wepe hat geschrieben: ↑09.10.2025, 17:51
Ein Problem dabei ist, dass du eben nur Migranten in deinem Kurs hast. Die
indigenen Homophoben, antifeministischen Rechten, gewaltbereiten Antisemiten, ... hast du ja nicht in deinen Kursen, weil die als Kartoffeln ja hier Heim(at)vorteil haben. Fakt ist aber, dass die längst besser organisiert und vernetzt sind als deine Klientel.

Und weit höhere Opferzahlen verursachen.
Das Problem, den eigenen Erfahrungsausschnitt zu generalisieren, kann sicherlich bestehen. Dennoch finde ich Gucky_Fans Perspektive sehr spannend und auch beachtenswert.
Zum einen unterrichtet Gucky_Fan (bitte korrigieren, wenn ich das falsch verstanden haben sollte) Migranten in DaZ/DaF und das nicht erst seit gestern, sondern wohl schon seit Jahren. Und, so ich das richtig verstehe, geht es in seinen Kursen nicht nur darum, ein Adjektiv von einem Adverb zu unterscheiden oder den Nasalschwund bei gleichzeitiger Spirantenbildung beim Präteritum von "denken" zu erklären, sondern auch darum, kulturelle Phänomene wie Gleichberechtigung der Geschlechter oder Homophobie o.ä. zu thematisieren.
In seinen Kursen sitzen geographisch, kulturell oder/und religiös heterogene Migrantengruppen. Und so ich das richtig gelesen habe, unterrichtet er sie nicht nur für ein paar Wochen, sondern auch über längere Zeiträume bis z.T. im Referenzrahmen B2, begleitet sie also etwa, so vermute ich, zwei Jahre.
Interessant finde ich erst mal folgendes: Aufgrund seiner täglichen oder mehrfach wöchentlichen Arbeit, ist Gucky_Fan eine Person (oder "Figur", "Institutionsrepräsentant" etc.), die Migrantengruppen sehr früh nach ihrer Ankunft in Deutschland kennenlernt und erlebt. Nicht nur in ihrem Sprachvermögen, sondern auch mit ihrem kulturellen Hintergrund oder individuellen Mind-Set. Er ist also eine Person, die aus der Praxiserfahrung berichten kann.
Was er berichtet ist, dass er sehr unterschiedliche Umgehensweisen der Migrantengruppen mit spezifischen kulturellen Verbindlichkeiten in Deutschland feststellt. Und er stellt (erst mal grundsätzlich) fest, dass Migrantengruppen mit einem muslimischen Kulturhintergrund größere Probleme mit z.B. LGBTQ-Toleranz haben als z.B. Migranten aus dem ukrainischen Kulturraum. Er stellt also hier eine größere interkulturelle Barriere fest. Etwas, das übrigens auch Altkanzler Helmut Schmidt (SPD) als mögliches Migrationsproblem angesprochen hatte.
Dass dies auf einem persönlichen Erfahrungsausschnitt beruht und Gucky_Fans eigene Erfahrungen nicht alle Phänomene von allen homophoben oder (wir wollen es ja nicht nur auf die Schwulen und Lesben beschränken) LGBTQ-phoben Gesellschaftsgruppen inkludiert, das wird er, so würde ich ihn einschätzen, auch selbst bestätigen.
Das Problem der Generalisierung besteht sicher - aber ist darum das Erleben der "Person aus der Praxis" auch gleich falsch oder unwichtig? Ich meine, wir wollen doch immer gerne "Vor-Ort-Erfahrungen". Hier ist sie! Sie ist nicht perfekt, sie ist ausschnitthaft. Aber ist sie darum unwichtig, eine Bagatelle oder gar ohne Wert, um daraus etwas zu schöpfen?
Ein anderer Punkt ist auch interessant und dieser wird m.E. manchmal gar nicht stark genug berücksichtigt. Gucky_Fan macht diese DaZ/DaF-Kurse seit Jahren. Und wie er selbst sagt, hat sich bei ihm etwas verändert. Und ich erlebe ihn, hier mit seinen Aussagen, als z.T. sehr frustriert, sehr alarmiert und sehr desillusioniert. Wie gesagt, manchmal wird m.E. gar nicht berücksichtigt, was mit Personen geschieht (Sorry, Gucky_Fan , ich objektisiere dich gerade ein wenig, bitte entschuldige), die über einen langen Zeitraum in Integrationsprozessen stecken und diese täglich/ mehrfach wöchentlich erleben. Was macht das mit einem? Wie verändert man sich? Was gewinnt man, was verliert man als Mensch, als Lehrkraft?
Und auch das finde ich bei weitem nicht unwichtig, als eine Bagatelle oder nicht schöpfenswert. Natürlich, es ist ein Erfahrungssauschnitt und es ist die Gefahr von Generalisierung gegeben. Aber warum muss man sie gegen die andere Phänomene ausspielen?