RBB hat geschrieben: ↑26.10.2024, 06:44
Ich glaube, Andreas könnte das Kölner Telefonbuch veröffentlichen und es wäre einwandfrei lesbar. Band 3297 ist wie so ziemlich alle Romane von AE ein weiteres Highlight der Serie.
Nun, für Perry Rhodan sind Eschbach-Romane wie Champions-League-Finale oder Super Bowl.
Das ist nicht SpVgg Unterhaching gegen TSV 1860 München.
Nichts gegen beide Vereine!

Jeder hat seine persönlichen Schreiblieblinge, aber bei Eschbach geht es nicht um Liebling hin oder her, das ist einfach Autorenqualität.
Ja, PR 3297 ist ein Roman von der Seitenlinie der Haupthandlung
und wirft nebenbei einen höchst ungewöhnlichen Blick auf diese, aber vor allem auf die Zuschauer des Spiels im "Gatas-Stadion".
Da wird nicht herumsalbadert und in Zeitverwirbelungen und Psychedelieorgien herumgeturnt, sondern ein im Grunde recht einfaches Geschehen dient als Momentum für einen spektakulären Einblick auf die Hauptwelt der Blues: Im Alltag, aus der Sicht einer absoluten Minderheit, und unter Bedrohung und politischen Verwerfungen. Wie stark sind uralte Ressentiments, wie schnell brechen sie unter (gezielter) Belastung auf?! Eschbach nimmt hier starken Bezug auf viele Epochen der Menschheitsgeschichte und auch auf die Jetztzeit.
Dabei ist die Schilderung stets fein, einfühlsam, detailliert, ziseliert.
Der Autor lässt so Vieles einfließen: Von der teilweise fast Sehnsüchte erweckenden heimeligen Stimmung auf der Berghütte, die später zum Zufluchtsort wird, bis hin zu den ins friedliche private Leben eindringenden Medienvermeldungen vom hereingebrochenen Unheil. Wir erleben ein gatasisches Begräbnis, lesen von Bluesbrille und erfahren beiläufig auch Etwas über die etablierte Geburtenkontrolle der so fortpflanzungsfreudigen Jülziish. Nie oberflächlich, über lange Strecken in interessanter Weise detailverliebt, manchmal sogar mit einem Hauch von Intimät und Verletzbarkeit, wenn man an die zweckmissbrauchte Freundschaft der beiden Akoninnen und die Kinder denkt.
Das ganze Romantableau wirkt nie gezwungen, nicht irgendwie krampfhaft aufgesetzt, nicht ins unausweichlich existente Exposékorsett gequetscht. Wobei ich natürlich annehme, dass die zu erfüllenden Pflichtabläufe und die mindestens zu vermittelnden Pflichtinformationen nicht so extrem umfänglich waren und das Exposé absichtlich viel freie Gestaltungsräume ließ.
Hier in PR 3297 entfaltete sich Eschbach genial auf seiner Lieblingsposition und wurde nicht wie in PR 3199 als Schlussausputzer eines vercoachten Spiels eingesetzt.
Ob das "Fragmentematch" bei der Leserschaft insgesamt gewonnen wird, bezweifle ich, aber gelegentliche virtuose Einzelleistungen am Perry-Ball begeistern.
Der Eschbach-Roman versenkte mindestens 5 von 6 möglichen Treffern auf die Torwand, vielleicht war er sogar ein gekonntes, nicht schlichtweg glückliches "Hole in One" wie die Golfer sagen würden, kein einfacher "Lucky Punch", sondern ein treffsicherer Knock auf den Punkt.
PR 3297 könnte auch ein feiner gebundener Einzelroman sein, der nicht mal im Perryversum spielen müsste, da er weitgehend auf die bekannten Protagonisten verzichtet.
Ich will Andreas Eschbach wirklich nicht blasphemisch mit James Joyce vergleichen, aber auch er schafft es - wie jener in "Ulysses" - Alltägliches zu packendem Leben zu erwecken. Man ist stets dran und drin zugleich. Es KANN Etwas passieren, passieren MUSS Nichts, wenngleich man wie bei "Alien" doch stets erwartet, dass etwas Schlimmes passieren könnte und zumindest die Leserschaft weiß, dass bestimmte böse Kräfte aus dem Off ihre Strippen ziehen.
Eschbach lässt zum Schluss Rhodan auf der LEUCHTKRAFT wiedererscheinen, auf das genaue Wie und Wann des Endes der raumzeitlichen Rundreise unseres Oberheroes geht er geschickt nicht ein.
Dafür greift er in der Rhodan-Rede endlich mal alle durchaus berechtigten und legalen Bedenken auf, die sich (bei den Lesern)
über die Zeit gegen eine blindwütige Wiedererweckung von ES angesammelt haben. Eschbach lässt Perry konzidieren, dass er selbst unsicher über Gelingen und Outcome des Ressurection-Projekts ist. Seine Begründung liegt weitgehend nur in Teilen der Historie, in Emotion und Hoffnung:
"You’ll Never Walk Alone": Diesmal soll es für ES gelten!
Wir wissen noch nicht, was die Expokraten für ES schlussendlich angedacht haben, ich denke, dass die SI für lange Zeit aus dem praktischen Spiel genommen wird und keine direkte Rolle mehr hat.
Auf der Schlussrechnung von ES stehen aber auch diesmal im Umfeld seiner Selbstzerlegung und der Rettungsunternehmen wieder viele Tote und Traumatisierungen.
Soweit man mit einer SI "Tacheles" reden kann, ist es dringend erforderlich: "SO NICHT! SO NICHT NOCHMAL!"
