Seite 2 von 9

Re: Wahlrecht BRD

Verfasst: 30.07.2024, 11:20
von Cybermancer
Ich finde es nicht hinnehmbar, dass die Erststimme in dieser Weise entwertet wird.
Menschen die direkt gewählt wurden, kriegen trotzdem keinen Sitz im Bundestag?

Das ist mir schwer (bis) gar nicht vermittelbar. Dadurch werden unabhängige Kandidaten außerhalb von Parteistrukturen quasi ausgeschlossen.

Die Bindung zum Wahlkreis nimmt ab und auf die Parteienbürokratie verlagert. :no:

Man hätte alles so lassen sollen, wie es war.

Re: Wahlrecht BRD

Verfasst: 30.07.2024, 13:31
von klaus 1802
Ja und in 5 Jahren hätten wir mehr Abgeordnete wie China.

Re: Wahlrecht BRD

Verfasst: 30.07.2024, 16:01
von Rebecca
Hier die Analyse der Gründe aus der Entscheidung (Laientauglich): https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/ ... ke-bestand

Re: Wahlrecht BRD

Verfasst: 31.07.2024, 01:56
von Fab
Das die Grundmandatsklausel fällt hab ich mir gedacht.
Das die Entwertung des Direktmandats so einfach durchkommt, ist enttäuschend.

Aber gut, persönlich gehör ich eh nicht zu denen, die das BVG kritiklos anhimmeln.
Mir persönlich wird in Karlsruhe zuviel Politik gemacht.

Re: Wahlrecht BRD

Verfasst: 31.07.2024, 12:03
von Eisrose
Cybermancer hat geschrieben: 30.07.2024, 11:20 Ich finde es nicht hinnehmbar, dass die Erststimme in dieser Weise entwertet wird.
Menschen die direkt gewählt wurden, kriegen trotzdem keinen Sitz im Bundestag?
Dir ist klar, dass man bereits mit 18 Prozent der Stimmen direkt gewählt werden kann? Der schlechteste Wahlkreis wurde z.B. aktuell mit 18,6 Prozent von Lars Rohwer in Sachsen "gewonnen". Auch das ist irgendwo eine Entwertung der Erststimme. Meiner Meinung nach könnte man auch ein Minimum von 30 Prozent für den Gewinn eines Wahlkreises einführen.
Cybermancer hat geschrieben: 30.07.2024, 11:20 Das ist mir schwer (bis) gar nicht vermittelbar. Dadurch werden unabhängige Kandidaten außerhalb von Parteistrukturen quasi ausgeschlossen.

Die Bindung zum Wahlkreis nimmt ab und auf die Parteienbürokratie verlagert. :no:
Nach dem Urteil des BVerfG sind unabhängige Kandidaten nicht von Rangfolge-Mehrheitsregel betroffen. Sie ziehen immer in den Bundestag ein, wenn sie einen Wahlkreis gewinnen, egal wie schlecht ihr Ergebnis dabei ist.
Cybermancer hat geschrieben: 30.07.2024, 11:20 Man hätte alles so lassen sollen, wie es war.
Wenn die CSU ein paar ihrer Leute als Unabhängige antreten lassen würde, mit aller Unterstützung der CSU, wäre übrigens (fast) alles so, wie es war. (Obwohl nicht ganz, denn die CSU wäre dann relativ stärker, als ihr zustünde.) Dieser Trick anzuwenden, wurde bereits überlegt.

Re: Wahlrecht BRD

Verfasst: 31.07.2024, 14:23
von Rebecca
Fab hat geschrieben: 31.07.2024, 01:56 Aber gut, persönlich gehör ich eh nicht zu denen, die das BVG kritiklos anhimmeln.
Mir persönlich wird in Karlsruhe zuviel Politik gemacht.
Für Politik sind alle drei Säulen der Demokratie mit zuständig. Es wäre keine echte Gewaltenteilung, wenn die Politik nur von einer Säule beeinflusst wäre.

Gerade das BVerfG (um es nicht mit dem Bundesverwaltungsgericht zu verwechseln) ist da in einer Sonderstellung, weil es Konflikte zwischen Verfassungsorganen entscheidet.
Damit das demokratisch legitimiert ist werden die Verfassungsrichter nicht in einem normalen arbeitsrechtlichen Auswahlverfahren bestimmt, sondern durch den Bundestag (und haben auch nur eine begrenzte Dienstzeit).

Insofern kann und soll das BverfG nicht unpolitisch sein. Sie sollen nicht parteipolitisch sein. Aber die Werte der Verfassung zu bewahren und vor allem auszulegen in letzter Instanz ist politisch im Sinne des abstrakten Politikbegriffs.

Demokratie ist auch Politik.

Re: Wahlrecht BRD

Verfasst: 31.07.2024, 15:05
von Fab
Unpolitisch sein ist was anderes als Politik zu machen.

Re: Wahlrecht BRD

Verfasst: 02.08.2024, 15:29
von Eisrose
Der Jubel über das Wahlrechtsurteil beruht auf einem Missverständnis

Das Bundesverfassungsgericht hat das neue Wahlgesetz in Teilen verworfen. Das heißt nicht, dass CSU und Linkspartei mit ihrer Argumentation recht hatten. [...]

Tatsächlich läuft das Urteil insofern auf eine »Lex CSU« hinaus. Jeder Mechanismus, der diesen Bedenken des Gerichts Rechnung trägt, ist geeignet, das Wahlgesetz verfassungsfest zu machen.

Das Mittel, das offensichtlich am treffsichersten den Kern des Problems behandeln würde, wäre eine unmittelbare gesetzliche Ausnahme von der Fünfprozentklausel, entsprechend der Kriterien, die das Bundesverfassungsgericht nun für die Sonderrolle der CSU entwickelt hat; formal könnte dies auch geschehen, indem man CDU und CSU eine Listenverbindung erlaubt.

Die Härte der Fünfprozenthürde ließe sich zwar auch »abmildern«, indem man die Grundmandatsklausel beibehält oder die Fünfprozenthürde absenkt. Das wäre aber, das macht auch das Urteil deutlich, weniger treffsicher, denn das bevorzugt eben auch Parteien wie die Linke (aber auch FDP oder BSW), die im Gegensatz zur CSU keinen rechtlichen Anspruch hätten, von der Fünfprozenthürde ausgenommen zu werden.

Re: Wahlrecht BRD

Verfasst: 03.08.2024, 12:59
von Jakob25
Wir sollten grundsätzlich das Formale vom Substantiellen trennen. Das Wahlrecht in einer Demokratie muss zwingend dazu führen, dass das Wahlergebnis zu einer demokratisch legitimierten Regierung führt, die von wenigstens 50% der Bürger unterstützt wird. Deutschland hat eine Regierung, die nur von etwa 30% der Bürger unterstützt wird. Der deutsche Wähler wählt keine Koalitionen. Deshalb ist auch niemandem bewusst, dass die Ampel bei der Wahl 2021 nur 28% der Bürger wollten. Die Mehrheit wollte damals eine weitere Große Koalition, allerdings mit SPD Kanzler. Repräsentative Demokratie bedeutet nicht, dass man wählt und dann die Gewählten tun, was sie wollen.

Re: Wahlrecht BRD

Verfasst: 03.08.2024, 14:01
von Eisrose
Jakob25 hat geschrieben: 03.08.2024, 12:59 Deutschland hat eine Regierung, die nur von etwa 30% der Bürger unterstützt wird.
Woran machst Du das fest? An Umfragen? Dann entscheiden zukünftig Umfragen über Koalitionen? Und Neuwahlen machen wir immer dann, wenn die Umfragen das ergeben?

Oder rechnest Du die Nichtwähler raus? Auch Nichtwahl ist eine Entscheidung, selbst, wenn diese nur aus Desinteresse getroffen wird. Wer nicht wählt bestimmt auch nicht mit.

Die Ampel hat übrigens 51.8 Prozent der Zweitstimmen erhalten.

Re: Wahlrecht BRD

Verfasst: 03.08.2024, 14:20
von Jakob25
Eisrose hat geschrieben: 03.08.2024, 14:01
Jakob25 hat geschrieben: 03.08.2024, 12:59 Deutschland hat eine Regierung, die nur von etwa 30% der Bürger unterstützt wird.
Woran machst Du das fest? An Umfragen? Dann entscheiden zukünftig Umfragen über Koalitionen? Und Neuwahlen machen wir immer dann, wenn die Umfragen das ergeben?

Oder rechnest Du die Nichtwähler raus? Auch Nichtwahl ist eine Entscheidung, selbst, wenn diese nur aus Desinteresse getroffen wird. Wer nicht wählt bestimmt auch nicht mit.

Die Ampel hat übrigens 51.8 Prozent der Zweitstimmen erhalten.
SPD, Grüne und AfD haben 55% der Abgeordneten. Nach deiner Theorie wäre das eine demokratische Mehrheit.

Re: Wahlrecht BRD

Verfasst: 03.08.2024, 14:37
von Troh.Klaus
Jakob25 hat geschrieben: 03.08.2024, 12:59 Deshalb ist auch niemandem bewusst, dass die Ampel bei der Wahl 2021 nur 28% der Bürger wollten. Die Mehrheit wollte damals eine weitere Große Koalition, allerdings mit SPD Kanzler. Repräsentative Demokratie bedeutet nicht, dass man wählt und dann die Gewählten tun, was sie wollen.
Wie kommst Du auf die 28%?

Re: Wahlrecht BRD

Verfasst: 03.08.2024, 20:28
von Jakob25
Hochheim? Da habe ich mir vor 12 Jahren die Küche gekauft. Küchen Keie? Gibt es den noch?

Re: Wahlrecht BRD

Verfasst: 03.08.2024, 20:33
von Jakob25
Die Befragungen am Wahlabend ergaben, dass 45% der Wähler von SPD, Grünen und FDP die Ampelkoalition wollten. Das sind 28% aller Wähler. Die Ampel hatte also noch nicht einmal bei den Wählern der Ampelparteien eine Mehrheit. Da wir keine Koalitionen wählen, lässt sich das nur durch Befragungen am Wahltag ermitteln.

Re: Wahlrecht BRD

Verfasst: 03.08.2024, 20:48
von Jakob25
Die meisten Deutschen unterliegen einem grundsätzlichen Missverständnis. Sie halten Ihr politisches System für eine Repräsentative Demokratie und denken, dass Politiker sie repräsentieren, die sie gar nicht gewählt haben. Noch deutlicher wird das bei der EU und der Wahl zur Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Sie würde noch nicht einmal in Deutschland von der Bevölkerung mehrheitlich gewählt, geschweige denn von den Bürgern der anderen EU Länder, wo sie wohl maximal 20% bekäme. Sie repräsentiert nur die Abgeordneten, die sie gewählt haben, ansonsten niemanden. Ein Bundeskanzler Olaf Scholz, der von den Abgeordneten gewählt wird, repräsentiert die Abgeordneten und muss deshalb allein bei diesen 395 Menschen um Zustimmung seiner Politik werben und nicht beim Volk, weil das Volk Olaf Scholz nicht abwählen kann, sondern nur das Parlament.