Erststimmen bekommen hat. Wie übrigens auch die Hälfte aller AfD- oder CDU-Leute, die nur über die Landesliste in den Bundestag gekommen sind. Warum pickt man da nicht irgend jemand raus? Wie man das zum Aufreger stilisieren kann, ist mir völlig unbegreiflich.
Den Fall Göring-Eckard kenne ich jetzt nicht im Detail. Ist bei der im Wahlkreis auch der siegreiche Direktkandidat nicht rein gekommen? In Augsburg, wo es gerade etwas hoch kocht ist die Situation so, dass die Direktkandidaten von Grüne und AFD beide über Liste rein kommen und der CSU Kandidat, der schon deutlich mehr Direktstimmen bekommen hat nicht. Gerade dieser direkte Vergleich stößt vielen auf, da natürlich der CSU Kandidat überhaupt keine Chance hat über Liste rein zu kommen, weil die eben zwangsweise gar nicht zum Zug kommt.
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