Das Schwert der Könige - eine Atlan-/Michael-Rhodan-Geschichte
Verfasst: 30.06.2024, 19:00
Sicher erinnern sich viele von uns Foristen noch an eine der schillerndsten Figuren des gesamten Perryversum:
Roi Danton alias Michael Rhodan.
Er war damals der bekannteste "Freibeuter", obwohl er genau das eben niemals war.
Auf jeden Fall eine Figur des Perryversums, die es mir genau wie Atlan schon zu Beginn meiner "schreibenden Zeit" angetan hatte.
Nun hat jede Figur eine Vergangenheit, egal, ob sie nun in der Hauptserie thematisiert wird oder nicht. Heißt in diesem Fall: Roi Danton hat(te) sehr wohl eine Vergangenheit als Michael Rhodan, dem Sohn des Großadministrators Perry Rhodan.
In der EA wird nur erwähnt, dass Atlan Michael in großen Teilen ausgebildet hat. Roi selbst nennt ihn immer wieder "Lehrmeister".
Das hat mich zu einigen Geschichten über beide inspiriert. Eine davon ist der Beginn eines Atlan-Zeitabenteuers, das zurückgeht bis in die mythischen Zeiten der Artus-Sage.
Eine andere ist im Kurzgeschichtenband CROSSROADS des TCE unter dem Titel "Entscheidung in der Tiefsee" veröffentlicht.
Ich stelle also einmal eine Frage in unsere Runde hier:
Was haben Roi Danton (Michael Rhodan) - Atlan - das mythische Schwert EXCALIBUR - die Artus-Sage überhaupt und der Kriegerkönig des Hochmittelalters überhaupt miteinander zu tun?
Bei mir: Sehr viel.
Erst einmal zu den wissenschaftlichen Fakten:
ad 1) Die Artus-Sage:
Veröffentlicht in diversen verschiedenen Fassungen, beginnend im frühen Mittelalter.
Artus selbst: Historiker diskutieren bis heute kontrovers darüber, ob es den sagenhaften König überhaupt gab. Wer sich da weitergehend belesen möchte, dem empfehle ich u.a. das Buch des britischen Historikers Geoffrey Ashe: Die Entdeckung von Avalon, hrsg. 1.1.1989.
ad 2) Das Schwert EXCALIBUR:
In verschiedenen Versionen der Artus-Sage immer als sagenhaftes Schwert des Königs Artus mit magischen Eigenschaften erwähnt, von Artus selbst aus dem Stein gezogen. Nach Artus' Tod versinkt es im "See der Feen" um die Insel Avalon herum.
Jahrhunderte später taucht das Schwert noch einmal in historischen Quellen auf: Richard Löwenherz, der Kriegerkönig des Hochmittelalters, inszeniert sich selbst als einzigen wahren Nachfolger des sagenhaften Königs Artus auf dem Thron von Albion = Britannien. Dementsprechend erklärt er wiederholt, sein Schwert wäre das sagenhafte EXCALIBUR.
Hier geht es nicht primär um den Wahrheitsgehalt von Richards Aussage an sich - das mag jeder für sich selbst einschätzen. Es geht um den Wahrheitsgehalt der Quellen. Jedenfalls berichten zwei bekannte Chronisten aus dieser Zeit in bis heute vorhandenen Schriften darüber.
Dabei darf man aber nicht vergessen, dass Artus, Camelot, die Tafelrunde und Albion zur Zeit Richards keine Sage oder Legende war, sondern als historische Tatsache angesehen wurde.
Nach Richards Tod taucht EXCALIBUR nicht mehr in der irdischen Geschichtsschreibung auf.
Ich habe mir erlaubt, diese Fakten mit den Personen von Michael Rhodan (Roi Danton), Perry Rhodan und Atlan zu einem PR-Fanroman zusammenzuknüpfen:
Das Schwert der Könige
Hier ist der erste Teil:
Ich wünsche Euch viel Freude beim Lesen!
Büro des Großadministrators,
Regierungs-Tower in Terrania-City, Januar 2430
Bericht Perry Rhodan
„Ich möchte dich einladen zur Verleihung eines Dagor-Schwertes auf Quinto-Center, Freund! Und aus diesem Anlass möchte ich dir und deinem missratenen Sohn die Geschichte eines ganz bestimmten Schwertes erzählen! Eines, das die Sagen und Mythen der Erde schon seit Jahrhunderten beherrscht. Und eines, das die Prinzipien des Dagor in einzigartiger Weise repräsentiert.“
Mein bester Freund, der Arkonide Atlan, der zehntausend Jahre über die Erde gewacht hatte, bevor wir uns im Jahr 2040 zuerst gegenseitig umbringen wollten, um dann Freundschaft zu schließen, lächelte mich vom Bildschirm herunter freundlich an.
„Oh“, brachte ich nur hervor, so verblüfft war ich.
Das war nun schon die zweite Überraschung dieses Tages. Wusste Atlan, dass Michael mich gerade vor einer knappen Stunde angerufen und mit seinem Ansinnen fast aus dem seelischen Gleichgewicht gebracht hätte? Natürlich hatte ich seinem Wunsch entsprochen und alle Termine abgesagt. Dieses Mal würde ich mich auch nicht aufhalten lassen, da ich wusste, wie wichtig gerade das für meinen Sohn war.
Ich entschloss mich zu seinem kleinen Versteckspiel mit dem Freund. Schließlich machte er genau das oft genug mit mir und vielen unserer Freunde.
Außerdem ahnte ich etwas – ein sagenhaftes Schwert, das auf Terra schon lange von Legenden und Sagen umwoben war – das konnte nur …
„Soweit ich weiß“, begann ich ganz harmlos, „steht mein Sohn vor seiner Prüfung zum Dagor-Meister.“
Atlan nickte, plötzlich wurde er sehr ernst. Dagor war etwas, das er mit Lebenseinstellung gleichsetzte. Schon seit seiner frühesten Jugend hatte er Michael ausgebildet, genau wie mich in der Nahkampftechnik an sich. Gut konnte ich mich noch an unzählige Trainingseinheiten zusammen erinnern. Sie hatten uns immer viel Freude gemacht.
Michael hatte sich dazu entschlossen, nicht nur in der Kampftechnik, sondern auch in der eigentlichen Dagor-Philosophie unterwiesen zu werden. Bei diesen Unterrichtsstunden war ich ausgeschlossen gewesen, das ging nur die Dagoristas etwas an.
Und nun stand er vor seiner letzten Prüfung, dem Kampf mit seinem eigenen zukünftigen Dagor-Schwert gegen seinen Meister.
Zu gut wusste ich, dass es bei diesen Prüfungskämpfen öfter Schwerverletzte oder sogar Tote gab. Man kämpfte unter realen Bedingungen mit tödlichen Waffen. Niemals fanden diese Kämpfe auf Terra statt, da sie dort dem terranischen Recht unterstanden hätten, das solche Kämpfe nicht duldete.
Daher beruhigte es mich, dass Atlan Michaels Gegner sein würde. Gegen ihn würde mein Sohn den Kampf niemals gewinnen können, aber ich konnte sicher sein, dass Michael den Kampf höchstens mit leichteren Verletzungen beenden würde. Schonen würde mein Freund ihn trotzdem nicht, darüber gab es keinen Zweifel.
„Ja, mein Freund. Und ich möchte dich gerne einladen, einer der Ehrengäste bei der anschließenden offiziellen Verleihung des Schwertes und Michaels Aufnahme in den Orden zu sein. Ich gehe davon aus, dass er sich über dein Kommen freuen wird.“
„Sicherlich.“ Ich dehnte das Spiel genüsslich noch etwas aus. Mich wunderte, dass Atlans unfehlbarer Extrasinn ihn noch nicht auf die richtige Idee gebracht hatte.
Wahrscheinlich hatte Michael seinen Entschluss spontan gefasst und sofort umgesetzt, sogar ohne seinen Lehrmeister zu informieren, was seine Bitte noch wertvoller für mich machte.
„Und da es bei allem um ein Schwert geht, nimmst du das zum Anlass, uns zu erzählen …“
Mit Absicht beendete ich den Satz nicht, sondern ließ es Atlan aussprechen, obwohl ich es schon bei der Erwähnung des Schwertes aus Mythen und Legenden geahnt hatte.
„Was es wirklich mit Excalibur auf sich hat, König Artus und den Rittern der Tafelrunde.“
Atlans rotgoldene Arkonidenaugen musterten mich aufmerksam – um einen leicht enttäuschten Ausdruck anzunehmen.
„Ist das keine Überraschung für dich?“
„Ich kann auch ein wenig denken, Arkonide. Und ich habe im Geschichtsunterricht vor langer Zeit sogar aufgepasst. Es gibt in Terras Geschichte nur ein sagenhaftes Schwert mit zahlreichen Legenden drum herum.“
„Oh … kann es sein, dass ich euch Terraner immer noch unterschätze?“
„Eigentlich kaum nachvollziehbar. So lange, wie du schon bei uns bist.“
Das Gespräch ging wieder in die altbekannte Richtung, was ich jetzt nicht wollte. Mich interessierte eine ganz andere Frage in diesem Zusammenhang.
„Sag mal, Arkonide, warum brichst du ausgerechnet jetzt dein Schweigen? Wo du es über Jahrhunderte nicht getan hast? Fängst du endlich an, die Rätsel der Geschichte offenzulegen?“
Atlans Gesicht wurde so hart und abweisend, dass ich erschrak. Diese Wendung hatte ich nicht erwartet.
„Nein. Ich bleibe weiterhin bei meiner Entscheidung. Die Herrschaften Historiker sollen sich ruhig weiterhin in ihren abenteuerlichen Spekulationen gegenseitig überbieten. Nach meiner Erzählung werden du und dein Sohn die einzigen Menschen sein, die wissen, ob König Artus und seine Tafelrunde tatsächlich existierten und wo Excalibur geblieben ist. – Und so soll auch so bleiben. Die terranische Wissenschaft wird Excalibur nicht in die Hände bekommen, so sicher ist es verwahrt, in einem Versteck, das sie niemals finden werden.“
Sein Gesicht entspannte sich wieder etwas. Ich atmete innerlich auf. Aber sein Lächeln hätte mir zu denken geben müssen, schon jetzt …
„Barbar, ich habe meine Gründe dafür. Glaube es mir. Manches sollte man im Dunkel der Zeit ruhen lassen. Es ist besser. Aber ich denke, Michael ist nun alt genug, Einiges davon zu erfahren. Und da du mein bester Freund bist …“
Wir sagten beide nichts mehr, verstanden uns auch ohne Worte.
„Du kommst?“, fragte er noch einmal. „Leider kann ich dir nicht erlauben, bei der Prüfung dabei zu sein. Du bist kein Dagorista und auch kein Ehrendiener. Bin mal gespannt, wen Michael darum gebeten hat.“
„Mich“, sagte ich nur und lächelte den Freund an.
Atlan war sichtlich überrascht. Er fing sich aber schnell wieder. Leicht legte er den Kopf schief. Diese Geste kannte ich sehr gut. Wahrscheinlich machte ihn sein Extrasinn gerade darauf aufmerksam, dass er sich das – eigentlich – schon selbst hätte denken können.
„Das freut mich sehr, kleiner Barbar.“ Sein Gesicht drückte die Freude unverhohlen aus. „Dann weiß ich dich an meiner Seite, falls ich schon während des Kampfes unter den Erzählzwang gerate. Du weißt, was zu tun ist. – Aber er ist unwahrscheinlich, hoffe ich …“
Seine letzten Worte hörten sich nicht ganz überzeugt an. Wieder stellte ich die richtige Verbindung nicht her.
Atlan hatte alles bis ins Detail vorbreitet. Anders hätte es mich auch gewundert.
Ich wollte von Anfang an den privaten Charakter der Reise betonen, besonders für mich selbst und meinen Sohn. Deshalb flog ich nicht mit dem Flottenflaggschiff CREST IV nach Quinto-Center, sondern mit meiner Privatjacht.
Was nichts daran änderte, dass auch sie über HÜ-Schirme und zwei Transformkanonen verfügte.
In dem unterirdischen Hangar des ausgehöhlten Mondes wurde ich von einem Major der USO empfangen, der leger grüßte.
Also wollte auch Atlan das Private betonen, indem er auf einen Empfang nach Salutordnung verzichtete.
Der Major führte mich in ein luxuriöses Gastquartier.
„Wenn es Ihnen recht ist, Sir, könnten Sie die vorbereitete Hypnoschulung gleich absolvieren. Danach wartet Lordadmiral Atlan auf Sie.“
„Hypnoschulung?“, fragte ich etwas verblüfft.
Der Major grinste. Da er ein Umweltangepasster von Newton war, verlieh das seinem grünen Gesicht mit den hervorquellenden Augen den Eindruck eines Frosches. Ich ließ ihn meinen Eindruck nicht spüren. Newtoner waren in der Beziehung teilweise sehr empfindlich.
„Ja, Sir. Soweit ich weiß, sollen Sie über die Abläufe einer Dagor-Prüfung im Allgemeinen und die Aufgaben eines Ehrendieners im Besonderen unterrichtet werden.“
„Ah … so. Sagen Sie mal“, ich musterte den Kolonialterraner prüfend, „weiß schon ganz Quinto-Center, was hier morgen stattfindet?“
Der Mann grinste. „Natürlich, Sir. Leider darf niemand von uns bei der Prüfung direkt dabei sein, aber die anschließende Zeremonie zur Aufnahme Ihres Sohnes in den Orden und die Überreichung seines Schwertes wird in alle Räume übertragen. Obwohl ich gerne persönlich dabei wäre.“ Er zog das Gesicht in traurige Falten. „Aber das dürfen nur die ganz hohen Offiziere …“
„Machen Sie sich nichts draus, Major. Im Festsaal wird es recht voll werden. Da haben Sie von der Übertragung viel mehr.“
„Meinen Sie, Sir?“
„Natürlich.“
Der Mann lächelte wieder.
„Was ich noch sagen wollte, Sir“, er räusperte sich, „wir alle freuen uns, dass es Ihr Sohn sein wird.“
Innerlich stöhnte ich auf. Da war er wieder, dieser Personenkult, den ich überhaupt nicht mochte, den ich sogar verabscheute. Und Michael noch viel mehr. Gerade darin lagen viele der Probleme, die er hatte. Leider hatte er noch nicht gelernt, mit der Last des Namens „Rhodan“ zu leben.
„Major, sehen Sie es doch bitte nicht auf die Person an sich bezogen. Natürlich bin ich stolz auf meinen Sohn, sehr stolz sogar. Aber Sie und Ihre Kameraden sollten viel mehr daran denken, welcher Erfolg das für die Menschen ist. Denn, wenn ich richtig informiert bin, ist mit meinem Sohn zum ersten Mal überhaupt ein Mensch so tief in die Mystik und die Philosophie des Dagor eingetaucht, dass er sich der Prüfung zum Meister stellt. Daran sollten sie nur denken!“
Für mich kam immer und zuallererst der Erfolg für die Menschheit an sich. Und ein terranischer Dagor-Meister, ein Laktrote! So dekadent die Arkoniden in der Masse auch sein mochten, es gab immer noch einige Aktive, die das Dagor als Lebenseinstellung aufrechthielten. Sie waren eine Elite, in deren Kreise nur sehr selten ein Nicht-Arkonide aufgenommen wurde.
Ich mochte nicht daran denken, was Michael bei seiner harten Ausbildung durch Atlan, einen der Großmeister des Dagor, erlebt und auch erlitten hatte. Sie sprachen gemäß dem Ehrenkodex der Dagoristas nicht darüber und ich fragte genauso wenig danach. Aber ich konnte mir so dies und das gut vorstellen.
Jedenfalls schien Michael damit zufrieden zu sein – und nur das zählte für mich.
„Wie lange wird die Hypnoschulung dauern, Major?“
„Ungefähr eine halbe Stunde, Sir.“
„Dann unterziehe ich mir ihr sofort. Danach hätte ich gerne einen Becher Kaffee.“
Der Major grinste. „Ich soll Ihnen vom Lordadmiral ausrichten, er wartet anschließend mit echtem terranischen Kaffee und Gebäck auf Sie, Sir.“
Er senkte die Stimme und fügte fast verschwörerisch hinzu: „Gebacken von seiner Sekretärin höchstpersönlich. Und den Kaffee kocht sie auch frisch, brüht ihn sogar noch mit der Hand auf.“
„Na dann.“
Ich freute mich schon jetzt darauf. Atlan hatte sich genau wie unsere anderen Freunde und ich, die schon am Ende des 20. Jahrhunderts gelebt hatten, nicht dazu entschließen können, sein Vorzimmer mit einem der allgemein üblichen Sekretärroboter zu besetzen. Wir bevorzugten altmütterliche Damen nach dem Klischeebild der tüchtigen Chefsekretärin aus dieser lange vergangenen Zeit – mit den entsprechenden Qualitäten!
Nach Abschluss der Hypnoschulung wusste ich alles über die Riten des Dagor. Wahrscheinlich wusste außer meinem Sohn, der vor seiner wichtigsten Prüfung stand und mir kaum ein Terraner von diesen Dingen. Die Nahkampftechnik an sich gehörte zum Standard in der Ausbildung der Abwehr und der USO – aber das, was ich nun wusste, war ganz anders. Vieles davon hatte Ähnlichkeit mit der Philosophie des irdischen Zen-Buddhismus. Ob das auf den Einfluss von Atlan zurückging? Ich würde ihn nicht fragen. Immer noch war mir seine Reaktion bei unserem Funkgespräch in Erinnerung.
Atlan empfing mich in seinem Chefbüro. Bei ihm war mein Sohn.
Beide verhielten sich freudig und ungezwungen. Michael strahlte über das ganze Gesicht. Ich nutzte die Gelegenheit, ihn genauer anzuschauen.
Heute wirkte er nicht ganz so jungenhaft und fröhlich, wie sonst meistens. Ein Schimmer von Nachdenklichkeit ging von ihm aus. Sein Gesicht war blass, unter seinen Augen lagen dunkle Schatten.
Jetzt wurde mir klar, warum Atlan mir die Hypnoschulung vorher „verordnet“ hatte. Sonst hätte ich unweigerlich danach gefragt und wäre meinem Sohn damit vielleicht zu nahe getreten. Michael war es immer peinlich, wenn es ihm mal nicht gut ging – was äußerst selten vorkam bei seiner stabilen Gesundheit und seiner robusten Konstitution, die er wohl von mir geerbt hatte – und man sprach ihn auf diesen Zustand an. Für ihn war es wichtig, niemandem wissen zu lassen, wie es in und mit ihm aussah und Stärke zu zeigen.
So aber wusste ich, dass er seit zwei Tagen streng am Fasten war, also nichts gegessen und auch nichts getrunken hatte. Vorher hatte er noch eine intensive Magen- und Darmreinigung über sich ergehen lassen müssen. Der zukünftige Dagor-Meister sollte frei von allem mit völlig gereinigtem Körper zu seinem wichtigsten Kampf antreten. Er sollte und musste alle körperlichen Bedürfnisse ausschließen.
Morgen, bei der Prüfung, würde er sich kaum noch auf den Beinen halten können – und musste in diesem Zustand kämpfen! Eine Willensprüfung, der nur wenige standhielten.
Michael warf nur einen kurzen Blick auf den Kaffee, den auch er so liebte. Mein erster Impuls war, ebenfalls darauf zu verzichten, genau wie auf das Gebäck. Im letzten Moment hielt ich mich zurück. Auch das gehörte schon zu Michaels Prüfung, sich beherrschen können, wenn andere tranken und aßen, während sein Magen rebellierte und der Durst immer schlimmer wurde.
Es war Atlan zu verdanken, dass eine zwanglose Unterhaltung in Gang kam. Ich selbst hätte es nicht geschafft, zu sehr litt ich mit meinem Sohn.
Das war einer der fatalen Punkte in unserer Beziehung zueinander. Jeder litt mit dem anderen, stand für ihn ein, aber trotzdem fanden wir keinen richtigen Weg zueinander, schafften es nicht, über unsere Gefühle zu sprechen. Dadurch entfernten wir uns immer weiter voneinander.
Ich schüttelte die Gedanken ab und konzentrierte mich auf Atlan. Er sprach traditionsgemäß nicht von der bevorstehenden Prüfung, sondern von dem, was danach geplant war. Scheinbar hegte er nicht den geringsten Zweifel daran, dass Michael es schaffte. Ich übrigens auch nicht.
„Ich hoffe wirklich, dass ich nicht schon während des Kampfes in den Erzählzwang gerate. Aber das glaube ich nicht. Die Gefahr besteht viel eher danach beim offiziellen Festakt.“
„Wieso, Laktrote?“, fragte Michael und senkte leicht den Kopf, als er Atlan ansprach. Seitdem mit der Reinigung seine Prüfung begonnen hatte, musste er Atlan als seinem Meister entgegentreten – und nicht als eine Art Vater und Freund.
Ich verspürte einen leichten Stich, verdrängte das Gefühl aber sofort wieder.
„Um Excalibur, von dem du uns erzählen willst, geht es dabei doch noch gar nicht. Mein Dagor-Schwert und dieses geheimnisvolle Schwert der Geschichte – dazwischen sind doch Welten!“
In diesem Augenblick, in dem Michael das aussprach, worüber ich seit dem Funkgespräch mit Atlan nachdachte, verstärkte sich meine Ahnung.
„Bestehe erst einmal deine Prüfung, junger Höhlenwilder“, grollte Atlan gegen den jungen Mann. Aber seine Augen sprachen eine andere Sprache.
Michael grinste ihn an. In diesem Moment wirkt er wieder wie ein großer Junge.
Mich ließ ein – eigentlich wahnwitziger! – Gedanke nicht wieder los.
Konnte es tatsächlich sein, dass ...
Nein, der Gedanke war einfach zu fantastisch, sogar im Zusammenhang mit Atlan!
Fortsetzung folgt ...
Roi Danton alias Michael Rhodan.
Er war damals der bekannteste "Freibeuter", obwohl er genau das eben niemals war.
Auf jeden Fall eine Figur des Perryversums, die es mir genau wie Atlan schon zu Beginn meiner "schreibenden Zeit" angetan hatte.
Nun hat jede Figur eine Vergangenheit, egal, ob sie nun in der Hauptserie thematisiert wird oder nicht. Heißt in diesem Fall: Roi Danton hat(te) sehr wohl eine Vergangenheit als Michael Rhodan, dem Sohn des Großadministrators Perry Rhodan.
In der EA wird nur erwähnt, dass Atlan Michael in großen Teilen ausgebildet hat. Roi selbst nennt ihn immer wieder "Lehrmeister".
Das hat mich zu einigen Geschichten über beide inspiriert. Eine davon ist der Beginn eines Atlan-Zeitabenteuers, das zurückgeht bis in die mythischen Zeiten der Artus-Sage.
Eine andere ist im Kurzgeschichtenband CROSSROADS des TCE unter dem Titel "Entscheidung in der Tiefsee" veröffentlicht.
Ich stelle also einmal eine Frage in unsere Runde hier:
Was haben Roi Danton (Michael Rhodan) - Atlan - das mythische Schwert EXCALIBUR - die Artus-Sage überhaupt und der Kriegerkönig des Hochmittelalters überhaupt miteinander zu tun?
Bei mir: Sehr viel.
Erst einmal zu den wissenschaftlichen Fakten:
ad 1) Die Artus-Sage:
Veröffentlicht in diversen verschiedenen Fassungen, beginnend im frühen Mittelalter.
Artus selbst: Historiker diskutieren bis heute kontrovers darüber, ob es den sagenhaften König überhaupt gab. Wer sich da weitergehend belesen möchte, dem empfehle ich u.a. das Buch des britischen Historikers Geoffrey Ashe: Die Entdeckung von Avalon, hrsg. 1.1.1989.
ad 2) Das Schwert EXCALIBUR:
In verschiedenen Versionen der Artus-Sage immer als sagenhaftes Schwert des Königs Artus mit magischen Eigenschaften erwähnt, von Artus selbst aus dem Stein gezogen. Nach Artus' Tod versinkt es im "See der Feen" um die Insel Avalon herum.
Jahrhunderte später taucht das Schwert noch einmal in historischen Quellen auf: Richard Löwenherz, der Kriegerkönig des Hochmittelalters, inszeniert sich selbst als einzigen wahren Nachfolger des sagenhaften Königs Artus auf dem Thron von Albion = Britannien. Dementsprechend erklärt er wiederholt, sein Schwert wäre das sagenhafte EXCALIBUR.
Hier geht es nicht primär um den Wahrheitsgehalt von Richards Aussage an sich - das mag jeder für sich selbst einschätzen. Es geht um den Wahrheitsgehalt der Quellen. Jedenfalls berichten zwei bekannte Chronisten aus dieser Zeit in bis heute vorhandenen Schriften darüber.
Dabei darf man aber nicht vergessen, dass Artus, Camelot, die Tafelrunde und Albion zur Zeit Richards keine Sage oder Legende war, sondern als historische Tatsache angesehen wurde.
Nach Richards Tod taucht EXCALIBUR nicht mehr in der irdischen Geschichtsschreibung auf.
Ich habe mir erlaubt, diese Fakten mit den Personen von Michael Rhodan (Roi Danton), Perry Rhodan und Atlan zu einem PR-Fanroman zusammenzuknüpfen:
Das Schwert der Könige
Hier ist der erste Teil:
Ich wünsche Euch viel Freude beim Lesen!
Büro des Großadministrators,
Regierungs-Tower in Terrania-City, Januar 2430
Bericht Perry Rhodan
„Ich möchte dich einladen zur Verleihung eines Dagor-Schwertes auf Quinto-Center, Freund! Und aus diesem Anlass möchte ich dir und deinem missratenen Sohn die Geschichte eines ganz bestimmten Schwertes erzählen! Eines, das die Sagen und Mythen der Erde schon seit Jahrhunderten beherrscht. Und eines, das die Prinzipien des Dagor in einzigartiger Weise repräsentiert.“
Mein bester Freund, der Arkonide Atlan, der zehntausend Jahre über die Erde gewacht hatte, bevor wir uns im Jahr 2040 zuerst gegenseitig umbringen wollten, um dann Freundschaft zu schließen, lächelte mich vom Bildschirm herunter freundlich an.
„Oh“, brachte ich nur hervor, so verblüfft war ich.
Das war nun schon die zweite Überraschung dieses Tages. Wusste Atlan, dass Michael mich gerade vor einer knappen Stunde angerufen und mit seinem Ansinnen fast aus dem seelischen Gleichgewicht gebracht hätte? Natürlich hatte ich seinem Wunsch entsprochen und alle Termine abgesagt. Dieses Mal würde ich mich auch nicht aufhalten lassen, da ich wusste, wie wichtig gerade das für meinen Sohn war.
Ich entschloss mich zu seinem kleinen Versteckspiel mit dem Freund. Schließlich machte er genau das oft genug mit mir und vielen unserer Freunde.
Außerdem ahnte ich etwas – ein sagenhaftes Schwert, das auf Terra schon lange von Legenden und Sagen umwoben war – das konnte nur …
„Soweit ich weiß“, begann ich ganz harmlos, „steht mein Sohn vor seiner Prüfung zum Dagor-Meister.“
Atlan nickte, plötzlich wurde er sehr ernst. Dagor war etwas, das er mit Lebenseinstellung gleichsetzte. Schon seit seiner frühesten Jugend hatte er Michael ausgebildet, genau wie mich in der Nahkampftechnik an sich. Gut konnte ich mich noch an unzählige Trainingseinheiten zusammen erinnern. Sie hatten uns immer viel Freude gemacht.
Michael hatte sich dazu entschlossen, nicht nur in der Kampftechnik, sondern auch in der eigentlichen Dagor-Philosophie unterwiesen zu werden. Bei diesen Unterrichtsstunden war ich ausgeschlossen gewesen, das ging nur die Dagoristas etwas an.
Und nun stand er vor seiner letzten Prüfung, dem Kampf mit seinem eigenen zukünftigen Dagor-Schwert gegen seinen Meister.
Zu gut wusste ich, dass es bei diesen Prüfungskämpfen öfter Schwerverletzte oder sogar Tote gab. Man kämpfte unter realen Bedingungen mit tödlichen Waffen. Niemals fanden diese Kämpfe auf Terra statt, da sie dort dem terranischen Recht unterstanden hätten, das solche Kämpfe nicht duldete.
Daher beruhigte es mich, dass Atlan Michaels Gegner sein würde. Gegen ihn würde mein Sohn den Kampf niemals gewinnen können, aber ich konnte sicher sein, dass Michael den Kampf höchstens mit leichteren Verletzungen beenden würde. Schonen würde mein Freund ihn trotzdem nicht, darüber gab es keinen Zweifel.
„Ja, mein Freund. Und ich möchte dich gerne einladen, einer der Ehrengäste bei der anschließenden offiziellen Verleihung des Schwertes und Michaels Aufnahme in den Orden zu sein. Ich gehe davon aus, dass er sich über dein Kommen freuen wird.“
„Sicherlich.“ Ich dehnte das Spiel genüsslich noch etwas aus. Mich wunderte, dass Atlans unfehlbarer Extrasinn ihn noch nicht auf die richtige Idee gebracht hatte.
Wahrscheinlich hatte Michael seinen Entschluss spontan gefasst und sofort umgesetzt, sogar ohne seinen Lehrmeister zu informieren, was seine Bitte noch wertvoller für mich machte.
„Und da es bei allem um ein Schwert geht, nimmst du das zum Anlass, uns zu erzählen …“
Mit Absicht beendete ich den Satz nicht, sondern ließ es Atlan aussprechen, obwohl ich es schon bei der Erwähnung des Schwertes aus Mythen und Legenden geahnt hatte.
„Was es wirklich mit Excalibur auf sich hat, König Artus und den Rittern der Tafelrunde.“
Atlans rotgoldene Arkonidenaugen musterten mich aufmerksam – um einen leicht enttäuschten Ausdruck anzunehmen.
„Ist das keine Überraschung für dich?“
„Ich kann auch ein wenig denken, Arkonide. Und ich habe im Geschichtsunterricht vor langer Zeit sogar aufgepasst. Es gibt in Terras Geschichte nur ein sagenhaftes Schwert mit zahlreichen Legenden drum herum.“
„Oh … kann es sein, dass ich euch Terraner immer noch unterschätze?“
„Eigentlich kaum nachvollziehbar. So lange, wie du schon bei uns bist.“
Das Gespräch ging wieder in die altbekannte Richtung, was ich jetzt nicht wollte. Mich interessierte eine ganz andere Frage in diesem Zusammenhang.
„Sag mal, Arkonide, warum brichst du ausgerechnet jetzt dein Schweigen? Wo du es über Jahrhunderte nicht getan hast? Fängst du endlich an, die Rätsel der Geschichte offenzulegen?“
Atlans Gesicht wurde so hart und abweisend, dass ich erschrak. Diese Wendung hatte ich nicht erwartet.
„Nein. Ich bleibe weiterhin bei meiner Entscheidung. Die Herrschaften Historiker sollen sich ruhig weiterhin in ihren abenteuerlichen Spekulationen gegenseitig überbieten. Nach meiner Erzählung werden du und dein Sohn die einzigen Menschen sein, die wissen, ob König Artus und seine Tafelrunde tatsächlich existierten und wo Excalibur geblieben ist. – Und so soll auch so bleiben. Die terranische Wissenschaft wird Excalibur nicht in die Hände bekommen, so sicher ist es verwahrt, in einem Versteck, das sie niemals finden werden.“
Sein Gesicht entspannte sich wieder etwas. Ich atmete innerlich auf. Aber sein Lächeln hätte mir zu denken geben müssen, schon jetzt …
„Barbar, ich habe meine Gründe dafür. Glaube es mir. Manches sollte man im Dunkel der Zeit ruhen lassen. Es ist besser. Aber ich denke, Michael ist nun alt genug, Einiges davon zu erfahren. Und da du mein bester Freund bist …“
Wir sagten beide nichts mehr, verstanden uns auch ohne Worte.
„Du kommst?“, fragte er noch einmal. „Leider kann ich dir nicht erlauben, bei der Prüfung dabei zu sein. Du bist kein Dagorista und auch kein Ehrendiener. Bin mal gespannt, wen Michael darum gebeten hat.“
„Mich“, sagte ich nur und lächelte den Freund an.
Atlan war sichtlich überrascht. Er fing sich aber schnell wieder. Leicht legte er den Kopf schief. Diese Geste kannte ich sehr gut. Wahrscheinlich machte ihn sein Extrasinn gerade darauf aufmerksam, dass er sich das – eigentlich – schon selbst hätte denken können.
„Das freut mich sehr, kleiner Barbar.“ Sein Gesicht drückte die Freude unverhohlen aus. „Dann weiß ich dich an meiner Seite, falls ich schon während des Kampfes unter den Erzählzwang gerate. Du weißt, was zu tun ist. – Aber er ist unwahrscheinlich, hoffe ich …“
Seine letzten Worte hörten sich nicht ganz überzeugt an. Wieder stellte ich die richtige Verbindung nicht her.
Atlan hatte alles bis ins Detail vorbreitet. Anders hätte es mich auch gewundert.
Ich wollte von Anfang an den privaten Charakter der Reise betonen, besonders für mich selbst und meinen Sohn. Deshalb flog ich nicht mit dem Flottenflaggschiff CREST IV nach Quinto-Center, sondern mit meiner Privatjacht.
Was nichts daran änderte, dass auch sie über HÜ-Schirme und zwei Transformkanonen verfügte.
In dem unterirdischen Hangar des ausgehöhlten Mondes wurde ich von einem Major der USO empfangen, der leger grüßte.
Also wollte auch Atlan das Private betonen, indem er auf einen Empfang nach Salutordnung verzichtete.
Der Major führte mich in ein luxuriöses Gastquartier.
„Wenn es Ihnen recht ist, Sir, könnten Sie die vorbereitete Hypnoschulung gleich absolvieren. Danach wartet Lordadmiral Atlan auf Sie.“
„Hypnoschulung?“, fragte ich etwas verblüfft.
Der Major grinste. Da er ein Umweltangepasster von Newton war, verlieh das seinem grünen Gesicht mit den hervorquellenden Augen den Eindruck eines Frosches. Ich ließ ihn meinen Eindruck nicht spüren. Newtoner waren in der Beziehung teilweise sehr empfindlich.
„Ja, Sir. Soweit ich weiß, sollen Sie über die Abläufe einer Dagor-Prüfung im Allgemeinen und die Aufgaben eines Ehrendieners im Besonderen unterrichtet werden.“
„Ah … so. Sagen Sie mal“, ich musterte den Kolonialterraner prüfend, „weiß schon ganz Quinto-Center, was hier morgen stattfindet?“
Der Mann grinste. „Natürlich, Sir. Leider darf niemand von uns bei der Prüfung direkt dabei sein, aber die anschließende Zeremonie zur Aufnahme Ihres Sohnes in den Orden und die Überreichung seines Schwertes wird in alle Räume übertragen. Obwohl ich gerne persönlich dabei wäre.“ Er zog das Gesicht in traurige Falten. „Aber das dürfen nur die ganz hohen Offiziere …“
„Machen Sie sich nichts draus, Major. Im Festsaal wird es recht voll werden. Da haben Sie von der Übertragung viel mehr.“
„Meinen Sie, Sir?“
„Natürlich.“
Der Mann lächelte wieder.
„Was ich noch sagen wollte, Sir“, er räusperte sich, „wir alle freuen uns, dass es Ihr Sohn sein wird.“
Innerlich stöhnte ich auf. Da war er wieder, dieser Personenkult, den ich überhaupt nicht mochte, den ich sogar verabscheute. Und Michael noch viel mehr. Gerade darin lagen viele der Probleme, die er hatte. Leider hatte er noch nicht gelernt, mit der Last des Namens „Rhodan“ zu leben.
„Major, sehen Sie es doch bitte nicht auf die Person an sich bezogen. Natürlich bin ich stolz auf meinen Sohn, sehr stolz sogar. Aber Sie und Ihre Kameraden sollten viel mehr daran denken, welcher Erfolg das für die Menschen ist. Denn, wenn ich richtig informiert bin, ist mit meinem Sohn zum ersten Mal überhaupt ein Mensch so tief in die Mystik und die Philosophie des Dagor eingetaucht, dass er sich der Prüfung zum Meister stellt. Daran sollten sie nur denken!“
Für mich kam immer und zuallererst der Erfolg für die Menschheit an sich. Und ein terranischer Dagor-Meister, ein Laktrote! So dekadent die Arkoniden in der Masse auch sein mochten, es gab immer noch einige Aktive, die das Dagor als Lebenseinstellung aufrechthielten. Sie waren eine Elite, in deren Kreise nur sehr selten ein Nicht-Arkonide aufgenommen wurde.
Ich mochte nicht daran denken, was Michael bei seiner harten Ausbildung durch Atlan, einen der Großmeister des Dagor, erlebt und auch erlitten hatte. Sie sprachen gemäß dem Ehrenkodex der Dagoristas nicht darüber und ich fragte genauso wenig danach. Aber ich konnte mir so dies und das gut vorstellen.
Jedenfalls schien Michael damit zufrieden zu sein – und nur das zählte für mich.
„Wie lange wird die Hypnoschulung dauern, Major?“
„Ungefähr eine halbe Stunde, Sir.“
„Dann unterziehe ich mir ihr sofort. Danach hätte ich gerne einen Becher Kaffee.“
Der Major grinste. „Ich soll Ihnen vom Lordadmiral ausrichten, er wartet anschließend mit echtem terranischen Kaffee und Gebäck auf Sie, Sir.“
Er senkte die Stimme und fügte fast verschwörerisch hinzu: „Gebacken von seiner Sekretärin höchstpersönlich. Und den Kaffee kocht sie auch frisch, brüht ihn sogar noch mit der Hand auf.“
„Na dann.“
Ich freute mich schon jetzt darauf. Atlan hatte sich genau wie unsere anderen Freunde und ich, die schon am Ende des 20. Jahrhunderts gelebt hatten, nicht dazu entschließen können, sein Vorzimmer mit einem der allgemein üblichen Sekretärroboter zu besetzen. Wir bevorzugten altmütterliche Damen nach dem Klischeebild der tüchtigen Chefsekretärin aus dieser lange vergangenen Zeit – mit den entsprechenden Qualitäten!
Nach Abschluss der Hypnoschulung wusste ich alles über die Riten des Dagor. Wahrscheinlich wusste außer meinem Sohn, der vor seiner wichtigsten Prüfung stand und mir kaum ein Terraner von diesen Dingen. Die Nahkampftechnik an sich gehörte zum Standard in der Ausbildung der Abwehr und der USO – aber das, was ich nun wusste, war ganz anders. Vieles davon hatte Ähnlichkeit mit der Philosophie des irdischen Zen-Buddhismus. Ob das auf den Einfluss von Atlan zurückging? Ich würde ihn nicht fragen. Immer noch war mir seine Reaktion bei unserem Funkgespräch in Erinnerung.
Atlan empfing mich in seinem Chefbüro. Bei ihm war mein Sohn.
Beide verhielten sich freudig und ungezwungen. Michael strahlte über das ganze Gesicht. Ich nutzte die Gelegenheit, ihn genauer anzuschauen.
Heute wirkte er nicht ganz so jungenhaft und fröhlich, wie sonst meistens. Ein Schimmer von Nachdenklichkeit ging von ihm aus. Sein Gesicht war blass, unter seinen Augen lagen dunkle Schatten.
Jetzt wurde mir klar, warum Atlan mir die Hypnoschulung vorher „verordnet“ hatte. Sonst hätte ich unweigerlich danach gefragt und wäre meinem Sohn damit vielleicht zu nahe getreten. Michael war es immer peinlich, wenn es ihm mal nicht gut ging – was äußerst selten vorkam bei seiner stabilen Gesundheit und seiner robusten Konstitution, die er wohl von mir geerbt hatte – und man sprach ihn auf diesen Zustand an. Für ihn war es wichtig, niemandem wissen zu lassen, wie es in und mit ihm aussah und Stärke zu zeigen.
So aber wusste ich, dass er seit zwei Tagen streng am Fasten war, also nichts gegessen und auch nichts getrunken hatte. Vorher hatte er noch eine intensive Magen- und Darmreinigung über sich ergehen lassen müssen. Der zukünftige Dagor-Meister sollte frei von allem mit völlig gereinigtem Körper zu seinem wichtigsten Kampf antreten. Er sollte und musste alle körperlichen Bedürfnisse ausschließen.
Morgen, bei der Prüfung, würde er sich kaum noch auf den Beinen halten können – und musste in diesem Zustand kämpfen! Eine Willensprüfung, der nur wenige standhielten.
Michael warf nur einen kurzen Blick auf den Kaffee, den auch er so liebte. Mein erster Impuls war, ebenfalls darauf zu verzichten, genau wie auf das Gebäck. Im letzten Moment hielt ich mich zurück. Auch das gehörte schon zu Michaels Prüfung, sich beherrschen können, wenn andere tranken und aßen, während sein Magen rebellierte und der Durst immer schlimmer wurde.
Es war Atlan zu verdanken, dass eine zwanglose Unterhaltung in Gang kam. Ich selbst hätte es nicht geschafft, zu sehr litt ich mit meinem Sohn.
Das war einer der fatalen Punkte in unserer Beziehung zueinander. Jeder litt mit dem anderen, stand für ihn ein, aber trotzdem fanden wir keinen richtigen Weg zueinander, schafften es nicht, über unsere Gefühle zu sprechen. Dadurch entfernten wir uns immer weiter voneinander.
Ich schüttelte die Gedanken ab und konzentrierte mich auf Atlan. Er sprach traditionsgemäß nicht von der bevorstehenden Prüfung, sondern von dem, was danach geplant war. Scheinbar hegte er nicht den geringsten Zweifel daran, dass Michael es schaffte. Ich übrigens auch nicht.
„Ich hoffe wirklich, dass ich nicht schon während des Kampfes in den Erzählzwang gerate. Aber das glaube ich nicht. Die Gefahr besteht viel eher danach beim offiziellen Festakt.“
„Wieso, Laktrote?“, fragte Michael und senkte leicht den Kopf, als er Atlan ansprach. Seitdem mit der Reinigung seine Prüfung begonnen hatte, musste er Atlan als seinem Meister entgegentreten – und nicht als eine Art Vater und Freund.
Ich verspürte einen leichten Stich, verdrängte das Gefühl aber sofort wieder.
„Um Excalibur, von dem du uns erzählen willst, geht es dabei doch noch gar nicht. Mein Dagor-Schwert und dieses geheimnisvolle Schwert der Geschichte – dazwischen sind doch Welten!“
In diesem Augenblick, in dem Michael das aussprach, worüber ich seit dem Funkgespräch mit Atlan nachdachte, verstärkte sich meine Ahnung.
„Bestehe erst einmal deine Prüfung, junger Höhlenwilder“, grollte Atlan gegen den jungen Mann. Aber seine Augen sprachen eine andere Sprache.
Michael grinste ihn an. In diesem Moment wirkt er wieder wie ein großer Junge.
Mich ließ ein – eigentlich wahnwitziger! – Gedanke nicht wieder los.
Konnte es tatsächlich sein, dass ...
Nein, der Gedanke war einfach zu fantastisch, sogar im Zusammenhang mit Atlan!
Fortsetzung folgt ...