Wulfman hat geschrieben: ↑11.10.2024, 12:23
Laurin hat geschrieben: ↑11.10.2024, 12:04
Wie stellst du dir so ein 'audiovisuelles Erzählmedium' konkret vor?
Ich sehe da mehrere Ansätze, z.B.
- ein geführtes Adventure bei dem der "Spieler" kleine Interaktionsmöglichkeiten hat um eine schöne Geschichte zu verfolgen oder sogar selbst zu steuern, also ähnlich wie das Perry Rhodan Adventure nur mit weniger Rätseln, dafür mehr Story und Animation
- eine Youtube-Serie mit 3D Animationen zum Hörspiel, also beispielsweise der Sternenozean mit Animation
- eine App ähnlich der beiden obigen Ideen
- Und schließlich die ultimative Idee: Man baut eine gemeinsame Geschichte aus den Ideen der gesamten Community, quasi fangetrieben. Akt für Akt. Ebenfalls mit Animation, etc.
Alle diese Ideen hätten eines gemeinsam, was sie von TV, Kino und Serien abheben würde: Die Story wird von Autoren der Serie begleitet und läuft episch voran, ohne ein definiertes Ende. Jede Episode hätte eine verkürzte Länge von z.B. 20 Minuten Laufzeit und man kann es entweder abonnieren oder einzeln erwerben, ebenso wie die EA. Man könnte auch hier einen wöchentlichen Erscheinungsturnus oder Zyklen einführen.
Also vor meinem geistigen Auge entsteht da ein interaktives Anime/Manga ... wäre sicher interessant, braucht aber supergute Zeichner, damit das nicht in den Peinlichkeiten der Perry-Comics hängen bleibt; und außerdem sehr gute Entwickler - kurz: Ein fettes Budget. Kann man daher wohl vergessen ...
Ich glaube, die PR-Serie hat ein ganz anderes Problem. Der
Buchmarkt ist zwar insgesamt rückläufig, aber - gerade in Deutschland - immer noch sehr groß. Eigentlich groß genug, um darin mit guten Produkten sogar zu expandieren!
Die PR-Serie ist aber insgesamt zu angestaubt, um wirklich Neuleser zu begeistern. Allein der Name: Perry Rhodan ... deutet auf Mitte des letzten Jahrhunderts. Eigentlich war PR ursprünglich so etwas wie eine moderne Version der Arthus-Saga im Weltraum: Der unerschrockene Prinz (Major), der sich irgendwann die Schulterklappen abreißt und selbst zum König macht - und die Runde seiner unsterblichen Getreuen um sich sammelt und sein Königreich / Imperium der Gerechtigkeit mit Hilfe des Schwerts Escalibur / des Arkonidenraumers ausbaut. Das traf nach den Niederlagen des Krieges zweifellos den Nerv der Jugendlichen und verkaufte sich damals wie geschnitten Brot.
Dumm nur, dass die Nachfolger welche die Serie von Scheer/Darlton übernahmen, mit dem ganzen Imperiumskram nichts mehr anfangen konnten und alles ummodelten. Im Zeitgeist der 70iger war imperiale Military Opera nicht mehr gefragt und es wurde ein anderer Weg versucht. Von da an gings (zahlenmäßig) aber nur noch bergab. Voltz konnte dank seiner Phantasie immerhin noch aus dem Vollen der Schatzkiste 'Sense of Wonder' schöpfen, und eine zwar verringerte aber immer noch treue Leserschaft um die Serie scharen.
Danach wurde weiter herumexperimentiert. Aus dem Strategen und Anführer Rhodan wurde ein Abenteurer, der im übertragenen Sinn aufs Weltraum-Moped stieg und pilotierend davon brauste, und nicht mehr wirklich faszinierte. Man versuchte dem mit verschiedenen Gadgets-Upgrades (von blauer Anzug bis zum Obsidian-Kristall) entgegen zu wirken, aber das half auch nicht wirklich. Die Zahl der Undercover- und Dschungelabenteuer stieg ins Ermüdende und brachte auch nicht die verlorene Faszination zurück.
Also verlegte man sich auf Einzelabenteuer neuer Charaktere, die aber meist auch blass blieben oder wenn sie die Autoren überlebten, irgendwann im NIrgendwo des Perryversums verloren gingen. Also Suspense durch Abmurksen von Hauptcharakteren erzeugen? Ja, das wurde natürlich auch versucht, wodurch aber noch mehr Leser ihre Identifikatoren verloren.
So trudelt die Serie etwas richtungslos dahin, und versucht mit leidlich spannenden Geschichten die Leser bei der Stange zu halten. Da die Qualität der Einzelromane (im Vergleich zu früheren Zeiten) erfreulicherweise gestiegen ist, konnte ein gewisser Kreis an nostalgischen Altlesern gehalten werden, und die Umtriebigkeit des Chefredakteurs führte zu allen möglichen Nebenprodukten und Verwertungen, sodass bis dato ein Überleben im Konzern möglich war.
Andere Serien wie z.B. Games of Thrones / Das Lied von Feuer und Eis zeigten derweil, dass der Hunger des Publikums nach faszinierenden Geschichten ungebrochen ist und Millionenauflagen möglich sind. Das liegt aber nicht nur an den Verfilmungen, sondern die etwas angestaubte PR-Serie ist aufgrund ihres Realitätbezuges - sie stellt ja die Zukunft unserer Erde da - gefangen in den Moralvorstellungen der jeweiligen Zeit. Keiner (außer vielleicht manchen seltsamen Zeitgenossen) möchte verständlicherweise eine Zukunft unter einem Pseudo-Diktator Rhodan als erstrebenswerte Vision sehen. Dieser Realitätsbezug nimmt aber der Serie in enormen Umfang Entwicklungsmöglichkeiten weg, die zum Beispiel eine völlig unmoralische GoT-Serie und vergleichbare Serien haben.
Und Ach und Weh - die Jungen lesen nicht mehr, hängen statt dessen permanent mit der Nase über dem Handy; wenn noch jemand liest, sind es eher die Mädchen, aber für die war PR nie gemacht und sie bevorzugen eher
New Young Adult, Liebes- und Kitsch-Schmonzes.
So ist die Not groß. Aus Perry Rhodan eine Perrine Rhodan machen und auf Liebesgeschichten setzen? Die restliche Altleserschaft damit endgültig in den Herzkasper treiben? Vielleicht erleben wir das ja noch ... (hoffentlich nicht).
Ich glaube der einzige Weg der der Serie bleibt, ist zu versuchen
- wirklich gute und möglichst hochqualitative, faszinierende Science Fiction zu schreiben
- die Altleserschaft zu bewahren und vielleicht sogar auszubauen (was, PR gibt's noch?)
- und die Ablegerprodukte Neo und die Miniserien gezielt nutzen, um mit ungewöhnlichen Themen junge Leute zu ködern
(und die dafür gezielt und massiv bewerben)
Die Altleserschaft wird man aber nicht mit 'einfacher Sprache' oder im Grunde völlig sinnloser kurzlebiger 'Action' begeistern. Die 'Identifikatoren' Bull, Atlan, Tifflor, Addams, Gucky usw. müssen besser genutzt werden. Auch Raumschiffe können Identifikatoren sein - also her mit der SOL, gönnt Gucky endlich mal ausgedehnte eigene Abenteuer in denen er z.B. ein überlebendes Volk der Ilts wieder entdeckt; und hört auf ihn zum leidenden Grübler zu machen! Warum nutzt man sowas nicht?
Und gebt den Unsterblichen mehr Charakter und Faszination zurück. Wen soll denn ein unsterblich treuer und damit völlig langweiliger Perry begeistern? Wieso muss Sichu im langweiligen Klischee der ewig treu sorgenden Ehefrau zu Tode altern? Warum nutzt man das Potential menschlicher Verwerfungen nicht mehr? Es fehlen mehr völlig unmoralischer Ansätze a la Bostich und Ascari da Vivo, und überhaupt ist die Serie hinsichtlich erotischer Faszination unglaublich altbacken; auch da könnte man deutlich mehr machen - ohne dass es gleich peinlich wird. Interessant wird eine Handlung doch erst im Widerstreit von Gut und Böse, wenn im Scheinwerferlicht der Erzählungen die ganze Palette menschlicher Zwischentöne und Leidenschaften sichtbar wird - und nicht mehr nur stupide irgendwelche schwarz/weiß-Klischees bedient werden. Also mehr interessanter Personenaufbau, faszinierende menschliche Leidenschaften und Dramen statt sinnloser Action.
Dass könnte dann auch Neuleser faszinieren.
Mein Fazit: Wenn die Serie überleben will, muss sie noch deutlich besser werden, um mehr Leser zu faszinieren. Ob man das unter den Zwängen wöchentlicher Produktionsraten (Massenproduktion!) erreichen kann, ist allerdings fraglich. Vielleicht sollte man auf 2-wöchentlich oder monatlich umstellen, und dafür Umfang und Qualität andicken und den Preis verdoppeln. Das wäre doch mal was Innovatives auf dem deutschen Lesemarkt.
