Band 1459 - Der Dieb von Sira-VII - ist von Marianne Sydow, erschienen am 8. August 1989
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Lee wandte sich Gucky zu.
"Wie war das denn damals mit dem Zusammenwachsen der Menschheit aus deiner Sicht? Ich meine, du hattest ja doch eher den Blick von außen. Verschwanden die Differenzen zwischen den Menschen unterschiedlicher Hautfarbe schnell oder hat das gedauert? Wie sahen sie denn dich da mittendrin?"
"Ein Berg an Fragen. Alleine zur letzten könnte ich stundenlang referieren. Aber versuchen wir es mal. Ich hatte eigentlich keine Probleme. Man betrachtete mich als das Solare Kuscheltier - nein, wirklich, den Begriff hat mal einer gedacht, vergessen hab ich den nie. Manch anderer beäugte mich zwar misstrauisch wegen meiner Fähigkeiten, aber da ich vom ersten Tag an für die Erde in Einsatz war, hielt sich das in Grenzen.
Einige Leute hatten Schwierigkeiten mit mir, wenn sie direkt vor mir standen und niemand da war, an den sie sich halten konnten. Es war schon eine sehr militaristische Zeit. Sonderoffizier war ich. Leutnant Guck. Ab und zu wurde ich befördert, ab und zu degradiert und einmal wusste ich nicht, ob ich Leutnant oder Oberleutnant war. Aber soll ich dir mal was sagen? Das war mir sowas von egal...
Deswegen störte es mich nie, wenn jemand Gucky anstatt Sir oder gar Herr Leutnant oder so zu mir zu sagte. Grade bei der soldatischen Anrede fühlte ich mich sowieso nur selten bis nie angesprochen. Wenn jemand den Sir ehrlich meinte, fühlte ich mich geehrt und ließ das mein Gegenüber wissen. Danach sagte ich ihm zumeist, er solle sich den Sir irgendwohin stecken, mein Name wäre Gucky."
"Ich wäre nie auf die Idee gekommen, eine Mickymaus wie dich mit Sir anzureden", brummelte Bully. "Hat damals sein halbes Leben damit zugebracht, immer wieder in die Bordküche zu teleportieren, um die Köche zu quälen."
"Ich wollte die nur auf die richtigen Gedanken bringen, damit sie mich armen, kleinen Mausbiber nicht vergessen. Ihr habt ja immer nur Steaks, Gulasch und sowas gefr.., na sagen wir gegessen. Da konnte ein einsamer Ilt schon unter den Tisch fallen. Außerdem könnte ich hier auf der Stelle mit dir ins nächste Restaurant teleportieren und dich bei den Schweinehälften im Kühlraum abhängen. Ha! Wollen wir doch mal sehen!"
Bully stand auf und machte einen auf entsetzt.
"Und sowas will zivilisiert sein. Wurde die Besatzung dieses Schiffes damals eigentlich informiert, als du dich verkalkuliert hattest und mitten in der Erbsensuppe gelandet warst? Wussten die Kameraden von ihrer ganz speziellen Fleischeinlage?"
Lee lachte, winkte aber in die Runde.
"Hallo - Newengland an Universum. Seid nett zueinander!"
"Äääh...", machte Gucky. "Das sind wir doch. Du solltest uns mal erleben, wenn wir wirklich einen dicken Hals aufeinander haben."
Gucky stand auf, machte ein formvollendete Verbeugung vor Lee und sagte: "Der Wunsch einer einzelnen Dame ist mir selbstverständlich Befehl. Siehst du, Dicker, so macht man das. Benimm ist alles. Solltest du dir mal merken!
Aber zurück um Thema. Mit mir ging das im Großen und Ganzen, wenn es auch zu Beginn manchmal ziemlich zäh war. Aber ich habe sie mir schon erzogen, glaub mir das!"
Wenn Lee Gucky eins glaubte, dann diesen Satz. Der Einfluss des Mausbibers, das war mittlerweile ihre felsenfeste Meinung, konnte nicht hoch genug eingeschätzt werden. Sie wollte gar nicht wissen, wie sich die Menschheit ohne den Kleinen entwickelt hätte.
"Ich denke", hörte sie den Ilt das Gespräch wieder aufnehmen, "wir machen hier einen Schnitt und zunächst mit unserer Geschichte weiter. Deine Fragen sind zu umfassend, um sie mit wenigen Worten zu klären. Einverstanden?"
Lee nickte.
"Machst du weiter?", fragte Gucky seinen terranischen Kumpel.
Der nickte ebenfalls. "Ja, klar!", sagte er und führte seine Gefährten wieder zum Siragusa Black Hole, dem Ort der Katastrophe.
"Wie kann man denn so etwas machen?" Lee war fassungslos. "Wenn ich doch zu den paar Glücklichen gehöre, die so ein Ding ihr Eigen nennen, spiele ich doch nicht mit meinem Leben, indem ich es in meiner Kabine in die Schublade lege. Unsterblichkeit, kann ich mir vorstellen, löst Gier aus."
Gucky zeigte nach hinten, wo Atlan und John Talbot nach wie vor in Diskussionen vertieft waren.
"Atlan könnte dir ein Lied davon singen. Nur hat man ihm den ZA ein paarmal vom Leib geklaut und er musste sehen, dass er ihn wiederkriegte. Einmal auf der Erde hat er ihn sogar verschluckt. Ich glaube, das war bei den alten Römern. Er hat sich das Ding bei lebendigem Leib herausoperieren lassen und eine wunderschöne Narbe zurückbehalten.
Nein. Der Zellaktivator", Gucky zeigte auf seine linke Schulter, "ist unser Leben. Damit spielt man nicht. Aber er ist auch unsere Verantwortung. Wir haben die Dinger nicht erhalten, um uns einen guten Lenz zu machen, sondern um unseren Auftrag zu erfüllen. Und der heißt in erster Linie Frieden schaffen und möglichst erhalten. Dem ist alles andere unterzuordnen. Auch eigene Spielereien."
Reginald Bull nickte bestätigend. "Besser hätte ich es nicht ausdrücken können, sagte er.
Nikki Frickel. Der Albtraum meiner schlaflosen Nächte. Irgendwann war sie da. Die PP meint dazu, in Band 1058 begegnete sie als Beiboot - Kommandantin Perry Rhodan. Ich konnte sie vom ersten Tag an nicht leiden und sie war fortan dauerpräsent. Sie verschwand einfach nicht und überlebte auch noch alles Mögliche und Unmögliche.
Ich erinnere mich noch daran, wie ich vor ein paar Jahrzehnten die Perseus - Katastrophe zum ersten Mal erlebte und Nikki Frickel mitsamt ihrem Raumschiff augenscheinlich den Weg alles irdischen gehen musste. Mein Entsetzen war sehr groß, dass ausgerechnet sie ein paar Bände später die einzige Überlebende der zerstörten Schiffe war. Ich hatte die Befürchtung, dass wir die nie mehr los würden. Nun gut, ich durfte noch bis Band 1599 warten, bis ES ihr die Unsterblichkeit versagte und sie (endlich, endlich) aus der Serie ausschied.
Aber immerhin kann ich seitdem verstehen, dass es Mitlesende gibt, die mit Gestalten wie Don Redhorse nichts anfangen können. Die Geschmäcker sind eben verschieden und das hier ist nur meine ureigene und nichtswürdige Meinung. Es soll ja sogar Leute geben, denen sie sympathisch war.
:D :D
Der Roman selber hat mir gut gefallen. MS war eben die richtige Autorin zum Umgang mit Dao-Lin-H'ay. Ich kann mich bei ihren Romanen eigentlich fast immer gut in die Psyche der Kartanin hineinversetzen und ihre Handlungen nachvollziehen. Auch die Trennung von ihren Kameradinnen der MARA-DAO ist gut rübergekommen.
Der Roman enthielt mit Ellerts Bericht über Gesil ein schönes Bonbon, dessen Verpackung sicherlich in nicht allzu ferner Zukunft geöffnet wird. Irmina wurde der ZA gestohlen (selber schuld). Das Unsterblichensterben (tolle Wortkonstruktion damals) ging zwar noch nicht sofort weiter, aber der Weg war unverkennbar.
Band 1460 - Ellerts Botschaft- ist von Arndt Ellmer, erschienen am 15. August 1989
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John Talbot war immer noch nicht weiter gekommen mit seiner Entscheidung, ob er nun kandidieren solle. Er tendierte ja in die Richtung, aber nachdem Atlan ihm in den schillerndsten Farben ausgemalt hatte, was Regierungschefs so alles bevorstehen könnte, musste man schon ein ziemlich stabiles Gemüt haben.
Der Arkonide lachte und klopfte ihm auf die Schulter. "Du brauchst ein gutes Team, dann kannst du Welten verändern. Und allen Unkenrufen zum Trotz - die Demokratie ist vielleicht nicht optimal, aber sie ist, wie es mal jemand ausgedrückt hatte, die am wenigsten schlechte aller Regierungsformen. So gut wie überall sonst fehlt dir die Legitimation zum Regierungschef. Hier hast du sie. Die Basis für deine Arbeit findest du sowieso nur zu Hause. Bei deiner Familie, die zu dir hält, dich zwischendurch mal auf andere Gedanken bringt und dir die notwendige Kraft gibt."
Während John noch dabei war, die letzte Gesprächsstunde zu verdauen, erhielt er einen leichten Schlag auf linken Oberarm und er sah Atlan in Richtung der anderen Drei blicken, also wandte er sich ebenfalls um. Gucky war grade auf einen Felsbrocken neben Reginald Bull teleportiert und schaute mit gewichtiger Mine auf denselben hinab.
"Schüler Reginald Bull", piepste mit gestrengem Blick und erhobenem Zeigefinger, "nenne mir die Problemfelder beim Zusammenwachsen der Menschheit zu Beginn des Raumfahrtzeitalters!"
Bully sprang auf, nahm ein Art militärischer Grundhaltung ein und schrie: "Jawoll, Herr Lehrer! Block eins: Die verschiedenen Hautfarben der Menschen der Erde samt ihrer Herkunftsorte. Block zwei: Arm und Reich. Block drei: Menschen mit Psi - Fähigkeiten. Block vier: Menschenähnliche Außerirdische. Block fünf mit den Außerirdischen fremden Aussehens! Mehr fallen mir nicht ein, das dürften sie sein, Herr Lehrer! Wobei ich anmerken darf, dass die arkonidische Technik half, die Unterschiede aus Block zwei sehr schnell zu beseitigen."
"Das hast du sehr schön gemacht, Schüler Reginald. Dafür gibt es eine gute Note!"
Reginald Bull setzte sich wieder hin tat so, als wäre nichts gewesen. "Seht ihr", meinte Gucky zu Lee und John, "da soll mir mal einer sagen, ich hätte sie nicht gut erzogen. Im Zweifelsfall hörten sie auf Pfiff. Nur bei dem ollen Arkoniden klappt das die halbe Zeit nicht. Unser Vorzeige - Imperator bildet sich nämlich manchmal ein, was Besseres zu sein. Womit wir wieder beim Thema wären."
Der Ilt wandte sich wieder Lee zu.
"Fangen wir mit arm und reich an. Dieses Thema hatte sich in der Tat nach ein bis zwei Jahrzehnten so gut wie erledigt. Die für die Menschen neue und extrem fortgeschrittene arkonidische Technik sorgte für einen heftigen wirtschaftlichen Aufschwung und die alten Dreckslöcher, in denen arme Teufel zum Teil hausen mussten, gehörten relativ schnell der Vergangenheit an. Das wiederum führte dazu, dass die alten weißen Männer, die anderswo noch das Sagen hatten, ihre Nase nicht mehr so hoch tragen konnten und sich alles anglich. Egal, wo die Menschen herkamen und wie sie aussahen. Das alles lief im Übrigen mehr oder weniger von alleine und im Großen und Ganzen ohne das Dazutun von unseren Großkopferten hier."
Er zeigte auf Atlan und Bull.
"Das ist jetzt aber kein alleiniges Problem der Menschen. Bei fremden Völkern tritt das genauso auf. Für dich sehen sie alle gleich aus, nur bei einigen Wenigen ist zum Beispiel das Hörorgan rot umrandet und bei anderen nicht. Und die eine Seite wird zu Unterdrückern. Dann stehst du kopfschüttelnd daneben und denkst, die haben sie ja nicht mehr alle. Man hatte sogar mal Roboter auf einer unbewohnten Welt ausgesetzt. Einfach, um zu sehen, was passiert. Ein paar Jahrzehnte später kam man wieder und sah sich das Ergebnis an. Die Hälfte der Blechköppe war blau, die andere grün. Und tatsächlich hatte eine Gruppe die andere unterjocht. Unvorstellbar. Letztlich ist es genau das Gleiche, wie es sich damals auf der Erde abgespielt haben muss. Passend dazu gab es früher Thesen von Herrenrassen, da fällt dir gar nichts mehr ein."
Lee fühlte sich auf einmal von Gucky sehr angeguckt.
"Ihr seid schon ein seltsamer Verein, ihr Menschen. Aber", er hob wieder den Zeigefinger an, "wenn man sich ein bisschen Mühe mit euch gibt, hat man Chancen, das Gros zu vernünftigen Wesen zu erziehen. Das funktioniert natürlich nicht überall." Der Seitenblick auf Bully war unvermeidlich.
"Ich hätte dich eben früher mal öfters übers Knie legen sollen, anstatt dich stundenlang zu kraulen. Dann wären dir solche Flausen beizeiten ausgetrieben worden. Jetzt ist es zu spät und wir müssen mit dem Ergebnis klarkommen."
Ein gutgelaunter Gucky sah Lee an. "Ab und zu hat der Dicke gute Ideen", proklamierte er und setzte sich in Position. "Meine Liebe, du bist die nächste Zeit beschäftigt." Die Angesprochene ergab sich in ihr Schicksal und kraulte Gucky den Nacken.
Der Ilt nickte nun gönnerhaft in Richtung des Arkoniden. "Du bist dran, Alterchen. Wir haben Pause."
Atlan nickte und setzte sich mit John zusammen zu den anderen, wobei Letzterer froh war, sich gedanklich mal mit anderen Dingen beschäftigen zu können.
"Wir mussten mit unserer Niederlage fertig werden", begann der Weißhaarige seine Story, "und ganz langsam mal mit anderen Ideen in die Gänge kommen."
"Da habt ihr tatsächlich diesen Kristall öffnen können und dann? Ihr wart so schlau wie vorher", fasste John das Gehörte zusammen. "Ich meine, wir sind ja jetzt deutlich über der Hälfte eurer hundert angedachten einzelnen Erzählungen. Wo standet ihr denn da wissensmäßig? Gut, ihr hattet den Chronopulswall überwunden und konntet mehr oder weniger mit ein paar Schiffen fliegen, wie und wohin ihr wolltet.
Ein militärischer Sieg war undenkbar. Dieser Monos war eine völlig unbekannte Nummer und wenn ihr mal eines Cantaro habhaft wurdet, explodierte der. Oder sehe ich das falsch?"
"Völlig korrekt", erwiderte Reginald Bull. "Die entscheidenden Faktoren waren uns völlig unklar. Es war und blieb nebulös."
Genau. Nebulös ist mein Gefühl nach dem Lesen dieses Romans. Für unsere Freunde kommen die nächsten Rückschläge gleich im Mehrfachpack. Die Cantaro lassen sich nicht einfangen, sie explodieren im Falle eines Falles. Uns Perry kann doch geortet werden und die Botschaft von Ernst Ellert ist (wie eigentlich zu erwarten) auch nicht sonderlich zielführend.
Der Zyklus besteht noch aus 40 Bänden. Sicherlich, man ist mittlerweile innerhalb und außerhalb der Milchstraße unterwegs, hat beste Kontakte zu WIDDER und den Freihändlern, aber mehr als Nadelstiche können Rhodan und Co den Gegnern nicht beibringen. Rein theoretisch müsste also ganz langsam mal was passieren.
Denn zwischendurch gibts ja auch noch was auf die Mütze. Die Katastrophe am Perseus Black-Hole. Pedrass Foch mit seiner NARVENNE. Okay, mit Tiff und seinen Leuten samt dreier Schiffe kehrt Erfahrung wider Erwarten zurück. Und: Er bringt das Grüppchen Anoree nicht umsonst mit. Mal sehen, was die auf die Füße stellen.
Da ein militärischer Sieg gegen eine in Jahrhunderten angepasste und umgekrempelte Milchstraße nicht möglich ist, fixiert man sich auf die Person, der man jetzt einen Namen gegeben hat: Monos. Perrys höchst persönlicher Erzfeind. Aber Anlass zur Hoffnung? Bis jetzt eher nicht.
Der Roman hat mich nicht vom Hocker gehauen. Für mich zog er sich etwas zäh mit vielen angefangenen Dingen. AE lässt uns mit dem Stichwort Amagorta alleine. Das könnte eines der nächsten Ziele werden, um dann endlich dahinter zu kommen, was in der Vergangenheit passiert ist. Hoffentlich mit etwas mehr Dampf als in diesem Band, es würde mich freuen. Bei einer Benotung käme dieser Band mit Inhalt und Schreibweise bei mir nicht höher als ausreichend.
Vielleicht ist meine Neugierde aber einfach nur zu groß (so als aahlen Büggel, der ich mittlerweile bin) und ich bin einfach nur zu ungeduldig...
Band 1461 - Der Friedenssprecher - ist von Peter Griese, erschienen am 22. August 1989
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"Die alten Römer waren, was Hautfarben anging, moderner als die Menschheit des mittleren 20. Jahrhunderts alter Zeitrechnung", erklärte Atlan, als man wieder auf das Eingangsthema zu sprechen kam. "Die Römer begeisterten sich für zwei Dinge: Ist die Gegend, wo diese Menschen leben, für uns von Interesse und zum Zweiten: Kann man sie möglichst ohne großen Aufwand erobern. Ob die Leute, die dort lebten, groß, klein, schwarz oder weiß waren, war für sie zweitrangig. Sie kannten sowieso nur einen achtenswerten Menschenschlag: Sich selber. Alle anderen taugten im Zweifelsfall höchstens als Sklaven oder Gladiatoren. Gut, es gab Provinzen, die Rom so was ähnliches wie anerkannten, die durften dann eine weitgehende innere Autonomie erhalten, aber wehe, wenn nicht. Mit der Hautfarbe hatte das nichts zu tun. Das Zauberwort hieß Macht."
"Ich habe mir sagen lassen", sagte Gucky dazu, "die alten Arkoniden wären so ähnlich gewesen. Sie selber waren das Heil der Milchstraße, alle anderen mussten kuschen. Das hatte ja auch nicht unbedingt etwas mit dem Aussehen zu tun, sondern eher mit der Herkunft."
"Ja", bestätigte Atlan. "Zu Zeiten des Prinzipats, also der frühen und hohen römischen Kaiserzeit unterschieden sich Rom und Arkon nur marginal. Es gab Imperatoren, die per se die volle Macht über alles hatten, dafür aber keine Garantie bekamen, lange zu leben. Im alten Rom gab es in einem Jahr mal drei bis vier Kaiser, der Erste starb normal, die anderen wurden umgebracht. Das haben meine Leute auch hingekriegt. Locker. Gegen Ende sind sie beide über ihre schiere Größe gestolpert, zerfallen oder in Degeneration versunken. Ihr seht also, es gibt durchaus Parallelen in unserer Geschichte. Mein Extrasinn meinte dazu, das wäre absolut kein Wunder, wir hätten ja die gleichen Vorfahren. Und das würde zu vergleichbarer Narretei mit ähnlichen Ergebnissen führen. Die Verwandtschaft lässt sich also nicht leugnen."
"Im Übrigen", ergänzte der Arkonide noch in Richtung John Talbot, "ist die Quote der ermordeten Regierungschefs bei funktionierenden Demokratien wesentlich niedriger als bei zentralistischen Kaiserreichen oder Diktaturen. Insofern kann ich dich also beruhigen. Du würdest es überleben."
Bevor dieser etwas hierauf erwidern konnte, holte Bull tief Luft und erläuterte die im Laufe von Jahrhunderten auf der Erde entstandene Gesellschaft. "Oben waren die Weißen, die Guten, die Intelligenten, die zum Herrschen Geborenen. Tief darunter waren alle anderen. Aber auch unter den Weißen gab es Abstufungen. Unterm Strich gab es ein paar wenige, die etwas zu sagen hatten und alle anderen mussten sich fügen. Und wenn zusätzlich die Hautfarbe nicht stimmte, oder von mir aus wahlweise die Herkunft, die Religion, das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung, war man unten. Je andersartiger, desto tiefer."
Er sah Lee an. "Du hast Recht. Es war eine barbarische Zeit. Heute ist es zum Glück anders." Sein Blick ging weiter in Richtung Gucky. "Du hast das vielleicht nicht so ganz mitbekommen, weil du zu sehr mit dir selber beschäftigt warst. Außerdem hast du die Menschheit zumeist nur in Galacto City, dem späteren Terrania, erlebt. Da hatten wir schon einen Blick auf die Häupter unserer Leute. Wer bei uns schräg agierte, durfte seine Koffer packen."
Gucky nickte und stimmte Reginald Bull zu. "Bis absolute Gleichberechtigung herrschte, hat es in der Tat ein paar Jahrzehnte gedauert. Es ging Hand in Hand mit der Abnahme der Armut und der Zunahme der Bedeutung der Solaren Flotte. Denn da kam keiner rein, der sie nicht alle auf der Pfanne hatte. Zumindest habt ihr euch Mühe gegeben, das muss man anerkennen."
Er blickte in die Runde. "Rückschläge gab es immer wieder mal. In Perrys Heimat Nordamerika gab es zu Beginn des 21. Jahrhundert doch mal diesen Komiker, der die Zeit 200 Jahre zurückdrehen wollte und ständig auf den Putz haute. Ich hab den Namen von dieser Figur vergessen, aber der wars einfach nicht wert, im Gedächtnis zu bleiben. Zum Glück sind die Menschen, was dieses Thema angeht, schlauer geworden. Sie haben ja mich armen, kleinen Mausbiber auch akzeptiert."
John grinste. "So wie ich dich kennengelernt habe, wäre es ihnen auch nicht gut bekommen, wenn sie dich gedeckelt hätten. Du hättest sie schon Mores gelehrt."
"Selbstredent", äußerte sich Gucky voller Inbrunst. "Ich hätte sie allesamt über Töpfen voller Erbsensuppe kreisen lassen, wie unseren König Dickbauch hier neben mir. Ein Ende als Fleischeinlage wäre ihnen sicher gewesen."
"Euch ist klar, dass ich das alles aufnehme?" fragte Lee.
Gucky stand auf und richtet sich zu seiner vollen Größe von einem Meter irgendwas auf. "Aber natürlich, meine Liebe. Dann wird der bäuerlichen Landbevölkerung von Newengland endlich klar, mit wem sie es mit meiner Person zu tun hat. Das alleine wird deiner Welt Auftrieb geben."
"Ich denke", sagte Atlan. "Wir kommen dem Hauptzweck unseres Hierseins nach und erzählen den nächsten Teil. Kleiner?"
"Der Hauptzweck meiner Gegenwart auf dieser schönen Welt ist Urlaub. Weil ich Raumschiffe und Metallplastik einfach mal satt war. Was ihr hier wollt, ist mir völlig unklar. Zuerst ist mir diese reizende Dame zugelaufen und sollte auf mich aufpassen." Er zeigte auf Lee. "Auf mich. Man stelle sich das mal vor. Als ob ich jemals wo auch immer Blödsinn angestellt hätte. Dann tauchte Bully auf und danach der Rest. Und mit meiner Ruhe ist es vorbei. Und mit meinem Urlaub auch. Aber was tut man nicht alles für seine Freunde...
Nun gut. Dann wollen wir mal. Unsere drei Anoree konnten nach wie vor nicht verstehen, dass die Cantaro, die ja immerhin so etwas wie ihr Fleisch und Blut waren, dermaßen entarten konnten und so installierten sie die Friedenssprecher."
"Man glaubt es kaum", meinte Lee in die Runde. "So ganz langsam aber sicher passiert mal was. Friedenssprecher wie hoffentlich lieblicher werdende Cantaro. Das sind doch grundsätzlich positive Aussichten. Aber ohne die geneigten Zuhörer mit Begriffen wie Amagorta ungeklärte Schmankerl zu erfreuen, schafft ihr es nicht, wie?"
"Man muss euch ja bei Laune halten, sonst führt das ja nicht weiter", meinte Gucky und ließ sich weiter den Nacken kraulen.
Nachdem ich das letzte Mal das Gefühl hatte, dass nichts bis nicht viel passiert, scheint es mit Band 1461 endlich Fortschritte zu geben. Zwar nur in wenigen Sätzen am Ende des Romans, aber der Mensch freut sich. Des Weiteren scheint Monos die Spur zu Rhodan verloren zu haben. Immerhin hat er ihn auf zwei Welten nicht direkt gefunden. Der Agent aus dem Transportschiff war nämlich nur deswegen misstrauisch geworden, weil der vermeintliche Springer zu sehr auf den Putz gehauen hatte.
Der Leserschaft wurde ergänzend mit Stichworten wie Amagorta übermittelt, dass doch noch eine Chance auf komplette Klärung der ganzen Geschichte besteht.
Peter Grieses Roman war zweigeteilt: In der ersten Hälfte drehte es sich im Großen und Ganzen um den Aufbau der Friedenssprecher und Rhodans Bedenken, ob das denn überhaupt zu Ergebnissen führt. Im zweiten Teil macht er als Kunst verkaufender Springer Maske und lässt ziemlich die Sau raus. Leider reichten aus meiner Sicht die 50% Roman nicht ganz aus, um die Story so richtig lebendig wirken zu lassen. Schade eigentlich. Vielleicht wäre es besser gewesen, den ersten Teil wie auch immer in einem der Vorbände unterzubringen. Dann hätte PG mit dem angeblichen Kunsthändler mehr Raum gehabt.
Aber auch so war es ein lebendiger und guter Roman, der sich vortrefflich lesen ließ. Aus meiner Sicht käme hier eine gute Bewertung zu Stande.
Band 1462 - Operation Brutwelt - ist von Robert Feldhoff, erschienen am 29. August 1989
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"Tja", meinte Gucky. "Und dann waren da noch die, die etwas mehr konnten als die Anderen. Die mit den PSI - Fähigkeiten. Aber hier reden wir ausnahmsweise mal nicht über mich. Ich bin sozusagen nichts anderes als ein zugelaufener Ilt. Ich rede von euch. Von Menschen."
"Wie kam es eigentlich zu diesem damaligen geballten Auftreten der PSI - Begabten?" wollte Lee wissen. "Ich sag nicht gerne Mutant, das ist bei uns negativ belegt. Ich finde, unsere Bezeichnung hört sich besser an."
"Da gehen wir in die präastronautische Zeit zurück", antwortete Bull. "Irgendwann gegen Ende des 19. Jahrhunderts alter Zeitrechnung entdeckte man die Radioaktivität, also die Eigenschaft instabiler Atomkerne, spontan ionisierende Strahlung auszusenden. Das führt dazu, dass sich der Atomkern im Laufe der Zeit verändert und in ein anderes Element verwandelt. Man war dem war kaum auf dem Umweg über die Röntgenstrahlung auf die Spur gekommen, als jemand feststellte, dass Uran auch ohne vorherige Belichtung fotografische Platten schwärzte. Radium wurde entdeckt und dieses strahlende Element war sozusagen der Vater des Begriffes Radioaktivität. Als man dann herausfand, was man da entdeckt hatte und dass die so festgestellte Strahlung gefährlich, ja sogar tödlich sein kann oder das Erbgut verändert, dauerte es natürlich nicht lange, bis jemand darüber nachdachte, eine entsprechende Bombe zu konstruieren. Das war nun nicht ganz so einfach, aber im letzten großen planetarischen Krieg war es soweit. Meine Landsleute hatten das Rennen gegen die Nazis gewonnen, einen extremen Herrenrassenverein, der diesen Krieg angezettelt hatte. Little Boy und Fat Man hießen die zum Glück einzigen Bomben, die je von Menschen gegen andere Menschen eingesetzt wurde.
Am 6. August 1945 um 08.15 Uhr explodierte Little Boy über der japanischen Stadt Hiroshima und ein paar Tage später war Fat Man bei Nagasaki an der Reihe und der Krieg war zu Ende."
Bull musste tief Luft holen. Er wusste, wie knapp die Menschheit ein paar Jahre später der drohenden atomaren Vernichtung entgangen war. Ohne das arkonidische Raumschiff auf dem Mond wäre die Erde jetzt wohl immer noch ein stark strahlender Schlackehaufen irgendwo im Orionarm der Milchstraße.
"Ihr, also entschuldige bitte, natürlich nicht du selber, habt also diese atomare Bombe auf der Erde eingesetzt. Das Ergebnis war wohl ein paar hunderttausend Tote und auf Jahre hinaus verseuchte Gebiete", mutmaßte John. Er schüttelte den Kopf. Barbarisch, murmelte er.
"Ja. Und das war noch nicht alles. Die Amerikaner, also meine Landsleute, die sich für die Bewohner von Gods Own Country hielten, hatten nichts kapiert. Gar nichts. Entweder ignorierten sie die Gefahr oder sie waren endverblödet. Sei setzten beispielsweise bei Truppenversuchen Soldaten in der Nähe von Testexplosionen ab. Die Kameraden wussten von nichts. Man hatte ihnen lediglich gesagt, die sollten die Augen vor der Helligkeit mit den Händen schützen. Die Hitzewelle führte zu Verbrennungen, die folgende Druckwelle schleuderte sie von ihren Plätzen weg und hinterließ Knochenbrüche und jede Menge Prellungen. Von den psychischen Folgen will ich gar nicht erst reden. Sie alle sind an den Langzeitfolgen gestorben."
Bull starrte in die Luft und nahm einen größeren Schluck Whisky. Er schüttelte den Kopf und die Gefährten sahen, dass er im Moment in einer anderen Welt gefangen war und nicht mehr weitersprechen wollte.
Atlan blickte John Talbot in die Augen und sagte zu ihm: "Wohlgemerkt, der amerikanische Staat war eine Demokratie. Fass das Gehörte als Lehrstunde auf. Dann weißt du im Falle eines derzeit noch sehr theoretischen Wahlgewinns, was du darfst und was du nicht darfst. Pass auf mit einem Aufbruch eurer Isolierung. Wenn du da nicht vorsichtig genug bist, kann das in einer Katastrophe enden.
Aber zurück zum Thema. An mir ist diese ganze Geschichte vorbeigegangen. Ich lag in meiner Station im Tiefschlaf, weil ich das Schlimmste befürchtete. Als ich wieder erwachte, trieb ein gewisser Perry Rhodan sein Unwesen und ich dachte ich müsste ihm erklären, wo es längs geht."
Der Arkonide grinste.
"Es ist ja nicht so, dass das heutzutage anders ist. Ab und zu muss man sogar einen Perry Rhodan bremsen. Gucky kann das bestätigen."
Der Ilt nickte.
"Nun gut", fuhr Atlan fort, "das ist eine andere Geschichte. Warum hat Bully das erzählt? Die beiden Atomexplosionen in 1945 und wahrscheinlich auch noch ein paar dieser schrägen Tests in den Jahren danach führten auf der ganzen Erde zu einer Zunahme der Strahlenbelastung und bei einigen Menschen zu einer Veränderung des Erbguts. Deren Kinder sahen im Regelfall zwar körperlich völlig normal aus, aber eine gewisse Anzahl von Personen hatten auf Grund dieser Veränderungen, die man eben auch Mutationen nennt, besondere Fähigkeiten. Es gibt positive und negative Mutationen, sprich Weiterentwicklungen. Ohne solche Veränderungen gäbe es im Universum nur Einzeller. Mehrzeller würden einfach nicht entstehen. Damals auf Terra überwogen die positiven Mutationen, daher nannte man die Menschen mit diesen besonderen Fähigkeiten Mutanten. Dieser Begriff soll keine Auf- oder Abwertung dieser Personen darstellen, er ist einfach Fakt. Die Betroffenen entwickelten übersinnliche Fähigkeiten. Perry und Bully als erste Führungspersönlichkeiten Terras sammelten sie damals um sich herum, um sich mit ihren Fähigkeiten gegenüber interstellar ausgelösten Begehrlichkeiten zu wehren. Ich gehe davon aus, dass die Menschheit vergangener Tage ohne unsere Freunde nicht so erfolgreich geworden wäre. Da hätten Perry und Bully oder später auch ich noch dazu nicht allzu viel bewirken können."
Er blickte Gucky an. "Für dich alleine wäre es zuviel gewesen. Sogar du konntest nur an einer Front kämpfen. Nein, die Erde wäre längst Geschichte ohne sie, die Mutanten. Und wir allesamt säßen auch nicht hier."
Atlan lehnte sich zurück, sein Rücken ruhte an einem Felsblock.
"Du hast noch gar nichts gesagt", meinte er zu Gucky. "Wie wäre es denn so?"
Der Ilt seufzte. "Immer auf die armen, kleinen."
"Der Kontext ist falsch. Es muss arme, kleine Dicke heißen", kam es von links neben ihm. "Sieh es positiv." Anscheinend war Bully wieder munter. "Das Gehirn verbraucht die größte Menge der dem Körper zur Verfügung stehenden Energie. Wer redet, denkt dabei. Nun gut, nicht immer, aber meistens. Denken führt also zu höherem Energieverbrauch und der ist gut gegen zu umfangreiche Ilt - Bäuche."
"Kaltes Wasser soll da Wunder wirken!" giftet der Ilt zurück, hob den Terraner telekinetisch an und ließ ihn 20 Meter weiter nach hinten schweben. Genau über dem Bach ließ er ihn ins Wasser fallen. Dann setzte er den liebsten Mausbiberblick auf. zu dem er fähig war und tat so, als könne er kein Wässerchen trüben.
"Die Geschichte ging nämlich folgendermaßen weiter", begann er.
"Das sieht ja mal ganz vernünftig aus", meinte Lee. "Aber ich mutmaße mal, dass ihr Yttalar findet, aber kurz bevor er etwas sagt, stirbt er entweder oder die nächste Geschichte ist grade dann zu Ende, wenn er den Mund aufmacht. Und dann suchen wir die Basis. Oder wen oder was auch immer."
"Wenn alle Menschen so pessimistisch wären wie du", piepste Gucky empört, "wären wir nie bis hier hingekommen."
Der Roman fängt mit einer Aufzeichnung vom Degruum, dem Anoree an. In faszinierend geschriebener Art und Weise, wie man es von Robert Feldhoff gewohnt ist. Leider war das nur eine Seite. Danach ist Harold Nyman an der Reihe und meine Begeisterung lässt umgehend nach.
Jetzt sollte man Romane möglichst am Stück lesen und nicht dann, wenn man sowieso kaum Zeit hat. Leider habe ich hier diesen Fehler gemacht, weil ich weiterkommen wollte. Das führte natürlich dazu, dass die komplette Handlung auf mich total verzettelt wirkte. Hier ein bisschen, da ein wenig, von jedem etwas und von allem nichts.
Total daneben war für mich ein Vorschlag der Anoree, bei dem Gucky an Bord einer bewaffneten Einheit der Cantaro springen sollte, um dort einen Waffencomputer umzuschalten. Das präparierte Schiff schießt um sich und vernichtet ein Brutschiff. Natürlich lehnt unser größter aller großen Meister diesen Vorschlag ab. Es steht ja zu befürchten, dass nicht nur das manipulierte Schiff um sich schießt, sondern noch eine Menge andere. Letztlich, so stellt Harold Nyman fest, gäbe das ein Gemetzel. Man habe das nicht bedacht, entschuldigen sich die Anoree.
So ein Plan passt nicht zu diesen Wesen. Vielleicht lags doch nicht daran, dass ich Band 1462 nicht zusammenhängend gelesen habe.
Band 1463 - Geburt eines Cantaro - ist vom Ernst Vlceck, erschienen am 5. September 1989
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"Radioaktivität führt also zur Ausprägung von Psi - Aktivitäten? Das kann ich mich nicht vorstellen.“ John Talbot war skeptisch. „Da muss doch vorher schon eine latente Begabung bei den Eltern bestanden haben. Andernfalls hätte man doch sicherlich eine verfeinerte Technik entwickelt, um derlei auch in späteren Zeiten zu garantieren. Habt ihr die Probanden und ihre Eltern denn gentechnisch untersucht?"
"Wir hatten dummerweise anderes zu tun. Einsätze an allen Fronten. Individualverformer, Springer und alle möglichen Leute wollten uns an den Kragen. Da bliebt für sowas keine Zeit", erwiderte Reginald Bull. "Als wir später auf diese Idee kamen, waren die Eltern natürlich alle verstorben. Die Untersuchungen der Mutanten sowie von weitläufigen Verwandten brachten nichts ein. Was aber für diese These spricht, ist die Tatsache, dass die meisten Psi - Begabungen bei Menschen auftraten, die aus Japan stammten und nach Hiroshima und Nagasaki geboren wurden. Die heutige einhellige wissenschaftliche Meinung ist, dass die parapsychischen Fähigkeiten auf Grund spontan aufgetretener Veränderungen im Erbgut der Eltern auf Grund des radioaktiven Niederschlags auftraten."
"Hm. Das heißt aber doch, dass ich eine bestimmte Menge Lebewesen nur mit radioaktiver Strahlung zu bestreichen brauche, schon habe ich eine Generation später eine gewisse Anzahl psibegabter Wesen. Okay, ich weiß, das wäre barbarisch und extrem gefährlich, aber die theoretische Möglichkeit für Verbrechersyndikate besteht doch."
"Kennst du die Geschichte von dem Zauberlehrling, der die Kräfte, die er rief, nicht mehr loswurde?" fragte Atlan. "So einfach ist das nicht. Denn zum einen trägt so gut wie jeder ein Messgerät für alle möglichen und unmöglichen Strahlungen am Handgelenk", er hielt seinen rechten Arm mit dem Chrono hoch, "zum anderen dürfte es relativ schnell Probleme für die Übeltäter geben. Irgendwer würde merken, was da passiert und es schaffen, eine Nachricht an zivilisiertere Leute schicken und der Spuk wäre vorbei. Außerdem ist die Gefahr groß, dass sich die auf diesem Weg entstandenen, ich sag mal, Zuchtmutanten beizeiten gegen ihre Erschaffer wenden. Natürlich ist da an diversen Ecken herumexperimentiert worden, aber größtenteils erfolglos."
Der Arkonide neigte sich vor und sah seine Gegenüber an.
"Es gab mal die These, dass die Mutationen nichts mit der Radioaktivität zu tun gehabt hätten. Die besagte, dass dergleichen stets und ständig bei großen technischen und gesellschaftlichen Verwerfungen aufgetreten wären. Das ist meines Erachtens aber nicht haltbar. Kriege und technische Neuentwicklungen gab es immer und wird es immer geben. Zudem sind in all den Jahren danach keine größeren Mengen an Psi - Begabungen aufgetreten, wenn man von den Monochrom - Mutanten mal absieht. Aber die waren wirklich das Ergebnis eines Experiments unseres besonderen Freundes Monos. Ich kann also der "Verwerfungsthese" nicht folgen. Warum sind dann so viele Mutanten ausgerechnet in Japan geboren worden? Das ist der Grund, warum die Geschichte mit der Radioaktivität Einzug in die Geschichtsbücher gefunden hat."
"Man weiß eben nie, oh großer Häuptling Weißhaar", piepste eine Stimme aus dem Hintergrund, "wer bei diesen Terranern seine Finger mit im Spiel hatte. Perry wurde doch zum Beispiel als kleiner Junge schon von seiner Lieblings - Superintelligenz ausgesucht. Vielleicht hatte die auch beim Thema Psi an irgendwelchen Knöpfen gedreht."
"Das ist natürlich ein Totschlag - Argument", Atlan grinste. "Aber du hast Recht. Man muss einfach ein waches Auge auf unsere Leute haben, sonst laufen sie in Gefahr, überzuschnappen."
"Apropos übergeschnappt", bemerkte Bull. "Ich bin dafür, dass unser kleiner Freund die nächste Folge erzählt, bevor wir uns anschließend stärken und ein bisschen unserer Wege gehen. Ich denke, John hat etliches zu verarbeiten, auf Lee warten ihre Patienten und du, Arkonide, hast deinen Vortrag aus zehntausend Jahren Erdgeschichte noch vorzubereiten."
Gucky seufzte. "Das hat man nun davon, wenn man immer und allerorts für andere die Kohlen aus dem Feuer holt. Nie hat man seine Ruhe."
Er setzte sich bequemer hin und begann seine Erzählung. "Wir waren also auf dieser Brutwelt, auf Sampson..."
Lee und John wirkten nachdenklich.
"Dann konnten die Cantaro also nicht anders, als die bösartigen Herren zu spielen", rekapitulierte John. "Langsam aber sicher wird das Bild klarer."
"Eins noch", fragte Lee den Erzähler. "Was, wenn du diesen Yttalar nicht in dessen Kabine abgeholt, sondern woanders abgefangen hättest? Könnten die Anderen dann noch leben?"
"Schwer zu sagen", sprang Atlan für den Ilt in die Bresche. "Aber sehr wahrscheinlich hätte das Supremkommando auch so alle Mitschüler Yttalars getötet. Ein Überspringen von dessen Ideen konnte nicht ausgeschlossen werden. Aus Sicht des Systems war das Töten aller die einzig sinnvolle Handlungsweise."
Lee spürte, wie es ihr eiskalt den Rücken herunterlief und war dem Schicksal zum wiederholten Male dankbar, jetzt und hier auf dem friedlichen Newengland zu leben.
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Ernst Vlceck hat uns einen Roman präsentiert, aus dem er problemlos einen Zweiteiler hätte machen können. Er verband die Lebensgeschichte der jungen Cantaro mit der Hurratüten - Aktion der Terraner.
Der Teil mit Yttalar und Shoudar war für mich die bessere Hälfte. Denn der geneigte Leser hatte ha keine Ahnung, wohin uns der Band führt.
Als Alternative hätte Rhodans Einsatzkommando erfolglos bleiben können und die zwei Meisterschüler wären als große Strategen in die Geschichte eingegangen. Wobei Yttalar es geschafft hätte, offiziell für das System zu arbeiten, tatsächlich aber gegenteilig unterwegs zu sein und so Rhodan und Co zu helfen.
Nun gut. War nicht so. Aber während des Lesens ging ich immer mehr davon aus, dass Yttalar irgendwie gerettet wird. Dass es Shoudar wurde, war eine gelungene Wendung.
Mit dem Supremkommando erhalten wir ein neues Stichwort, dessen Einordnung zunächst nicht möglich ist. Aber die Barbarei des Systems wird immer deutlicher sichtbar.
Der im Roman vorhandene Reime schmiedende Blue sollte wohl für Auflockerung sorgen, kam bei mir aber nicht so ganz an.
Das war aber auch der einzige Minuspunkt. Der Name Ernst Vlceck bürgt eben für Qualität.
Dann mach was draus, alter Narr! So konnte natürlich nur der Extrasinn mein Vorhaben kommentieren.
Auf der Suche nach einer passenden Örtlichkeit wurde zuerst das Rugby - Stadion wegen mangelnder Größe ausgeschlossen. Nach zwei Tagen hatten sie sich für eine riesige Felsformation entschieden, die tatsächlich einem Theater des klassischen griechischen Altertums ähnelte. Der Untergrund war einigermaßen glatt, restliche Unebenheiten hatten sie abgetragen. Das Dionysostheater im alten Athen, Narr! Natürlich! Die halbrund vorhandene Orchestra, also die Fläche für kultische Tänze und Gesänge war eindeutig. Dahinter war, wenige Meter erhöht, eine ebenfalls natürliche Felsformation, in der man einige technische Spielereien installiert hatte und die als Bühne dienen konnte.
Ich stand allerdings in Richtung zum noch nicht vorhandenen Publikum. Man sah einen natürlichen Hang, auf dem unzählige Sitzgelegenheiten unterschiedlicher Art befestigt hatte. Mehr oder weniger bequeme Einzelsitze sowie Flächen auf denen man einfach auf dem Boden sitzen konnte, wechselten sich ab.
Das Ding war riesengroß und ich schätzte seine Kapazität locker auf 150.000 Menschen. Rechnete man die zusätzlich installierbaren Antigrav - Tribünen dazu, fasste das Theater nochmals 100.000 Personen mehr. Nun gut, das sollte reichen. Die Vorbereitungen nahmen drei Tage in Anspruch und pünktlich am Morgen des geplanten Tages war alles fertig. Wenn meine Barbarenhorde wollte, konnte sie. Nicht nur auf der alten Erde, wie man hier sah. Respekt.
Riesenlautsprecher sah man natürlich keine. Da es sich um eine reine Vortragsveranstaltung handelte, wurde die Technik anders auf die Füße gestellt. Ich wurde auf einen simplen Holzstuhl gesetzt, der an einem ebenso einfachen Holztisch stand. Auf der anderen Seite, mir also genau gegenüber, saß derjenige, dem man diese Geschichte hier zu verdanken hatte. Der neunjährige Chick O'Leary war der einzige gewesen, der sich in Billy McGuyers Pub getraut hatte, mich anzusprechen. Im Moment sah er allerdings so aus, als wünsche er sich nichts mehr, als dass er seinen Mund gehalten hätte. Immerhin sahen ihn eine Viertelmillion Menschen hier vor Ort live, der Rest Newenglands dürfte zu Hause vor den Trivids sitzen. Seine Eltern standen ein paar Meter abseits hinter dem von ihrer Seite aus durchsichtigen Vorhang und waren mit Sicherheit genauso nervös wie ihr Sohn.
Natürlich waren überall Kameras, sowohl festinstallierte als auch bewegliche. Hinter der Bühne saß der Regisseur, der KI - gesteuert die Bilder so aufbereitete, dass jede und jeder der Anwesenden das Gefühl hatte, mit einem von uns beiden alleine am Tisch zu sitzen. Technik machte es möglich. Man war aber auch in der Lage, auf das Gesamtbild oder einen Teilausschnitt in beliebiger Entfernung umzuschalten. Was übrigens auch an den Trivids zu Hause klappen sollte, wurde mir zugesichert.
Chick und ich wurde beide mit einem Riesenapplaus empfangen, wobei mein Extrasinn hämisch zu bemerken meinte, dass der Beifall für den Jungen stärker ausgefallen war als für mich. Irgendwer hatte nämlich die Szene in Billys Kneipe aufgezeichnet und die wurde mit der Zustimmung Chicks, aber natürlich auch seiner Eltern, vorab gezeigt.
"Jetzt wisst ihr, wem ihr diesen heutigen für Newengland einmaligen Tag zu verdanken habt", rief ein aus den Tiefen aufgetauchter Conférencier und wies auf den Jungen. Und schon ging der begeisterte Beifall wieder los. Chick hielt sich tapfer. Aus dem wird nochmal was, ging mir durch den Kopf. Wer weiß, in zehn Jahren, mal sehen.
"Meine Damen und Herren, hier ist unser Ehrengast Atlan da Gonozal!". Er wies auf mich und so schnell, wie er gekommen war, verschwand er auch wieder. Wir saßen an unserem Tisch und ich sah den Kleinen freundlich an. Quäl ihn nicht, sag was, Narr! blökte mein unsichtbarer Nervtöter.
Ich lächelte und versuchte, das Eis zu brechen. "Jetzt hat ein junger Ire einem Haufen englischer Barbaren beigebracht, wie man vernünftig handelt und die richtigen Fragen stellt. Wo fangen wir an?"
Natürlich hatten wir uns vorher mehrfach gesehen und besprochen, wie das hier losgehen sollte. Trotzdem war das mit Sicherheit nicht einfach für ihn. Er holte tief Luft und fragte als Erstes: "Wie sieht es in Irland aus? Wo ist das überhaupt?"
Ich schilderte die Schönheit der irischen Insel, die auch im sechsten Jahrtausend AD immer noch die Grüne Insel genannt wurde und zeigte einige besonders faszinierende Bilder. Chick fiel die Kinnlade runter und ich wusste, der wird hier kein Rinderzüchter oder Gemüsebauer. Ohne dass ich diese überaus wichtigen Tätigkeiten herabqualifizieren will, aber diesen Jungen zog es woanders hin. Ich schmückte die Bilder mit der einen oder anderen Anekdote aus ferner Vergangenheit und hatte die Menge vom ersten Moment an im Griff.
"Und du hast die meiste Zeit verschlafen, wie Gucky meinte? Wie konntest du denn da überhaupt etwas erleben?"
Ich erläuterte, wie ich seinerzeit auf die Erde gekommen war, damals, als sie noch Larsaf drei hieß. Ich sprach über Atlantis, dessen Untergang im Zusammenhang mit der Angriffsfront der Druuf und meiner Rettung gegen meinen Willen. Dann ging es los: Die Tiefseestation, in der sich eine Tiefschlafstation befand, ausgebaut aus einem arkonidischen Lazarettschiff, Rico, mein treuer Roboter, dann der Bruder der stählernen Wölfe. Die Methanatmer und die Unmöglichkeit meiner Rückkehr nach Arkon. Einige meiner Abenteuer auf der alten Erde schilderte ich ausführlich, andere streifte ich nur, manche ließ ich ganz aus.
Das alte Rom mit seiner Arkon - ähnlichen Imperator - Struktur. Seine Überlegenheit, die in barbarischen Kämpfen im Circus endete. Der dreißigjährige Krieg, der Europa verheerte. Zu sehr konnte ich mit Rücksicht auf meine jungen Zuhörer nicht ins Detail gehen. Mein Bemühen war, Krieg und seine Auswirkungen anzuprangern und die Kinder und Jugendlichen hier so zu beeinflussen, dass sie in ihrer Zukunft alles tun würden, um ihn zu verhindern.
Meine Erzählung ging dem Ende entgegen, als ich im Jahr 1968 alter Zeitrechnung von gewissen Monsieur Perry hörte, der sich ausgerechnet in dem Pariser Straßencafé, in dem meine Gefährtin und ich saßen, Kaffee und Cassis für eine junge Frau und sich selber orderte. Dieser Perry hatte sich als Teilnehmer an den französischen Studentenprotesten und ziemlicher Randalebruder erwiesen. Wie hätte ich da auch wissen sollen, dass dieser ominöse Monsieur Perry nicht nur den befürchteten Atomkrieg verhindern sollte, sondern sich circa 70 Jahre später als der Perry Rhodan entpuppte, der die Menschheit ins Universum führen sollte.
Chick O'Leary saß mit offenem Mund vor mir und war völlig fertig mit seiner Welt.
"Das müssen wir nochmal wiederholen. Da gibt es sicherlich noch so viel mehr zu erzählen. Ich will alles wissen. Aber zuerst habe ich Durst."
Und prompt kam der staksige Bedienungsroboter aus dem Museum an und versorgte uns wiederholt mit Wasser. Eine Zusage für weitere Geschichten dieser Art gab ich nicht, aber später hinter der Bühne gab ich Chick einen Zugangscode für den Teil meiner Aufzeichnungen, die ich problemlos der Öffentlichkeit und auch Kindern und Jugendlichen zeigen konnte.
"Wenn du willst," sagte ich zu ihm, "erkläre ich dir, wie du von Newengland an diese Dateien herankommst, ohne dass es jemand von hier aus merkt. Anzahl der Zugriffe und deren Dauer sprichst du aber mit deinen Eltern ab, junger Mann." Natürlich hatte ich die O'Learys mit ins Boot genommen.
"Später kannst du Lee Barringham dazu nehmen, die ist im Moment aber noch mit einer anderen Geschichte beschäftigt. Aber ich denke, sie wird dir zu gegebener Zeit dankbar sein."
Und jetzt freute ich mich auf die letzte Flasche meines erlesenen Chateau Lafitte. Selbst ein alter arkonidischer Admiral hat noch Wünsche für einen geruhsamen Abend.
"Gucky hierhin zu folgen, war das einzig Richtige", sagte Reginald Bull und nahm einen Schluck von seinem Kaffee. "Von dem Einsatz mal abgesehen, habe ich hier nicht nur ein paar Tage, sondern sogar Wochen und Monate für mich allein. Wenn der Kleine und ich Blödsinn machen wollen, dann machen wir das. Und wenn es mit unserer Geschichte weitergeht, erzählen wir dir was. Wenn ich deinen Kneipen-McSowieso ärgern will, ärgere ich ihn. Das bringt mir ein tierisches Vergnügen. Der regt sich immer so schnell auf, wenn ich über sein Bier mosere. Wenn ich mir eure schöne Welt ansehen will, bin ich unterwegs. Ohne jemanden fragen zu müssen. Ohne die Sorge zu haben, dass irgendwas liegen bleibt. Und, weißt du, was das Schöne ist?"
Lee sah ihren Schützling an, sagte aber nichts.
"Je länger ich hierbleibe und je weniger man nach mir fragt, desto besser fühle ich mich. Burnout bei Unsterblichen. Ha! Das hätte mir früher mal einer sagen sollen. Und jetzt? Raus, einfach nur raus!"
Er blickte seine Therapeutin an.
"Ist das normal oder hab ich sie nicht mehr alle?"
"Das ist eine zwangsläufige Folge, wenn man immer nur für andere da ist. Eigentlich ist es ein Wunder, dass du nicht schon wesentlich früher aus den Latschen gekippt bist. Viele Menschen, die eigentlich genau wie du an einer ständigen Überbelastung leiden, können sich Kraft in ihren Familien, in ihren Partnerschaften holen. Das gabs es bei ja zweitweise auch, aber es ist eben nicht dauerhaftes."
Bull blickte in weite Fernen. Lee sah, dass er ganz woanders war.
Er holte tief Luft.
"Ich habe sie geliebt. Weiß der Himmel, ich habe sie geliebt. Sie war von einer umwerfenden Fröhlichkeit und nannte mich ihr unsterbliches Dickerchen. Im Gegensatz zu mir war ihr völlig klar, dass sie aus meiner Sicht nur eine kurze Romanze darstellte. Weil ich 100 Jahre später immer noch so aussah wie zu dem Zeitpunkt, als wir uns kennen lernten. Sie sagte immer, nicht vielen Frauen wäre einer ich vergönnt und sie wäre froh, mich kennengelernt zu haben."
"Du redest von....?"
Bull schüttelte den Kopf. "Das wird nie jemand erfahren. Wir hatten eine Abmachung. Sie war im privaten Bereich für mich da, öffentlich kannten wir uns nicht. Sie wollte dem Trara, das auf sie zugekommen wäre, aus dem Weg gehen. Ich hatte zugestimmt und wir fanden auf stellenweise ziemlich verschlungenen Pfaden den Weg zueinander. Natürlich ahnte Perry etwas. Gucky sowieso. Wieviel der Kleine in dieser Sache weiß, ist mir aber völlig unklar. Wahrscheinlich mehr, als er je zugeben wird. Aber das ist das Gute an ihm: Er ist in solchen streng persönlichen Dingen unbedingt zuverlässig, das rechne ich ihm hoch an."
Der Blick schweifte immer noch in Richtung des anderen Endes des Universums.
Der Terraner holte tief Luft. "Eines Tages eröffnete sie mir, dass sie schwanger wäre und unseren Sohn erwarte. Dann beendete sie mit Tränen in den Augen unsere Beziehung. Sie hatte Thoras und Perrys Sohn Thomas Cardif vor Augen und wollte unter allen Umständen vermeiden, dass ihr beziehungsweise ihrem Sohn etwas ähnliches passieren würde. Sie ließ sich auch nicht davon überzeugen, dass ich mein Kind mitnichten mit Hilfe einer Positronik erziehen würde. Es half nichts. Sie drehte sich herum und war weg. Und ich alter Trottel stand da wie angewurzelt."
Bulls Augen kamen wieder zurück in den Praxisraum seiner Therapeutin. "Natürlich", fuhr er fort, "habe ich mich aus der Ferne um sie und unseren Sohn gekümmert. Aber immer so, dass niemand es mitgekriegt hat."
"Dann hast du deinen Sohn nie kennen gelernt?"
"Doch. Sie ist im Alter von 46 tödlich verunglückt. Fehlfunktion des Gleiters. Passiert so gut wie nie." Er zuckte mit den Schultern. "Unser Sohn war zu diesem Zeitpunkt 18 Jahre alt. Irgendwann stand ich einsam und allein an ihrem Grab, da sah ich in den Augenwinkeln einen jungen Mann auf mich zukommen. Er glich zum Glück seiner Mutter, ich hatte ihm nur die Haarfarbe vererbt. Als wir nebeneinanderstanden und uns ansahen, wussten wir ohne Worte, wer der jeweils anders war und wir umarmten uns. Ich berichtete von dem Versprechen, dass ich seiner Mutter gegeben hatte. Er nickte und bat darum, es so zu belassen. Ich hatte das zu respektieren, sorgte aber aus der Entfernung immer für sein Wohlergehen. Mehr werde ich über diesen Teil meines Lebens nicht erzählen. Das ist natürlich alles urlange her, aber der Familienstamm existiert immer noch. Und solange das so ist, wird niemand mehr erfahren als du jetzt."
"Du warst aber an seinem Grab?"
"Ja. Im Gegensatz zu meinem Vater hatte ich das Gefühl, ich wäre ihm das schuldig gewesen." Er zeigte auf seine linke Schulter. "Das ist der Fluch dieser verdammten Dinger. Die Zeit läuft für alle weiter, nur für das eigene Spiegelbild nicht."
Reginald Bull, der Mann, der so viel Erfahrung hatte und den scheinbar nichts aus dem Socken hauen konnte, hatte Tränen in den Augen. "Es ist verkehrt herum, wenn Eltern an den Gräbern ihrer Kinder stehen. Egal, wie das zu Stande kommt."
Das Gespräch dauerte noch lange. Sie sprachen über Ehen und Partnerschaften, immer verbunden mit dieser einen teuflischen Eigenschaft: Der Unsterblichkeit. Lee erkannte, dass dies die Hauptursache dafür war, dass ihr Gegenüber sich immer wieder in Arbeit stürzte. Natürlich hing jemand wie Bull in Pflichten fest. Allein auf Grund seiner ewig langen Erfahrung war er anderen voraus und er musste die Menschheit oder auch die komplette Galaxis schon mal jahrhundertelang am Laufen halten oder zusammenflicken. Er bräuchte eine Partnerin, die zumindest extrem langlebig wäre, das würde helfen.
Ansonsten dachte sie, das Einzige, was hier nützen würde, wäre eine längere Auszeit. So wie hier. Oder noch besser in den Tiefen des Universums. Aber seine private Geschichte war noch nicht zu Ende erzählt. Sie sah von ihren Notizen auf.
"Vielleicht gehe ich sie suchen", sagte Bull.
Als Lee ihn fragend anblickte, fuhr er fort. "Da ist noch eine Hängepartie. Meine Frau Toio und unsere Tochter Shinae. Komm mit uns, hatten sie mir hinterlassen und waren in Richtung der Stadt Allerorten verschwunden. Komm mit uns. Wir lieben dich! Und ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass ich die beiden wiedersehe. Wo und wann auch immer."
Lee wusste, das Gespräch war hiermit beendet.
"Ich glaube", sagte Bully abschließend, "ich brauche jetzt ein Bier. Oder auch zwei. Mal sehen, ob dein McSowieso seinen Laden schon geöffnet hat."
RBB hat geschrieben: ↑04.06.2025, 09:09
(...)
Der im Roman vorhandene Reime schmiedende Blue sollte wohl für Auflockerung sorgen, kam bei mir aber nicht so ganz an.
(...)
Darmok in der Maske eines Blue im Cantaro-Zyklus...
Wer hätte das gedacht?
Band 1464 - Das Phantom von Phönix - ist von Kurt Mahr, erschienen am 12. September 1989
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Fünf Tage später:
Bully hatte, außer einigen Gesprächen mit Lee Barringham zu führen, gar nichts getan; das heißt, er hatte seinen Gedanken nachgehangen und war zu dem Ergebnis gekommen, auf dem richtigen Weg zu sein. Bei nächster Gelegenheit würde er sich dem Kleinen offenbaren und sozusagen eine Verabschiedung im Vorfeld vornehmen. Denn irgendwann, das war Bull klar, würde er verschwinden. Von jetzt auf gleich. Dann bliebe sicherlich ein Tschüss für Perry übrig, mehr wohl nicht. Eine groß angelegte Abschiedsfeier gehörte keinesfalls zu seinen Plänen, die Gefahr, dass er zum Dableiben überredet werden würde, war ihm viel zu groß. Gucky brauchte ihn im Zweifelsfall nur einmal mit seinen bei Bedarf umgehend einschaltbaren großen tieftraurigen Knopfaugen anzusehen, dann wäre es vorbei mit seinen Reiseplänen. Wo war der Bengel überhaupt? Seit fünf Tagen treibt der sich jetzt schon wo auch immer rum, ging ihm durch den Kopf.
"Du vergisst, dass das hier meine Urlaubswelt ist", kam prompt die Antwort aus dem Hintergrund. "Du bist mir nur nachgelaufen, Dicker! Aber um deine unausgesprochene Frage zu beantworten: Ich war ein paar Tage in der Tiefsee von Newengland unterwegs und habe mir da ein paar obskure Wesen angesehen. Gegen die würdest sogar du einen Schönheitspreis gewinnen!"
Sicherheitshalber teleportierte er sofort in eine andere Richtung, weil er zurecht befürchtete, dass irgendwas geflogen käme.
Er watschelte auf seinen uralten Kumpel zu und sah ihn an. "Alea iacta est?" fragte er. "Ja", antwortete Bully und berichtete von seinen Gesprächen mit Lee. "Sie hat mir die Augen geöffnet und mich in meiner Meinung bestätigt. Ich brauche Zeit für mich selber. Ich will raus aus dem Trott, mal was anderes sehen. Nicht immer nur funktionieren. Dreihundertsiebenundneunzigmal die gleiche Mode. Eintausendsechshundertachtundvierzig mal die gleichen dusseligen politischen Sprüche. Mindestens. Wenn mir der Nächste über den Weg läuft und was von Terra den Terranern oder sowas erzählt, nagele ich den an die Wand. Nein. Ich muss raus. Keine Ahnung, wann genau, keine Ahnung wie lange. Nur: Wenn sich die Gelegenheit bietet, bin ich weg."
So. Jetzt ist es raus. dachte er noch, ohne es auszusprechen.
"Und einen armen, kleinen Mausbiber lässt du ganz alleine?" Wie erwartet, setzt Gucky seinen "Ich-bring-Eisberge-zum-Schmelzen" Blick auf.
"Ja. Garantiert. Und auch du wirst mich nicht davon abhalten. Aber im Moment noch nicht. Jetzt brauche ich erstmal ein Bier."
"Dann empfehle ich Billy McGuyers Singenden Ochsen. Am besten zu Fuß. Ein kleiner Marsch ist gut für die Gesundheit." Sprachs und verschwand.
Bull seufzte. Mir bleibt aber auch gar nicht erspart, dachte er und machte sich auf den Weg.
Im Singenden Ochsen angekommen, saßen Lee und Gucky bereits an ihrem angestammten Tisch, hinten links in der Ecke. Lee trank ihr seltsames Bier und Gucky einen Möhrensaft. Bull orderte für sich eine Nummer Zwölf und setzte sich dazu.
"Ja", hörte er Lee sagen. "Die Welt eurer Mutanten wirkt auf mich faszinierend. Es muss toll sein, derartige Fähigkeiten zu haben."
"Naja, du musst dich aber damit abfinden, ständig bis zumindest sehr häufig an vorderster Front zu sein. Grade, weil du Dinge kannst, die andere nicht können. Und: Du musst dir ein dickes Fell aneignen. Denn so manches Individuum ohne Psi - Fähigkeiten schaut dich mehr als misstrauisch an. Wie würdest du es empfinden, wenn ein Telepath deine geheimsten Gedanken lesen kann? Du kannst nichts vor ihm verstecken. Du merkst ja noch nicht mal, dass du grade ausgespäht wirst."
"Bei dir hätte ich da keine Bedenken, mein Freund."
"Das ehrt mich ja. Aber bedenke mal folgendes: Ob dir jemand sympathisch ist oder nicht, ist in der Regel eine unbewusste Entscheidung, die innerhalb eines extrem kurzen Zeitraumes fällt. Und dann steht auf einmal einer vor dir, den du zudem direkt ekelhaft findest, warum auch immer. Natürlich wird dir ausgerechnet dieser Widerling als Gedankenleser vorgestellt. Und jetzt?"
"Aber ihr habt doch alle einen Ehrencodex oder so?" fragte Lee.
"Natürlich haben wir den. Aber gegen Gefühle anderer zu arbeiten, ist schon ziemlich schwierig und will gelernt sein."
"Trotzdem hätte ich gerne die eine oder andere Person kennengelernt. Ernst Ellert zum Beispiel. Der durch Zeiten und Universen gereist ist. Oder Ribald Corello, natürlich erst nach seiner Heilung. Iwan Iwanowitsch Goratschin. Den weniger wegen seiner Fähigkeiten, ich hätte die beiden Menschen gerne gesprochen, um ihren Blick auf die Welt zu erfahren."
"Das war wie bei Gucky und mir", warf Bully ein. "Nur dass die Zwei sich nicht aus dem Weg gehen konnten." Bulls Blick ging kurz in weite Fernen. "Aber du hast Recht. Die beiden waren als Kämpfer im Einsatz mindestens genauso gut wie als philosophische Gesprächspartner. Als Freunde sowieso. Wenn sie dich in ihr großes russisches Herz geschlossen hatten, bekam jeder, der dich auch nur schief ansah, ein Problem mit ihnen. Ich erinnere mich immer noch daran, wie sie von uns gegangen sind. Goratschin war damals der Mann, der doppelt starb."
"Ja", sagte Gucky leise. "Ich habe sie noch lange vermisst. Sogar heute meine ich manchmal immer noch, die beiden Streithähne um die Ecke kommen zu sehen. Ohne Ribald Corello würden sie vielleicht noch leben. Aber ohne Ribald Corello gäbe es eventuell kein Solsystem mehr. Das Schicksal geht manchmal seltsame Wege."
"Es gibt noch jemanden, der auf meiner Liste stehen würde: Irmina Kotschistowa. Sie muss die geborene Ärztin gewesen sein. Wobei es mich schüttelt, wenn ich daran denke, dass ich solche Fähigkeiten auf negative Art bei anderen anwenden müsste."
"Du kennst den Weg, den ihr das Schicksal vorgegeben hatte?", fragte Reginald Bull.
"Ja", sagte Lee. "Da war die Sache mit dem Zellaktivator, der ihr gestohlen wurde. Hatten wir doch erst unlängst."
"Sie war nicht allzu lange alleine", fuhr Bull fort. "Das Phantom, dass schon ein paarmal erschienen war, sollte wieder auftauchen. Auf Phönix."
"Seid ihr denn dahintergekommen, wer dieses Monster gewesen ist?" fragte Lee. "Sie war ja schon die Nummer vier."
"Sind wir", antwortete Bull. "Gal, Geoff, Irmina und jetzt Jennifer. Irgendwer lief durch die Gegend, sammelte Zellaktivatoren ein und verurteilte die Träger zum Tode. Dahinter steckte etwas, auf das wir zum damaligen Zeitpunkt nie gekommen wären. Nie. Aber das ist eine andere Geschichte und würde hier den Rahmen sprengen. Letztlich wurde die alte Garde der ZA - Träger immer kleiner und die paar Leute, die jetzt noch übrig sind, haben verdammtes Glück gehabt. Mit Allem."
Gucky nickte zu dieser Äußerung und sah sehr nachdenklich aus.
Zyklusübergreifendes Agieren. Wer da warum die Zellaktivatoren klaut, sollte erst wesentlich später herauskommen. Ob der damaligen Expokratur zu diesem Zeitpunkt schon klar war, wie es nach dem Ende des Cantaro - Zyklus weitergeht? In groben Zügen sicherlich.
Kurt Mahr präsentiert uns einen Roman, der gut lesbar ist. Er hat ein paar zentrale Punkte: Die Hyperstrahlung des Hautfetzens, die Monos jetzt nichts mehr nützt. Dann das Cantaro - Funknetz. Ich könnte mir vorstellen, dass jemand wie Sato Ambush schon darüber nachdenkt, ob man das nicht umpolen kann. Letztlich die erwartete Abwehr der Cantaro und natürlich das große Fragezeichen zum Schluss. Wer zum Teufel ist dieses Phantom, das unsere Heldinnen und Helden der Reihe nach umbringt? Ein Verwirrspiel der Autoren, denn zum damaligen Zeitpunkt musste man ja davon ausgehen, dass Monos hier irgendwie seine Finger im Spiel hat. Selbst wenn die Technik der Cantaro scheinbar nichts damit zu tun hat.
Monos ist ja immer noch eine Hausnummer für sich. Überhaupt: Supremkommando, Herren der Straßen, Monos....
Wie Sato Ambush im Roman bemerkt: Den wirklichen Herrschaftsstrukturen ist man noch keinen Deut nähergekommen.
Kurt Mahr baut ergänzend gute und brauchbare Rückblicke im Roman ein, die die Lesenden wieder auf Vordermann bringen. Was passierte wann warum? Geschickt kombiniert er die Wiederholungen mit der aktuellen Handlung. Hat mir sehr gut gefallen.
Überhaupt: Bis jetzt gefällt mir er Zyklus in einer Gänze immer noch. Insbesondere die Person Perry Rhodans kommt hier menschlicher rüber, er ist nicht der Supermann, als der er anderweitig erscheinen mag. Selbst wenn es nur eine kurze Bemerkung, ein Nebensatz ist. Top!