Gucky_Fan hat geschrieben: ↑25.02.2025, 11:23
Nun ich habe in Augsburg mit einigen auch nicht CSUWählern und auch mit zwei Grünwählern gesprochen, die es ausgesprochen unfair fanden, dass der Gewinner der Erststimme nicht im Parlament sitzt.
Es wäre aber aufgrund der Tatsache, dass nach der Struktur wir ein Verhältniswahlrecht deutlich ungerechter, wenn das Stärkeverhältnis von Parteien durch Überhangmandate verzerrt würde.
Das hat auch das Bundesverfassungsgericht so gesehen - deswegen gab es die Ausgleichsmandaten, deswegen gab es den aufgeblähten Bundestag.
Eine Lösung, die das Problem gelöst hätte (zugunsten des Verhältniswahlrecht ohne komplett auf Direktmandate zu verzichten), wäre eine starke Reduzierung der Direktmandate gewesen. 100 Direktmandate. Damit wäre die Wahrscheinlichkeit, dass ein Sieger eines Direktmandats den Platz nicht bekommen hätte deutlich reduziert würden.
Dagegen waren aber die Parteien, die üblicherweisr von Überhangmandaten profitieren (CDU, CSU). Deswegen empfinde ich die Diskussion immer etwas verlogen.
Man soll sich klar für das Mehrheitswahlrecht aussprechen (bei dem ca. 30-40 % der Wählerstimmen vollkommen wegfallen und keine Bedeutung haben - der Nachteil des Mehrheitswahlrechts - Vorteil sind klarere Mehrheitsverhältnisse in der Regel).
Oder eben klar für das Verhältniswahlrecht (dafür hätte man aber Direktmandate deutlich reduzieren oder wegfallen lassen müssen).
Aber der "Gerechtigkeitsnarrativ" ist stark politisiert von denen, die lieber ein Mehrheitswahlrecht hätten (in der Erwartung davon stärker zu profitieren) (dass z.B. auch bei der SPD ein "*Überhandmandat" weggefallen ist mit dem neuen Wahlrecht ist dafür nicht relevant in der Geschichte der Bundesrepublik hat die Union überproportional von den Überhangmandaten (als wir sie noch hatten) profitiert und der "Überhang" auf Unionsseite führte zu den massiven Ausgleichsmandaten, damit das Verhältnisergebnis nicht entkräftet wird durch die Überhangmandate.
Das alles, weil wir im KERN ein Verhältniswahlrecht haben. Die Zweitstimme soll die Macht im Bundestag entscheiden - nicht die Erststimme. Das ist die Wertung des Gesetzes seit Gründung der Bundesrepublik.
Das kann man ÄNDERN! Gar keine Frage. Aber der Narrativ, dass es immer anders war, und erst jetzt durch Änderung quasi ungerecht geworden ist, ist schlichtweg falsch. Wir hatten nie ein Mehrheitwahlrecht, wo die Erststimme wichtiger war. Die Entscheidung seit Gründung der Bundesrepublik war die Bedeutung der Zweitstimme.
Es waren die Überhangmandate die systemwidrig das verzerrt haben (das ist vom Bundesverfassungsgericht (nicht erst seit kurzem und nicht erst einmal) so festgestellt worden. Der Gesetzgeber hat nur lange gebraucht das zu korrigieren. Erst durch die Ausgleichsmandate (die übrigens auch darauf zurückgehen, dass jede andere Lösung der Union vorher immer zu Lasten des Verhältnisergebisses ging.).
Im Übrigen würde ich persönlich auch einen insgesamt kleineren Bundestag durchaus für sinng halten... aber das ist weder ein pro/contra für oder gegen Verhältniswahlrecht/Mehrheitswahlrecht.
Der förderale Gedanke, dass eben das Gebiet vor Ort mitsprechen darf und nicht derr Bund alles entscheidet, findet man bei uns nicht in den Direktmandaten (dafür waren die nie gedacht), sondern im Bundesrat, wo eben die Länder ein Mitspracherecht haben und die Interessen vor Ort vertreten.
Die Direktmandanten sollten auch niemals die Interessen vor Ort vertreten (im Gegenteil - sie sollten sich wie alle Abgeordneten vorrangig dem ganzen Volk und nicht einer Klientel vor Ort verpflichtet fühlen). Der Grund für die Direktmandate war eigentlich schlichtweg "Werbung" für das "demokratiefeindliche" Deutschland nach der NS-Zeit. Die Bürger*innen sollten die Demokratie LIVE sehen können... und das "Gefühl" haben näher dran zu sein, damit sie die Demokratie mehr "mögen".
Findet sich alles in den Protokollen der Herrenchiemseer Konferenz zum Grundgesetz und den Bundesverfassungsgerichtsurteilen zu unserem Wahlsystem, die sich damit auseinandersetzen (ich habe meine Hausarbeit im Examen über unser Wahlrecht und deren Einschränkungen (5-Prozent Klausel / Grundmandatsklausel) und Einflussnahmen (Aufrufe von Arbeitgebern etc.) geschrieben.