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Re: Der Literarische Salon

Verfasst: 19.05.2025, 09:00
von Perryoldie


***


Johann Friederich Riederer
(1678-1743)


Der alte Herr


Als einst ein alter Herr ein junges Mädchen freite
und ihm sein schwacher Leib nichts Gutes prophezeite,

sprach er zu ihr: Mein Kind, Sie wird sich ja bequemen,
und wird die eheliche Pflicht Quartal weis von mir nehmen?

Ihr Wiederfragen war, da sie sich kaum bedacht:
Allein wie viel Quartal gibt's denn in einer Nacht?



***


Re: Der Literarische Salon

Verfasst: 19.05.2025, 17:20
von Tell Sackett
Bemerkeswert deutlich... :-)

Re: Der Literarische Salon

Verfasst: 19.05.2025, 20:16
von Rous2
Perryoldie hat geschrieben: 19.05.2025, 09:00 Der alte Herr
... hätte sich besser an die biblische Weisheit gehalten:
Als sie nicht mehr konnten
vor allzu hohem Alter,
schrieb Salomo proverbia
und David machte Psalter.
(Junker und Pfaffen im Gewande des Sprichwortes und unter der Geissel des Volkswitzes, Berlin 1875, II, 233)

Re: Der Literarische Salon

Verfasst: 20.05.2025, 13:11
von Amtranik
Rous2 hat geschrieben: 19.05.2025, 20:16
Als sie nicht mehr konnten
vor allzu hohem Alter,
schrieb Salomo proverbia
und David machte Psalter.
(Junker und Pfaffen im Gewande des Sprichwortes und unter der Geissel des Volkswitzes, Berlin 1875, II, 233)
:-D

Re: Der Literarische Salon

Verfasst: 20.05.2025, 14:40
von Perryoldie
Rous2 hat geschrieben: 19.05.2025, 20:16 ... Junker und Pfaffen im Gewande des Sprichwortes und unter der Geissel des Volkswitzes, Berlin 1875, II, 233 ...

Danke für den Tipp, das kannte ich noch nicht und fand es in der Deutschen Digitalen Bibliothek (Digitalisierung: Bayerische Staatsbibliothek).


KLICK

Re: Der Literarische Salon

Verfasst: 20.05.2025, 14:45
von Perryoldie

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Adolf Glaßbrenner
(1810-1876)



Zwei Wünsche


Ach, zwei Wünsche wünscht' ich immer
Leider immer noch vergebens.
Und doch sind's die innig-frommsten,
Schönsten meines ganzes Lebens!

Daß ich alle, alle Menschen
Könnt' mit gleicher Lieb' umfassen,
Und daß Ein'ge ich von ihnen
Morgen dürfte hängen lassen.



***



:har: :devil:

Re: Der Literarische Salon

Verfasst: 21.05.2025, 09:22
von Perryoldie

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Carl Siebel
(1836-1868)



Friede


Ich frug die Freunde. – Sie drückten
Herzinniglich mir die Hand,
Doch fühlt' ich – Keiner von allen
So recht mein Wort verstand.

Ich frug die Sterne. – Sie schwiegen,
Sie wußten zu rathen nicht; –
Ich frug die Blumen. – Sie wiegten
Ihr lächelnd Angesicht. –

Dir schaut' ich nur in die Augen,
Du lächeltest mild mich an:
Das hat dem krankenden Herzen
Unendlich wohl gethan.

Denn Alles, was es ersehnet,
Dir tief in der Seele blüht –
Ein stiller seliger Friede,
Ein fromm und keusch Gemüth.

Und ruhest du mir am Busen,
So heilet jeglicher Schmerz;
Den Frieden halt' ich umfangen,
Der Friede zieht in's Herz.


***

Re: Der Literarische Salon

Verfasst: 22.05.2025, 12:32
von Perryoldie

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Hoffmann von Fallersleben
(August Heinrich Hoffmann)
(1798-1874)



Ich will von dir


Ich will von dir, was keine Zeit zerstöret,
Nur Schönheit, die das Herz verleiht;
Ich will von dir, was nie der Welt gehöret,
Die engelreine Kindlichkeit.

Das sind des Herzens allerbeste Gaben,
Das ist des Lebens schönste Zier.
Hat dich die Welt, so kann ich dich nicht haben,
Lebst du der Welt, so stirbst du mir.



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Re: Der Literarische Salon

Verfasst: 25.05.2025, 06:05
von Perryoldie

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Karl Ernst Knodt
(1856-1917)


Reife

Im hohen, heißen Sommer,
Wenn schwanger alle Luft,
Spürst du ganz einen eignen,
Der Reife schweren Duft.

Es weht ein drängend Leben
Von jedem Halme her.
... Auch du, mein Herz, wie trägst du
An deiner Liebe schwer.


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Re: Der Literarische Salon

Verfasst: 27.05.2025, 14:49
von Perryoldie

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Hermann Rollett
(1819-1904)



Du leuchtest licht


Du leuchtest licht
Vom Feuer meiner Liebe;
Ich glühe heiß
Von deiner Liebe Gluth; -
Du bist die Well'
Mit blitzendem Getriebe;
Ich bin das Meer
Mit hoher Wogenfluth. -

Dein lichter Schein
Erleuchtet hell mein Leben;
Mein heißes Glüh'n
Erwärmt dein treues Blut;
Dein Liebgewog'
Erquickt mein Herz mit Beben.
Und dich umjauchzt
Mein Herz mit Liedesfluth!


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Re: Der Literarische Salon

Verfasst: 29.05.2025, 13:21
von Amtranik
Theodor Storm (1817 - 1888)

Kurze Gedichte

Dämmerung

Im Nebenzimmer saßen ich und du,
Die Abendsonne fiel durch die Gardinen;
Die fleißigen Hände fügten sich der Ruh,
Vom roten Licht war Deine Stirn beschienen.

Wir schwiegen beid, ich wußte mir kein Wort,
Das in der Stunde Zauber mochte taugen,
Nur nebenan die Alten schwatzten fort -
Du sahst mich an mit deinen Märchenaugen.

Im Garten

Hüte, hüte den Fuß und die Hände,
Eh sie berühren das ärmste Ding!
Denn du zertrittst eine häßliche Raupe
Und tötest den schönsten Schmetterling.

Dämmerstunde

Im Sessel du, und ich zu deinen Füßen,
Das Haupt dir zugewendet, saßen wir,
Und sanfter fühlten wir die Stunden fließen,
Und stiller ward es zwischen mir und dir;
Bis unsre Augen ineinander sanken
Und wir berauscht der Seele Atem tranken.

Re: Der Literarische Salon

Verfasst: 29.05.2025, 16:56
von Gucky_Fan
Ich bin immer fasziniert, was ich lese und von dem ich noch nie gehört habe :-) vielen Dank

Re: Der Literarische Salon

Verfasst: 30.05.2025, 07:05
von Perryoldie
Amtranik hat geschrieben: 29.05.2025, 13:21 Theodor Storm (1817 - 1888)

Kurze Gedichte ...
Danke für die Gedicht von Storm. :yes:

Bei den Recherchen zum Aufbau meiner Lyriksammlung stieß ich auf dieses Buch , welches mit rund 240 Gedichten fast alle Gedichte Storms enthält.

Re: Der Literarische Salon

Verfasst: 30.05.2025, 13:39
von Perryoldie

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Joseph von Eichendorff
(Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff)
(1788-1857)



Mir ist, als müßt ich singen


Mir ist, als müßt ich singen
So recht aus tiefster Lust,
Von wunderbaren Dingen,
Was niemand sonst bewußt.

O könnt ich alles sagen!
O wär ich recht geschickt!
So muß ich still ertragen,
Was mich so hoch beglückt.



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Re: Der Literarische Salon

Verfasst: 31.05.2025, 19:43
von Rous2
Perryoldie hat geschrieben: 30.05.2025, 13:39
Joseph von Eichendorff
(Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff)
(1788-1857)

Mir ist, als müßt ich singen
Ach, ja, Eichendorff. Nachdem ich noch als 14-Jähriger beim verordneten Singen von »Wem Gott will rechte Gunst erweisen« die Augen verdreht hatte, fräste ich mich dann als 17-Jähriger durch die Romantiker. Die Bibliothekarin schmunzelte schon. Schrieb sogar Gedichte mit Titeln wie »Warten, was der Sommer bringt« (über den Inhalt decken wir lieber den Mantel des Schweigens). Endpunkt des Projektes war dann »Fouqué und einige seiner Zeitgenossen« von Arno Schmidt. Dann war ich kuriert.
In Auszügen (wie bei obigem Zitat aus »Die Einsame« – das hat Perryoldie geschickt gemacht) kann ich ihn aber immer noch goutieren.