Müllmanns Sternengruft
- Sevel Müllmann
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Müllmanns Sternengruft
Hallo Freunde!
Ich probiere jetzt gerade aus, ob ich das PDF mit dem ersten Roman von meiner Sternengruft hochladen kann.
Au. Hat erst einmal nicht geklappt. Max Filesize ist 256 kB, und das pdf ist 12,697 MB lang. Da muss ich mir etwas anderes einfallen lassen.
Ich probiere jetzt gerade aus, ob ich das PDF mit dem ersten Roman von meiner Sternengruft hochladen kann.
Au. Hat erst einmal nicht geklappt. Max Filesize ist 256 kB, und das pdf ist 12,697 MB lang. Da muss ich mir etwas anderes einfallen lassen.
- Richard
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Re: Müllmanns Sternengruft
Hintergrund ist vermutlich, dass der Plattenplatz hier eher begrenzt ist.
Je nach dem wie das PDF erstellt worden ist könnte eventuell zippen was bringen.
Je nach dem wie das PDF erstellt worden ist könnte eventuell zippen was bringen.
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Re: Müllmanns Sternengruft
Hatte schon so etwas befürchtet. Mit 7-Zip gepackt ist es immer noch 12,339 MB lang. Das liegt nur zum Teil an Titelbild, Rückseite und "Reklame" im Inneren (Fresskorb für Haluter ...) Auch 64 Seiten Text passen nicht in 256 kB. Aber ich versuch mal, es irgendwo anders zu lagern und dann den Link hier zu8 posten.
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Re: Müllmanns Sternengruft
Google Drive und den Link hier im Forum einstellen?Sevel Müllmann hat geschrieben: ↑25.06.2024, 19:53 Hatte schon so etwas befürchtet. Mit 7-Zip gepackt ist es immer noch 12,339 MB lang. Das liegt nur zum Teil an Titelbild, Rückseite und "Reklame" im Inneren (Fresskorb für Haluter ...) Auch 64 Seiten Text passen nicht in 256 kB. Aber ich versuch mal, es irgendwo anders zu lagern und dann den Link hier zu8 posten.
So machen fast alle Verkäufer auf Etsy das. Denn die Grafikdateien von z.B. Ausmalbüchern sind sonst viel zu groß.
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Katzen sind die heiligen Tiere der Götter.
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Re: Müllmanns Sternengruft
Das klingt nach einer guten Idee! Werde mich gleich mal erkundigen, was Google Drive ist und wie das funktioniert. Kann ein wenig dauern, bis ich das begriffen habe.
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Re: Müllmanns Sternengruft
Habe jetzt zumindest das Titelbild "geschrumpft" auf winzige Auflösung. und - dah dah! - jetzt ist es nur 110 kB lang.
- Dateianhänge
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- 2875i1.jpg (109.88 KiB) 1211 mal betrachtet
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Re: Müllmanns Sternengruft
Ich verwende Dropbox-Links, wenn ich große Dateien teilen will. Funktioniert vermutlich ähnlich wie Google-Drive.
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Re: Müllmanns Sternengruft
12-13 GB ist schon viel. Wenn das dann 100 User lesen wollen hat man plötzlich über 1000 GB Traffic.^^Sevel Müllmann hat geschrieben: ↑25.06.2024, 19:35 Hallo Freunde!
Ich probiere jetzt gerade aus, ob ich das PDF mit dem ersten Roman von meiner Sternengruft hochladen kann.
Au. Hat erst einmal nicht geklappt. Max Filesize ist 256 kB, und das pdf ist 12,697 MB lang. Da muss ich mir etwas anderes einfallen lassen.
Als reine Textdatei magst du das nicht zur Verfügung stellen?
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Re: Müllmanns Sternengruft
Es sind 12 .. 13 MB. Das "," ist etwas missverständlich, sorry. Die Idee mit nur den Text hochzuladen ist gut! Wenn ich morgen Vormittag dazu komme, dann mach ich das. Scheint mir der einfachste Weg zu sein, und um sich darüber zu amüsieren muss es ja nicht wie ein Heft formatiert sein. Falls jemand das pdf (wie gesagt, knapp 13 MB) will, soll er mir eine PN schicken.
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Re: Müllmanns Sternengruft
Hmja, 12 MB wären jetzt auch nicht die Welt ... aber schau mal ob du es als Text hinkriegst.
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Re: Müllmanns Sternengruft
@Sevel Müllmann
Hast Du keinen Webspeicher (Cloud), wo du die Datei hochladen und hierher verlinken kannst? Die meisten Provider haben doch sowas im Produkt dabei, wenn man einen Vertrag hat.
Hast Du keinen Webspeicher (Cloud), wo du die Datei hochladen und hierher verlinken kannst? Die meisten Provider haben doch sowas im Produkt dabei, wenn man einen Vertrag hat.
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Re: Müllmanns Sternengruft
Habe jetzt mit Dropbox, google Cloud und so weiter herumexperimentiert, finde es aber zu kompliziert. Bei einigen scheint jeder, der auf die Daten zugreifen will, sich eine App installieren zu müssen. Zumindest hab ich es so verstanden. Bei meinem eMail Provider würde Cloud-Speicher extra kosten, also habe ich mich dazu entschlossen, die Geschichte in Textform hier her zu setzen. In vier Teilen, falls der Editor nur maximal 64 k kann.
So. Dann beginne ich mal mit dem Hochladen. Viel Spaß!
So. Dann beginne ich mal mit dem Hochladen. Viel Spaß!
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Re: Müllmanns Sternengruft
Müllmans Sternengruft Teil 1/4
Als Özlem Karani gerade ihre Füße auf die Konsole legen wollte, schrillte der Alarm des Bordcomputers durch die Zentrale der UNITED BATS, einem Forschungsraumschiff der Vereinigten drei Planeten von Grunch. Özlem stieß einen grunzenden Seufzer aus, ließ beide Beine wieder in Richtung Boden sinken, ohne dabei die Hüftgelenke zu bewegen, was, wie sie vermutete, die energiesparendste Art war aufzustehen. Zumindest, wenn man gerade begonnen hatte, die Füße hoch zu legen, aber lassen wir das.
Sie ging vor zur Steuerkonsole, murmelte “Was`n jetzt schon wieder los?”, was eigentlich als Selbstgespräch gedacht war, vom Computer jedoch als Frage an ihn interpretiert und umgehend dienstbeflissen beantwortet wurde: “Wir haben auf einer alten Notruffrequenz der solaren Flotte ein Funksignal aufgefangen.” Das klang spannend für Özlem: “Lass mal hören.”
Aus dem Lautsprecher folgte ein abgehacktes Pfeifen, mit dem sie schon mal rein gar nichts anfangen konnte. “Was`n das?”
“Das ist das soeben empfange Signal.”
“Und was soll das sein?”
“Keine Ahnung. Ich bin nur ein einfacher Computer, kein Spezialist für sonderbare Signale.”
Sie ging weiter zur Ortung, um zu sehen, woher das Signal kam. Den Computer wollte sie nicht schon wieder etwas fragen, daher warf sie selbst einen Blick auf den Monitor. Ein einsames Echo in den Hypertastern bei 3,7 Lichtmonaten mitten im interstellaren Leerraum.
Und plötzlich war der Punkt weg, die Lautsprecher stumm. “Wo isses hin?”
“Habe einen Transitionsabsprung angemessen.”
“Hast du auch etwas gemessen, als das Ding hier angekommen ist?”
“Nein. Es muss schon da gewesen sein, als wir vor einer viertel Stunde aus dem Linearraum gekommen sind.”
Özlem überlegte eine Weile, dann traf sie eine Entscheidung: “Schreib einen Bericht und sende ihn zusammen mit einer Kopie des Signals nach Hause. Mehr können wir nicht tun.”
Eine Aufgabe, für die der Computer nur Bruchteile einer Sekunde benötigte. Kurz darauf wunderte man sich 'zu Hause', das war das Institut für Vakuumforschung auf Plörre, einem der drei Planeten der V3PG, dass sich die UNITED BATS so früh schon meldet. Das Raumschiff hatte seinen Namen übrigens von der letztjährigen Siegermannschaft im Batmington, dem Nationalsport der V3PG. Eine Sportart, die man möglichst nicht mit Badminton verwechseln sollte, da sie nicht mit Federbällen und Schlägern gespielt wird, sondern in mondlosen Nächten in vollkommen finsteren Wäldern. Die Spieler müssen durch Zungenschnalzen versuchen, Hindernissen auszuweichen. Gewonnen hat die Mannschaft, die 24 Stunden nach dem Spiel die geringste Fläche an blauen Flecken vorweisen kann. Gefeiert wird natürlich die andere.
*
Vergleichbare Szenen spielten sich in den folgenden Stunden, man sollte vielleicht erwähnen, es war jetzt gerade der 14. Januar 5213 AZ, kurz nach 07h 30m Terrania Zeit, auf vielen Raumschiffen und Planeten ab. Sie alle aufzuzählen wäre mühsig. Allerdings war Özlem Karani die erste, die das Signal empfing. Was sie aber nicht wusste. Und auch später nie erfuhr. Was aber auch keine Bedeutung hat, da es sie vermutlich ohnehin nicht interessiert hätte, da sie sich viel lieber ihrem ebenso spannendem wie abwechslungsreichem Hobby, der Vakuumforschung, hingab. Übrigens stimmt es nicht, dass die V3Pegidianer 342 Wörter für “Vakuum” kennen. Wahr ist vielmehr, sie haben nur eins: “Vakuum”.
Bemerkenswert erscheint aber eine weitere Beobachtung des Signal, die es sogar in die Sammlung “Akonische Anekdoten, Sagen und sonstige Geschichten” geschafft hat.
Auf Salbahira befand sich eine geheime Abhörstation der Akonen, und an diesem Vormittag, tatsächlich waren es die frühen Abendstunden nach Ortszeit, hatten Ark Sameach, Truktruk Pataschi und Karl Moser Dienst an der Empfangsanlage. Karl Moser hatte angeblich terranische Vorfahren, was aber niemand ernsthaft störte und in diesem Zusammenhang auch keine weitere Bedeutung aufweist. Jedenfalls empfingen sie das Signal, erkannten sofort, dass es sich um einen alten terranischen Morsecode handelte und beschlossen, erst einmal nichts zu unternehmen.
Ark: “Ist für die Terraner.”
Truktruk: “Bestimmt werden die gleich wieder invasiert.”
Karl: “Invasiert?”
Ark: “Passiert bei denen doch dauernd. Und da schon lange kein neuer Invasor bei ihnen war, ist das längst überfällig.”
*
Gegen Mittag (Terrania Zeit) meldete ein Strukturtaster der Raum-überwachung Tschugnor auf Rofus einen Transitionsaustritt am Rand des Wega Systems. Da das Flugobjekt einen unverständlichen Funkspruch auf einer terranischen Notfrequenz ausstrahlte, auf Anrufe jedoch nicht reagierte, beorderte der Kommandant der Raumüberwachung den Patrouillen-kreuzer KERLON zur Position des Fremden.
Nach einer kurzen Linearettappe und vier Stunden Flug erreichte die KERLON das Objekt, ging in 135 km Entfernung auf einen Parallelkurs und begann, den Flugkörper mit der Ortung zu untersuchen.
“Sieht nicht terranisch aus.” stellte Jok Argulo, der Ortungsspezialist fest.
“Wie kommst du darauf?” eine prompte Frage des Kommandanten Suha Melher.
“Es ist viel zu klein. Keine 2 Meter im Durchmesser. Wenn es von den Terranern wäre, müssten es mindestens 2 Kilometer sein.”
“Gut. Aber laut unserer Raum-überwachung sendet es auf einer terranischen Notfrequenz und das Gepiepse ist ein uralter terranischer Code.” grübelte der Kommandant.
“Wir könnten ja mal nachfragen, was wir mit dem Ding machen sollen.” schlug die Funkerin Pars Gagat vor.
“Hm. Mach das.”
Bereits nach wenigen Minuten kam die Antwort von der Raumüberwachung: “Fangt das Ding ein und bringt es nach Terra. Wir sagen inzwischen dort Bescheid.” Irgendwie hatte Suha den Eindruck, dass man auf Rofus froh war, das Ding so schnell wieder los zu werden.
*
Nach zwei Linearettappen, ferronische Lineartriebwerke waren nicht für derartige Entfernungen ausgelegt, etwas arg Wartungsintensiv und ein klein wenig anfällig für Verschleiß, kam die KERLON in der Anflugzone Nord, etwa 16 AE über der Ebene der Ekliptik im Solsystem an.
Dort meldete sich auch sofort die solare Anflugkontrolle: “Hallo KERLON. Bitte bestätigt euer Transpondersignal.”
Worauf Pars antwortete: “KERLON. Ferronischer Patrouillenkreuzer mit einer seltsamen Fracht an Bord. Wir wurden bereits angemeldet.”
“Passt. Ich verbinde weiter.”
Ein kurzes Knacken, vermutlich aus nostalgischen Gründen künstlich erzeugt und eingespeist, um klar zu machen, dass jetzt gerade “Verbunden” wird, dann Pausenmusik, unterbrochen von einer hellen Frauenstimme, die regelmäßig wiederholte: “Bitte warten. Zur Zeit sind alle Leitungen besetzt. In wenigen Augenblicken wird ein Mitarbeiter für Sie zur Verfügung stehen.” Gefolgt von der selben Pausenmusik.
Jedes mal, wenn die Frauenstimme zu sprechen begann, zuckte Suha kurz, da er den Eindruck hatte, jetzt würde es endlich los gehen. Aber nichts. Der Spruch, Die Musik, Der Spruch. Endlos. Am Ortungsplatz wippte Jok bei der Musik mit dem Kopf mit, fast so, als würde sie ihm gefallen. Was sie natürlich nicht tat. Pars hatte es inzwischen aufgegeben, die Wiederholungen mitzuzählen, überlegte nebenbei, ob es einen Sinn für diese Art von Musik gab, sinnierte darüber nach, ob das vielleicht dem aktuellen Geschmack der Terraner entsprach, erinnerte sich jedoch daran, dass die Terraner, die sie persönlich kannte, ganz andere Musik mochten, selbst heute noch Aufzeichnungen des legendären Konzerts von John Lennon auf Ferrol ansahen, ein Konzert zu einer Zeit lange bevor sie geboren war, bei dem sie so gerne mit dabei gewesen wäre...
Als plötzlich die Pausenmusik abbrach, aus einem Rauschen, durchsetzt von Hintergrundgeräuschen eine Stimme sagte: “Solare Systemtechnik, Mark Gülen. Was kann ich für Euch tun?”
Suha zuckte kräftig zusammen, beugte sich in seinem Sitz vor und rief: “Hier ist Suha Mehler von der KERLON. Wir...”
“KERLON. Ah. Klar. Ich verbinde.”
“Neiiiin!” Aber zu spät. Die Pausen-musik...
Ein Knacken, der Empfänger zeigte an, dass diesmal eine Videoverbindung zustande kam, und auf dem Hauptmonitor erschien das Gesicht einer brünetten Frau mit halblangen Haaren und einer ausgesprochen erotischen Stimme. Zumindest nahm Pars an, dass Terraner ihre Stimme so empfinden würden. Sie gehörte zur helleren Varietät der terranischen Spezies, zu der, wie Pars fand, besonders käsigen, sah aber selbst für ferronische Maßstäbe nicht schlecht aus.
„...schicken dann noch ein paar Wissenschaftler zu euch an Bord, um das Objekt zu untersuchen. Ihr seid doch einverstanden? Oder? Und die Koordinaten stehen auf Videotext Tafel 3.”
“Ja, klar. Machen wir.” antwortete Suha, der ganz offensichtlich mehr mitbekommen hatte als seine Funkerin. Die schaltete den Videotext ein, auf Tafel eins das übliche Begrüßungsblabla, auf Tafel 2 Reklame, und schließlich auf Tafel 3 die Koordinaten von etwas, das Makemake hieß. Die leitete sie an den Piloten weiter.
Peppito, der Pilot, der wirklich Peppito hieß, auch wenn ihm das keiner glaubte, kopierte die Koordinaten in den Navigationsrechner und wartete auf die Ankunft der terranischen Wissenschaftler. In der Ortung sah man schon ein kleines Raumfahrzeug anfliegen, das in die obere Hangarschleuse des eiförmigen und nur knapp 70 Meter langen ferronischen Raumschiffs einflog. Als die Hangarschotts wieder zu waren, nickte Suha dem Piloten zu, “Dann los nach Makemake. Was auch immer das sein mag.”
*
Nach 72 Stunden Flug, die von den Wissenschaftlern an Bord eifrig genutzt wurden, erreichte die KERLON einen eisigen Felsen weit außerhalb des Solsystems. Das Raumschiff landete auf einer ebenen Fläche, die sich als Liftplattform erwies, wurde in die Tiefe gefahren und kam schließlich in einer Station, etwa 30 Kilometer unter der Oberfläche zum Stehen.
“El Torro.” kommentierte einer der Wissenschaftler.
“El – was?” wunderte sich Suha.
“Das war eine Militärbase in einem uralten Film, in dem es wie bei uns üblich um eine Invasion von Terra ging. Wurde aber von den Aliens zerstört, müsste daher etwas mit 51 heißen, aber die Konstrukteure dieser Einrichtung kannten den Film wohl nicht so genau.”
Da es am Funk nichts zu tun gab, es herrschte absolute Funkstille um den Geheimstatus der Station nicht zu gefährden, half Pars den Technikern beim Ausladen des Flugkörpers. Von einem der Wissenschaftler wollte sie bei der Gelegenheit wissen, wie sie es eigentlich so schnell geschafft hatten, den Sender des Objekts abzuschalten.
“Das war einfach. Wir haben einen Knopf an der Außenhülle der Sonde gefunden, neben dem ein Schild klebte, mit der Aufschrift: Press Button to stop Transmission. Und das haben wir dann auch gemacht, und schon war Ruhe.”
“War das nicht arg riskant? Hätte ja auch eine Selbstzerstörungsanlage sein können.”
“Ah, nö. Das war in einer alten terranischen Sprache geschrieben, und wir glauben nicht, dass die Erbauer der Sonde sich so viel Arbeit gemacht haben, nur um uns in eine Falle zu locken. Außerdem mussten wir den Sender abschalten, weil wir das Ding sonst nicht nach El Torro hätten bringen können, ohne die Position der Station zu verraten.”
“Aber die Position habt ihr doch bereits verraten, als ihr uns die Koordinaten im Teletext geschickt habt!”
“Au, Mist. Ich wusste es. Das sind die Kleinigkeiten, die wir so gut wie immer übersehen. Ich denke, daran müssen wir noch arbeiten.”
Bevor sie noch erstaunt genervt den Kopf schütteln konnte, kam Suha mit einem ganz besonders offiziell aussehenden Terraner vorbei. An Pars gewannt meinte Suha:
“Die Station hier ist so geheim, dass ihre Koordinaten aus den Speichern der KERLON gelöscht werden müssen. Dann bekommen wir ein Debriefing und dürfen wieder nach Hause fliegen.”
*
Als die KERLON abgeflogen und längst in den Linearraum verschwunden war, trafen sich die Wissenschaftler und die Leiter der Station in einem Konferenzraum. Der Wissenschaftler, der sich an Bord des ferronischen Raumschiffs als Alen Smithee vorgestellt hatte, wollte wissen: “Glaubt ihr, sie haben es uns abgekauft?”
Jane Doe: “Logo. Wieso sollten sie auch nicht? Wir haben uns so klischeehaft verhalten, wie man das in der ganzen Galaxis von Terranern erwartet.”
Erika Mustermann meinte: “Wie lange es wohl dauern wird, bis sie merken, dass wir es übersehen haben, die Koordinaten aus der gespeicherten Videotext Tafel zu löschen?”
Jane Doe: “Wie ich ihre Funkerin einschätze, weiß sie es bereits.”
Thomas Lee kam dazu und erklärte: “Wir haben NEUMANN jetzt per Transmitter nach Dreamland geschickt, wo er eingehend untersucht wird. Der Transmitterimpuls war natürlich perfekt maskiert, mit einem Materialtransport von einem Raumschiff nach Sedna. So platziert, dass Makemake genau auf der Linie lag.”
Die Klarnamen der Wissenschaftler sind ebenso geheim wie die Existenz oder Position von Dreamland. So geheim, dass man nicht einmal in einer Science Fiction Geschichte darüber schreiben darf.
*
78 Stunden zuvor:
Im militärischen Bereich des Raumhafens von Terrania herrschte eine Nuance mehr Hektik als gewöhnlich. Der Grund war ein Hyperfunksignal auf einer alten Notruffrequenz der solaren Flotte. Es sendete eine Nachricht im Morsecode mit dem Inhalt:
“SOS DE SOL QSP NEUMANN”
Nur wusste niemand, wer oder was NEUMANN war. Mit SOL konnte eigentlich nur das lange verschollene Fernraumschiff gemeint sein, das offenbar Hilfe benötigte, und diese Nachricht von NEUMANN weiter leiten ließ.
Das Signal wurde von verschiedenen Raumschiffen, Planeten und Horchposten empfangen, schien “von schräg oberhalb” der galaktischen Ebene zu kommen und sich in Richtung Sol vorwärts zu bewegen. Dazu führte es etwa alle 20 Minuten eine Transition aus, kam Terra dabei um jeweils 1000 Lichtjahre näher. Seit NEUMANN sich auf weniger als 3000 Lichtjahre genähert hatte, verringerte sich die Sprungweite. Um 12h 47m 08s Terrania Zeit hatte das Objekt das Wega System erreicht und schien sich nicht mehr weiter zu bewegen.
Zuerst hatte man das Objekt für den Vorboten eines neuen Invasors gehalten, da ein solcher einerseits längst überfällig war, sich das Objekt andererseits genau so verhielt, wie man es nach einem der unzähligen Planspiele erwartet hatte. Nur der Stop bei der Wega passte hier nicht ins Schema.
Als sich dann nach 4 Stunden die ferronische Raumüberwachung meldete, mit “Wir hätten da etwas, das vermutlich den Terranern gehört...” lief ein lange vorbereiteter Notfallplan an, und man bat die Ferronen, das “Ding” ins Solsystem zu bringen.
Um 21h 12m kam schließlich das ferronische Raumschiff KERLON in der vereinbarten Anflugzone Nord an. Was die Ferronen nicht wussten: Das Gebiet war zu diesem Zeitpunkt bereits von mehreren tausend gut getarnten Kampfschiffen umstellt, zudem lag es außerhalb des vom solaren Schutzschild abriegelbaren Bereich. Der Schutzschild selbst befand sich im Alarmmodus, und konnte innerhalb weniger Picosekunden hochgefahren werden. Nun mussten die Spezialschiffe der Raumaufklärung noch die Ladung der Ferronen mit allen Mitteln der Kunst abtasten. Aber dazu brauchte man Zeit. Und die ließ sich am unauffälligsten mit etwas bürokratischem Mummenschanz gewinnen.
Als nach einer halben Stunde fest stand, dass das “Ding” offenbar eine Raumsonde unbekannter Bauart war, jedoch keine erkennbar gefährlichen Objekte an Bord hatte, weder nanotechnischer noch biologischer Art, beschloss die Kommandantin der Systemverteidigung, vier freiwillige Wissenschaftler des Geheimprojekts “Dreamland” zur KERLON zu schicken, um die Sonde näher zu untersuchen.
Die Vier verabschiedeten sich von ihrem Einsatzleiter per Funk mit den Worten: “Mortitui te salutant.”, was diesem gar nicht gefiel, da er es für entweder defätistisch oder suizidal hielt. Eigentlich wollte er sie sogar zurückrufen, da er nicht sicher war, ob sie unter diesen Umständen ihren Job korrekt ausführen konnten, aber dazu war es bereits zu spät. Ihre Raumlinse schleuste sich gerade in der KERLON ein.
Aber er machte sich umsonst Sorgen. Die Forscher entdeckten als erstes ein in Panzertroplon gehülltes Foto von Roi Danton an der Außenhülle der Sonde kleben. Daneben befand sich ein kleiner Behälter mit einem Fingerabdruck und einer DNA Probe von Roi. Beides konnte der mitgebrachte Universalanalysator innerhalb weniger Sekunden eindeutig identifizieren. Als nächstes stießen sie auf einen grünen Knopf, ebenfalls nachträglich in die Hülle geklebt, unter dem ein Schild pappte mit der Aufschrift: “Press Button to stop Transmission.”
Nach einigem Diskutieren drückte einer der Forscher auf den Knopf, und tatsächlich, der Hypersender stellte seine Sendung ein. Dafür begann ein gewöhnlicher HF Sender bei 12,084 MHz Daten zu übertragen, die der Universalanalysator automatisch aufzeichnete und an die Einsatzleitung per Hyperfunk weiter leitete. Mit minimaler Sendeleistung, versteht sich.
*
Zeitgleich mit der Übermittlung der Daten bekam Professor Loga vom Institut für alte Sprachen und seltsame Codes an der Terrania State University einen Anruf von einem Mitarbeiter der Systemverteidigung mit der Bitte, möglichst gleich und zwar sofort in seine eMails zu schauen. Was Loga schulterzuckend tat.
Und was dazu führte, dass er für die nächsten zwei Stunden nicht mehr ansprechbar war.
Dann schickte er einen Bericht an den ihm Unbekannten mit der dringenden Bitte, ihn SOFORT an den terranischen Forschungsrat weiter zu leiten. Wozu sich der Unbekannte nicht zweimal bitten ließ. Ein Mitarbeiter des Forschungsrates las die Mail durch, trommelte alle Räte zusammen, wobei man vielleicht erwähnen sollte, dass um diese Zeit fast alle tief und fest schliefen, aber sehr schnell sehr wach waren, als sie erfuhren, worum es ging.
Um 0h 34m Terrania Zeit, es war inzwischen der 15. Januar 5213 AZ, beschlossen die Mitglieder des Forschungsrates, sofort den Obersten Sowjet von Terra zu informieren.
Den musste man nicht wecken, weil die alle bereits seit Stunden in einer Krisensitzung auf neue Nachrichten warteten. Das sah der Notfallplan so vor. Denn jedem war klar, dass die nächste Invasion garantiert unmittelbar bevor stand. Das Motto war genau so alt wie abgeschmackt: “Die Frage ist nicht ob, sondern wann die nächste Invasion kommt.”
Ein strategischer Wissenschaftler vermutete sogar, dass es diesmal so lange dauert, bis wieder irgend welche miese Typen auf der Matte standen, weil zwei Gruppen irgendwo weit draußen im Universum zur selben Zeit die selbe Idee hatten, und sich nun darum stritten, wer zuerst darf. Niemand nahm das erst, und genau deshalb waren sich alle so sicher, dass es genau so ist.
Skeptiker nannten das Invasions-paraneuia, Realisten plausible Erfahrungstatsache.
Da die Mitglieder des Obersten Sowjets von Terra nicht glauben konnten was sie soeben erfahren hatten, beschlossen sie, erst einmal eine weitere Runde Aufputschmittel einzuwerfen, um lange genug wach zu bleiben, bis eine unabhängige Bestätigung eintraf.
*
Alexeja Bernsteinowa, die momentane Generalsekretärin des Obersten Sowjets von Terra (“Einer/eine muss den Scheißjob ja machen”) beschloss, nicht länger untätig auf eine neue Nachricht zu warten. Egal ob Bestätigung oder Fehlerkorrektur. Also ließ sie den Rat ausdiskutieren, was man beim aktuellen Wissensstand unternehmen könnte, ohne in sinnlosen Aktionismus zu verfallen.
Nach endlosen 8 Minuten wurde eine Idee, von Blerim Bamirof, den Sowjet für terranische und vergleichbare Angelegenheiten angenommen. Er meinte: “Da es ja anscheinend um ein Problem geht, das sehr weit weg beheimatet ist, sollten wir einen Spezialisten für solche Fälle kontaktieren. Rhodan und seine Kumpels haben sich doch auf diesen seltsamen Planeten zurückgezogen, wie heißt der gleich noch einmal, na egal, irgend wer wird das schon herausfinden, um dort Spaß, Abenteuer und echt fetzige Sachen zu erleben. Das ist aber auch schon ein paar Jährchen her, und mittlerweile dürfte es denen ganz schön tierisch langweilig geworden sein. Die Typen kennen sich erstens aus und haben zweitens eh nichts besseres zu tun und freuen sich drittens garantiert wie Schneider über ein wenig Abwechslung.”
Alexeja: “Gebongt. Schaden kann das nicht. Obwohl? Weiß man`s? Ach was. Machen wir es so.”
12 Minuten später startete ein sehr unausgeschlafener Kurier mit einem Hochgeschwindigkeitsraumschiff von der Flugbereitschaft in Richtung – das wusste man noch nicht, aber die Information sollte in kürze per Funk nachgeliefert werden. Hauptsache, er war schon mal unterwegs. Um die Details konnte man sich später immer noch kümmern.
Etwa 11 Minuten zuvor machte Abbondanza Abbonza, die Rätin für Verkehr, einen weiteren Vorschlag: “Da das Problem weit weg ist, brauchen wir ein geeignetes Transportmittel. Hat Harun der Dreiundvierzigste eigentlich sein Fernraumschiff endlich fertig zusammen gebastelt? Teuer genug war es ja.”
“Hat er.” erinnerte sich er Sowjet für Finanzen, Ionut Bichler. “Die haben sogar schon ein paar Probeflüge erfolgreich absolviert. Und da bei mir immer seine Rechnungen auflaufen, weiß ich sogar, wo das Ding momentan steht: Auf Point Black, seinem Forschungsplaneten.”
“Ok. Da schicken wir auch jemand hin.” beschloss Alexeja Bernsteinowa und nuschelte ein paar Anweisungen ins Mikrofon. 7 Minuten danach startete ein weiterer Kurier. Womit der Zweite eigentlich der Erste war, da der eigentlich erste erst knapp 4 Minuten nach ihm starten würde. Was beide natürlich nicht wussten, und vor allem: Wen interessiert das ganze Zeitgeschwurbel?
Als das erledigt war, beugte sich Alexeja zu Blerim hinüber und flüsterte: “Wieso wie Schneider?”
“Welche Schneider?”
“Du hast vorhin gemeint, dass sich Rhodans Kumpels wie Schneider freuen werden, und ich verstehe nicht, wieso sich Schneider so besonders freuen.”
“Was weiß ich. Schreib ein Memo an deinen Sekretär, soll der das herausfinden. Ich kann mich schließlich nicht um alles kümmern.”
Da begriff Alexeja, dass nicht nur sie einen Scheißjob hatte. Den anderen Sowjets ging es auch nicht besser. Vielleicht sollten sie es das nächste mal mit einer Monarchie versuchen, aber dann fiel ihr ein, dass der Vorschlag mit dem Sowjet-Planeten ja von einem Kaiser stammte, dem vom Olymp.
*
Nach rund 30 Stunden Flug erreichte Ella Fitz endlich den Planeten Point Black im Hawking System. Die strahlend weiße Oberfläche bestand nicht etwa aus Eis, dazu war es auf Point Black entschieden zu heiß, sondern aus feinstem Quarzsand, dem Ausscheidungsprodukt der dort heimischen Sandspinnen. Seinen Namen hatte der Planet vom ersten Versuch einer Kolonialisierung: Damals war einiges schief gelaufen, von der Siedlung und den Industrieanlagen blieb nur ein schwarzer Fleck übrig. Harun`s Forschungsstation befand sich genau auf den Antipoden dazu, weshalb sie auch “Antipodes Station” hieß.
Genau dort landete die LIGHTNING 27, das schnelle Kurierschiff. Ella quälte sich aus der engen Kabine, wies ihren Piloten an, die Maschine gründlich zu warten und wieder startklar zu machen, da sie nicht vor hatte, lange zu bleiben.
Als sie auf dem harten Beton des Raumhafens stand, sich umblickte, in geschätzt 30 Kilometer Entfernung ein gigantisch Kugelraumschiff bewunderte, in der anderen Richtung, vermutlich genau so weit weg, ein paar Gebäude erkannte, fragte sie sich ernsthaft, ob ihr jetzt eine lange Wanderung bevor stand. Aber sie hatte Glück: Ein Gleiter flog in ihre Richtung, landete nach mehreren Minuten und der Pilot öffnete ein Schiebefenster, rief heraus: “Fitz? Ella Fitz?”
“Genau.”
“Dann steig ein.”
Inzwischen hatte ihr Serun den Druck ausgeglichen, und Ella konnte endlich den Helm öffnen. “Ganz schön heiß hier.”
“Stimmt. Und du brauchst sicher erst einmal eine Dusche.”, die etwas naserümpfende Antwort des Piloten.
“Wäre nicht schlecht. 30 Stunden in so einem Anzug, das gibt Ella in Aspik. Trotz Klimaanlage.”
Nach einer halben Stunde Flug landete der Gleiter neben den vorhin beobachteten Gebäuden, beide stiegen aus, der Pilot ging voraus und Ella stapfte in ihrem schweren Serun ächzend hinter ihm her. Kurz vor der Eingangstür fragte sie: “Wie heißt du eigentlich?”
“Fethullah Gülen.”
“Hast du einen Vorfahren, der - “
“Nein.”
“Schade.”
Schweigend gingen sie weiter. Nach einigen 100 Schritten blieb Gülen stehen, deutete auf eine Tür und erklärte: “Da drinnen kannst du deinen Serun ablegen und zwischenlagern. Da gibt es auch Duschen.” Und nach einer kurzen Denkpause: “Seife gibt`s dort auch. Ich kann nur empfehlen, die auch zu benutzen.” Drehte sich um und ging davon.
Also ging Ella in den Raum, der sich als typische Arbeiterumkleide entpuppte, und kämpfte erst einmal eine viertel Stunde mit ihrem Serun. Hinein gekommen war sie ja in knapp 8 Minuten, aber wieder heraus zu kommen...
Sie ließ den Serun am Boden liegen, verriegelte den Helm, damit alles dicht war und schaltete die Selbstreinigungsanlage ein. Dann hakte sie ihre gelbe Designerhandtasche los, die mit einem Karabinerhaken am Serun befestigt war, und ging zu den Duschen. Nicht ohne zuvor ein Stück Seife von einer Ablage zu nehmen.
Eine Stunde später war sie fertig, sauber, entstunken, wie sie das nannte, und frisch abgetrocknet. Sie öffnete ihre Handtasche, nahm ihr Strandkleid heraus, bodenlang, leuchtend orange mit wellenartigen neongrünen Streifen, 225 Gramm schwer und trotzdem kaum durchscheinend, zog es an, holte ihre High Heel Sandalen, stieg auch dort hinein und betrachtete sich im Spiegel. Bei 1,65 Meter und 43 kg musste sie schon etwas buntes tragen, damit sie nicht dauernd übersehen wurde. Apropos übersehen: Sie wunderte sich wie bei fast jeder Mission, dass sich noch nie jemand über ihre gelbe Handtasche am Serun gewundert hat, die sich jetzt umhängte.
Dann verließ sie den Wasch- oder Umkleideraum, oder wozu das hier auch immer gedacht sein mochte. Nur um im Flur festzustellen, dass sie hier offensichtlich alleine war. “Seltsame Begrüßung.” dachte sie, etwas mehr als gar kein Begrüßungskomitee hatte sie schon erwartet. Aber so konnte man sich irren.
Also ging sie weiter den Gang entlang, dorthin, wo Gülen verschwunden war. Alles leer. Sie klopfte an alle möglichen Türen, nichts. Einige versuchte sie sogar zu öffnen, aber sie waren alle verschlossen. Nach einigen Stunden des Herumirrens, sie hatte inzwischen gefühlt 20 Stockwerke abgeklappert, merkte sie, dass sie Hunger bekam. In Terrania musste jetzt Mittag sein, hier vermutlich später Nachmittag. Uhr hatte sie keine, schon gar keine, die Ortszeit anzeigte. “Hunger!” mehr ein Seufzer.
In dem Moment ploppte ein kleiner kugelförmiger Robot aus der Wand, schwebte etwa einen halben Meter vor ihrem Gesucht und meinte ganz ruhig:
“Hunger?”
“Ja. Sehr sogar! Ich könnte ein halbes Schwein mit Pommes verdrücken!”
“Bitte folge mir.” und schwebe im Schritttempo vor ihr her.
*
In einem Konferenzraum in Terrania hatte Abbondanza Abbonza eine weitere Idee: “Rhodan und seine Kumpels können das Fernraumschiff doch unmöglich alleine fliegen!”
Alexeja: “Stimmt. Jetzt wo du es sagst. Das hat was.”
Abbondanza: “Wir müssen ganz schnell eine Besatzung zusammen trommeln. Eine, die mit jeder Eventualität fertig wird...”
Alexeja: “Kein Problem. Da kenne ich eine Spezialistin, die schafft das problemlos.” Sie beugte sich zu ihrem Mikrofon vor: “Ruf ganz schnell Selina Leibowich an. Die soll sofort eine Besatzung für das Fernraumschiff organisieren.” Worauf aus dem Lautsprecher neben dem Mikrofon ein “Gebongt. Mach ich.” herauskam.
*
In einer recht geräumigen Kantine mit riesigem Panoramafenster, durch das man auf eine weite, schneeweiße Ebene blickte, saß Ella alleine an einem Tisch, nagte gerade die Reste ihrer zweiten Schweinshaxe ab, knabberte zwischendurch ein paar Pommes, die sie abwechselnd in Ketchup und Majo tunkte, schaufelte gelegentlich etwas Reis aus einer der vielen Schalen mit Beilagen nach, nippte am Pflaumensaft, dann wieder an einem extragroßem Mai Tai, und freute sich bereits auf den Nachtisch, eine viertel Schwarzwälder Kirschtorte, als eine Frau in einem Mechanikeroverall mit einem Tablett an ihren Tisch trat.
“Darf ich?”
“Mhm” mehr kam aus Ellas vollem Mund nicht heraus. Die Frau setzte sich, sah Ella eine Weile beim Essen zu, warf gelegentlich einen Blich auf ihr Tablett, auf dem eine Tasse Kaffee, eine Schüssel Früchtequark und ein extra kleiner Donut lag. Dann meinte sie:
“Wie schaffst du es nur, so viel zu essen, und trotzdem so schlank zu bleiben?”
“Ich komme nicht oft zum Essen.”
Dann aßen beide schweigend weiter. Als die Frau im Mechanikerkittel fertig war, meinte sie im Aufstehen zu Ella: “Hübschen Kleid.”
“Danke. Hab ich ich letzte Woche bei Grunch&Knapp in Terrania gekauft.” Die andere Frau setzte sich wieder.
“In Terrania? Dann bist du gar nicht von hier?”
“Nein, bin vorhin erst angekommen. Bin 30 Stunden in einem Serun gesteckt, und die Konzentratnahrung da drinnen ist praktisch ungenießbar.”
„Was hast du denn so lange in einem Raumanzug gemacht?”
“Mh, geht in diesen blöden Kurierschiffen nicht anders. Die sind so megaeng, eben nur Triebwerk und sonst nix...”
“Kann es sein, dass du der Kurier von Terra bist, auf den Harun bereits wartet?”
“Kann sein. Also ein Kurier von Terra bin ich, aber ob Harun auf mich wartet, weiß ich nicht.”
“Dann komm am besten gleich mit. Ich bin übrigens Sabin Kuratschowa.”
“Mach ich, Sabin. Ich esse nur noch schnell auf.”
Als beide nach eine halben Stunde aufstanden, ihre leeren Teller und Schüsseln mit den Tabletts zurück brachten, deutete Ella auf einen verschmierten Ölfleck in Sabins Gesicht: “Du hast da was.”
“Mechaniker Makeup. Das muss so sein.”
*
Nach der zweiten Linearettappe bekam die LIGHTNING 4 eine Nachricht von der Erde. Ihre Zielkoordinaten waren jetzt bekannt: Sie musste zum Planeten Tartar im Bollywood System. Also flog der Pilot eine Kurskorrektur um 73° und ging erneut in den Linearraum. Insgeheim beglückwünschte er sich zu seiner Richtungswahl. Diesmal lag er gar nicht so falsch. Beim letzten mal, vor ein paar Wochen, waren es noch 176° gewesen...
*
32 Stunden vorher: Bei Selina Leibowich klingelte der Interkom. Ja, klingelte. Sie hatte eine der sauteuren echt antiken mechanischen Klingeln einbauen lassen, wie es zur Zeit Mode war. Was sie nicht wusste: So echt antik war sie nicht, auch funktionierte sie nicht mechanisch, sondern mit einem Chip und Piezolautsprecher, und sauteuer wäre sie auch nicht gewesen, eher ganz im Gegenteil, hätte der Techniker, der sie eingebaut hat, nicht eine astronomische Gewinnmarge eingeplant.
Jedenfalls war es hier auf Trinidad kurz vor Mittag als Selina den Anruf annahm. “Leibowich?”
“Hier spricht Malcom MacNamara, der persönliche Sekretär der Generalsekretärin des Obersten Sowjets von Terra. Wir hätten da einen kleinen Auftrag für dich.”
“Was springt für mich dabei heraus?”
“Rum und Ehre?”
“Ruhm gibt es hier zum Abwinken, und mit Ehre konnte ich noch nie viel anfangen.”
“Hmmm – In deinem Dossier steht, du hättest da eine Theorie zur optimalen Zusammenstellung von Raumschiffs-besatzungen für extreme Unternehmen. Die könntest du ausprobieren.”
“Gebongt. Wann soll es losgehen?”
“Jetzt. Die genaue Ausschreibung findest du in deiner eMail.”
Selina sah auf den Monitor, öffnete die Mail vom OST (dem Obersten Sowjet von Terra) und las:
„Wir haben einen Notfall und müssen ein Fernraumschiff ausrüsten. Dazu brauchen wir unter anderem eine Besatzung. Ein Kurier ist unterwegs, um Rhodan und seine Kumpels zu überreden, die Expedition zu leiten. Aber wir denken, dass man dazu noch mehr Leute braucht. Als Schiff wollen wir das Neue von Harun 43. benutzen. Vielleicht hat der schon eine Testmannschaft, aber das wissen wir noch nicht. Ob von denen, so es sie denn gibt, jemand mit will, wissen wir auch nicht. Am besten, du fragst sie mal. Wie viele Leute man für so ein Raumschiff braucht, entzieht sich total unser Kenntnis, aber du wirst das schon herausfinden. Wir verlassen uns da ganz auf dich.
Die Expedition wird vermutlich tierisch gefährlich, und es dürften laufend extrem unbekannte neue Probleme auftreten. Suche also Leute aus, die mit so etwas umgehen können. Und nicht zu vergessen: Das Ganze wird vermutlich recht lange dauern. Aber du machst das schon. Start ist übrigens in ein paar Tagen.
Mit freundlichen Grüßen, M. MacNamara im Auftrag von Alexeja Bernsteinowa, der Generalsekretärin des Obersten Sowjets von Terra.”
Selina sah wieder zum Interkom: “Bist du noch da?”
“Logo.”
“Klingt gut. Mach ich.”
“Super. Dann bis später.”
Und unterbrach die Verbindung. Selina legte eine Datenbank auf ihrem Tablet an, Funktion an Bord, Name, u.s.w. Dann trug sie als erstes ein: “Bordpsychologin, Selina Leibowich.” und warf einen Blick auf die Uhr. Mittag. Also ging sie aus ihrem Büro, eine Bambushütte am Strand, spazierte weiter zu Joey`s Imbiss und setzte sich auf einen Stuhl vor einem der Tische. Als Joey heraus kam, um ihre Bestellung aufzunehmen, meinte sie: “Das Übliche. Und schick mir mal den Koch.”
“Eine Beschwerde?”
“Nein, nein. Der ist doch Kampfsportler?”
“Ja. Behauptet er zumindest. Wurde aber aus dem Kampfsportverband geschmissen, weil er immer so unfair gekämpft hat.”
Nach ein paar Minuten kam Joey zurück, brachte Selina ihr übliches Essen und schubste dann den Koch aus den Imbiss heraus.
“Was willst du?” Eine Frage, die zu seinem Aussehen passte. Zwei Meter groß, zu einem Pferdeschwans gebundene lange Haare, eine total verdreckte Küchenschürze.
“Ich stelle gerade eine Raumschiffsbesatzung zusammen. Ein kochender Kampfsportler fehlt mir noch.”
Steven Albatros, so der Name des Kochs, sah sie etwas verblüfft an. “Und wie kommst du da auf mich?”
“Na ja, es wird eine extrem gefährliche Mission. Und du weißt ja, es ist bei uns Terranern üblich, dass im Notfall der Koch das Schiff rettet. Und dazu muss er natürlich Kampfsportler sein.”
“Passt. Und was zahlen die so?”
“Freie Kost und Logis.”
“Also wie hier. Und es wird gefährlich?”
“Sehr gefährlich.”
“Wo muss ich mich melden?”
An sich selbst gewandt: „Stimmt. Ich muss noch eine Rekrutierungsstelle einrichten.“, und zu Steven: “Fahr einfach schon mal zum Raumhafen in Terrania. Bis du dort ankommst, habe ich auch eine passende Anlaufstelle eingerichtet.”
“Prima.” schnappte sich sein Skateboard, zog die verdreckte Schürze aus und rief zu Joey: “Hey Boss, ich kündige.”
Der setzte einen ungläubigen Gesichtsausdruck aus, stammelte:
“Und wer soll dann für unsere Gäste kochen?”
Steven drückte ihm die Schürze in die Hand. “Du,”
“Aber ich kann doch gar nicht kochen...”
Da rollte der neue Bordkoch jedoch bereits auf seinem Skateboard davon.
*
61 Stunden nachdem Selina den Koch rekrutiert hatte, erreichte die LIGHTNING 4 den Planeten Tartar und landete mitten in der Nacht um 3h 31 Ortszeit in Nowo Odessa. Nach weiteren 3 Stunden Flug mit einem Taxigleiter kam Heinzi Karsunke, der Kurier, schließlich in Zack`s Resort an. Den Serun hatte er bereits am Raumhaufen gegen seine Kurier Dienstkleidung getauscht: Braune kurze Hose, braunes Hemd, weiße Socken und Halbschuhe. Angeblich war das seit Jahrtausenden die traditionelle Arbeitskleidung von Kurieren. Und er sagte sich immer, wenn er sie anzog: Wieso nicht? Es könnte schlimmer sein.
Er stieg aus, stellte fest, dass der Boden matschig war, vermutlich hatte es in der Nacht geregnet, aber als professioneller Kurier war er schlimmeres gewohnt, und betrachtete eine fast zwei Quadratmeter große Infotafel. Links mit Fotos und kurzen Beschreibungen der einheimischen Tier- und Pflanzenwelt, rechts mit einer Wanderkarte der näheren Umgebung. Dann ging er weiter zu den hölzernen Bauten, die auf kleinen Pfosten standen, vermutlich gegen den Regen, oder vielmehr den Matsch, und traf auf einen weißhaarigen Mann, der gerade von zwei einheimischen Schönheiten auf einer überdachten Terrasse gekrault wurde und der ein TRL Heft in der Hand hielt. Revolution in Musk-City, wie Karsunke auf dem Titelbild lesen konnte.
“Rhodan? Perry Rhodan?”
“Nein. Der pennt noch.”, wobei er auf eine Hütte schräg gegenüber deutete. Also stapfte Karsunke durch dem Matsch zu dieser Hütte. Kurz bevor er dort ankam hörte er eine Frauenstimme aus einer der fensterlosen Fensteröffnungen keifen: “Du sollst mich doch nicht immer Thora nennen!” Dann lief eine auffällig gut aussehende Frau, fast bekleidet mit dem berühmten Hauch von Nichts zur türlosen Tür heraus, ließ sich in einen Korbsessel fallen, worauf sofort ein Robot anschwebte und ihr eine Tasse Kaffee reichte, an der sie ebenso wortlos zu trinken begann.
“Wohnt hier Perry Rhodan?”
Sie schien Karsunke erst jetzt zu bemerken, schaute ihn über den Rand ihrer Tasse an, “Ja, der steht gerade auf. Und wenn er nicht bald wieder Arbeit findet, treibt er mich noch in den Wahnsinn!”
“Da habe ich gute Nachrichten für dich! Ich bin ein Kurier vom Obersten Sow-”
“Es gibt was zu tun???”, eine fast enthusiastisch klinge Männerstimme aus dem Haus.
“Ja, ich soll Rhodan und seine Kumpels -”
Ein lauter Plopp. Und schon schwebe ein kleiner pelziger Typ neben Karsunke in der Luft, der gerade mit einer sonderbar geformten Bürste seinen einzigen Zahn schrubbte. “Und seine Kumpels! Hast gehört, Großer?!”
Jetzt stapfte auch der weißhaarige in seinen Cowboystiefeln durch den Matsch. “Da dürfte ich auch gemeint sein. Gestatten: Atlan da Gonozal.”
Der Kurier sah kurz auf sein Tablet. “Ja. Und ein Herr Bully und Tolot.”
“Die beiden sind gerade unterwegs, wollten endlich mal zusammen etwas unternehmen.”
Und der kleine pelzige erwiderte: “Kaluppen jagen oder so.”
“Gibt es hier wirklich Kaluppen? Habe ich auf der Infotafel gar nicht gesehen.”
“Lass dich von unserem Scherzkeks nicht aufziehen.” warf die interessant fast bekleidete ein.
Dann kam Rhodan auf die Terrasse, mit verwuschelten Haaren und einer schlabberigen Pyjamahose, setzte sich in den Korbstuhl neben seiner Freundin, worauf der schwebende Robot versuchte, ihm eine Tasse Kaffee zu reichen, was Rhodan aber mit “Jetzt nicht.” ablehnte.
“Bist krank? Seit wann magst du keinen Kaffee mehr?” wunderte sich der pelzige.
“Nur neugierig. Hol doch mal Bully und Tolot, damit wir anfangen können.”
“Wie kommst du darauf, dass ich weiß, wo die sind?”
“Ha!”
Mit einem Plopp und einem leichten Windhauch war der Ilt verschwunden.
Nur um nach nicht einmal einer Minute mit Tolot, der ihn und Bully auf den Armen trug, wieder aufzutauchen. Leider 30 Zentimeter über dem Morast. Sekundenbruchteile später wunderten sich alle Anwesenden, wie weit Matsch spritzen kann, wenn ein Haluter aus dieser Höhe darin landet. Bis auf Karsunke. Dem fiel gerade ein, was schlimmer war als Matsch: Spritzender Matsch.
Nachdem Heinzi Karsunke sein Tablet abgewischt hatte, überreichte er Rhodan ein Päckchen, nicht abgewischt, und sagte: “Unterschreib hier um den Empfang zu quittieren.” Dazu hielt er ihm das Tablet und einen Stift hin.
*
Als Özlem Karani gerade ihre Füße auf die Konsole legen wollte, schrillte der Alarm des Bordcomputers durch die Zentrale der UNITED BATS, einem Forschungsraumschiff der Vereinigten drei Planeten von Grunch. Özlem stieß einen grunzenden Seufzer aus, ließ beide Beine wieder in Richtung Boden sinken, ohne dabei die Hüftgelenke zu bewegen, was, wie sie vermutete, die energiesparendste Art war aufzustehen. Zumindest, wenn man gerade begonnen hatte, die Füße hoch zu legen, aber lassen wir das.
Sie ging vor zur Steuerkonsole, murmelte “Was`n jetzt schon wieder los?”, was eigentlich als Selbstgespräch gedacht war, vom Computer jedoch als Frage an ihn interpretiert und umgehend dienstbeflissen beantwortet wurde: “Wir haben auf einer alten Notruffrequenz der solaren Flotte ein Funksignal aufgefangen.” Das klang spannend für Özlem: “Lass mal hören.”
Aus dem Lautsprecher folgte ein abgehacktes Pfeifen, mit dem sie schon mal rein gar nichts anfangen konnte. “Was`n das?”
“Das ist das soeben empfange Signal.”
“Und was soll das sein?”
“Keine Ahnung. Ich bin nur ein einfacher Computer, kein Spezialist für sonderbare Signale.”
Sie ging weiter zur Ortung, um zu sehen, woher das Signal kam. Den Computer wollte sie nicht schon wieder etwas fragen, daher warf sie selbst einen Blick auf den Monitor. Ein einsames Echo in den Hypertastern bei 3,7 Lichtmonaten mitten im interstellaren Leerraum.
Und plötzlich war der Punkt weg, die Lautsprecher stumm. “Wo isses hin?”
“Habe einen Transitionsabsprung angemessen.”
“Hast du auch etwas gemessen, als das Ding hier angekommen ist?”
“Nein. Es muss schon da gewesen sein, als wir vor einer viertel Stunde aus dem Linearraum gekommen sind.”
Özlem überlegte eine Weile, dann traf sie eine Entscheidung: “Schreib einen Bericht und sende ihn zusammen mit einer Kopie des Signals nach Hause. Mehr können wir nicht tun.”
Eine Aufgabe, für die der Computer nur Bruchteile einer Sekunde benötigte. Kurz darauf wunderte man sich 'zu Hause', das war das Institut für Vakuumforschung auf Plörre, einem der drei Planeten der V3PG, dass sich die UNITED BATS so früh schon meldet. Das Raumschiff hatte seinen Namen übrigens von der letztjährigen Siegermannschaft im Batmington, dem Nationalsport der V3PG. Eine Sportart, die man möglichst nicht mit Badminton verwechseln sollte, da sie nicht mit Federbällen und Schlägern gespielt wird, sondern in mondlosen Nächten in vollkommen finsteren Wäldern. Die Spieler müssen durch Zungenschnalzen versuchen, Hindernissen auszuweichen. Gewonnen hat die Mannschaft, die 24 Stunden nach dem Spiel die geringste Fläche an blauen Flecken vorweisen kann. Gefeiert wird natürlich die andere.
*
Vergleichbare Szenen spielten sich in den folgenden Stunden, man sollte vielleicht erwähnen, es war jetzt gerade der 14. Januar 5213 AZ, kurz nach 07h 30m Terrania Zeit, auf vielen Raumschiffen und Planeten ab. Sie alle aufzuzählen wäre mühsig. Allerdings war Özlem Karani die erste, die das Signal empfing. Was sie aber nicht wusste. Und auch später nie erfuhr. Was aber auch keine Bedeutung hat, da es sie vermutlich ohnehin nicht interessiert hätte, da sie sich viel lieber ihrem ebenso spannendem wie abwechslungsreichem Hobby, der Vakuumforschung, hingab. Übrigens stimmt es nicht, dass die V3Pegidianer 342 Wörter für “Vakuum” kennen. Wahr ist vielmehr, sie haben nur eins: “Vakuum”.
Bemerkenswert erscheint aber eine weitere Beobachtung des Signal, die es sogar in die Sammlung “Akonische Anekdoten, Sagen und sonstige Geschichten” geschafft hat.
Auf Salbahira befand sich eine geheime Abhörstation der Akonen, und an diesem Vormittag, tatsächlich waren es die frühen Abendstunden nach Ortszeit, hatten Ark Sameach, Truktruk Pataschi und Karl Moser Dienst an der Empfangsanlage. Karl Moser hatte angeblich terranische Vorfahren, was aber niemand ernsthaft störte und in diesem Zusammenhang auch keine weitere Bedeutung aufweist. Jedenfalls empfingen sie das Signal, erkannten sofort, dass es sich um einen alten terranischen Morsecode handelte und beschlossen, erst einmal nichts zu unternehmen.
Ark: “Ist für die Terraner.”
Truktruk: “Bestimmt werden die gleich wieder invasiert.”
Karl: “Invasiert?”
Ark: “Passiert bei denen doch dauernd. Und da schon lange kein neuer Invasor bei ihnen war, ist das längst überfällig.”
*
Gegen Mittag (Terrania Zeit) meldete ein Strukturtaster der Raum-überwachung Tschugnor auf Rofus einen Transitionsaustritt am Rand des Wega Systems. Da das Flugobjekt einen unverständlichen Funkspruch auf einer terranischen Notfrequenz ausstrahlte, auf Anrufe jedoch nicht reagierte, beorderte der Kommandant der Raumüberwachung den Patrouillen-kreuzer KERLON zur Position des Fremden.
Nach einer kurzen Linearettappe und vier Stunden Flug erreichte die KERLON das Objekt, ging in 135 km Entfernung auf einen Parallelkurs und begann, den Flugkörper mit der Ortung zu untersuchen.
“Sieht nicht terranisch aus.” stellte Jok Argulo, der Ortungsspezialist fest.
“Wie kommst du darauf?” eine prompte Frage des Kommandanten Suha Melher.
“Es ist viel zu klein. Keine 2 Meter im Durchmesser. Wenn es von den Terranern wäre, müssten es mindestens 2 Kilometer sein.”
“Gut. Aber laut unserer Raum-überwachung sendet es auf einer terranischen Notfrequenz und das Gepiepse ist ein uralter terranischer Code.” grübelte der Kommandant.
“Wir könnten ja mal nachfragen, was wir mit dem Ding machen sollen.” schlug die Funkerin Pars Gagat vor.
“Hm. Mach das.”
Bereits nach wenigen Minuten kam die Antwort von der Raumüberwachung: “Fangt das Ding ein und bringt es nach Terra. Wir sagen inzwischen dort Bescheid.” Irgendwie hatte Suha den Eindruck, dass man auf Rofus froh war, das Ding so schnell wieder los zu werden.
*
Nach zwei Linearettappen, ferronische Lineartriebwerke waren nicht für derartige Entfernungen ausgelegt, etwas arg Wartungsintensiv und ein klein wenig anfällig für Verschleiß, kam die KERLON in der Anflugzone Nord, etwa 16 AE über der Ebene der Ekliptik im Solsystem an.
Dort meldete sich auch sofort die solare Anflugkontrolle: “Hallo KERLON. Bitte bestätigt euer Transpondersignal.”
Worauf Pars antwortete: “KERLON. Ferronischer Patrouillenkreuzer mit einer seltsamen Fracht an Bord. Wir wurden bereits angemeldet.”
“Passt. Ich verbinde weiter.”
Ein kurzes Knacken, vermutlich aus nostalgischen Gründen künstlich erzeugt und eingespeist, um klar zu machen, dass jetzt gerade “Verbunden” wird, dann Pausenmusik, unterbrochen von einer hellen Frauenstimme, die regelmäßig wiederholte: “Bitte warten. Zur Zeit sind alle Leitungen besetzt. In wenigen Augenblicken wird ein Mitarbeiter für Sie zur Verfügung stehen.” Gefolgt von der selben Pausenmusik.
Jedes mal, wenn die Frauenstimme zu sprechen begann, zuckte Suha kurz, da er den Eindruck hatte, jetzt würde es endlich los gehen. Aber nichts. Der Spruch, Die Musik, Der Spruch. Endlos. Am Ortungsplatz wippte Jok bei der Musik mit dem Kopf mit, fast so, als würde sie ihm gefallen. Was sie natürlich nicht tat. Pars hatte es inzwischen aufgegeben, die Wiederholungen mitzuzählen, überlegte nebenbei, ob es einen Sinn für diese Art von Musik gab, sinnierte darüber nach, ob das vielleicht dem aktuellen Geschmack der Terraner entsprach, erinnerte sich jedoch daran, dass die Terraner, die sie persönlich kannte, ganz andere Musik mochten, selbst heute noch Aufzeichnungen des legendären Konzerts von John Lennon auf Ferrol ansahen, ein Konzert zu einer Zeit lange bevor sie geboren war, bei dem sie so gerne mit dabei gewesen wäre...
Als plötzlich die Pausenmusik abbrach, aus einem Rauschen, durchsetzt von Hintergrundgeräuschen eine Stimme sagte: “Solare Systemtechnik, Mark Gülen. Was kann ich für Euch tun?”
Suha zuckte kräftig zusammen, beugte sich in seinem Sitz vor und rief: “Hier ist Suha Mehler von der KERLON. Wir...”
“KERLON. Ah. Klar. Ich verbinde.”
“Neiiiin!” Aber zu spät. Die Pausen-musik...
Ein Knacken, der Empfänger zeigte an, dass diesmal eine Videoverbindung zustande kam, und auf dem Hauptmonitor erschien das Gesicht einer brünetten Frau mit halblangen Haaren und einer ausgesprochen erotischen Stimme. Zumindest nahm Pars an, dass Terraner ihre Stimme so empfinden würden. Sie gehörte zur helleren Varietät der terranischen Spezies, zu der, wie Pars fand, besonders käsigen, sah aber selbst für ferronische Maßstäbe nicht schlecht aus.
„...schicken dann noch ein paar Wissenschaftler zu euch an Bord, um das Objekt zu untersuchen. Ihr seid doch einverstanden? Oder? Und die Koordinaten stehen auf Videotext Tafel 3.”
“Ja, klar. Machen wir.” antwortete Suha, der ganz offensichtlich mehr mitbekommen hatte als seine Funkerin. Die schaltete den Videotext ein, auf Tafel eins das übliche Begrüßungsblabla, auf Tafel 2 Reklame, und schließlich auf Tafel 3 die Koordinaten von etwas, das Makemake hieß. Die leitete sie an den Piloten weiter.
Peppito, der Pilot, der wirklich Peppito hieß, auch wenn ihm das keiner glaubte, kopierte die Koordinaten in den Navigationsrechner und wartete auf die Ankunft der terranischen Wissenschaftler. In der Ortung sah man schon ein kleines Raumfahrzeug anfliegen, das in die obere Hangarschleuse des eiförmigen und nur knapp 70 Meter langen ferronischen Raumschiffs einflog. Als die Hangarschotts wieder zu waren, nickte Suha dem Piloten zu, “Dann los nach Makemake. Was auch immer das sein mag.”
*
Nach 72 Stunden Flug, die von den Wissenschaftlern an Bord eifrig genutzt wurden, erreichte die KERLON einen eisigen Felsen weit außerhalb des Solsystems. Das Raumschiff landete auf einer ebenen Fläche, die sich als Liftplattform erwies, wurde in die Tiefe gefahren und kam schließlich in einer Station, etwa 30 Kilometer unter der Oberfläche zum Stehen.
“El Torro.” kommentierte einer der Wissenschaftler.
“El – was?” wunderte sich Suha.
“Das war eine Militärbase in einem uralten Film, in dem es wie bei uns üblich um eine Invasion von Terra ging. Wurde aber von den Aliens zerstört, müsste daher etwas mit 51 heißen, aber die Konstrukteure dieser Einrichtung kannten den Film wohl nicht so genau.”
Da es am Funk nichts zu tun gab, es herrschte absolute Funkstille um den Geheimstatus der Station nicht zu gefährden, half Pars den Technikern beim Ausladen des Flugkörpers. Von einem der Wissenschaftler wollte sie bei der Gelegenheit wissen, wie sie es eigentlich so schnell geschafft hatten, den Sender des Objekts abzuschalten.
“Das war einfach. Wir haben einen Knopf an der Außenhülle der Sonde gefunden, neben dem ein Schild klebte, mit der Aufschrift: Press Button to stop Transmission. Und das haben wir dann auch gemacht, und schon war Ruhe.”
“War das nicht arg riskant? Hätte ja auch eine Selbstzerstörungsanlage sein können.”
“Ah, nö. Das war in einer alten terranischen Sprache geschrieben, und wir glauben nicht, dass die Erbauer der Sonde sich so viel Arbeit gemacht haben, nur um uns in eine Falle zu locken. Außerdem mussten wir den Sender abschalten, weil wir das Ding sonst nicht nach El Torro hätten bringen können, ohne die Position der Station zu verraten.”
“Aber die Position habt ihr doch bereits verraten, als ihr uns die Koordinaten im Teletext geschickt habt!”
“Au, Mist. Ich wusste es. Das sind die Kleinigkeiten, die wir so gut wie immer übersehen. Ich denke, daran müssen wir noch arbeiten.”
Bevor sie noch erstaunt genervt den Kopf schütteln konnte, kam Suha mit einem ganz besonders offiziell aussehenden Terraner vorbei. An Pars gewannt meinte Suha:
“Die Station hier ist so geheim, dass ihre Koordinaten aus den Speichern der KERLON gelöscht werden müssen. Dann bekommen wir ein Debriefing und dürfen wieder nach Hause fliegen.”
*
Als die KERLON abgeflogen und längst in den Linearraum verschwunden war, trafen sich die Wissenschaftler und die Leiter der Station in einem Konferenzraum. Der Wissenschaftler, der sich an Bord des ferronischen Raumschiffs als Alen Smithee vorgestellt hatte, wollte wissen: “Glaubt ihr, sie haben es uns abgekauft?”
Jane Doe: “Logo. Wieso sollten sie auch nicht? Wir haben uns so klischeehaft verhalten, wie man das in der ganzen Galaxis von Terranern erwartet.”
Erika Mustermann meinte: “Wie lange es wohl dauern wird, bis sie merken, dass wir es übersehen haben, die Koordinaten aus der gespeicherten Videotext Tafel zu löschen?”
Jane Doe: “Wie ich ihre Funkerin einschätze, weiß sie es bereits.”
Thomas Lee kam dazu und erklärte: “Wir haben NEUMANN jetzt per Transmitter nach Dreamland geschickt, wo er eingehend untersucht wird. Der Transmitterimpuls war natürlich perfekt maskiert, mit einem Materialtransport von einem Raumschiff nach Sedna. So platziert, dass Makemake genau auf der Linie lag.”
Die Klarnamen der Wissenschaftler sind ebenso geheim wie die Existenz oder Position von Dreamland. So geheim, dass man nicht einmal in einer Science Fiction Geschichte darüber schreiben darf.
*
78 Stunden zuvor:
Im militärischen Bereich des Raumhafens von Terrania herrschte eine Nuance mehr Hektik als gewöhnlich. Der Grund war ein Hyperfunksignal auf einer alten Notruffrequenz der solaren Flotte. Es sendete eine Nachricht im Morsecode mit dem Inhalt:
“SOS DE SOL QSP NEUMANN”
Nur wusste niemand, wer oder was NEUMANN war. Mit SOL konnte eigentlich nur das lange verschollene Fernraumschiff gemeint sein, das offenbar Hilfe benötigte, und diese Nachricht von NEUMANN weiter leiten ließ.
Das Signal wurde von verschiedenen Raumschiffen, Planeten und Horchposten empfangen, schien “von schräg oberhalb” der galaktischen Ebene zu kommen und sich in Richtung Sol vorwärts zu bewegen. Dazu führte es etwa alle 20 Minuten eine Transition aus, kam Terra dabei um jeweils 1000 Lichtjahre näher. Seit NEUMANN sich auf weniger als 3000 Lichtjahre genähert hatte, verringerte sich die Sprungweite. Um 12h 47m 08s Terrania Zeit hatte das Objekt das Wega System erreicht und schien sich nicht mehr weiter zu bewegen.
Zuerst hatte man das Objekt für den Vorboten eines neuen Invasors gehalten, da ein solcher einerseits längst überfällig war, sich das Objekt andererseits genau so verhielt, wie man es nach einem der unzähligen Planspiele erwartet hatte. Nur der Stop bei der Wega passte hier nicht ins Schema.
Als sich dann nach 4 Stunden die ferronische Raumüberwachung meldete, mit “Wir hätten da etwas, das vermutlich den Terranern gehört...” lief ein lange vorbereiteter Notfallplan an, und man bat die Ferronen, das “Ding” ins Solsystem zu bringen.
Um 21h 12m kam schließlich das ferronische Raumschiff KERLON in der vereinbarten Anflugzone Nord an. Was die Ferronen nicht wussten: Das Gebiet war zu diesem Zeitpunkt bereits von mehreren tausend gut getarnten Kampfschiffen umstellt, zudem lag es außerhalb des vom solaren Schutzschild abriegelbaren Bereich. Der Schutzschild selbst befand sich im Alarmmodus, und konnte innerhalb weniger Picosekunden hochgefahren werden. Nun mussten die Spezialschiffe der Raumaufklärung noch die Ladung der Ferronen mit allen Mitteln der Kunst abtasten. Aber dazu brauchte man Zeit. Und die ließ sich am unauffälligsten mit etwas bürokratischem Mummenschanz gewinnen.
Als nach einer halben Stunde fest stand, dass das “Ding” offenbar eine Raumsonde unbekannter Bauart war, jedoch keine erkennbar gefährlichen Objekte an Bord hatte, weder nanotechnischer noch biologischer Art, beschloss die Kommandantin der Systemverteidigung, vier freiwillige Wissenschaftler des Geheimprojekts “Dreamland” zur KERLON zu schicken, um die Sonde näher zu untersuchen.
Die Vier verabschiedeten sich von ihrem Einsatzleiter per Funk mit den Worten: “Mortitui te salutant.”, was diesem gar nicht gefiel, da er es für entweder defätistisch oder suizidal hielt. Eigentlich wollte er sie sogar zurückrufen, da er nicht sicher war, ob sie unter diesen Umständen ihren Job korrekt ausführen konnten, aber dazu war es bereits zu spät. Ihre Raumlinse schleuste sich gerade in der KERLON ein.
Aber er machte sich umsonst Sorgen. Die Forscher entdeckten als erstes ein in Panzertroplon gehülltes Foto von Roi Danton an der Außenhülle der Sonde kleben. Daneben befand sich ein kleiner Behälter mit einem Fingerabdruck und einer DNA Probe von Roi. Beides konnte der mitgebrachte Universalanalysator innerhalb weniger Sekunden eindeutig identifizieren. Als nächstes stießen sie auf einen grünen Knopf, ebenfalls nachträglich in die Hülle geklebt, unter dem ein Schild pappte mit der Aufschrift: “Press Button to stop Transmission.”
Nach einigem Diskutieren drückte einer der Forscher auf den Knopf, und tatsächlich, der Hypersender stellte seine Sendung ein. Dafür begann ein gewöhnlicher HF Sender bei 12,084 MHz Daten zu übertragen, die der Universalanalysator automatisch aufzeichnete und an die Einsatzleitung per Hyperfunk weiter leitete. Mit minimaler Sendeleistung, versteht sich.
*
Zeitgleich mit der Übermittlung der Daten bekam Professor Loga vom Institut für alte Sprachen und seltsame Codes an der Terrania State University einen Anruf von einem Mitarbeiter der Systemverteidigung mit der Bitte, möglichst gleich und zwar sofort in seine eMails zu schauen. Was Loga schulterzuckend tat.
Und was dazu führte, dass er für die nächsten zwei Stunden nicht mehr ansprechbar war.
Dann schickte er einen Bericht an den ihm Unbekannten mit der dringenden Bitte, ihn SOFORT an den terranischen Forschungsrat weiter zu leiten. Wozu sich der Unbekannte nicht zweimal bitten ließ. Ein Mitarbeiter des Forschungsrates las die Mail durch, trommelte alle Räte zusammen, wobei man vielleicht erwähnen sollte, dass um diese Zeit fast alle tief und fest schliefen, aber sehr schnell sehr wach waren, als sie erfuhren, worum es ging.
Um 0h 34m Terrania Zeit, es war inzwischen der 15. Januar 5213 AZ, beschlossen die Mitglieder des Forschungsrates, sofort den Obersten Sowjet von Terra zu informieren.
Den musste man nicht wecken, weil die alle bereits seit Stunden in einer Krisensitzung auf neue Nachrichten warteten. Das sah der Notfallplan so vor. Denn jedem war klar, dass die nächste Invasion garantiert unmittelbar bevor stand. Das Motto war genau so alt wie abgeschmackt: “Die Frage ist nicht ob, sondern wann die nächste Invasion kommt.”
Ein strategischer Wissenschaftler vermutete sogar, dass es diesmal so lange dauert, bis wieder irgend welche miese Typen auf der Matte standen, weil zwei Gruppen irgendwo weit draußen im Universum zur selben Zeit die selbe Idee hatten, und sich nun darum stritten, wer zuerst darf. Niemand nahm das erst, und genau deshalb waren sich alle so sicher, dass es genau so ist.
Skeptiker nannten das Invasions-paraneuia, Realisten plausible Erfahrungstatsache.
Da die Mitglieder des Obersten Sowjets von Terra nicht glauben konnten was sie soeben erfahren hatten, beschlossen sie, erst einmal eine weitere Runde Aufputschmittel einzuwerfen, um lange genug wach zu bleiben, bis eine unabhängige Bestätigung eintraf.
*
Alexeja Bernsteinowa, die momentane Generalsekretärin des Obersten Sowjets von Terra (“Einer/eine muss den Scheißjob ja machen”) beschloss, nicht länger untätig auf eine neue Nachricht zu warten. Egal ob Bestätigung oder Fehlerkorrektur. Also ließ sie den Rat ausdiskutieren, was man beim aktuellen Wissensstand unternehmen könnte, ohne in sinnlosen Aktionismus zu verfallen.
Nach endlosen 8 Minuten wurde eine Idee, von Blerim Bamirof, den Sowjet für terranische und vergleichbare Angelegenheiten angenommen. Er meinte: “Da es ja anscheinend um ein Problem geht, das sehr weit weg beheimatet ist, sollten wir einen Spezialisten für solche Fälle kontaktieren. Rhodan und seine Kumpels haben sich doch auf diesen seltsamen Planeten zurückgezogen, wie heißt der gleich noch einmal, na egal, irgend wer wird das schon herausfinden, um dort Spaß, Abenteuer und echt fetzige Sachen zu erleben. Das ist aber auch schon ein paar Jährchen her, und mittlerweile dürfte es denen ganz schön tierisch langweilig geworden sein. Die Typen kennen sich erstens aus und haben zweitens eh nichts besseres zu tun und freuen sich drittens garantiert wie Schneider über ein wenig Abwechslung.”
Alexeja: “Gebongt. Schaden kann das nicht. Obwohl? Weiß man`s? Ach was. Machen wir es so.”
12 Minuten später startete ein sehr unausgeschlafener Kurier mit einem Hochgeschwindigkeitsraumschiff von der Flugbereitschaft in Richtung – das wusste man noch nicht, aber die Information sollte in kürze per Funk nachgeliefert werden. Hauptsache, er war schon mal unterwegs. Um die Details konnte man sich später immer noch kümmern.
Etwa 11 Minuten zuvor machte Abbondanza Abbonza, die Rätin für Verkehr, einen weiteren Vorschlag: “Da das Problem weit weg ist, brauchen wir ein geeignetes Transportmittel. Hat Harun der Dreiundvierzigste eigentlich sein Fernraumschiff endlich fertig zusammen gebastelt? Teuer genug war es ja.”
“Hat er.” erinnerte sich er Sowjet für Finanzen, Ionut Bichler. “Die haben sogar schon ein paar Probeflüge erfolgreich absolviert. Und da bei mir immer seine Rechnungen auflaufen, weiß ich sogar, wo das Ding momentan steht: Auf Point Black, seinem Forschungsplaneten.”
“Ok. Da schicken wir auch jemand hin.” beschloss Alexeja Bernsteinowa und nuschelte ein paar Anweisungen ins Mikrofon. 7 Minuten danach startete ein weiterer Kurier. Womit der Zweite eigentlich der Erste war, da der eigentlich erste erst knapp 4 Minuten nach ihm starten würde. Was beide natürlich nicht wussten, und vor allem: Wen interessiert das ganze Zeitgeschwurbel?
Als das erledigt war, beugte sich Alexeja zu Blerim hinüber und flüsterte: “Wieso wie Schneider?”
“Welche Schneider?”
“Du hast vorhin gemeint, dass sich Rhodans Kumpels wie Schneider freuen werden, und ich verstehe nicht, wieso sich Schneider so besonders freuen.”
“Was weiß ich. Schreib ein Memo an deinen Sekretär, soll der das herausfinden. Ich kann mich schließlich nicht um alles kümmern.”
Da begriff Alexeja, dass nicht nur sie einen Scheißjob hatte. Den anderen Sowjets ging es auch nicht besser. Vielleicht sollten sie es das nächste mal mit einer Monarchie versuchen, aber dann fiel ihr ein, dass der Vorschlag mit dem Sowjet-Planeten ja von einem Kaiser stammte, dem vom Olymp.
*
Nach rund 30 Stunden Flug erreichte Ella Fitz endlich den Planeten Point Black im Hawking System. Die strahlend weiße Oberfläche bestand nicht etwa aus Eis, dazu war es auf Point Black entschieden zu heiß, sondern aus feinstem Quarzsand, dem Ausscheidungsprodukt der dort heimischen Sandspinnen. Seinen Namen hatte der Planet vom ersten Versuch einer Kolonialisierung: Damals war einiges schief gelaufen, von der Siedlung und den Industrieanlagen blieb nur ein schwarzer Fleck übrig. Harun`s Forschungsstation befand sich genau auf den Antipoden dazu, weshalb sie auch “Antipodes Station” hieß.
Genau dort landete die LIGHTNING 27, das schnelle Kurierschiff. Ella quälte sich aus der engen Kabine, wies ihren Piloten an, die Maschine gründlich zu warten und wieder startklar zu machen, da sie nicht vor hatte, lange zu bleiben.
Als sie auf dem harten Beton des Raumhafens stand, sich umblickte, in geschätzt 30 Kilometer Entfernung ein gigantisch Kugelraumschiff bewunderte, in der anderen Richtung, vermutlich genau so weit weg, ein paar Gebäude erkannte, fragte sie sich ernsthaft, ob ihr jetzt eine lange Wanderung bevor stand. Aber sie hatte Glück: Ein Gleiter flog in ihre Richtung, landete nach mehreren Minuten und der Pilot öffnete ein Schiebefenster, rief heraus: “Fitz? Ella Fitz?”
“Genau.”
“Dann steig ein.”
Inzwischen hatte ihr Serun den Druck ausgeglichen, und Ella konnte endlich den Helm öffnen. “Ganz schön heiß hier.”
“Stimmt. Und du brauchst sicher erst einmal eine Dusche.”, die etwas naserümpfende Antwort des Piloten.
“Wäre nicht schlecht. 30 Stunden in so einem Anzug, das gibt Ella in Aspik. Trotz Klimaanlage.”
Nach einer halben Stunde Flug landete der Gleiter neben den vorhin beobachteten Gebäuden, beide stiegen aus, der Pilot ging voraus und Ella stapfte in ihrem schweren Serun ächzend hinter ihm her. Kurz vor der Eingangstür fragte sie: “Wie heißt du eigentlich?”
“Fethullah Gülen.”
“Hast du einen Vorfahren, der - “
“Nein.”
“Schade.”
Schweigend gingen sie weiter. Nach einigen 100 Schritten blieb Gülen stehen, deutete auf eine Tür und erklärte: “Da drinnen kannst du deinen Serun ablegen und zwischenlagern. Da gibt es auch Duschen.” Und nach einer kurzen Denkpause: “Seife gibt`s dort auch. Ich kann nur empfehlen, die auch zu benutzen.” Drehte sich um und ging davon.
Also ging Ella in den Raum, der sich als typische Arbeiterumkleide entpuppte, und kämpfte erst einmal eine viertel Stunde mit ihrem Serun. Hinein gekommen war sie ja in knapp 8 Minuten, aber wieder heraus zu kommen...
Sie ließ den Serun am Boden liegen, verriegelte den Helm, damit alles dicht war und schaltete die Selbstreinigungsanlage ein. Dann hakte sie ihre gelbe Designerhandtasche los, die mit einem Karabinerhaken am Serun befestigt war, und ging zu den Duschen. Nicht ohne zuvor ein Stück Seife von einer Ablage zu nehmen.
Eine Stunde später war sie fertig, sauber, entstunken, wie sie das nannte, und frisch abgetrocknet. Sie öffnete ihre Handtasche, nahm ihr Strandkleid heraus, bodenlang, leuchtend orange mit wellenartigen neongrünen Streifen, 225 Gramm schwer und trotzdem kaum durchscheinend, zog es an, holte ihre High Heel Sandalen, stieg auch dort hinein und betrachtete sich im Spiegel. Bei 1,65 Meter und 43 kg musste sie schon etwas buntes tragen, damit sie nicht dauernd übersehen wurde. Apropos übersehen: Sie wunderte sich wie bei fast jeder Mission, dass sich noch nie jemand über ihre gelbe Handtasche am Serun gewundert hat, die sich jetzt umhängte.
Dann verließ sie den Wasch- oder Umkleideraum, oder wozu das hier auch immer gedacht sein mochte. Nur um im Flur festzustellen, dass sie hier offensichtlich alleine war. “Seltsame Begrüßung.” dachte sie, etwas mehr als gar kein Begrüßungskomitee hatte sie schon erwartet. Aber so konnte man sich irren.
Also ging sie weiter den Gang entlang, dorthin, wo Gülen verschwunden war. Alles leer. Sie klopfte an alle möglichen Türen, nichts. Einige versuchte sie sogar zu öffnen, aber sie waren alle verschlossen. Nach einigen Stunden des Herumirrens, sie hatte inzwischen gefühlt 20 Stockwerke abgeklappert, merkte sie, dass sie Hunger bekam. In Terrania musste jetzt Mittag sein, hier vermutlich später Nachmittag. Uhr hatte sie keine, schon gar keine, die Ortszeit anzeigte. “Hunger!” mehr ein Seufzer.
In dem Moment ploppte ein kleiner kugelförmiger Robot aus der Wand, schwebte etwa einen halben Meter vor ihrem Gesucht und meinte ganz ruhig:
“Hunger?”
“Ja. Sehr sogar! Ich könnte ein halbes Schwein mit Pommes verdrücken!”
“Bitte folge mir.” und schwebe im Schritttempo vor ihr her.
*
In einem Konferenzraum in Terrania hatte Abbondanza Abbonza eine weitere Idee: “Rhodan und seine Kumpels können das Fernraumschiff doch unmöglich alleine fliegen!”
Alexeja: “Stimmt. Jetzt wo du es sagst. Das hat was.”
Abbondanza: “Wir müssen ganz schnell eine Besatzung zusammen trommeln. Eine, die mit jeder Eventualität fertig wird...”
Alexeja: “Kein Problem. Da kenne ich eine Spezialistin, die schafft das problemlos.” Sie beugte sich zu ihrem Mikrofon vor: “Ruf ganz schnell Selina Leibowich an. Die soll sofort eine Besatzung für das Fernraumschiff organisieren.” Worauf aus dem Lautsprecher neben dem Mikrofon ein “Gebongt. Mach ich.” herauskam.
*
In einer recht geräumigen Kantine mit riesigem Panoramafenster, durch das man auf eine weite, schneeweiße Ebene blickte, saß Ella alleine an einem Tisch, nagte gerade die Reste ihrer zweiten Schweinshaxe ab, knabberte zwischendurch ein paar Pommes, die sie abwechselnd in Ketchup und Majo tunkte, schaufelte gelegentlich etwas Reis aus einer der vielen Schalen mit Beilagen nach, nippte am Pflaumensaft, dann wieder an einem extragroßem Mai Tai, und freute sich bereits auf den Nachtisch, eine viertel Schwarzwälder Kirschtorte, als eine Frau in einem Mechanikeroverall mit einem Tablett an ihren Tisch trat.
“Darf ich?”
“Mhm” mehr kam aus Ellas vollem Mund nicht heraus. Die Frau setzte sich, sah Ella eine Weile beim Essen zu, warf gelegentlich einen Blich auf ihr Tablett, auf dem eine Tasse Kaffee, eine Schüssel Früchtequark und ein extra kleiner Donut lag. Dann meinte sie:
“Wie schaffst du es nur, so viel zu essen, und trotzdem so schlank zu bleiben?”
“Ich komme nicht oft zum Essen.”
Dann aßen beide schweigend weiter. Als die Frau im Mechanikerkittel fertig war, meinte sie im Aufstehen zu Ella: “Hübschen Kleid.”
“Danke. Hab ich ich letzte Woche bei Grunch&Knapp in Terrania gekauft.” Die andere Frau setzte sich wieder.
“In Terrania? Dann bist du gar nicht von hier?”
“Nein, bin vorhin erst angekommen. Bin 30 Stunden in einem Serun gesteckt, und die Konzentratnahrung da drinnen ist praktisch ungenießbar.”
„Was hast du denn so lange in einem Raumanzug gemacht?”
“Mh, geht in diesen blöden Kurierschiffen nicht anders. Die sind so megaeng, eben nur Triebwerk und sonst nix...”
“Kann es sein, dass du der Kurier von Terra bist, auf den Harun bereits wartet?”
“Kann sein. Also ein Kurier von Terra bin ich, aber ob Harun auf mich wartet, weiß ich nicht.”
“Dann komm am besten gleich mit. Ich bin übrigens Sabin Kuratschowa.”
“Mach ich, Sabin. Ich esse nur noch schnell auf.”
Als beide nach eine halben Stunde aufstanden, ihre leeren Teller und Schüsseln mit den Tabletts zurück brachten, deutete Ella auf einen verschmierten Ölfleck in Sabins Gesicht: “Du hast da was.”
“Mechaniker Makeup. Das muss so sein.”
*
Nach der zweiten Linearettappe bekam die LIGHTNING 4 eine Nachricht von der Erde. Ihre Zielkoordinaten waren jetzt bekannt: Sie musste zum Planeten Tartar im Bollywood System. Also flog der Pilot eine Kurskorrektur um 73° und ging erneut in den Linearraum. Insgeheim beglückwünschte er sich zu seiner Richtungswahl. Diesmal lag er gar nicht so falsch. Beim letzten mal, vor ein paar Wochen, waren es noch 176° gewesen...
*
32 Stunden vorher: Bei Selina Leibowich klingelte der Interkom. Ja, klingelte. Sie hatte eine der sauteuren echt antiken mechanischen Klingeln einbauen lassen, wie es zur Zeit Mode war. Was sie nicht wusste: So echt antik war sie nicht, auch funktionierte sie nicht mechanisch, sondern mit einem Chip und Piezolautsprecher, und sauteuer wäre sie auch nicht gewesen, eher ganz im Gegenteil, hätte der Techniker, der sie eingebaut hat, nicht eine astronomische Gewinnmarge eingeplant.
Jedenfalls war es hier auf Trinidad kurz vor Mittag als Selina den Anruf annahm. “Leibowich?”
“Hier spricht Malcom MacNamara, der persönliche Sekretär der Generalsekretärin des Obersten Sowjets von Terra. Wir hätten da einen kleinen Auftrag für dich.”
“Was springt für mich dabei heraus?”
“Rum und Ehre?”
“Ruhm gibt es hier zum Abwinken, und mit Ehre konnte ich noch nie viel anfangen.”
“Hmmm – In deinem Dossier steht, du hättest da eine Theorie zur optimalen Zusammenstellung von Raumschiffs-besatzungen für extreme Unternehmen. Die könntest du ausprobieren.”
“Gebongt. Wann soll es losgehen?”
“Jetzt. Die genaue Ausschreibung findest du in deiner eMail.”
Selina sah auf den Monitor, öffnete die Mail vom OST (dem Obersten Sowjet von Terra) und las:
„Wir haben einen Notfall und müssen ein Fernraumschiff ausrüsten. Dazu brauchen wir unter anderem eine Besatzung. Ein Kurier ist unterwegs, um Rhodan und seine Kumpels zu überreden, die Expedition zu leiten. Aber wir denken, dass man dazu noch mehr Leute braucht. Als Schiff wollen wir das Neue von Harun 43. benutzen. Vielleicht hat der schon eine Testmannschaft, aber das wissen wir noch nicht. Ob von denen, so es sie denn gibt, jemand mit will, wissen wir auch nicht. Am besten, du fragst sie mal. Wie viele Leute man für so ein Raumschiff braucht, entzieht sich total unser Kenntnis, aber du wirst das schon herausfinden. Wir verlassen uns da ganz auf dich.
Die Expedition wird vermutlich tierisch gefährlich, und es dürften laufend extrem unbekannte neue Probleme auftreten. Suche also Leute aus, die mit so etwas umgehen können. Und nicht zu vergessen: Das Ganze wird vermutlich recht lange dauern. Aber du machst das schon. Start ist übrigens in ein paar Tagen.
Mit freundlichen Grüßen, M. MacNamara im Auftrag von Alexeja Bernsteinowa, der Generalsekretärin des Obersten Sowjets von Terra.”
Selina sah wieder zum Interkom: “Bist du noch da?”
“Logo.”
“Klingt gut. Mach ich.”
“Super. Dann bis später.”
Und unterbrach die Verbindung. Selina legte eine Datenbank auf ihrem Tablet an, Funktion an Bord, Name, u.s.w. Dann trug sie als erstes ein: “Bordpsychologin, Selina Leibowich.” und warf einen Blick auf die Uhr. Mittag. Also ging sie aus ihrem Büro, eine Bambushütte am Strand, spazierte weiter zu Joey`s Imbiss und setzte sich auf einen Stuhl vor einem der Tische. Als Joey heraus kam, um ihre Bestellung aufzunehmen, meinte sie: “Das Übliche. Und schick mir mal den Koch.”
“Eine Beschwerde?”
“Nein, nein. Der ist doch Kampfsportler?”
“Ja. Behauptet er zumindest. Wurde aber aus dem Kampfsportverband geschmissen, weil er immer so unfair gekämpft hat.”
Nach ein paar Minuten kam Joey zurück, brachte Selina ihr übliches Essen und schubste dann den Koch aus den Imbiss heraus.
“Was willst du?” Eine Frage, die zu seinem Aussehen passte. Zwei Meter groß, zu einem Pferdeschwans gebundene lange Haare, eine total verdreckte Küchenschürze.
“Ich stelle gerade eine Raumschiffsbesatzung zusammen. Ein kochender Kampfsportler fehlt mir noch.”
Steven Albatros, so der Name des Kochs, sah sie etwas verblüfft an. “Und wie kommst du da auf mich?”
“Na ja, es wird eine extrem gefährliche Mission. Und du weißt ja, es ist bei uns Terranern üblich, dass im Notfall der Koch das Schiff rettet. Und dazu muss er natürlich Kampfsportler sein.”
“Passt. Und was zahlen die so?”
“Freie Kost und Logis.”
“Also wie hier. Und es wird gefährlich?”
“Sehr gefährlich.”
“Wo muss ich mich melden?”
An sich selbst gewandt: „Stimmt. Ich muss noch eine Rekrutierungsstelle einrichten.“, und zu Steven: “Fahr einfach schon mal zum Raumhafen in Terrania. Bis du dort ankommst, habe ich auch eine passende Anlaufstelle eingerichtet.”
“Prima.” schnappte sich sein Skateboard, zog die verdreckte Schürze aus und rief zu Joey: “Hey Boss, ich kündige.”
Der setzte einen ungläubigen Gesichtsausdruck aus, stammelte:
“Und wer soll dann für unsere Gäste kochen?”
Steven drückte ihm die Schürze in die Hand. “Du,”
“Aber ich kann doch gar nicht kochen...”
Da rollte der neue Bordkoch jedoch bereits auf seinem Skateboard davon.
*
61 Stunden nachdem Selina den Koch rekrutiert hatte, erreichte die LIGHTNING 4 den Planeten Tartar und landete mitten in der Nacht um 3h 31 Ortszeit in Nowo Odessa. Nach weiteren 3 Stunden Flug mit einem Taxigleiter kam Heinzi Karsunke, der Kurier, schließlich in Zack`s Resort an. Den Serun hatte er bereits am Raumhaufen gegen seine Kurier Dienstkleidung getauscht: Braune kurze Hose, braunes Hemd, weiße Socken und Halbschuhe. Angeblich war das seit Jahrtausenden die traditionelle Arbeitskleidung von Kurieren. Und er sagte sich immer, wenn er sie anzog: Wieso nicht? Es könnte schlimmer sein.
Er stieg aus, stellte fest, dass der Boden matschig war, vermutlich hatte es in der Nacht geregnet, aber als professioneller Kurier war er schlimmeres gewohnt, und betrachtete eine fast zwei Quadratmeter große Infotafel. Links mit Fotos und kurzen Beschreibungen der einheimischen Tier- und Pflanzenwelt, rechts mit einer Wanderkarte der näheren Umgebung. Dann ging er weiter zu den hölzernen Bauten, die auf kleinen Pfosten standen, vermutlich gegen den Regen, oder vielmehr den Matsch, und traf auf einen weißhaarigen Mann, der gerade von zwei einheimischen Schönheiten auf einer überdachten Terrasse gekrault wurde und der ein TRL Heft in der Hand hielt. Revolution in Musk-City, wie Karsunke auf dem Titelbild lesen konnte.
“Rhodan? Perry Rhodan?”
“Nein. Der pennt noch.”, wobei er auf eine Hütte schräg gegenüber deutete. Also stapfte Karsunke durch dem Matsch zu dieser Hütte. Kurz bevor er dort ankam hörte er eine Frauenstimme aus einer der fensterlosen Fensteröffnungen keifen: “Du sollst mich doch nicht immer Thora nennen!” Dann lief eine auffällig gut aussehende Frau, fast bekleidet mit dem berühmten Hauch von Nichts zur türlosen Tür heraus, ließ sich in einen Korbsessel fallen, worauf sofort ein Robot anschwebte und ihr eine Tasse Kaffee reichte, an der sie ebenso wortlos zu trinken begann.
“Wohnt hier Perry Rhodan?”
Sie schien Karsunke erst jetzt zu bemerken, schaute ihn über den Rand ihrer Tasse an, “Ja, der steht gerade auf. Und wenn er nicht bald wieder Arbeit findet, treibt er mich noch in den Wahnsinn!”
“Da habe ich gute Nachrichten für dich! Ich bin ein Kurier vom Obersten Sow-”
“Es gibt was zu tun???”, eine fast enthusiastisch klinge Männerstimme aus dem Haus.
“Ja, ich soll Rhodan und seine Kumpels -”
Ein lauter Plopp. Und schon schwebe ein kleiner pelziger Typ neben Karsunke in der Luft, der gerade mit einer sonderbar geformten Bürste seinen einzigen Zahn schrubbte. “Und seine Kumpels! Hast gehört, Großer?!”
Jetzt stapfte auch der weißhaarige in seinen Cowboystiefeln durch den Matsch. “Da dürfte ich auch gemeint sein. Gestatten: Atlan da Gonozal.”
Der Kurier sah kurz auf sein Tablet. “Ja. Und ein Herr Bully und Tolot.”
“Die beiden sind gerade unterwegs, wollten endlich mal zusammen etwas unternehmen.”
Und der kleine pelzige erwiderte: “Kaluppen jagen oder so.”
“Gibt es hier wirklich Kaluppen? Habe ich auf der Infotafel gar nicht gesehen.”
“Lass dich von unserem Scherzkeks nicht aufziehen.” warf die interessant fast bekleidete ein.
Dann kam Rhodan auf die Terrasse, mit verwuschelten Haaren und einer schlabberigen Pyjamahose, setzte sich in den Korbstuhl neben seiner Freundin, worauf der schwebende Robot versuchte, ihm eine Tasse Kaffee zu reichen, was Rhodan aber mit “Jetzt nicht.” ablehnte.
“Bist krank? Seit wann magst du keinen Kaffee mehr?” wunderte sich der pelzige.
“Nur neugierig. Hol doch mal Bully und Tolot, damit wir anfangen können.”
“Wie kommst du darauf, dass ich weiß, wo die sind?”
“Ha!”
Mit einem Plopp und einem leichten Windhauch war der Ilt verschwunden.
Nur um nach nicht einmal einer Minute mit Tolot, der ihn und Bully auf den Armen trug, wieder aufzutauchen. Leider 30 Zentimeter über dem Morast. Sekundenbruchteile später wunderten sich alle Anwesenden, wie weit Matsch spritzen kann, wenn ein Haluter aus dieser Höhe darin landet. Bis auf Karsunke. Dem fiel gerade ein, was schlimmer war als Matsch: Spritzender Matsch.
Nachdem Heinzi Karsunke sein Tablet abgewischt hatte, überreichte er Rhodan ein Päckchen, nicht abgewischt, und sagte: “Unterschreib hier um den Empfang zu quittieren.” Dazu hielt er ihm das Tablet und einen Stift hin.
*
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Re: Müllmanns Sternengruft
Müllmans Sternengruft Teil 2/4
27 Stunden vorher saßen Ella, Harun 43., Sabin Kuratschowa und geschätzt 20 weitere Leute auf einer Dachterrasse mit Blick zur CREST VII. Selbst aus 60 Kilometer Entfernung sah das Schiff immer noch gigantisch aus. Der untere Bereich mit den Landestützen war wegen der Planetenkrümmung nicht vollständig zu sehen, aber der Rest wirkte wie ein Berg, den jemand versehentlich im Flachland abgestellt hatte.
“Wieso hast du das Fernraumschiff eigentlich CREST genannt? Und wieso VII?” Ella hatte die Frage an Harun gerichtet, der direkt neben ihr saß, wie sie einen Mai Tai in der Hand hielt, aber erst einmal sein Aluhütchen zurecht rückte, bevor er antwortete. “Ich habe die Pläne der CREST III aus einem alten Archiv geklaut und als Grundlage für die Neukonstruktion benutzt. Die Nummer ist fortlaufend. Die letzte CREST, die ich in den Annalen der terranischen Flotte finden konnte, war die CREST VI. Wobei ich aber bisher nicht klären konnte, was aus der geworden ist.”
Harun winkte einen Kugelrobot her, der mit seinem Tablett, nicht so eins, auf dem man etwas schreiben konnte, sondern eins, auf dem Getränke und Essen serviert wird, irgendwie unmotiviert neben den Liegestühlen schwebte. Dann nahm er einen Feldstecher vom Tablett und gab ihn Ella.
“Siehst du die Plattformen, die um die CREST VII schweben?”
Ella bemühte sich zwar, erkannte aber nur undeutlich mehrere orange Punkte, die um die CREST VII schwirrten.
“Das sind Transportplattformen, die gerade Fertigungsanlagen anliefern. Damit kann man alle Komponenten des Raumschiffs unterwegs nachbauen. Dreifach redundant, versteht sich. Und es gibt auch Anlagen, mit denen man die Fertigungsanlagen nachbauen kann. Und auch Anlagen, die diese Anlagen - “
“Verstehe.”
“Gut.” Das klang jetzt ein wenig enttäuscht. Ella vermutete, dass Harun gerne mehr über diese “Anlagen” erzählt hätte, aber sie wollte mit den technischen Details wirklich nichts zu tun haben. Trotzdem fragte sie sich insgeheim, wozu ein Raumschiff alles, was sich an Bord befand, nachbauen können sollte. Da Harun immer noch so wirkte, als würde er darauf brennen, mehr zu erzählen, rang sie sich dann doch dazu durch, ihn zu fragen:
“Und wieso muss die CREST VII alles was sich an Bo- “
“Nicht nur alles was sich an Bord befindet. Die CREST VII kann sich damit praktisch selbst nachbauen! Und wieso? Na, wegen der Nachhaltigkeit. Als Fernraumschiff kann die CREST VII nicht auf Nachschub hoffen, muss sich selbst um alles kümmern. Das einzige terranische Schiff, das nach einem vergleichbaren Konzept konstruiert war, ist die SOL. Und vielleicht noch die BASIS. Aber die ist längst den Weg aller terranischen Produkte gegangen. Benutzt, dann verschrottet. Übel. Einfach nur übel. Wir wirtschaften, als hätten wir noch ein paar Universen in Ersatz. Na gut, so extrem vielleicht auch gerade nicht. Aber wenn ich mir vorstelle, wo wir heute sein könnten, wenn wir anstatt Müll zu produzieren, nachhaltige Dinge bauen würden...”
“Ja stimmt.” meinte Ella etwas nachdenklich. Was aber auch an ihrem dritten Mai Tai liegen konnte.
„Willst du dir mein Teil mal ansehen?”
“Welches Teil?” Ella war sich plötzlich nicht sicher, wovon Harun wirklich sprach.
“Die CREST VII. Du kannst dann gleich an Bord bleiben, weil wir morgen Abend, wenn alles an Bord ist, nach Terra fliegen. Hätte auch den Vorteil, dass du nicht schon wieder 30 Stunden in dem Stinkeserun schmoren musst. Und das Essen an Bord ist auch besser.”
Das Angebot konnte Ella nicht abschlagen.
“Und mein Kurierschiff?”
“Ich lasse dem Piloten Bescheid sagen, dass er die Mühle in die CREST VII einschleust. Also? Wollen wir los?”
“Gebongt.”
*
In Terrania hatte Selina Leibowich mehrere Hallen am Raumhafen angemietet, dort Feldbetten aufstellen lassen und eine Catering Firma mit der Versorgung der inzwischen angereisten ersten Besatzungsmitglieder beauftragt. Sie selbst und ihre frisch eingestellten Mitarbeiter arbeiteten von mehreren Büros neben den Hallen aus.
Aktuell versuchte Selina gerade, geeignete Landetruppen zu “finden”. Dazu hatte sie auf ihren 10 Monitoren Adressbücher geöffnet, durchsucht und die ihrer Meinung nach geeigneten Kandidaten, genauer gesagt deren Adressen, auf ein Tablet geladen. Momentan versuchte sie alle der Reihe nach abzutelefonieren.
“John?”
“Nein hier ist Ringo. John schläft noch. Kann ich ihm etwas ausrichten.”
“Nein. Weck ihn! Es ist dringend.”
“Muss das sein?”
“Ja.”
In den Hintergrund geschrien, aber auch bei Selina noch laut und deutlich zu hören: “John! Telefon! Is für dich!”
Danach grunzende Geräusche, dazwischen das klirren von umfallenden Flaschen, dann nichts mehr.
“Hallo?” Selina war sich nicht sicher, ob die Verbindung noch stand Dann ein Räuspern, jemand schneutzte laut und pfeifend, eine Serie unverständlicher Silben, und endlich:
“John?”
“Hier ist Selina Leibowich. Ich rufe an im Auftrag, ah, das kennst du sicher schon aus der Glotze. Die Programme sind voll davon. Hast du Interesse an dem Job?”
“Ich frage mal meine Brüder.”
Lange Pause. Gemurmel im Hintergrund. Wieder das Geräusch von umfallenden Flaschen.
“Bist du noch da?”
“Ja.”
“Also gut, wir machen den Job. Aber wir nehmen Kaili mit.“
„Keili?”
“Ja. Unser U-Boot. Es begleitet uns überall hin. Und Ringo will seinen Opa mitbringen.”
“Ist der nicht viel zu alt für so was?”
“Nein, der ist höchstens 400. Ein Whistler Model 370.”
“Gut. Dann trage ich euch vier mal als Landetruppen ein. Kannst du mir noch mal die Namen deiner Brüder sagen, John?”
“Klar. Das sind Paul, George und Ringo. Und unser U-Boot heißt Kaili. Geschrieben KAILI.”
„Gut. Hab ich. John, Paul, George und Ringo Redshirt und das U-Boot KAILI.” Wobei Selina den Namen des U-Boots richtig aussprach: Keili, nicht Ka ili.
“Stimmt.”
“Dann kommt bis spätestens heute Nachmittag nach Terrania. Ihr wisst, wohin?”
“Logo. Wir haben eine Glotze.”
Erschöpft beendete Selina die Verbindung. Einer ihrer Mitarbeite, seinen Namen hatte sie vergessen, wegen zu viele Namen von neuen Besatzungsmitgliedern, reichte ihr einen Becher Kaffee. “Woher kennst du die Redshirt Brüder?”
“Ich kenne sie nicht. Habe sie vorhin im Telefonbuch gefunden.”
“Woher weißt du dann, dass sie als Landetruppen geeignet sind?”
“Das sagen mir ihre Familiennamen. Ich habe da so eine Theorie, nach der man aus den Namen auf die berufliche Eignung schließen kann. Und in den antiken Star Trek Filmen waren die Landetruppen immer Redshirts. Von daher denke ich, das passt dann schon. Äh, wie heißt du eigentlich?”
“Was? Ich? Schläfer. Percy Schläfer.”
“Schade. Ungeeignet.”
*
Nach 35 Stunden Flug landete Rhodan die GOOD HOPE III eigenhändig auf dem Raumhafen von Terrania. Im militärischen Bereich, um sich nicht mit dem Zoll herumärgern zu müssen. Karsunke, dessen Kurierschiff im Hangar zwischengelagert wurde, warf einen Blick auf seine Armbanduhr, und stelle fest, dass ein schnelles Kurierschiff auch nicht so wesentlich schneller als ein deutlich bequemerer Kreuzer war. Nur schien das bisher noch niemand aufgefallen zu sein.
Bully, der neben Rhodan am Steuerpult saß, kratzte sich am Hinterkopf, was bei seinen roten Borsten ausgesprochen seltsam klang, fast als würde er einen Fisch entschuppen, überlegte laut, was man ihnen wohl für ein Schiff zur Verfügung stellen würde. Und das rief Gucky auf den Plan:
“Die CREST VII. Sie kommt heute Nacht in Terrania an.”
“Woher weißt du das denn?” fragte Rhoden etwas irritiert zurück.
“Von Selina. Die an nichts anderes -”
“Du sollst doch nicht dauernd Leute belauschen.” zusammen mit einem strafenden Blick von Perry.
“Da es ein Notfall ist, darf ich das ganz offiziell. Außerdem wartet sie bereits auf uns.”
Sichu blickte zwischen den beiden hin und her. “Ist sie wenigstens hübsch?”
“Viel zu groß, kein Fell, kein Nagezahn, zu kleine Ohren. Nein.”
Rhodan stand auf, um zum Lift zu gehen, als er plötzlich stutzte. An Gucky gewandt:
“Was hast du da gerade gesagt? CREST VII? Eine neue CREST? Bisher gab er wirklich nur sechs davon.”
“Selina hat das gedacht. Und die muss es schließlich wissen. Immerhin stellt sie gerade die Besatzung zusammen. Und das nach ihrer eigenen Spezialtheorie.”
Das interessierte jetzt Sichu:
“Spezialtheorie? Lass hören.”
“Ist eigentlich nichts wirklich neues, wurde in der terranischen Flotte schon immer so gemacht. Nur nicht ganz so extrem. Sie meint, dass - “
“Das kann sie uns doch auch selbst erzählen. Kommt, wir besuchen sie mal. Oder besser gleich.” wobei sich Rhodan in den Zentrallift schwang und nach unten schwebte. Die anderen folgten ihm.
*
Mit schmerzenden Füßen setzte sich Ella auf einen Stuhl im Kontrollraum des oberen Polobservatoriums. Ein 70 Meter Spiegel! Der größte, der je in ein Raumschiff eingebaut worden war. Entscheidender war für sie jedoch die Erkenntnis, dass High Heel Sandalen nicht geeignet für Schiffsführungen waren. Aber ein zweites Paar hatte in ihrer Handtasche leider keinen Platz mehr. Daher beschloss sie, auf Terra als allererstes eine neue Handtasche zu kaufen. Deutlich größer, aber trotzdem nicht protzig, mit einem Griff, an dem sie sich leicht an einem Serun per Karabinerhaken befestigen ließ.
Und neue Schuhe waren auch fällig. Überfällig. So weit sie sich erinnern konnte, passte kein einziges ihrer knapp 800 Paar zur neuen Handtasche. Unabhängig davon, wie diese ausschauen würde. Jetzt galt es nur noch eine alles entscheidende Frage zu klären: Sollte sie zuerst Schuhe, oder eine neue Handtasche kaufen?
„Na, genug ausgeruht?” fragte Sabin Kuratschowa, was aber wenig mitfühlend klang. “Wollen wir weiter machen?”
“Ich brauche jetzt erst einmal eine Fußmassage - “ worauf zwei kleine Roboter aus einer Wandöffnung heraus zu Ella liefen, ihr die Sandalen auszogen und begannen, ihr die Füße zu massieren. “Oh!” und nach zwei kurzen Augenblicken “Ah, tut das gut...”
Sabin stand grinsend neben ihr, was ihr wegen des Mechaniker Makeups, wie Ella fand, ein fast teuflisches Aussehen verlieh. Der Eindruck entsprang aber vermutlich eher ihren gequälten Füßen, als ihrem Gehirn. Und das hatte eine Idee, wie sie den beiden sich im Zustand der Massage befindlichen Körperteilen etwas Zeit verschaffen konnte.
“Ich muss nur noch rekapitulieren, was du mir heute alles gezeigt hast, damit ich nichts vergesse: Also, als erstes hast du mir die Turbolifte vorgeführt, für Leute mit Höhenangst, dann die Antigravschächte, für Leute mit ohne Höhenangst. Dann sind wir zu den sechs nagelneuen sextadim Transitionstriebwerken gegangen, und zwar zu jedem davon, du hast mir erklärt, wie die Salkrit Patronen aufgebaut sind, mit denen sie arbeiten, wie man die ganzen Triebwerke ausbaut, aus dem Schiff heraus nimmt, regeneriert, und wieder einbaut. Dazu hast du mir die portable Werft gezeigt, die das kann, danach sind wir zu den Lineartriebwerken und zu den gewöhnlichen Transitionstriebwerken gegangen, haben die Antigravgeneratoren bewundert, auch die vektorisierbaren, sind durch Wartungsschächte zu den Impulstriebwerken geklettert, haben die Paratronschirm Erzeuger angesehen, auch die für HÜ-Schirme und für nieder dimensionale Prallfelder, sind einmal rund um die umlaufenden Hangars Nord und Süd, oberhalb und unterhalb des Ringwulstes gejoggt, haben nachgezählt, dass hier wirklich 80 Korvetten rein passen, haben dann noch die Hangars für die 250 Space Jets angesehen, zum Glück nicht alle, danach hast du mir die Fertigungsanlagen gezeigt, mit denen man alle Teile, die in der CREST VII verbaut sind, jederzeit neu produzieren kann, hast mich dann noch einen schnellen Blick in die Baustellen werfen lassen, in denen Roboter die weiteren, gerade neu angelieferten Anlagen zusammengesetzt haben und zuletzt musste ich noch durch die wissenschaftlichen Einrichtungen laufen. Sogar ein paar der kleineren Teleskope mit den 16 Meter Spiegeln konnte ich besuchen. Wie viele sind das gleich nochmal? 128? Dann noch die Waffensysteme, aber die hast du gemeint, sind nicht so interessant. Finde ich auch. So. Und jetzt sind wir hier in der astronomischen Abteilung. Und ich kann nicht mehr.”
Sabin musterte sie mit besorgtem Blick: “Echt nicht mehr? Aber ich wollte dir noch SALOMON, den Bordrechner zeigen. Der ist besonders interessant, weil wir den ganzen Positronik- und Syntronikmist rausgeworfen haben, und einen Rechner in echter Siliziumtechnik aufgebaut haben. Die Chipfertigung solltest du auch noch sehen.”
“Die hast du mir bereits gezeigt. Das war eine der Produktionsanlagen, in die keine Lebewesen hinein dürfen, weil die zu viel Dreck machen. Durch das große Panoramafenster konnte ich alles sehen...”
“Stimmt. Hatte ich fast vergessen. So erschlagen, wie du gerade aussiehst, denke ich, den besuchen wir morgen.”
Ella atmete nicht nur innerlich auf, was bei Sabin zu einem kurzen grinsen mit einem Mundwickel führte. “Gebongt!”
Ein Robot schwebte den Gang entlang, stoppte vor den beiden: “Ein Anruf für Ella Fitz.”
“Für mich? Lass hören.”
Vor Ella baute sich ein Hologramm in der Luft auf, eine Frau, etwa Mitte 30 war zu sehen, hinter der Leute hektisch durcheinander liefen, telefonierten, Tablets hin und her reichten, man eben auf den ersten Blick erkennen konnte, dass dort wirklich gearbeitet wurde.
“Hallo?”
“Ella Fitz?”
“Ja.”
“Alexeja vom OST hat mir gesagt, dass ich mich mit dir in Verbindung setzen soll, weil du etwas über das Schiff weißt.”
“Welches Schiff?”
Selina blies die Luft aus, riss sich dann aber zusammen und sagte: “Das Fernraumschiff von Harun dem dreiundvierzigsten. Ach so, ich habe mich noch nicht vorgestellt. Ich bin Selina Leibowich und soll die Besatzung zusammenstellen.”
“Ah, verstehe. Also es ist die CREST VII, sie wird gerade startklar gemacht. Es ist ein 2,5 Kilometer Kugelraumer mit sextadim - “
“Keine Einzelheiten, ich bin in Eile. Wie viele Leute gehen da rein?”
Ella sah zu Sabin. “So rund 3000, denk ich.” antwortete diese etwas grübelnd, wobei sie nach rechts Oben ins Leere starrte, als würde die genau Zahl dort stehen.
Selina: “Danke. Habe mitgehört. Und du heißt Fitz? Klingt nach einem Beruf, in dem du schnell sein muss.”
“Stimmt. Ich bin Kurier. Woher weißt du - “
“Unwichtig. Ich habe einen Job für dich. In der Besatzung der CREST VII. Komm morgen auf den Raumhafen von Terrania -“
“Ja, Ich bin gerade in der CREST VII, und wir starten morgen Abend Ortszeit von Point Black nach Terra. Dann sehen wir uns eh.”
“Ha! Du bist wirklich von der schnellen Sorte. Wusste es doch.”
Ella und Sabin sahen sich an, zuckten langsam mit den Schultern, und sahen dann wieder zu Selina ins Hologramm.
“Wenn ihr morgen Abend Ortszeit losfliegt, wie viel Uhr Ortszeit ist dann jetzt bei dir?”
“Heute Abend.”
“Passt.” und beendete die Übertragung.
*
Rhodan, Sichu, Bully, Atlan, Gucky und Tolot hatten ihren umgebauten Gleiter aus der GOOD HOPE III ausgeschleust und flogen zu den Hallen, die ihnen Selina genannt hatte. Also nicht wirklich genannt, Gucky hatte zufällig davon gehört. Den Umbau sollte man vielleicht kurz erwähnen: Der Gleiter hatte hinter der Rückbank anstelle des Laderaums noch einen Spezialsitz, den Tolot aus dem Ersatzteillager seiner HALUTA 1072 geholt hatte, und Gucky machte es sich wie so oft auf dem Schoß des Haluters gemütlich. Des besseren Überblicks wegen, wie er behauptete.
In der ersten Halle, die sie betraten, fanden sie tumultartige Zustände vor. Hunderte von Menschen, deren Ausrüstung, teils ganze Container davon, Roboter und Lärm. Jede Menge Lärm. Rhodan fragte einen nicht ganz so hektisch wirkenden Mann, wo er denn Selina finden würde.
“Selina? Meinst du die Leibowich?”
An seiner Stelle antwortete Gucky: “Genau die meint er. Hier sind so viele aufgeregte Leute, dass ich sie nicht eindeutig espern kann.”
“Die müsste in Halle 3 sein. Irgendwo bei den vielen Schreibtischen.”
“Danke.”
Aber das hatte der Mann bereits nicht mehr gehört, da er von einer vorbeiströmenden Menge abgedrängt wurde.
“Tolotos. Geh doch mal voraus.” kam eine wirklich gute Idee von Bully. Und nachdem sie Halle 1 und Halle 2 durchquert hatten, sahen sie bereits die Schreibtische, vor denen sich Menschentrauben stauten, und hinter denen nur jeweils ein offensichtlich deutlich überforderter Sachbearbeiter saß.
„Siehst du sie irgendwo?” fragte Rhodan Gucky.
“Sehen kann man das nicht nennen. Aber sie ist da.” wobei er mit seinem kurzen Ärmchen auf eine Frau deutet, die anscheinend gerade mit drei Leuten gleichzeitig redete und nebenbei etwas in ein Pad schrieb. Also zwängten sich unsere Freunde durch die Menschenmassen, Tolot voran, der ganz vorsichtig, um nur ja keinen zu verletzen, mit schwimmartigen Bewegungen für eine schmale Gasse sorgte, die sich hinter ihnen sofort wieder schloss.
Als Rhodan endlich vor Selina Leibowich stand, begann er: “Hallo, das ist Tolotos, Gucky, Bul- “
Weiter kam er nicht. “Hinten anstellen!”, was er synchron und lautstark von Selina und den drei Männern zu hören bekam.
“Soll ich sie mal fliegen lassen?”
“Nein. Das tut man nicht mit Damen. Lass mich mal.” befahl Atlan, der sich ohne zu drängeln an den anderen vorbei bewegte.
“Hallo schöne Frau. Ich denke, ich habe da etwas, das sie sicher brauchen können.”
“Was ist denn das für eine blöde Anma- Oh. Dich kenne ich. Du musst Atlan sein.”
“Wie er leibt und lebt. Du hast doch sicher ein klein wenig Zeit für mich. Und für meine Freunde.” wobei er eine ausladende Bewegung mit einem Arm zu den anderen fünf machte.
“Aber natürlich. Immer. Komm mit, ich habe da drüber ein gemütliches Büro. Da können wir uns in aller Ruhe unterhalten.”
Unterwegs flüsterte Sichu Rhodan ins Ohr: “Siehst du! So geht das. Solltest du auch mal üben.” Wobei flüstern bei dem Umgebungslärm nicht gerade leise war.
Bully hinter den beiden zu Gucky: “Sie wird Thora immer ähnlicher.”
“Ho, ho ho!” von Tolot, der Bully`s Satz mitgehört hatte. Und in seinem roten Kampfanzug jetzt erst recht wie der Weihnachtsmann aussah, wie Bully fand.
*
Im Hangar 51 an Bord der CREST VII standen 23 Kisten. Jede mit dem Volumen eines mittleren Mehrfamilienhauses. Und dazwischen hetzte Harun 43. eine Gruppe seiner Mitarbeiter und an die 100 Arbeitsroboter durch die Gegend, um die Container zu öffnen, den Inhalt heraus zu holen und im freien Bereich des Lagerraums aufzubauen. Er vergaß dabei auch nicht, laufend zu betonen, wie extrem sauteuer die Geräte waren. Angeblich kostete ein einziges davon deutlich mehr als die voll ausgerüstete CREST VII. Was aber nicht sein konnte, da die 23 Kisten ja selbst zur Ausrüstung gehörten, Aber solche Kleinigkeiten interessierten im Moment niemand.
Nach mehreren Stunden standen die ersten 8 Geräte auf ihren Antigrav Plattformen, mit denen man sie in den noch eine Nummer geheimeren Nebenraum 51a transportieren konnte. Der Raum war gegen alle äußeren Einflüsse abgeschirmt, mit einem 16 fach gestaffelten Schutzschild umgeben und dürfte damit der mit Abstand sicherste Raum an Bord der CREST VII sein. Was auch bitter nötig war. Zumindest laut Harun dem dreiundvierzigsten.
Da er unbedingt wollte, dass alle 23 Geräte betriebsbereit waren, wenn die CREST VII auf dem Raumhafen von Terrania landete, arbeiteten er und seine Kollegen die ganze Nacht und den halben nächsten Tag durch.
Als die CREST VII im Solsystem aus dem Linearraum fiel, war es endlich geschafft. Alles war aufgebaut, getestet und bereit für den ersten und einzigen Einsatz.
Harun 43. rückte sein Aluhütchen zurecht und sagte zu sich selbst:
“Jetzt muss ich nur noch die Leibowich anrufen, damit sie mir diesen Rhodan her schickt. Soll der entscheiden, was weiter geschieht...”
*
Bereits auf dem Flug zur Erde, nach dem ersten Frühstück an Bord, besuchten Ella und Sabin SALOMON in dessen Kammer. Wobei “Kammer” offensichtlich einer von Haruns berüchtigten Wortwitzen war: Der Raum hatte eine Grundfläche von etwa 10 mal 30 Meter, Ella schätzte seine Höhe auf bestimmt 20 Meter, wobei die Wände im Abstand von 3 Metern von Galerien umlaufen wurden. Alles war vollgepfercht mit Monitoren, Tastaturen, fest in Sichtschutz Nischen montierten Schreibtischen, davor super bequem aussehende Schalensitze und im hinteren Drittel des Raums reichte eine transparente Säule bis zur Decke. Daneben standen im Halbkreis angeordnet weitere Sitze mit kleinen Monitoren davor, die man zur Seite schwenken konnte. Außer den beiden befanden sich nur drei weitere Leute in der “Kammer”. Einer trank Kaffee und behämmerte gleichzeitig eine Tastatur, die beiden anderen fläzten in zwei der Stühle neben der Säule und rauchten.
“Darf man hier rauchen?” wunderte sich Ella.
“Klar. Ist im ganzen Schiff erlaubt. Die Technik hält das locker aus, und die Leute entspannt es. Die Nebenwirkungen sind ja problemlos heilbar.” nickte ihr Sabin zu.
Erst jetzt bemerkte Ella die vielen Aschenbecher und Kaffeeautomaten. Klar. Informatiker.
“Wozu sind eigentlich die kleinen Schränke gut, die an jeder freien Stelle an die Wände geschraubt sind? Verbandskästen?”
Sabin grinste schräg, antwortete: “Vorratsschränke. Kekse, Schokoriegel, Bonbons, Brausewürfel, Fruchtjoghurt, Zigaretten. Und natürlich Löffel, Feuerzeuge und Kotztüten. Eben alles, was Informatiker so zum Arbeiten brauchen.”
„Fehlen nur noch Ersatztassen.” erkannte Ella.
“Da gibt es an der Rückseite jeder Stuhllehne ein Fach...”
“Und der Nippes? Die Typen haben doch immer irgend welches Nippes Zeugs neben dem Monitor stehen?”
“Das bringen die alles selber mit.”
Damit gab sich Ella zufrieden. Jetzt wusste sie: Hier an Bord ging es ganz genau so zu wie überall, wo diese Nerds einfielen.
Die beiden gingen weiter, vorbei an den Nischen mit den einzelnen Arbeitsplätzen, und tatsächlich entdeckte Ella neben einigen Monitoren kleine Plüschtiere, wie man sie häufig in Computerspielen sah, an einem anderen Platz standen winzige Plastikautos, und weiter hinter, schon fast im Bereich der transparenten Säule lagen neben einem Monitor mehrere Horrormasken, eine garantiert uralte Actionfigur von Jabba the Hutt, ein zerfleddertes Aluhütchen und massenhaft leere Verpackungen von Schokoriegeln.
Auf Ellas irritierten Blick erklärte Sabin: “Das ist Haruns Arbeitsplatz. Aufräumen ist hier ein sofortiger Kündigungsgrund.”, wobei sie auf das Schild “No Tiding!” an der Stuhllehne deutete. Ein weiteres hing an der Wand oberhalb des Monitors, zwei an den Seitenwänden der Nische, und wenn man genau hin sah, erkannte man, dass der Schriftzug auch in die Bodenfliesen eingelassen war.
“Verstehe.”
Dann erreichten sie das Ende des Raums. In der Wand befand sich ein Panzerschott mit Handrad und Verriegelungsgriffen, das Ella an alte U-Boot Filme erinnerte.
“Dahinter ist SALOMON. Das Schott hat Harun übrigens in antiken Plänen eines U-Boots gefunden.”
Sabin zog eine Plastikkarte aus einer Tasche ihres Overalls, hielt sie vor ein Lesegerät neben dem Schott, worauf ein Geräusch ertönte, das entfernt an das Rattern eines Fernschreibers gemischt mit dem Klicken von Relais erinnerte. Dann sprach eine Stimme, die Ella fast vertraut vor kam, die sie aber nicht einordnen konnte:
“Hallo Sabin. Was kann ich heute für dich tun?”
“Wir wollen rein.”
“Erlaubnis erteilt.”
Worauf es im Schott klang, als würden schwere Riegel bewegt. Sabin drehte am Handrad, zog sehr kräftig daran, und dann öffnete sich das Schott. Quälend langsam, versteht sich.
Im Gang mit seinem sechseckigen Querschnitt hinter dem Schott begannen Leuchtstoffröhren flackernd anzuspringen, und die zwei Frauen gingen die fünf Meter vor zu einer Schiebetür, die sich zischend vor ihnen öffnete.
„Sehr stylisch. Ein paar der Filme habe ich auch gesehen.” kommentierte Ella das Gesehene mit einem Hauch von Sarkasmus in der Stimme. Was Sabin nicht entging.
“Harun steht nicht nur auf alte Archive, sondern auch auf alte Filme...”
Und dann standen sie vor SALOMON.
*
Atlan hatte kein Problem damit, dass ihn Selina eine Hand auf den Rücken gelegt und ihn so neben sich her schob, bis sie ihr Büro erreichten. Das erwies sich zwar als wirklich nicht besonders geräumig, was speziell Tolot ein wenig in Bedrängnis brachte, da er auf keinen Fall irgend etwas beschädigen wollte, aber nach kurzem hin und her manövrieren schaffte es die Gruppe dann doch, sich halbwegs bequem hin zu setzen. Wobei es für Tolot keinen geeigneten Stuhl gab, weshalb er mit dem Boden vorlieb nahm.
Selina berichtete kurz, wie weit die Vorbereitungen gediehen waren, wie viele Besatzungsmitglieder sie inzwischen rekrutiert hatte, dass die CREST VII voraussichtlich am Abend in Terrania landen würde, ein Teil der dortigen Besatzung womöglich mitfliegen würde und dass Alexeja Bersteinowa, die Generalsekretärin des Obersten Sowjets von Terra sie gebeten hatte, Rhodan und seine Kumpels sofort zu ihr zu schicken, sobald er sich bei ihr, bei Selina, gemeldet hatte. Und genau das tat sie auch.
Nach einer kurzen Verabschiedung “Atlan, sehen wir uns später?” “An Bord der CREST VII.” “Ich werde da sein.” machten sich unsere sechs Helden auf den Weg zum Obersten Sowjet von Terra.
*
Massive Schaltschränke reichten bis an die Decke, füllten den Raum in mehreren Reihen aus. Vorne sah man Einschübe mit blinkenden LEDs, bunten Verbindungskabel, die zu anderen Einschüben führten, leere Buchsen, vermutlich für Wartungszwecke, und an den Rückseiten der Schränke verbanden oberschenkeldicke Kabelbäume die Schaltschränke miteinander, gingen durch Aussparungen in der Decke nach oben, führten durch Kabelschächte eine Etage weiter nach unten. Trotzdem wirkte alles sehr geordnet und solide.
“Ist DAS SALOMON?” fragte Ella ganz erstaunt, die eine Positronik oder Syntronik erwartet hatte.
“Ja. Zumindest der Kern einer von 16 gleichen Einheiten. Wegen der Redundanz, du verstehst?” nickte Sabin.
“16 scheint ja eine der Lieblingszahlen von Harun zu sein. Habe das in den vergangenen 2 Tagen schon öfters bemerkt.”
“Stimmt. Wobei er Eins Null dazu sagt, weil er meistens hexadezimal denkt. Außerdem vermutet Harun, dass es potentielle Angreifer verwirren könnte. Die lesen 10, denken, es sei dezimal gemeint, weil fast alle Terraner dezimal rechnen, aber dann sind da in Wirklichkeit noch 6 weitere Anlagen vorhanden, von deren Existenz die Angreifer nichts ahnen.”
Ella grinste. “Genial! Das ist so daneben, das könnte sogar funktionieren.”, aber dann entdeckte sie ein Schild an einem der Schränke:
“Es gibt 10 Arten von Menschen. Solche, die binär verstehen, und die anderen.”
Sabin sah zu, wie Ella den Text las, zuckte mit den Schultern, meinte dann: “Harun hat eben einen wirklich schrägen Humor...” und ging weiter.
Nach wenigen Metern erreichten sie eine Stelle, an der einer der Schaltschränke fehlte. Statt dessen befand sich hier ein Terminal und drei Hocker davor.
„Setz dich. Das ist die Systemkonsole. Hier kann man sehen, was die Hardware von SALOMON gerade macht.”
Beide setzten sich, von es sich bequem machen konnte nicht die Rede sein, und Sabin schaltete das Terminal ein. Sofort erschien ein Begrüßungsbildschirm mit:
“ParaLinux V73.8
Build 199324.09024.7.0342
Enter Username: …................
Enter Pswd: …........................”
Was Sabin auch sofort machte. Ella hatte solange geschwiegen, um Sabin nicht abzulenken, damit sie sich nicht vertippte, jetzt aber stellte sie ihre Frage:
“ParaLinux? Nie gehört.”
“Ein Betriebssystem für Parallelrechner.”
„Para hat aber nichts mit Psi zu tun, oder?”
“Nein, nein. Hier ist alles ganz normal rein physikalisch 4d raumzeitlich.”
Ella sah zu Sabin, während diese antwortete, und entdeckte schon wieder ein Schild. Diesmal an der Seitenwand des nächsten Schaltschranks, der die Nische zu diesem Arbeitsplatz begrenzte. Dort stand: „Im Zweifelsfall – Tu es.“
“Was hat es eigentlich mit den ganzen Schildern auf sich? Seit ich an Bord bin, stoße ich praktisch an jeder Ecke auf eins?”
Diesmal musste Sabin nicht nur grinsen, sondern laut und herzhaft lachen.
“Die sind von Harun. Du kennst doch den kleinen Kugelrobot, der immer hinter ihm herfliegt? Ich vermute, dass der fast nur dazu da ist, Schilder auszudrucken und anzukleben. Harun hat da eine irgendwie ungesunde Phantasie.” Dann drehte sie sich um, las den Spruch und erkannte ihn sofort wieder:
“Das ist ein Zitat von Oma Cobol.”
Auf dem Monitor standen nun 16 Quadrate, als 4 mal 4 Matrix angeordnet, von denen 3 grün blinkten, die restlichen 13 grau vor dem schwarzen Hintergrund offenbar inaktiv warteten.
“Es laufen immer 3 Einheiten von SALOMON, 3 weitere sind standby, die übrigen 10 bleiben abgeschaltet. Jede Einheit, und in einer sitzen wir gerade, ist fünf Stockwerke hoch, hat 2 hoch 32 Prozessoren, von denen 2 hoch 24 eine QCU, eine Quantum Calculation Unit mit 2 hoch 16 Q-Bits hat. Die drei laufenden Einheiten überwachen sich gegenseitig, und sollte ein Problem auftreten, fährt sich die Einheit, in der die Störung erkannt wurde, herunter und die Reserveeinheit nimmt ihren Platz ein. Ist ein sehr sicheres Verfahren, hat nur einen Schönheitsfehler: Es wurde nicht von Harun erfunden, ist wesentlich älter.”
Ella hatte interessiert zugehört, meinte dann aber:
“Irgendwie habe ich mir eine moderne Positronik ganz anders vorgestellt. Das hier sieht so anders aus, keine Vakuumanlage, kein Strahlenschutz...”
Sabin grinste schon wieder: “Das ist keine Positronik, sondern eine Elektronik. Da braucht man kein Vakuum und keine Strahlungsabschirmung. Harun hat einfach den ganzen auf arkonidischen Mist basierenden Teil über Bord geworfen und terranische Technik verwendet.”
“Wusste gar nicht, dass es leistungsfähige terranische Elektronik gibt. In den Geschichtsbüchern steht doch die Anekdote von Perry Rhodan, der ganz am Anfang mit den Ferronen Tauschgeschäfte machen wollte, und die haben sich einen Ast gelacht über das primitive UKW Funkgerät, das Rhodan ihnen angeboten hat. Und das war das modernste, das es damals auf Terra gab...”
“Stimmt. Lernt vermutlich jeder in der Schule. Tatsächlich gab es um 1970 bereits erste integrierte Schaltkreise auf monolithischer Siliziumbasis, Mikroprozessoren standen in den Startlöchern, aber dann kam der Hype um die außerirdische Technik. Die natürlich viiiiel besser war, jeder wollte etwas arkonidisches, keiner wollte mehr terranische Elektronik. Gut, die war damals wirklich noch nicht besonders weit entwickelt, aber Technikhistoriker haben das mal durchgespielt: Ohne die Arkoniden hätte sich die terranische Elektronik in den nächsten 50 bis 100 Jahren schnell weiter entwickelt, hätte spätestens 2100 den arkonidischen Mist übertrumpft. Zum Glück gab es Nerds, die als Hobby Elektronik weiter entwickelt haben, und bis etwa 2400 in der Lage waren, auf dieser Basis Computer zu bauen, die jeder bekannten Positronik haushoch überlegen waren. Nur waren das Einzelstücke, die nie regulär zum Einsatz kamen. Speziell in der terranischen Flotte, konservativ, wie solche Vereine nun mal sind, setzte man ausschließlich auf Positroniken. Egal wie langsam die waren. Du erinnerst dich vermutlich an die Historischen Filme, in denen es darum ging, die Position von Wanderer zu berechnen. Das hat Stunden, wenn nicht gar Tage gedauert. Ein einfacher Computer auf Siliziumbasis hätte das in Minuten, oder sogar schneller geschafft. Und dann die Interfaces. Kennst du das Geräusch von klackenden Relais in den Filmberichten von der CREST III? Das waren die Relais, die die Elektrik mit der Positronik verbunden haben. Da kann man nicht viele Daten drüber schicken. Deshalb auch die extrem primitiven Eingabe und Ausgabe Geräte. Lochstreifen, Lochkarten. Bah!”
Elle schluckte mehrfach. Das musste sie jetzt erst einmal verdauen.
“Aber wieso haben die Arkoniden dann auf Positroniken gesetzt?”
“Das war eine Patentrechtsfrage. Die Arkoniden, die mit Elektronik gearbeitet haben, hatten sich das patentieren lassen. Und da nur wenige bereit waren, die immensen Patentgebühren zu bezahlen, damit sie auch damit arbeiten durften, hatte die wiederum angefangen, Positroniken zu bauen. Und da sich bekanntlich immer die schlechteste Lösung durchsetzt...”
Ella schüttelte nachdenklich den Kopf: “Aber wieso hat das niemand gemerkt? Wenn es so offensichtlich ist, dann...”
“Das liegt am schlimmsten Satz in jeder Sprache, wie schon Oma Cobol so treffend bemerkt hat. Der lautet: Das haben wir schon immer so gemacht. Also macht man genau so weiter. Und was die Sache mit Patenten angeht, das war auf Terra zeitweise noch extremer als bei den Arkoniden. Zum Beispiel hatte James Watt damals, als er die Dampfmaschine entwickelt hat, einen Exzenter zur Ventilsteuerung gebraucht. Nur war der bereits vorher erfunden worden, und er hätte Patentgebühren zahlen müssen, wenn er ihn verwendet hätte. Deshalb hat er kurzerhand das Planetengetriebe erfunden. Kostet zwar in der Herstellung deutlich mehr als ein Exzenter, funktioniert aber genauso gut. Und du kannst dir vorstellst, um wie viel die Zahnräder und der Zahnkranz teurer sind als eine exzentrisch gebohrte Scheibe, dann kannst du dir vorstellen, was Watt für die Benutzung des Patentes hätte zahlen müssen. Patente, Urheberrecht und der ganze Mumpitz sind eben eine Entwicklungsbremse erster Güte.”
*
Inzwischen bretterten Rhodan und seine Kumpels in ihrem umgebauten Gleiter vom Raumhafen weg ins Stadtzentrum von Terrania. Wobei Perry es sich natürlich nicht nehmen ließ, selbst zu steuern. Sehr zum Verdruss von Sichu, die schimpfend neben ihm saß. Sie beruhigte sich erst wieder, als ihr Bully ganz ruhig erklärte, dass Rhodan als alter Risikopilot nicht an Einbahnstraßen glaubte. An rote Ampeln sowieso nicht.
Die wilde Fahrt endete auf dem “Roten Platz”, dem ehemaligen Kalak Place. Hier stand ein nicht besonders großer Backsteinbau, auf dessen Dach man 3 Zwiebeltürmchen angebracht hatte. Wobei deutlich zu erkennen war, dass das ursprüngliche Flachdach ein klein wenig anders ausgesehen hatte. Die sechs Freunde stiegen aus, gingen die Stufen hoch, die zum hölzernen Eingangstor führten, über dem ein schlecht klebendes Plastikschild mit der Aufschrift “OST” angebracht war. Beim Pförtner erklärte Rhodan, wer sie waren, und dass sie erwartet wurden. Immerhin hatte Selina versprochen, sie anzumelden.
Wieder erwarten wusste der alte Mann Bescheid, schickte die Gruppe hoch in den dritten Stock.
Gucky hatte die Generalsekretärin inzwischen geortet:
“Darf ich? Darf ich?”
“Nein. Wir gehen zu Fuß.“ und nach einem Augenblick des Nachdenkens fügte Rhodan an Gucky gewandt an: “Du auch.”.
Der aber zog es vor, sich von Tolot tragen zu lassen.
Oben angekommen japste Bully: “Die könnten ruhig mal einen Lift einbauen.”
“Kein Geld. Zu teuer.”, kommentierte eine Frauenstimme aus einem Büro mit halb offener Tür.
Gucky: “Das is sie.”
Die Freunde gingen in das Büro der Generalsekretärin, wobei Atlan, der voraus ging, an die fast offene Tür klopfte, fragen wollte, ob sie eintreten durften, wozu er aber nicht kam, da Alexeja Bersteinowa bereits rief: “Nun kommt schon endlich rein!”
Das Zimmer erwies sich als durchaus geräumig, wenn auch sehr ungemütlich eingerichtet. Aber es gab Sitzgelegenheiten für alle. Sogar für Tolot stand ein stabil aussehender Betonpoller bereit.
„Ich nehme an, die Leibowich hat euch bereits aufgeklärt? Dann brauche ich das nicht noch einmal alles zusammen zu fassen.”
“Ja, so ganz grob wissen wir, worum es geht.” antwortete Rhodan.
“Und ihr nehmt den Job an?”
“Logo!” “Klar!” “Sowieso!” “Ich würde wahnsinnig, wenn er es nicht täte.” “Bei allen Mohrrüben des Universums: Der Retter des selben lehnt so etwas nie ab!” “Ho, ho ho!”
Etwas verblüfft, da alle sechs gleichzeitig gesprochen und dabei extrem enthusiastisch geklungen hatten, nickte Alexeja. “Gut.”, hackte irgend etwas auf ihrem Tablet ab, meinte dann:
“Ihr fahrt am besten gleich nach Dreamland. Da wird man euch in alle Erkenntnisse, die wir bisher gesammelt haben, einweisen. NEUMANN ist auch dort.”
“Neumann? Welcher Neumann?” Diese Information stand offensichtlich nicht in dem Dossier, das der Kurier Rhodan gebracht hatte.
“Das erklären euch dort die Wissenschaftler.”
“Und wo ist dieses Dreamland?” wollte Bully wissen.
“Drüben am Goshun Park. Ihr fahrt mit der U-Bahn bis – Ach, was. Das findet ihr nie. Ich bringe euch hin.”
*
Diesmal saßen Sichu, Alexeja und Rhodan zu dritt auf der vorderen Bank, die anderen auf ihren üblichen Plätzen.
“Fährt der immer so?” eine trockene Frage von Alexeja an Sichu.
“Ja.” deren ebenso trockene Antwort.
Etwas später fuhren sie in ein Parkhaus, viertes Untergeschoss, stiegen aus und und betraten einen Lift. Alexeja drückte auf den untersten Knopf mit der Aufschrift “Dreamland”, und die Fahrt begann. Nach einigen Minuten bei der üblichen Fahrstuhlmusik, fragte Rhodan in das betretene Schweigen hinein: “Wie tief geht es eigentlich hinunter?”
“198 Stockwerke.” antwortete die Generalsekretärin prompt.
“Erinnert irgendwie an Imperium Alpha.”
“Ja. Wurde während der Regierungszeit der vereinigten Stämme von Terra aus den Resten davon gebaut.”
Und das Schweigen setzte sich fort. Abgesehen von den raspelnden Lauten, die Gucky mit seiner Mohrrübe produzierte, und den gelegentlichen Schmatzen, das Sichu, Atlan und Bully mit ihren Softeiswaffeln veranstalteten. Wirklich laut wurde es nur, wenn Tolot unterdrückt lachen musste, wenn sein Comic besonders lustig wurde. Insgeheim beglückwünschte sich Rhodan zu seinem Entschluss, einen kurzen Stop an einem Kiosk vor dem Eingang zum Park einzulegen. Er selbst hatte seine Fischsemmel bereits aufgegessen, und Alexeja wollte nichts. Hatte sich aber eine Tüte mit Waffelbruch, einen 10 Liter Becher Popcorn, und Rhodan bekam nicht mehr zusammen, was sonst noch alles, einpacken lassen.
Als das Schweigen immer bedrückender, ja nahezu peinlich wurde, fragte er Alexeja erneut etwas, das ihn eigentlich gar nicht interessierte:
“Wie läuft es eigentlich mit dem Sowjet Planeten?”
“Ist ein Scheißjob.”
“Was war eigentlich vorher für eine Regierungsform an der Reihe?”
“Eine Theokratie. Aber die Pastafarie haben auch nichts überrissen. Lediglich der Kurs für Spagetti ist durch die Decke gerauscht.”
“Und was ist als nächstes geplant?”
“Steht noch nicht fest. Also die Wahldiktatur haben alle abgelehnt, Die absolutistische Monarchie ebenfalls. Mal sehen. Ein halbes Jahr haben wir ja noch Zeit.”
“Und was hat sich bisher am besten bewährt?”
“Nichts.”
“Die parlamentarische Demokratie auch nicht?”
“Nein. Hat sich innerhalb weniger Tage in einen korrupten Laberverein verwandelt.”
“Und die konstitutionelle Monarchie?”
“Der selbe Mist.”
“Au.”
Dann folgte wieder Schweigen, bis Alexeja Bersteinowa sagte:
“Irgend eine brauchbare Regierungsform müssen wir finden. Notfalls wird es eben eine staatenlose Anarchie. Da gibt es wenigstens keinen solchen Scheißjob wie meinen.”
“Wieso machst du den Job dann eigentlich?” wunderte sich Rhodan.
“Man wird dazu bestimmt, und es gibt keine Möglichkeit, den Job abzulehnen. Ich habe damals versucht abzuhauen. Wurde aber erwischt. Tja, der schwarze Punkt in meiner Biographie.”
“Dass du versucht hast abzuhauen?”
“Nein. Dass ich so blöd war, mich erwischen zu lassen.”
Ein Gong, und der Lift hatte die Etage -198 erreicht. Die Tür öffnete sich, vor ihnen lag eine kleine Halle mit einem Pförtnerhäuschen neben der Tür an der gegenüber liegenden Wand. Sie gingen darauf zu, und Alexeja begrüßte den Mann im Häuschen:
“Hallo Maiki. Das hier ist Rhodan mit seinen Kumpels.”
“Hallo Alexeja. Die werden schon erwartet.”. Wobei er auf den Türöffner drückte, der summend die Tür aufspringen ließ.
Rhodan: “Ihr kennt euch?”
Alexeja: “Ja. Wir sind verheiratet.”
Und Sichu wollte wissen: “Wie kommst du jetzt zurück in den Kreml?”
So wurde der Backsteinbau am Roten Platz inoffiziell genannt.
“Mit der U-Bahn. Die hält oben im zweiten Untergeschoss des Parkhauses, und nach einer halben Stunde Fahrt bin ich wieder am Roten Platz.”
*
Als sie durch den langen Gang nach Dreamland marschierten, meinte Atlan:
“Typisch für diese Barbaren. Da soll Dreamland angeblich die geheimste Geheimstation im ganzen Solsystem sein, und dann steht der Name offen auf dem Knopf im Aufzug.”
Und Sichu, die am Kiosk unter anderem einen neuen Stadtplan von Terrania gekauft hatte, ergänzte:
“Wenigstens hätten sie darauf verzichten sollen, Dreamland auch noch im Stadtplan einzuzeichnen.”, wobei sie allen den Plan zeigte, wo neben dem Goshun Park ein Parkhaus eingetragen war, und daneben stand: “Lift nach Dreamland.”
“Mist. Solche Kleinigkeiten übersehen wir nur zu gerne.”, von Bully. Wobei aber nicht klar war, ob er das ernst meinte.
Plötzlich ploppte einer dieser kleinen Kugelroboter aus der Wand, wie man sie neuerdings fast überall antraf, schwebte vor Rhodan und sagte:
“Hallo. Ich bin Sidekick, euer persönlicher Berater und Wegweiser in Dreamland. Verzeiht mir, dass ich vorhin mitgehört habe, aber das ist Teil meines Auftrags. Was die vermeintlich übersehene Kleinigkeit angeht, kann ich das aufklären. Das muss so sein. Und zwar seit der Regierungszeit der Neuen Liberalen, die vor 8 Jahren als Regierungsform einen egalitären Turbokapitalismus ausprobiert haben. Damals hatten sie den No-Secret-Act eingeführt, und der besagt, dass es keine staatlichen Geheimnisse geben darf. Geheimhaltung bleibt der Wirtschaft vorbehalten. Und daher müssen alle geheimen Regierungs- und Militärprojekte öffentlich bekannt gemacht werden. So auch Dreamland.”
“Redest du immer so viel?” wollte Rhodan darauf hin wissen.
“Ja. Es ist Teil meines Auftrags, alles zu berichten, was meine - “
“Stop. Und? Hat der egalitäre Turbokapitalismus funktioniert?”
“Nicht die Bohne.”
Schweigen.
Nach einer längeren Verlegenheitspause, fast so schlimm wie im Aufzug, schüttelte Bully den Kopf:
“Da macht man mal kurz Urlaub, keine 25 Jahre, und schon geht es hier drunter und drüber.”
Rhodan zuckte mit den Schultern:
“Hätte schlimmer kommen können.”
Worauf Sidekick sofort erwiderte:
“Vor 14 Jahren kam es deutlich schlimmer. Wir hatten damals eine KI Regierung, di - “
“Schon gut. Gehen wir endlich dahin, wo wir hin sollen, um die Informationen zu bekommen, weswegen wir eigentlich hier sind.”, wobei Rhodan etwas angenervt klang.
“Gebongt. Folgt mir.”
Und Sidekick schwebte im Schritttempo vor ihnen her den Gang entlang.
*
Nach einer dreiviertel Stunde Fußmarsch, Gucky war zwischendurch noch einmal zum Kiosk teleportiert, um sich ein Karotteneis zu kaufen, meinte Atlan:
“Ich hasse lange Wanderungen. Gibt es hier denn keine Transportmittel?”
Worauf Sidekick, der die ganze Strecke entlang geschwiegen hatte, sofort bekannt gab:
“Natürlich gibt es hier Transportmittel. Laufbänder, Minigleiter, Transmitter, Schwebeplattformen, -”
“Und wieso sagst du das erst jetzt?!?”
“Ihr habt nicht gefragt.”
Sichu beugte sich zu Sidekick vor, fragte mit leicht strafendem Unterton:
“Kannst du uns so ein Teil beschaffen?”
“Klar.”
Neben ihnen ging eine Klappe in der Wand auf, eine Antigravplattform schob sich heraus, faltete ein paar Stühle auf und setzte sich neben der Gruppe auf den Boden.
“Bitte.”, Sidekick schwebte einladend über der Plattform, die sechs Freunde stiegen auf, setzten sich und die Plattform schwebte los.
Nach 20 Metern hielt sie vor einer Tür in der Seitenwand des Ganges.
“Wir sind da. Dort ist das Labor.”
*
27 Stunden vorher saßen Ella, Harun 43., Sabin Kuratschowa und geschätzt 20 weitere Leute auf einer Dachterrasse mit Blick zur CREST VII. Selbst aus 60 Kilometer Entfernung sah das Schiff immer noch gigantisch aus. Der untere Bereich mit den Landestützen war wegen der Planetenkrümmung nicht vollständig zu sehen, aber der Rest wirkte wie ein Berg, den jemand versehentlich im Flachland abgestellt hatte.
“Wieso hast du das Fernraumschiff eigentlich CREST genannt? Und wieso VII?” Ella hatte die Frage an Harun gerichtet, der direkt neben ihr saß, wie sie einen Mai Tai in der Hand hielt, aber erst einmal sein Aluhütchen zurecht rückte, bevor er antwortete. “Ich habe die Pläne der CREST III aus einem alten Archiv geklaut und als Grundlage für die Neukonstruktion benutzt. Die Nummer ist fortlaufend. Die letzte CREST, die ich in den Annalen der terranischen Flotte finden konnte, war die CREST VI. Wobei ich aber bisher nicht klären konnte, was aus der geworden ist.”
Harun winkte einen Kugelrobot her, der mit seinem Tablett, nicht so eins, auf dem man etwas schreiben konnte, sondern eins, auf dem Getränke und Essen serviert wird, irgendwie unmotiviert neben den Liegestühlen schwebte. Dann nahm er einen Feldstecher vom Tablett und gab ihn Ella.
“Siehst du die Plattformen, die um die CREST VII schweben?”
Ella bemühte sich zwar, erkannte aber nur undeutlich mehrere orange Punkte, die um die CREST VII schwirrten.
“Das sind Transportplattformen, die gerade Fertigungsanlagen anliefern. Damit kann man alle Komponenten des Raumschiffs unterwegs nachbauen. Dreifach redundant, versteht sich. Und es gibt auch Anlagen, mit denen man die Fertigungsanlagen nachbauen kann. Und auch Anlagen, die diese Anlagen - “
“Verstehe.”
“Gut.” Das klang jetzt ein wenig enttäuscht. Ella vermutete, dass Harun gerne mehr über diese “Anlagen” erzählt hätte, aber sie wollte mit den technischen Details wirklich nichts zu tun haben. Trotzdem fragte sie sich insgeheim, wozu ein Raumschiff alles, was sich an Bord befand, nachbauen können sollte. Da Harun immer noch so wirkte, als würde er darauf brennen, mehr zu erzählen, rang sie sich dann doch dazu durch, ihn zu fragen:
“Und wieso muss die CREST VII alles was sich an Bo- “
“Nicht nur alles was sich an Bord befindet. Die CREST VII kann sich damit praktisch selbst nachbauen! Und wieso? Na, wegen der Nachhaltigkeit. Als Fernraumschiff kann die CREST VII nicht auf Nachschub hoffen, muss sich selbst um alles kümmern. Das einzige terranische Schiff, das nach einem vergleichbaren Konzept konstruiert war, ist die SOL. Und vielleicht noch die BASIS. Aber die ist längst den Weg aller terranischen Produkte gegangen. Benutzt, dann verschrottet. Übel. Einfach nur übel. Wir wirtschaften, als hätten wir noch ein paar Universen in Ersatz. Na gut, so extrem vielleicht auch gerade nicht. Aber wenn ich mir vorstelle, wo wir heute sein könnten, wenn wir anstatt Müll zu produzieren, nachhaltige Dinge bauen würden...”
“Ja stimmt.” meinte Ella etwas nachdenklich. Was aber auch an ihrem dritten Mai Tai liegen konnte.
„Willst du dir mein Teil mal ansehen?”
“Welches Teil?” Ella war sich plötzlich nicht sicher, wovon Harun wirklich sprach.
“Die CREST VII. Du kannst dann gleich an Bord bleiben, weil wir morgen Abend, wenn alles an Bord ist, nach Terra fliegen. Hätte auch den Vorteil, dass du nicht schon wieder 30 Stunden in dem Stinkeserun schmoren musst. Und das Essen an Bord ist auch besser.”
Das Angebot konnte Ella nicht abschlagen.
“Und mein Kurierschiff?”
“Ich lasse dem Piloten Bescheid sagen, dass er die Mühle in die CREST VII einschleust. Also? Wollen wir los?”
“Gebongt.”
*
In Terrania hatte Selina Leibowich mehrere Hallen am Raumhafen angemietet, dort Feldbetten aufstellen lassen und eine Catering Firma mit der Versorgung der inzwischen angereisten ersten Besatzungsmitglieder beauftragt. Sie selbst und ihre frisch eingestellten Mitarbeiter arbeiteten von mehreren Büros neben den Hallen aus.
Aktuell versuchte Selina gerade, geeignete Landetruppen zu “finden”. Dazu hatte sie auf ihren 10 Monitoren Adressbücher geöffnet, durchsucht und die ihrer Meinung nach geeigneten Kandidaten, genauer gesagt deren Adressen, auf ein Tablet geladen. Momentan versuchte sie alle der Reihe nach abzutelefonieren.
“John?”
“Nein hier ist Ringo. John schläft noch. Kann ich ihm etwas ausrichten.”
“Nein. Weck ihn! Es ist dringend.”
“Muss das sein?”
“Ja.”
In den Hintergrund geschrien, aber auch bei Selina noch laut und deutlich zu hören: “John! Telefon! Is für dich!”
Danach grunzende Geräusche, dazwischen das klirren von umfallenden Flaschen, dann nichts mehr.
“Hallo?” Selina war sich nicht sicher, ob die Verbindung noch stand Dann ein Räuspern, jemand schneutzte laut und pfeifend, eine Serie unverständlicher Silben, und endlich:
“John?”
“Hier ist Selina Leibowich. Ich rufe an im Auftrag, ah, das kennst du sicher schon aus der Glotze. Die Programme sind voll davon. Hast du Interesse an dem Job?”
“Ich frage mal meine Brüder.”
Lange Pause. Gemurmel im Hintergrund. Wieder das Geräusch von umfallenden Flaschen.
“Bist du noch da?”
“Ja.”
“Also gut, wir machen den Job. Aber wir nehmen Kaili mit.“
„Keili?”
“Ja. Unser U-Boot. Es begleitet uns überall hin. Und Ringo will seinen Opa mitbringen.”
“Ist der nicht viel zu alt für so was?”
“Nein, der ist höchstens 400. Ein Whistler Model 370.”
“Gut. Dann trage ich euch vier mal als Landetruppen ein. Kannst du mir noch mal die Namen deiner Brüder sagen, John?”
“Klar. Das sind Paul, George und Ringo. Und unser U-Boot heißt Kaili. Geschrieben KAILI.”
„Gut. Hab ich. John, Paul, George und Ringo Redshirt und das U-Boot KAILI.” Wobei Selina den Namen des U-Boots richtig aussprach: Keili, nicht Ka ili.
“Stimmt.”
“Dann kommt bis spätestens heute Nachmittag nach Terrania. Ihr wisst, wohin?”
“Logo. Wir haben eine Glotze.”
Erschöpft beendete Selina die Verbindung. Einer ihrer Mitarbeite, seinen Namen hatte sie vergessen, wegen zu viele Namen von neuen Besatzungsmitgliedern, reichte ihr einen Becher Kaffee. “Woher kennst du die Redshirt Brüder?”
“Ich kenne sie nicht. Habe sie vorhin im Telefonbuch gefunden.”
“Woher weißt du dann, dass sie als Landetruppen geeignet sind?”
“Das sagen mir ihre Familiennamen. Ich habe da so eine Theorie, nach der man aus den Namen auf die berufliche Eignung schließen kann. Und in den antiken Star Trek Filmen waren die Landetruppen immer Redshirts. Von daher denke ich, das passt dann schon. Äh, wie heißt du eigentlich?”
“Was? Ich? Schläfer. Percy Schläfer.”
“Schade. Ungeeignet.”
*
Nach 35 Stunden Flug landete Rhodan die GOOD HOPE III eigenhändig auf dem Raumhafen von Terrania. Im militärischen Bereich, um sich nicht mit dem Zoll herumärgern zu müssen. Karsunke, dessen Kurierschiff im Hangar zwischengelagert wurde, warf einen Blick auf seine Armbanduhr, und stelle fest, dass ein schnelles Kurierschiff auch nicht so wesentlich schneller als ein deutlich bequemerer Kreuzer war. Nur schien das bisher noch niemand aufgefallen zu sein.
Bully, der neben Rhodan am Steuerpult saß, kratzte sich am Hinterkopf, was bei seinen roten Borsten ausgesprochen seltsam klang, fast als würde er einen Fisch entschuppen, überlegte laut, was man ihnen wohl für ein Schiff zur Verfügung stellen würde. Und das rief Gucky auf den Plan:
“Die CREST VII. Sie kommt heute Nacht in Terrania an.”
“Woher weißt du das denn?” fragte Rhoden etwas irritiert zurück.
“Von Selina. Die an nichts anderes -”
“Du sollst doch nicht dauernd Leute belauschen.” zusammen mit einem strafenden Blick von Perry.
“Da es ein Notfall ist, darf ich das ganz offiziell. Außerdem wartet sie bereits auf uns.”
Sichu blickte zwischen den beiden hin und her. “Ist sie wenigstens hübsch?”
“Viel zu groß, kein Fell, kein Nagezahn, zu kleine Ohren. Nein.”
Rhodan stand auf, um zum Lift zu gehen, als er plötzlich stutzte. An Gucky gewandt:
“Was hast du da gerade gesagt? CREST VII? Eine neue CREST? Bisher gab er wirklich nur sechs davon.”
“Selina hat das gedacht. Und die muss es schließlich wissen. Immerhin stellt sie gerade die Besatzung zusammen. Und das nach ihrer eigenen Spezialtheorie.”
Das interessierte jetzt Sichu:
“Spezialtheorie? Lass hören.”
“Ist eigentlich nichts wirklich neues, wurde in der terranischen Flotte schon immer so gemacht. Nur nicht ganz so extrem. Sie meint, dass - “
“Das kann sie uns doch auch selbst erzählen. Kommt, wir besuchen sie mal. Oder besser gleich.” wobei sich Rhodan in den Zentrallift schwang und nach unten schwebte. Die anderen folgten ihm.
*
Mit schmerzenden Füßen setzte sich Ella auf einen Stuhl im Kontrollraum des oberen Polobservatoriums. Ein 70 Meter Spiegel! Der größte, der je in ein Raumschiff eingebaut worden war. Entscheidender war für sie jedoch die Erkenntnis, dass High Heel Sandalen nicht geeignet für Schiffsführungen waren. Aber ein zweites Paar hatte in ihrer Handtasche leider keinen Platz mehr. Daher beschloss sie, auf Terra als allererstes eine neue Handtasche zu kaufen. Deutlich größer, aber trotzdem nicht protzig, mit einem Griff, an dem sie sich leicht an einem Serun per Karabinerhaken befestigen ließ.
Und neue Schuhe waren auch fällig. Überfällig. So weit sie sich erinnern konnte, passte kein einziges ihrer knapp 800 Paar zur neuen Handtasche. Unabhängig davon, wie diese ausschauen würde. Jetzt galt es nur noch eine alles entscheidende Frage zu klären: Sollte sie zuerst Schuhe, oder eine neue Handtasche kaufen?
„Na, genug ausgeruht?” fragte Sabin Kuratschowa, was aber wenig mitfühlend klang. “Wollen wir weiter machen?”
“Ich brauche jetzt erst einmal eine Fußmassage - “ worauf zwei kleine Roboter aus einer Wandöffnung heraus zu Ella liefen, ihr die Sandalen auszogen und begannen, ihr die Füße zu massieren. “Oh!” und nach zwei kurzen Augenblicken “Ah, tut das gut...”
Sabin stand grinsend neben ihr, was ihr wegen des Mechaniker Makeups, wie Ella fand, ein fast teuflisches Aussehen verlieh. Der Eindruck entsprang aber vermutlich eher ihren gequälten Füßen, als ihrem Gehirn. Und das hatte eine Idee, wie sie den beiden sich im Zustand der Massage befindlichen Körperteilen etwas Zeit verschaffen konnte.
“Ich muss nur noch rekapitulieren, was du mir heute alles gezeigt hast, damit ich nichts vergesse: Also, als erstes hast du mir die Turbolifte vorgeführt, für Leute mit Höhenangst, dann die Antigravschächte, für Leute mit ohne Höhenangst. Dann sind wir zu den sechs nagelneuen sextadim Transitionstriebwerken gegangen, und zwar zu jedem davon, du hast mir erklärt, wie die Salkrit Patronen aufgebaut sind, mit denen sie arbeiten, wie man die ganzen Triebwerke ausbaut, aus dem Schiff heraus nimmt, regeneriert, und wieder einbaut. Dazu hast du mir die portable Werft gezeigt, die das kann, danach sind wir zu den Lineartriebwerken und zu den gewöhnlichen Transitionstriebwerken gegangen, haben die Antigravgeneratoren bewundert, auch die vektorisierbaren, sind durch Wartungsschächte zu den Impulstriebwerken geklettert, haben die Paratronschirm Erzeuger angesehen, auch die für HÜ-Schirme und für nieder dimensionale Prallfelder, sind einmal rund um die umlaufenden Hangars Nord und Süd, oberhalb und unterhalb des Ringwulstes gejoggt, haben nachgezählt, dass hier wirklich 80 Korvetten rein passen, haben dann noch die Hangars für die 250 Space Jets angesehen, zum Glück nicht alle, danach hast du mir die Fertigungsanlagen gezeigt, mit denen man alle Teile, die in der CREST VII verbaut sind, jederzeit neu produzieren kann, hast mich dann noch einen schnellen Blick in die Baustellen werfen lassen, in denen Roboter die weiteren, gerade neu angelieferten Anlagen zusammengesetzt haben und zuletzt musste ich noch durch die wissenschaftlichen Einrichtungen laufen. Sogar ein paar der kleineren Teleskope mit den 16 Meter Spiegeln konnte ich besuchen. Wie viele sind das gleich nochmal? 128? Dann noch die Waffensysteme, aber die hast du gemeint, sind nicht so interessant. Finde ich auch. So. Und jetzt sind wir hier in der astronomischen Abteilung. Und ich kann nicht mehr.”
Sabin musterte sie mit besorgtem Blick: “Echt nicht mehr? Aber ich wollte dir noch SALOMON, den Bordrechner zeigen. Der ist besonders interessant, weil wir den ganzen Positronik- und Syntronikmist rausgeworfen haben, und einen Rechner in echter Siliziumtechnik aufgebaut haben. Die Chipfertigung solltest du auch noch sehen.”
“Die hast du mir bereits gezeigt. Das war eine der Produktionsanlagen, in die keine Lebewesen hinein dürfen, weil die zu viel Dreck machen. Durch das große Panoramafenster konnte ich alles sehen...”
“Stimmt. Hatte ich fast vergessen. So erschlagen, wie du gerade aussiehst, denke ich, den besuchen wir morgen.”
Ella atmete nicht nur innerlich auf, was bei Sabin zu einem kurzen grinsen mit einem Mundwickel führte. “Gebongt!”
Ein Robot schwebte den Gang entlang, stoppte vor den beiden: “Ein Anruf für Ella Fitz.”
“Für mich? Lass hören.”
Vor Ella baute sich ein Hologramm in der Luft auf, eine Frau, etwa Mitte 30 war zu sehen, hinter der Leute hektisch durcheinander liefen, telefonierten, Tablets hin und her reichten, man eben auf den ersten Blick erkennen konnte, dass dort wirklich gearbeitet wurde.
“Hallo?”
“Ella Fitz?”
“Ja.”
“Alexeja vom OST hat mir gesagt, dass ich mich mit dir in Verbindung setzen soll, weil du etwas über das Schiff weißt.”
“Welches Schiff?”
Selina blies die Luft aus, riss sich dann aber zusammen und sagte: “Das Fernraumschiff von Harun dem dreiundvierzigsten. Ach so, ich habe mich noch nicht vorgestellt. Ich bin Selina Leibowich und soll die Besatzung zusammenstellen.”
“Ah, verstehe. Also es ist die CREST VII, sie wird gerade startklar gemacht. Es ist ein 2,5 Kilometer Kugelraumer mit sextadim - “
“Keine Einzelheiten, ich bin in Eile. Wie viele Leute gehen da rein?”
Ella sah zu Sabin. “So rund 3000, denk ich.” antwortete diese etwas grübelnd, wobei sie nach rechts Oben ins Leere starrte, als würde die genau Zahl dort stehen.
Selina: “Danke. Habe mitgehört. Und du heißt Fitz? Klingt nach einem Beruf, in dem du schnell sein muss.”
“Stimmt. Ich bin Kurier. Woher weißt du - “
“Unwichtig. Ich habe einen Job für dich. In der Besatzung der CREST VII. Komm morgen auf den Raumhafen von Terrania -“
“Ja, Ich bin gerade in der CREST VII, und wir starten morgen Abend Ortszeit von Point Black nach Terra. Dann sehen wir uns eh.”
“Ha! Du bist wirklich von der schnellen Sorte. Wusste es doch.”
Ella und Sabin sahen sich an, zuckten langsam mit den Schultern, und sahen dann wieder zu Selina ins Hologramm.
“Wenn ihr morgen Abend Ortszeit losfliegt, wie viel Uhr Ortszeit ist dann jetzt bei dir?”
“Heute Abend.”
“Passt.” und beendete die Übertragung.
*
Rhodan, Sichu, Bully, Atlan, Gucky und Tolot hatten ihren umgebauten Gleiter aus der GOOD HOPE III ausgeschleust und flogen zu den Hallen, die ihnen Selina genannt hatte. Also nicht wirklich genannt, Gucky hatte zufällig davon gehört. Den Umbau sollte man vielleicht kurz erwähnen: Der Gleiter hatte hinter der Rückbank anstelle des Laderaums noch einen Spezialsitz, den Tolot aus dem Ersatzteillager seiner HALUTA 1072 geholt hatte, und Gucky machte es sich wie so oft auf dem Schoß des Haluters gemütlich. Des besseren Überblicks wegen, wie er behauptete.
In der ersten Halle, die sie betraten, fanden sie tumultartige Zustände vor. Hunderte von Menschen, deren Ausrüstung, teils ganze Container davon, Roboter und Lärm. Jede Menge Lärm. Rhodan fragte einen nicht ganz so hektisch wirkenden Mann, wo er denn Selina finden würde.
“Selina? Meinst du die Leibowich?”
An seiner Stelle antwortete Gucky: “Genau die meint er. Hier sind so viele aufgeregte Leute, dass ich sie nicht eindeutig espern kann.”
“Die müsste in Halle 3 sein. Irgendwo bei den vielen Schreibtischen.”
“Danke.”
Aber das hatte der Mann bereits nicht mehr gehört, da er von einer vorbeiströmenden Menge abgedrängt wurde.
“Tolotos. Geh doch mal voraus.” kam eine wirklich gute Idee von Bully. Und nachdem sie Halle 1 und Halle 2 durchquert hatten, sahen sie bereits die Schreibtische, vor denen sich Menschentrauben stauten, und hinter denen nur jeweils ein offensichtlich deutlich überforderter Sachbearbeiter saß.
„Siehst du sie irgendwo?” fragte Rhodan Gucky.
“Sehen kann man das nicht nennen. Aber sie ist da.” wobei er mit seinem kurzen Ärmchen auf eine Frau deutet, die anscheinend gerade mit drei Leuten gleichzeitig redete und nebenbei etwas in ein Pad schrieb. Also zwängten sich unsere Freunde durch die Menschenmassen, Tolot voran, der ganz vorsichtig, um nur ja keinen zu verletzen, mit schwimmartigen Bewegungen für eine schmale Gasse sorgte, die sich hinter ihnen sofort wieder schloss.
Als Rhodan endlich vor Selina Leibowich stand, begann er: “Hallo, das ist Tolotos, Gucky, Bul- “
Weiter kam er nicht. “Hinten anstellen!”, was er synchron und lautstark von Selina und den drei Männern zu hören bekam.
“Soll ich sie mal fliegen lassen?”
“Nein. Das tut man nicht mit Damen. Lass mich mal.” befahl Atlan, der sich ohne zu drängeln an den anderen vorbei bewegte.
“Hallo schöne Frau. Ich denke, ich habe da etwas, das sie sicher brauchen können.”
“Was ist denn das für eine blöde Anma- Oh. Dich kenne ich. Du musst Atlan sein.”
“Wie er leibt und lebt. Du hast doch sicher ein klein wenig Zeit für mich. Und für meine Freunde.” wobei er eine ausladende Bewegung mit einem Arm zu den anderen fünf machte.
“Aber natürlich. Immer. Komm mit, ich habe da drüber ein gemütliches Büro. Da können wir uns in aller Ruhe unterhalten.”
Unterwegs flüsterte Sichu Rhodan ins Ohr: “Siehst du! So geht das. Solltest du auch mal üben.” Wobei flüstern bei dem Umgebungslärm nicht gerade leise war.
Bully hinter den beiden zu Gucky: “Sie wird Thora immer ähnlicher.”
“Ho, ho ho!” von Tolot, der Bully`s Satz mitgehört hatte. Und in seinem roten Kampfanzug jetzt erst recht wie der Weihnachtsmann aussah, wie Bully fand.
*
Im Hangar 51 an Bord der CREST VII standen 23 Kisten. Jede mit dem Volumen eines mittleren Mehrfamilienhauses. Und dazwischen hetzte Harun 43. eine Gruppe seiner Mitarbeiter und an die 100 Arbeitsroboter durch die Gegend, um die Container zu öffnen, den Inhalt heraus zu holen und im freien Bereich des Lagerraums aufzubauen. Er vergaß dabei auch nicht, laufend zu betonen, wie extrem sauteuer die Geräte waren. Angeblich kostete ein einziges davon deutlich mehr als die voll ausgerüstete CREST VII. Was aber nicht sein konnte, da die 23 Kisten ja selbst zur Ausrüstung gehörten, Aber solche Kleinigkeiten interessierten im Moment niemand.
Nach mehreren Stunden standen die ersten 8 Geräte auf ihren Antigrav Plattformen, mit denen man sie in den noch eine Nummer geheimeren Nebenraum 51a transportieren konnte. Der Raum war gegen alle äußeren Einflüsse abgeschirmt, mit einem 16 fach gestaffelten Schutzschild umgeben und dürfte damit der mit Abstand sicherste Raum an Bord der CREST VII sein. Was auch bitter nötig war. Zumindest laut Harun dem dreiundvierzigsten.
Da er unbedingt wollte, dass alle 23 Geräte betriebsbereit waren, wenn die CREST VII auf dem Raumhafen von Terrania landete, arbeiteten er und seine Kollegen die ganze Nacht und den halben nächsten Tag durch.
Als die CREST VII im Solsystem aus dem Linearraum fiel, war es endlich geschafft. Alles war aufgebaut, getestet und bereit für den ersten und einzigen Einsatz.
Harun 43. rückte sein Aluhütchen zurecht und sagte zu sich selbst:
“Jetzt muss ich nur noch die Leibowich anrufen, damit sie mir diesen Rhodan her schickt. Soll der entscheiden, was weiter geschieht...”
*
Bereits auf dem Flug zur Erde, nach dem ersten Frühstück an Bord, besuchten Ella und Sabin SALOMON in dessen Kammer. Wobei “Kammer” offensichtlich einer von Haruns berüchtigten Wortwitzen war: Der Raum hatte eine Grundfläche von etwa 10 mal 30 Meter, Ella schätzte seine Höhe auf bestimmt 20 Meter, wobei die Wände im Abstand von 3 Metern von Galerien umlaufen wurden. Alles war vollgepfercht mit Monitoren, Tastaturen, fest in Sichtschutz Nischen montierten Schreibtischen, davor super bequem aussehende Schalensitze und im hinteren Drittel des Raums reichte eine transparente Säule bis zur Decke. Daneben standen im Halbkreis angeordnet weitere Sitze mit kleinen Monitoren davor, die man zur Seite schwenken konnte. Außer den beiden befanden sich nur drei weitere Leute in der “Kammer”. Einer trank Kaffee und behämmerte gleichzeitig eine Tastatur, die beiden anderen fläzten in zwei der Stühle neben der Säule und rauchten.
“Darf man hier rauchen?” wunderte sich Ella.
“Klar. Ist im ganzen Schiff erlaubt. Die Technik hält das locker aus, und die Leute entspannt es. Die Nebenwirkungen sind ja problemlos heilbar.” nickte ihr Sabin zu.
Erst jetzt bemerkte Ella die vielen Aschenbecher und Kaffeeautomaten. Klar. Informatiker.
“Wozu sind eigentlich die kleinen Schränke gut, die an jeder freien Stelle an die Wände geschraubt sind? Verbandskästen?”
Sabin grinste schräg, antwortete: “Vorratsschränke. Kekse, Schokoriegel, Bonbons, Brausewürfel, Fruchtjoghurt, Zigaretten. Und natürlich Löffel, Feuerzeuge und Kotztüten. Eben alles, was Informatiker so zum Arbeiten brauchen.”
„Fehlen nur noch Ersatztassen.” erkannte Ella.
“Da gibt es an der Rückseite jeder Stuhllehne ein Fach...”
“Und der Nippes? Die Typen haben doch immer irgend welches Nippes Zeugs neben dem Monitor stehen?”
“Das bringen die alles selber mit.”
Damit gab sich Ella zufrieden. Jetzt wusste sie: Hier an Bord ging es ganz genau so zu wie überall, wo diese Nerds einfielen.
Die beiden gingen weiter, vorbei an den Nischen mit den einzelnen Arbeitsplätzen, und tatsächlich entdeckte Ella neben einigen Monitoren kleine Plüschtiere, wie man sie häufig in Computerspielen sah, an einem anderen Platz standen winzige Plastikautos, und weiter hinter, schon fast im Bereich der transparenten Säule lagen neben einem Monitor mehrere Horrormasken, eine garantiert uralte Actionfigur von Jabba the Hutt, ein zerfleddertes Aluhütchen und massenhaft leere Verpackungen von Schokoriegeln.
Auf Ellas irritierten Blick erklärte Sabin: “Das ist Haruns Arbeitsplatz. Aufräumen ist hier ein sofortiger Kündigungsgrund.”, wobei sie auf das Schild “No Tiding!” an der Stuhllehne deutete. Ein weiteres hing an der Wand oberhalb des Monitors, zwei an den Seitenwänden der Nische, und wenn man genau hin sah, erkannte man, dass der Schriftzug auch in die Bodenfliesen eingelassen war.
“Verstehe.”
Dann erreichten sie das Ende des Raums. In der Wand befand sich ein Panzerschott mit Handrad und Verriegelungsgriffen, das Ella an alte U-Boot Filme erinnerte.
“Dahinter ist SALOMON. Das Schott hat Harun übrigens in antiken Plänen eines U-Boots gefunden.”
Sabin zog eine Plastikkarte aus einer Tasche ihres Overalls, hielt sie vor ein Lesegerät neben dem Schott, worauf ein Geräusch ertönte, das entfernt an das Rattern eines Fernschreibers gemischt mit dem Klicken von Relais erinnerte. Dann sprach eine Stimme, die Ella fast vertraut vor kam, die sie aber nicht einordnen konnte:
“Hallo Sabin. Was kann ich heute für dich tun?”
“Wir wollen rein.”
“Erlaubnis erteilt.”
Worauf es im Schott klang, als würden schwere Riegel bewegt. Sabin drehte am Handrad, zog sehr kräftig daran, und dann öffnete sich das Schott. Quälend langsam, versteht sich.
Im Gang mit seinem sechseckigen Querschnitt hinter dem Schott begannen Leuchtstoffröhren flackernd anzuspringen, und die zwei Frauen gingen die fünf Meter vor zu einer Schiebetür, die sich zischend vor ihnen öffnete.
„Sehr stylisch. Ein paar der Filme habe ich auch gesehen.” kommentierte Ella das Gesehene mit einem Hauch von Sarkasmus in der Stimme. Was Sabin nicht entging.
“Harun steht nicht nur auf alte Archive, sondern auch auf alte Filme...”
Und dann standen sie vor SALOMON.
*
Atlan hatte kein Problem damit, dass ihn Selina eine Hand auf den Rücken gelegt und ihn so neben sich her schob, bis sie ihr Büro erreichten. Das erwies sich zwar als wirklich nicht besonders geräumig, was speziell Tolot ein wenig in Bedrängnis brachte, da er auf keinen Fall irgend etwas beschädigen wollte, aber nach kurzem hin und her manövrieren schaffte es die Gruppe dann doch, sich halbwegs bequem hin zu setzen. Wobei es für Tolot keinen geeigneten Stuhl gab, weshalb er mit dem Boden vorlieb nahm.
Selina berichtete kurz, wie weit die Vorbereitungen gediehen waren, wie viele Besatzungsmitglieder sie inzwischen rekrutiert hatte, dass die CREST VII voraussichtlich am Abend in Terrania landen würde, ein Teil der dortigen Besatzung womöglich mitfliegen würde und dass Alexeja Bersteinowa, die Generalsekretärin des Obersten Sowjets von Terra sie gebeten hatte, Rhodan und seine Kumpels sofort zu ihr zu schicken, sobald er sich bei ihr, bei Selina, gemeldet hatte. Und genau das tat sie auch.
Nach einer kurzen Verabschiedung “Atlan, sehen wir uns später?” “An Bord der CREST VII.” “Ich werde da sein.” machten sich unsere sechs Helden auf den Weg zum Obersten Sowjet von Terra.
*
Massive Schaltschränke reichten bis an die Decke, füllten den Raum in mehreren Reihen aus. Vorne sah man Einschübe mit blinkenden LEDs, bunten Verbindungskabel, die zu anderen Einschüben führten, leere Buchsen, vermutlich für Wartungszwecke, und an den Rückseiten der Schränke verbanden oberschenkeldicke Kabelbäume die Schaltschränke miteinander, gingen durch Aussparungen in der Decke nach oben, führten durch Kabelschächte eine Etage weiter nach unten. Trotzdem wirkte alles sehr geordnet und solide.
“Ist DAS SALOMON?” fragte Ella ganz erstaunt, die eine Positronik oder Syntronik erwartet hatte.
“Ja. Zumindest der Kern einer von 16 gleichen Einheiten. Wegen der Redundanz, du verstehst?” nickte Sabin.
“16 scheint ja eine der Lieblingszahlen von Harun zu sein. Habe das in den vergangenen 2 Tagen schon öfters bemerkt.”
“Stimmt. Wobei er Eins Null dazu sagt, weil er meistens hexadezimal denkt. Außerdem vermutet Harun, dass es potentielle Angreifer verwirren könnte. Die lesen 10, denken, es sei dezimal gemeint, weil fast alle Terraner dezimal rechnen, aber dann sind da in Wirklichkeit noch 6 weitere Anlagen vorhanden, von deren Existenz die Angreifer nichts ahnen.”
Ella grinste. “Genial! Das ist so daneben, das könnte sogar funktionieren.”, aber dann entdeckte sie ein Schild an einem der Schränke:
“Es gibt 10 Arten von Menschen. Solche, die binär verstehen, und die anderen.”
Sabin sah zu, wie Ella den Text las, zuckte mit den Schultern, meinte dann: “Harun hat eben einen wirklich schrägen Humor...” und ging weiter.
Nach wenigen Metern erreichten sie eine Stelle, an der einer der Schaltschränke fehlte. Statt dessen befand sich hier ein Terminal und drei Hocker davor.
„Setz dich. Das ist die Systemkonsole. Hier kann man sehen, was die Hardware von SALOMON gerade macht.”
Beide setzten sich, von es sich bequem machen konnte nicht die Rede sein, und Sabin schaltete das Terminal ein. Sofort erschien ein Begrüßungsbildschirm mit:
“ParaLinux V73.8
Build 199324.09024.7.0342
Enter Username: …................
Enter Pswd: …........................”
Was Sabin auch sofort machte. Ella hatte solange geschwiegen, um Sabin nicht abzulenken, damit sie sich nicht vertippte, jetzt aber stellte sie ihre Frage:
“ParaLinux? Nie gehört.”
“Ein Betriebssystem für Parallelrechner.”
„Para hat aber nichts mit Psi zu tun, oder?”
“Nein, nein. Hier ist alles ganz normal rein physikalisch 4d raumzeitlich.”
Ella sah zu Sabin, während diese antwortete, und entdeckte schon wieder ein Schild. Diesmal an der Seitenwand des nächsten Schaltschranks, der die Nische zu diesem Arbeitsplatz begrenzte. Dort stand: „Im Zweifelsfall – Tu es.“
“Was hat es eigentlich mit den ganzen Schildern auf sich? Seit ich an Bord bin, stoße ich praktisch an jeder Ecke auf eins?”
Diesmal musste Sabin nicht nur grinsen, sondern laut und herzhaft lachen.
“Die sind von Harun. Du kennst doch den kleinen Kugelrobot, der immer hinter ihm herfliegt? Ich vermute, dass der fast nur dazu da ist, Schilder auszudrucken und anzukleben. Harun hat da eine irgendwie ungesunde Phantasie.” Dann drehte sie sich um, las den Spruch und erkannte ihn sofort wieder:
“Das ist ein Zitat von Oma Cobol.”
Auf dem Monitor standen nun 16 Quadrate, als 4 mal 4 Matrix angeordnet, von denen 3 grün blinkten, die restlichen 13 grau vor dem schwarzen Hintergrund offenbar inaktiv warteten.
“Es laufen immer 3 Einheiten von SALOMON, 3 weitere sind standby, die übrigen 10 bleiben abgeschaltet. Jede Einheit, und in einer sitzen wir gerade, ist fünf Stockwerke hoch, hat 2 hoch 32 Prozessoren, von denen 2 hoch 24 eine QCU, eine Quantum Calculation Unit mit 2 hoch 16 Q-Bits hat. Die drei laufenden Einheiten überwachen sich gegenseitig, und sollte ein Problem auftreten, fährt sich die Einheit, in der die Störung erkannt wurde, herunter und die Reserveeinheit nimmt ihren Platz ein. Ist ein sehr sicheres Verfahren, hat nur einen Schönheitsfehler: Es wurde nicht von Harun erfunden, ist wesentlich älter.”
Ella hatte interessiert zugehört, meinte dann aber:
“Irgendwie habe ich mir eine moderne Positronik ganz anders vorgestellt. Das hier sieht so anders aus, keine Vakuumanlage, kein Strahlenschutz...”
Sabin grinste schon wieder: “Das ist keine Positronik, sondern eine Elektronik. Da braucht man kein Vakuum und keine Strahlungsabschirmung. Harun hat einfach den ganzen auf arkonidischen Mist basierenden Teil über Bord geworfen und terranische Technik verwendet.”
“Wusste gar nicht, dass es leistungsfähige terranische Elektronik gibt. In den Geschichtsbüchern steht doch die Anekdote von Perry Rhodan, der ganz am Anfang mit den Ferronen Tauschgeschäfte machen wollte, und die haben sich einen Ast gelacht über das primitive UKW Funkgerät, das Rhodan ihnen angeboten hat. Und das war das modernste, das es damals auf Terra gab...”
“Stimmt. Lernt vermutlich jeder in der Schule. Tatsächlich gab es um 1970 bereits erste integrierte Schaltkreise auf monolithischer Siliziumbasis, Mikroprozessoren standen in den Startlöchern, aber dann kam der Hype um die außerirdische Technik. Die natürlich viiiiel besser war, jeder wollte etwas arkonidisches, keiner wollte mehr terranische Elektronik. Gut, die war damals wirklich noch nicht besonders weit entwickelt, aber Technikhistoriker haben das mal durchgespielt: Ohne die Arkoniden hätte sich die terranische Elektronik in den nächsten 50 bis 100 Jahren schnell weiter entwickelt, hätte spätestens 2100 den arkonidischen Mist übertrumpft. Zum Glück gab es Nerds, die als Hobby Elektronik weiter entwickelt haben, und bis etwa 2400 in der Lage waren, auf dieser Basis Computer zu bauen, die jeder bekannten Positronik haushoch überlegen waren. Nur waren das Einzelstücke, die nie regulär zum Einsatz kamen. Speziell in der terranischen Flotte, konservativ, wie solche Vereine nun mal sind, setzte man ausschließlich auf Positroniken. Egal wie langsam die waren. Du erinnerst dich vermutlich an die Historischen Filme, in denen es darum ging, die Position von Wanderer zu berechnen. Das hat Stunden, wenn nicht gar Tage gedauert. Ein einfacher Computer auf Siliziumbasis hätte das in Minuten, oder sogar schneller geschafft. Und dann die Interfaces. Kennst du das Geräusch von klackenden Relais in den Filmberichten von der CREST III? Das waren die Relais, die die Elektrik mit der Positronik verbunden haben. Da kann man nicht viele Daten drüber schicken. Deshalb auch die extrem primitiven Eingabe und Ausgabe Geräte. Lochstreifen, Lochkarten. Bah!”
Elle schluckte mehrfach. Das musste sie jetzt erst einmal verdauen.
“Aber wieso haben die Arkoniden dann auf Positroniken gesetzt?”
“Das war eine Patentrechtsfrage. Die Arkoniden, die mit Elektronik gearbeitet haben, hatten sich das patentieren lassen. Und da nur wenige bereit waren, die immensen Patentgebühren zu bezahlen, damit sie auch damit arbeiten durften, hatte die wiederum angefangen, Positroniken zu bauen. Und da sich bekanntlich immer die schlechteste Lösung durchsetzt...”
Ella schüttelte nachdenklich den Kopf: “Aber wieso hat das niemand gemerkt? Wenn es so offensichtlich ist, dann...”
“Das liegt am schlimmsten Satz in jeder Sprache, wie schon Oma Cobol so treffend bemerkt hat. Der lautet: Das haben wir schon immer so gemacht. Also macht man genau so weiter. Und was die Sache mit Patenten angeht, das war auf Terra zeitweise noch extremer als bei den Arkoniden. Zum Beispiel hatte James Watt damals, als er die Dampfmaschine entwickelt hat, einen Exzenter zur Ventilsteuerung gebraucht. Nur war der bereits vorher erfunden worden, und er hätte Patentgebühren zahlen müssen, wenn er ihn verwendet hätte. Deshalb hat er kurzerhand das Planetengetriebe erfunden. Kostet zwar in der Herstellung deutlich mehr als ein Exzenter, funktioniert aber genauso gut. Und du kannst dir vorstellst, um wie viel die Zahnräder und der Zahnkranz teurer sind als eine exzentrisch gebohrte Scheibe, dann kannst du dir vorstellen, was Watt für die Benutzung des Patentes hätte zahlen müssen. Patente, Urheberrecht und der ganze Mumpitz sind eben eine Entwicklungsbremse erster Güte.”
*
Inzwischen bretterten Rhodan und seine Kumpels in ihrem umgebauten Gleiter vom Raumhafen weg ins Stadtzentrum von Terrania. Wobei Perry es sich natürlich nicht nehmen ließ, selbst zu steuern. Sehr zum Verdruss von Sichu, die schimpfend neben ihm saß. Sie beruhigte sich erst wieder, als ihr Bully ganz ruhig erklärte, dass Rhodan als alter Risikopilot nicht an Einbahnstraßen glaubte. An rote Ampeln sowieso nicht.
Die wilde Fahrt endete auf dem “Roten Platz”, dem ehemaligen Kalak Place. Hier stand ein nicht besonders großer Backsteinbau, auf dessen Dach man 3 Zwiebeltürmchen angebracht hatte. Wobei deutlich zu erkennen war, dass das ursprüngliche Flachdach ein klein wenig anders ausgesehen hatte. Die sechs Freunde stiegen aus, gingen die Stufen hoch, die zum hölzernen Eingangstor führten, über dem ein schlecht klebendes Plastikschild mit der Aufschrift “OST” angebracht war. Beim Pförtner erklärte Rhodan, wer sie waren, und dass sie erwartet wurden. Immerhin hatte Selina versprochen, sie anzumelden.
Wieder erwarten wusste der alte Mann Bescheid, schickte die Gruppe hoch in den dritten Stock.
Gucky hatte die Generalsekretärin inzwischen geortet:
“Darf ich? Darf ich?”
“Nein. Wir gehen zu Fuß.“ und nach einem Augenblick des Nachdenkens fügte Rhodan an Gucky gewandt an: “Du auch.”.
Der aber zog es vor, sich von Tolot tragen zu lassen.
Oben angekommen japste Bully: “Die könnten ruhig mal einen Lift einbauen.”
“Kein Geld. Zu teuer.”, kommentierte eine Frauenstimme aus einem Büro mit halb offener Tür.
Gucky: “Das is sie.”
Die Freunde gingen in das Büro der Generalsekretärin, wobei Atlan, der voraus ging, an die fast offene Tür klopfte, fragen wollte, ob sie eintreten durften, wozu er aber nicht kam, da Alexeja Bersteinowa bereits rief: “Nun kommt schon endlich rein!”
Das Zimmer erwies sich als durchaus geräumig, wenn auch sehr ungemütlich eingerichtet. Aber es gab Sitzgelegenheiten für alle. Sogar für Tolot stand ein stabil aussehender Betonpoller bereit.
„Ich nehme an, die Leibowich hat euch bereits aufgeklärt? Dann brauche ich das nicht noch einmal alles zusammen zu fassen.”
“Ja, so ganz grob wissen wir, worum es geht.” antwortete Rhodan.
“Und ihr nehmt den Job an?”
“Logo!” “Klar!” “Sowieso!” “Ich würde wahnsinnig, wenn er es nicht täte.” “Bei allen Mohrrüben des Universums: Der Retter des selben lehnt so etwas nie ab!” “Ho, ho ho!”
Etwas verblüfft, da alle sechs gleichzeitig gesprochen und dabei extrem enthusiastisch geklungen hatten, nickte Alexeja. “Gut.”, hackte irgend etwas auf ihrem Tablet ab, meinte dann:
“Ihr fahrt am besten gleich nach Dreamland. Da wird man euch in alle Erkenntnisse, die wir bisher gesammelt haben, einweisen. NEUMANN ist auch dort.”
“Neumann? Welcher Neumann?” Diese Information stand offensichtlich nicht in dem Dossier, das der Kurier Rhodan gebracht hatte.
“Das erklären euch dort die Wissenschaftler.”
“Und wo ist dieses Dreamland?” wollte Bully wissen.
“Drüben am Goshun Park. Ihr fahrt mit der U-Bahn bis – Ach, was. Das findet ihr nie. Ich bringe euch hin.”
*
Diesmal saßen Sichu, Alexeja und Rhodan zu dritt auf der vorderen Bank, die anderen auf ihren üblichen Plätzen.
“Fährt der immer so?” eine trockene Frage von Alexeja an Sichu.
“Ja.” deren ebenso trockene Antwort.
Etwas später fuhren sie in ein Parkhaus, viertes Untergeschoss, stiegen aus und und betraten einen Lift. Alexeja drückte auf den untersten Knopf mit der Aufschrift “Dreamland”, und die Fahrt begann. Nach einigen Minuten bei der üblichen Fahrstuhlmusik, fragte Rhodan in das betretene Schweigen hinein: “Wie tief geht es eigentlich hinunter?”
“198 Stockwerke.” antwortete die Generalsekretärin prompt.
“Erinnert irgendwie an Imperium Alpha.”
“Ja. Wurde während der Regierungszeit der vereinigten Stämme von Terra aus den Resten davon gebaut.”
Und das Schweigen setzte sich fort. Abgesehen von den raspelnden Lauten, die Gucky mit seiner Mohrrübe produzierte, und den gelegentlichen Schmatzen, das Sichu, Atlan und Bully mit ihren Softeiswaffeln veranstalteten. Wirklich laut wurde es nur, wenn Tolot unterdrückt lachen musste, wenn sein Comic besonders lustig wurde. Insgeheim beglückwünschte sich Rhodan zu seinem Entschluss, einen kurzen Stop an einem Kiosk vor dem Eingang zum Park einzulegen. Er selbst hatte seine Fischsemmel bereits aufgegessen, und Alexeja wollte nichts. Hatte sich aber eine Tüte mit Waffelbruch, einen 10 Liter Becher Popcorn, und Rhodan bekam nicht mehr zusammen, was sonst noch alles, einpacken lassen.
Als das Schweigen immer bedrückender, ja nahezu peinlich wurde, fragte er Alexeja erneut etwas, das ihn eigentlich gar nicht interessierte:
“Wie läuft es eigentlich mit dem Sowjet Planeten?”
“Ist ein Scheißjob.”
“Was war eigentlich vorher für eine Regierungsform an der Reihe?”
“Eine Theokratie. Aber die Pastafarie haben auch nichts überrissen. Lediglich der Kurs für Spagetti ist durch die Decke gerauscht.”
“Und was ist als nächstes geplant?”
“Steht noch nicht fest. Also die Wahldiktatur haben alle abgelehnt, Die absolutistische Monarchie ebenfalls. Mal sehen. Ein halbes Jahr haben wir ja noch Zeit.”
“Und was hat sich bisher am besten bewährt?”
“Nichts.”
“Die parlamentarische Demokratie auch nicht?”
“Nein. Hat sich innerhalb weniger Tage in einen korrupten Laberverein verwandelt.”
“Und die konstitutionelle Monarchie?”
“Der selbe Mist.”
“Au.”
Dann folgte wieder Schweigen, bis Alexeja Bersteinowa sagte:
“Irgend eine brauchbare Regierungsform müssen wir finden. Notfalls wird es eben eine staatenlose Anarchie. Da gibt es wenigstens keinen solchen Scheißjob wie meinen.”
“Wieso machst du den Job dann eigentlich?” wunderte sich Rhodan.
“Man wird dazu bestimmt, und es gibt keine Möglichkeit, den Job abzulehnen. Ich habe damals versucht abzuhauen. Wurde aber erwischt. Tja, der schwarze Punkt in meiner Biographie.”
“Dass du versucht hast abzuhauen?”
“Nein. Dass ich so blöd war, mich erwischen zu lassen.”
Ein Gong, und der Lift hatte die Etage -198 erreicht. Die Tür öffnete sich, vor ihnen lag eine kleine Halle mit einem Pförtnerhäuschen neben der Tür an der gegenüber liegenden Wand. Sie gingen darauf zu, und Alexeja begrüßte den Mann im Häuschen:
“Hallo Maiki. Das hier ist Rhodan mit seinen Kumpels.”
“Hallo Alexeja. Die werden schon erwartet.”. Wobei er auf den Türöffner drückte, der summend die Tür aufspringen ließ.
Rhodan: “Ihr kennt euch?”
Alexeja: “Ja. Wir sind verheiratet.”
Und Sichu wollte wissen: “Wie kommst du jetzt zurück in den Kreml?”
So wurde der Backsteinbau am Roten Platz inoffiziell genannt.
“Mit der U-Bahn. Die hält oben im zweiten Untergeschoss des Parkhauses, und nach einer halben Stunde Fahrt bin ich wieder am Roten Platz.”
*
Als sie durch den langen Gang nach Dreamland marschierten, meinte Atlan:
“Typisch für diese Barbaren. Da soll Dreamland angeblich die geheimste Geheimstation im ganzen Solsystem sein, und dann steht der Name offen auf dem Knopf im Aufzug.”
Und Sichu, die am Kiosk unter anderem einen neuen Stadtplan von Terrania gekauft hatte, ergänzte:
“Wenigstens hätten sie darauf verzichten sollen, Dreamland auch noch im Stadtplan einzuzeichnen.”, wobei sie allen den Plan zeigte, wo neben dem Goshun Park ein Parkhaus eingetragen war, und daneben stand: “Lift nach Dreamland.”
“Mist. Solche Kleinigkeiten übersehen wir nur zu gerne.”, von Bully. Wobei aber nicht klar war, ob er das ernst meinte.
Plötzlich ploppte einer dieser kleinen Kugelroboter aus der Wand, wie man sie neuerdings fast überall antraf, schwebte vor Rhodan und sagte:
“Hallo. Ich bin Sidekick, euer persönlicher Berater und Wegweiser in Dreamland. Verzeiht mir, dass ich vorhin mitgehört habe, aber das ist Teil meines Auftrags. Was die vermeintlich übersehene Kleinigkeit angeht, kann ich das aufklären. Das muss so sein. Und zwar seit der Regierungszeit der Neuen Liberalen, die vor 8 Jahren als Regierungsform einen egalitären Turbokapitalismus ausprobiert haben. Damals hatten sie den No-Secret-Act eingeführt, und der besagt, dass es keine staatlichen Geheimnisse geben darf. Geheimhaltung bleibt der Wirtschaft vorbehalten. Und daher müssen alle geheimen Regierungs- und Militärprojekte öffentlich bekannt gemacht werden. So auch Dreamland.”
“Redest du immer so viel?” wollte Rhodan darauf hin wissen.
“Ja. Es ist Teil meines Auftrags, alles zu berichten, was meine - “
“Stop. Und? Hat der egalitäre Turbokapitalismus funktioniert?”
“Nicht die Bohne.”
Schweigen.
Nach einer längeren Verlegenheitspause, fast so schlimm wie im Aufzug, schüttelte Bully den Kopf:
“Da macht man mal kurz Urlaub, keine 25 Jahre, und schon geht es hier drunter und drüber.”
Rhodan zuckte mit den Schultern:
“Hätte schlimmer kommen können.”
Worauf Sidekick sofort erwiderte:
“Vor 14 Jahren kam es deutlich schlimmer. Wir hatten damals eine KI Regierung, di - “
“Schon gut. Gehen wir endlich dahin, wo wir hin sollen, um die Informationen zu bekommen, weswegen wir eigentlich hier sind.”, wobei Rhodan etwas angenervt klang.
“Gebongt. Folgt mir.”
Und Sidekick schwebte im Schritttempo vor ihnen her den Gang entlang.
*
Nach einer dreiviertel Stunde Fußmarsch, Gucky war zwischendurch noch einmal zum Kiosk teleportiert, um sich ein Karotteneis zu kaufen, meinte Atlan:
“Ich hasse lange Wanderungen. Gibt es hier denn keine Transportmittel?”
Worauf Sidekick, der die ganze Strecke entlang geschwiegen hatte, sofort bekannt gab:
“Natürlich gibt es hier Transportmittel. Laufbänder, Minigleiter, Transmitter, Schwebeplattformen, -”
“Und wieso sagst du das erst jetzt?!?”
“Ihr habt nicht gefragt.”
Sichu beugte sich zu Sidekick vor, fragte mit leicht strafendem Unterton:
“Kannst du uns so ein Teil beschaffen?”
“Klar.”
Neben ihnen ging eine Klappe in der Wand auf, eine Antigravplattform schob sich heraus, faltete ein paar Stühle auf und setzte sich neben der Gruppe auf den Boden.
“Bitte.”, Sidekick schwebte einladend über der Plattform, die sechs Freunde stiegen auf, setzten sich und die Plattform schwebte los.
Nach 20 Metern hielt sie vor einer Tür in der Seitenwand des Ganges.
“Wir sind da. Dort ist das Labor.”
*
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Re: Müllmanns Sternengruft
Müllmans Sternengruft Teil 3/4
Alen Smithee stand mit Rhodan und Sichu in der Hochsicherheitskaverne des Labors vor NEUMANN und berichtete im Detail, was man bisher herausgefunden hatte. Besonders fasziniert war Rhodan speziell von dem Foto und der DNA Probe von Roi Danton. Sichu ließ sich von Jane Doe die technische Seite des Robots erklären, wobei sie sich besonders für die Regenerations- und Reproduktionsanlage interessierte. Die Forscher hatten inzwischen auch das Transitionstriebwerk identifiziert, es war ein Kasten mit einem Volumen von nur knapp mehr als einem Kubikmeter. Sichu konnte es kaum fassen, dass die Sonde damit eine Strecke von über 40 Milliarden Lichtjahren zurückgelegt hatte.
Rhodan sinnierte: “NEUMANN erinnert mich an irgend etwas, aber ich komme nicht darauf...”
“Größe und Form erinnern tatsächlich an die alte terranische Sonde Pioneer 10. Das war eine der letzten Sonden, die nur mit terranischer Technik gebaut worden sind.” antwortete Smithee.
“Was ist aus der eigentlich geworden?”
“Müsste jetzt aus dem Kuipergürtel Gürtel heraus gekommen sein und sollte im Innenbereich der Oortschen Wolke fliegen. Bis sie das Solsystem aber ganz verlässt, werden noch einige 10.000 Jahre vergehen.”
Atlan, Tolot, Bully und Gucky saßen zeitgleich in einem Büro nebenan und ließen sich von Erika Mustermann und Thomas Lee die entschlüsselten Daten zeigen, die der HF Sender bei 12,084 MHz übertragen hatte.
Nach einer Stunde traf dann Professor Loga vom Institut für alte Sprachen und seltsame Codes ein. Wirres Haar, klatschnasser Regenmantel, uralte Aktentasche.
“Sorry Leute. Verkehrsstau, Platzregen, Verschlafen, U-Bahn Panne. Ah, was. Sucht euch was aus.”
“Gut dass du da bist. Trockne dich erst einmal ab, nicht, dass du dich noch erkältest.” Erika sah sich nach einem Handtuch um, konnte aber keins finden. Was Tolot natürlich bemerkte, weshalb er dem Professor sein halutsches Handtuch aus dem Tornister seines Kampfanzugs lieh. Als der nach wenigen Minuten trocken unter dem Handtuch hervorkam, griff er zu seiner Aktentasche, öffnete diese, zog einen Stapel Blätter heraus, räusperte sich und meinte:
“Meine Herrn, äh, und Damen, dann wollen wir mal anfangen.”
Die vier aus dem Nebenraum waren inzwischen auch dazu gekommen, Thomas hatte sie gerufen, und der Professor begann:
“Also. Der HF Sender hat knapp ½k, äh, ½ Kilobyte Daten gesendet. Und zwar in einem uralten 7Bit Code. ASCII hieß das damals. Inzwischen haben wir herausgefunden, dass der Speicher des Senders Platz für 256 Tera Byte gehabt hätte. Wieso da nur so wenig drin gestanden ist, erfahren wir gleich.”
Professor Loga fingerte einen kleinen Metallzylinder aus seiner Jacke, stellte ihn auf den Tisch, drückte oben auf den Deckel, und es entstand ein Hologramm. Darin konnte man einen nicht besonders langen Text lesen.
„Ich lese das mal vor. Bei den kleinen Buchstaben kann das in den hinteren Reihen vermutlich kaum jemand entziffern. Also:
Notruf von der SOL
Sind 14.3.1371 NGZ nach Kalumpvir versetzt worden.
Position : RA=18h56m53.987243256137s
Dec=+22°17'0.45232521377”
Entf=38.4520128GLj
Ringgalaxis
Werden in Sternengruft gezogen
23.1.1372 NGZ 17h42
Versuchen Neumann-Sonde der Rewop aus dem Kanal zu schießen. Soll in 300 J. Milchstr. erreichen
Fallensteller unbekannt
Rewop vertrauenswuerdig
SOL u. Besatzung intakt
Noch 4 Minuten bis Ende Startfenster.
Zur Redundanz:
RA=18h56m53.987243256137s
Dec=+22°17'0.45232521377”
Entf=38.4520128GLj
Schickt Hilfe!
Das sind 506 Byte Text plus 20 Carriage Returns, also 526 Byte.”
Rhodan lehnte sich zurück, musste das Wenige erst einmal verdauen, erinnerte sich aber schnell wieder an seine Fähigkeit des Sofortumschalters, kratzte sich an der Nase, setzte sich wieder gerade hin und fragte:
“Ist eine Galaxis in dieser Entfernung an dieser Position bekannt?”
Jane Doe: “Nein. Zumindest nicht wirklich. Wir haben die astronomische Forschung in den vergangenen Jahrtausenden sträflich vernachlässigt. Auf den Deep Space Field Aufnahmen findet man zwar in der Richtung 8 Objekte, von denen 6 eine hohe Rotverschiebung aufweisen, nur exakt an der Position ist nichts. Aber das sagt nicht viel, denn der Raum kann in der Richtung durch Gravitations-linseneffekte leicht verzerrt sein.”
Bully: “Wieso kann die Entfernung eigentlich so groß sein, und man sieht dort trotzdem noch was? Das Universum ist doch erst 13,8 Milliarden Jahre alt.”
Etwas verblüfft darüber, dass Bully eine solche Frage stellte, antwortete Jane Doe:
“Wir leben ja nicht in einem dreidimensionalen Raum, sondern in einer expandierenden vierdimensionalen Raumzeit. Wie die Zeit expandiert muss ich vermutlich nicht näher erläutern, beim Raum ist es so: Er dehnt sich aus, nicht ganz linear, aber in erster Näherung schon, und zwar mit der Hubble Konstante. Die beträgt etwa 67,80 km/s pro Megaparsec, Also 221,1 km/s pro eine Million Lichtjahre. Damit und mit einem Skalenfaktor, der sich unter anderem aus der Dichte des Universums ergibt, kann man leicht ausrechnen, in welcher Entfernung sich die Galaxien mit Lichtgeschwindigkeit von uns entfernen. Das nennt man den Hubble Radius, und der liegt momentan bei etwa 14,6 Milliarden Lichtjahren. Messen kann man das anhand der Rotverschiebung.
Die Rotverschiebung erhält man aus den Spektren der Galaxien und berechnet sich zu z ist gleich Delta Lambda zu Lambda. Lambda ist dabei eine Spektrallinie mit bekannter Wellenlänge, Delta Lambda die Verschiebung davon. Der Hubble Radius hat eine Rotverschiebung von z gleich 1,46.
Viel interessanter in dem Zusammenhang ist aber der Ereignishorizont. Das ist die Entfernung, die ein Objekt zu uns hat, das sein Licht kurz nach dem Urknall abgestrahlt hat als das Universum gerade durchsichtig geworden ist, und das wir jetzt sehen. Hier ist z gleich 1089. Das ist deutlich weiter weg, als der Hubble Radius, was bedeutet, dass sich der Ereignishorizont mit Überlichtge-schwindigkeit von uns weg bewegt. Er ist 46 Milliarden Lichtjahre von uns entfernt. Dinge, die noch weiter von uns entfernt sind, können wir von hier aus nicht sehen, und deshalb nennt man den Ereignishorizont auch Beobachtungs-grenze.“
*
Ein junger Mann, begleitet von einem der unvermeidlichen Kugelroboter, betrat den Raum.
“Die Leibowich hat angerufen. Sie sagt, die CREST VII ist gerade gelandet, und Rhodan soll sich mit seinen Kumpels dort melden.”
Jane Doe: “Das passt. Wir sind hier gerade fertig geworden. Mohamad, stellst du mal eine Transmitter-verbindung zur CREST VII her?”
“Mach ich.” antwortete der Kugelrobot.
Während sie zum Transmitter spazierten, frage Gucky den Robot, der die Gruppe seit ihrer Ankunft in Dreamland umschwirrte:
“Sag mal, Sidekick, du bist so extrem nervig, magst du vielleicht mitkommen? So etwas wie du würde mir auf der Expedition sonst glatt fehlen.”
“Wenn ich darf? Hier ist es eh stinklangweilig. Die Leute, die hier arbeiten, wissen schon alles, und Besucher kommen so gut wie nie vorbei.”
“Klar darfst du.” Gucky hielt seine Umhängetasche auf. “Flieg hier rein, dann trage ich dich.”, alles, ohne dass es die anderen bemerkt hätten.
“Oh, gut. Und ich esse auch bestimmt deine Mohrrüben nicht auf.”
Kurz bevor sie den Transmitter erreichten, meinte Rhodan: “Nein, mach für mich eine Verbindung zur GOOD HOPE III. Dann fliege ich das Schiff gleich in einen Hangar der CREST VII.” und hielt dabei dem Robot eine Plastikkarte mit den Zugangscodes vor die Linse.
“Gute Idee! Dann hole ich erst mal die HALUTA 1072! Die passt bestimmt auch irgendwo in die CREST VII.” verkündete Tolot lautstark, wobei Sichu befürchtete, einen Hörsturz zu bekommen.
“Und ich hole schnell noch Tekener ab. Um die Tageszeit müsste der im Jerry Cotton Inn sein. Und gib mir den Zugangscode für die CREST VII mit, wir springen von der Kneipe aus direkt ins Schiff.”
“Gebongt.”
*
In der GOOD HOPE III fiel Rhodan ein, dass der umgebaute Gleiter ja immer noch im Parkhaus über Dreamland stand. Also schickte er ein Signal an dessen Autopiloten, dass er zur CREST VII fahren sollte, um sich dort mit der GOOD HOPE III zu treffen. Dann startete er, flog die 25 Km über den Raumhafen bis zum Landeplatz der CREST VII. Dort setzte er vorsichtig auf, um die Menschenmassen mit ihren Gleitern und Lastenschwebern, die zur CREST VII strömten nicht zu gefährden. Er sah dem Treiben eine Weile am Hauptbildschirm in der Zentrale zu, beschloss dann aber auszusteigen, um auf den Gleiter zu warten. Seit dessen Umbau schaffte der es nicht mehr, sich ohne anzuecken selbst in der GOOD HOPE III zu parken. Da musste wohl etwas an der Software angepasst werden, aber davon verstand er nichts. Und Zeit, jemand zu fragen, der das konnte, hatte er nie gefunden. Was er sich jetzt aber fest vornahm.
Draußen sah er weiter den Leuten zu, bemerkte vier seltsam gekleidete, die mit einem Bus gekommen waren, und als sie ausgestiegen waren, zu Fuß zur CREST VII gingen, dabei nahe an der GOOD HOPE III vorbei kamen und die von einem roten U-Boot verfolgt wurden. Das schwebte ganz gemütlich im Schritttempo hinter ihnen her. Rhodan rief ihnen zu:
“Hallo, ihr werdet von einem U-Boot verfolgt!”
Einer rief zurück:
“Ja, das ist KAILI. Das gehört zu uns.”
Kurz darauf kam der umgebaute Gleiter an, hielt vor Rhodan und setzte auf. Als der einsteigen wollte, bemerkte er eine Menge Karottenstumpen auf und neben der Rückbank, wollte sie schnell weg kehren, fand aber keinen Besen. Also stieg er ein, startete den Gleiter und parkte ihn im unteren Hangar der GOOD HOPE III. Dann schrieb er einen Zettel: “Gucky! Räume endlich deine Kippen aus dem Gleiter!”, gab ihn einem Wartungsroboter mit der Bitte, den Zettel an Gucky`s Kabinentür zu kleben.
Als Rhodan wieder in der Zentrale ankam, meldete der Bordcomputer, dass er sich bereits mit der CREST VII verbunden hatte, und nun alle “Telefonnummern” kannte. Er nannte das wirklich so, und wie Perry vermutet, auf speziellen Wunsch von Bully.
Daher ließ er sich mit der Hangarkontrolle verbinden. Nach wenigen Augenblicken meldete sich eine Männerstimme: “Hangarkontrolle CREST VII?”
“Rhodan, GOOD HOPE III. Ich möchte das Schiff einschleusen.”
“Moment, ich verbinde.”
Pausenmusik.
“Beibootverwaltung, Bull.”
“Bully? Bist du das?”
“Seit fast 10 Minuten. Ich habe schon einen Platz für die alte GOOD HOPE III gesucht und gefunden. Hangar Nord, Schleuse 20, Landeplatz Rechts 3. Tolot hat die HALUTA 1072 schon auf Rechts 2 geparkt. War zwar etwas eng, weil die ja 80 Meter im Durchmesser hat, und nicht 60 wie unser Spielzeug, aber hier ist alles recht großzügig gebaut. Also, bis gleich. Wir treffen uns dann mit Harun in der Zentrale der CREST VII.”
“Bis gleich.”, wobei Rhodan schon abgehoben und im sich Zurücklehnen auf die Taste für den Dockingcomputer gedrückt hatte, der seine Daten bereits vom Hangarverwaltungscomputer, kurz HVC der CREST VII erhalten hatte.
*
Während die GOOG HOPE III noch per Antigrav und Traktorstrahlen in den Hangar bugsiert wurde, kam vor der CREST VII ein weiterer Transporter mit Containern an. Der Fahrer stieg aus, winkte einen der Lademeister zu sich, der auch tatsächlich auf einer kleinen Antigravplattform zu ihm schwebte. Anscheinend, so überlegte der Fahrer, gab hier jede Menge Lademeister. Bei den geschätzt mehreren Zehntausend Containern, die sich auf Transportschwebern und Antigravplattformen um die CREST VII drängten, konnte das gar nicht anders sein.
“Hier sind drei Container mit roten, blauen und grünen Zauberpulver. Das soll in die Räume eines gewissen Flausenkricks.”
Der Lademeister sah sich die Papiere, natürlich ein Tablet, an, tippte etwas in sein Tablet, meinte dann:
“Geht klar. Ein paar Laderoboter bringen das gleich nach oben.”
Es folgte das gegenseitige Unterschreiben auf den Tablets, die Roboter luden die Container um und verschwanden damit im Schiff. Als der leere Transportschweber wieder abflog, sah der Fahrer einen Großtransporter anschweben, auf dessen Containern “Rote Heringe” stand. Dicht gefolgt von mehreren kleineren Transporten mit der Aufschrift “1a Nebelkerzen”
*
Auf der gegenüber liegenden Seite der CREST VII schwebte zeitgleich eine etwas größere Antigravplattform vor einer Schleuse. Auch hier luden Roboter Container um Container ab und verstauten sie tief im Schiff. Auf den ersten 100 stand “Piasecki H-21 Nachbau”, auf den folgenden 200 “Schnellboot. Benzingetrieben”. Schließlich kamen noch an die 1000 Container mit Benzintanks.
Im Kontrollraum der Schleuse fragte sich Arl Kurau, was wohl “benzingetriebene” Technik an Bord eines Fernraumschiffs zu suchen hatte, aber seine Kollegin, Sirin Gulm wusste Bescheid:
“Vor etwa dreitausend Jahren hatte die CREST III Probleme mit einer Falle der MdI, die hatten ein Feld, das elektrischen Strom unmöglich machte. Oder irgendwie so was in der Art. Und zum Glück hatte die CREST damals bereits solche unabhängige Technik an Bord.”
Arl ergänzte: “Stimmt, das haben wir in Geschichte gelernt. Aber es war nicht Strom, sondern alles was atomar funktioniert hat war blockiert worden.”
*
Atlan trat aus einem Transmitter in einer kleinen Transmitterstation unmittelbar neben dem Jerry Cotton Inn, verließ das Gebäude und wäre auf dem Gehsteig beinahe gegen einen kleinen Container gerannt, der da unmotiviert herum stand. Dann betrat er die Kneipe, entdeckte an der Theke Ronald Tekener, der sich gerade mit einer jungen Frau unterhielt, die Atlan sofort als Mitte zwanzig, 1,75 Meter, 55 kg, rotblonde mittellange Haare, nicht gefärbt, Natur, einschätzte, was sehr genau Teks aktuellem Beuteschema entsprach. “Aha.”
Er ging vor zu den beiden, klopfte Tekener von hinten auf die Schulter: “Hallo Tek!”
“Hallo Atlan. Wir warten schon auf dich. War klar, dass du hier vorbei schaust, um uns abzuholen.”
“Uns? Willst du uns nicht bekannt machen?”
“Logo. Tanika, das ist Atlan, Atlan, das ist Tanika Gospodin.”.
Worauf beide erst einmal kräftig die Hände schüttelten, während Tekener für Atlan einen weiteren Barhocker heranzog.
“Ich arbeite in der selben Firma wie Tek als BDA. Da haben wir uns auch getroffen.” erklärte Tanika Atlan, der natürlich wusste, dass BDA Big Data Analystin bedeutete. Sie hatte also einen Data Mining Job.
„Und ihr wollt also beide mit?”
“Logo”, von beiden gleichzeitig. Und Tekener ergänzte: “Wir haben schon gepackt. Unser Koffer steht vor der Transmitterstation. Abflug ist übrigens am 27.Januar 5213 AZ, 23 Uhr Terrania Zeit.“
„Echt? Und woher weißt du das schon wieder? Mir hat das bisher noch niemand gesagt.” staunte Atlan nicht schlecht.
“Weißt doch. Der Job, Die Quellen. Da hört man so einiges.”
“Verstehe.” nickte Atlan mit einem wissenden Blick nach oben, wandte sich dann Tanika zu und fragte:
“Und wieso willst du mit? Der Flug dürfte ganz schön lange dauern.”
“Ich muss doch aufpassen, dass Tek nicht getekenert wird...”
“Arrrggghh.”, ein kopfschüttelnder Kommentar von Ronald Tekener, “Das FZF. Grummel. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Produzenten von A&T Onrionen waren, die gemeinsam Scheiße verzapft haben.“ Damit war das Kapitel für ihn abgeschlossen.
Atlan grinste vor sich hin: “Wesentlich besser bin ich auch nicht weg gekommen. Niemand ist da wirklich gut raus gegangen. Sogar Perry haben sie so halb getekenert...”
“Habt ihr das damals wirklich angesehen?” staunte Tanika, die das kaum glauben konnte.
“Wir? Nein. Nie! Wir haben nur davon gehört.” kam die ebenso entsetzte wie abwehrende Antwort von Atlan und Tekener.
*
In der Zentrale der CREST VII saßen in einer halbwegs gemütlichen Pausenecke Rhodan, Bully, Gucky, Tolot, Sichu, Harun 43., Rudi Cartner, Selina, Ella und Sabin, als endlich Atlan, gefolgt von Tekener, Tanika und einem kleinem Schwebecontainer durch das Hauptschott eintraten. Selina sprang auf, umarmte Atlan kurz und meinte:
“Ich habe bereits eine Kabine für dich reserviert. Direkt neben meiner.”
Dann setzten sich alle, und Harun fuhr an der Stelle fort, an der er unterbrochen worden war. Natürlich nicht, ohne zuvor sein Aluhütchen zurecht zu rücken.
„Wir haben gerade über die Besatzung gesprochen. Selina Leibowich hat bereits etwas mehr als 2.000 Leute rekrutiert, und von der Stammbesatzung für die Testflüge kommen etwa 500 mit. darunter auch Rudi Cartner, der Kommandant der CREST VII, und Selina meint, dass noch ein paar Nachzügler dazu kommen, aber ich habe etwas ganz Besonderes: Die Möglichkeit, maximal 23 Leute aus der Vergangenheit zu holen! Nur kann ich nicht entscheiden, wen wir zurückholen solle.”
Atlan beugte sich vor: “Wie meinst du das? Leute aus der Vergangenheit holen. Die fehlen doch dann dort, äh, damals.”
Harun grinste von einem Ohr bis zum anderen: “Nein. Die Anlage fertigt nur eine exakte Kopie an. Voraussetzung ist, dass die zu kopierende Person bereits tot ist, sonst gibt es Probleme mit der ÜBSEF Konstante. Und das Ziel dar nicht weiter als etwa 0,1 Lichtjahre von der Anlage entfernt sein.”
Rhodan: “Und wo sind die Geräte jetzt?”
Harun: “Im Hangar 51. Betriebsbereit.”
Rhodan: “Hier an Bord?”
Harun: “Logo.”
Sichu kam das alles nicht ganz geheuer vor: “Wieso nur 23 Geräte?”
Harun: “Die Dinger sind extrem sauteuer. Eins davon kostet mehr als das Schiff hier.”
“Und wie funktionieren die?”
Harun kratzte sich am Kinn: “Das ist eine Weiterentwicklung aus einem Kran, einem Nullzeitdeformator und einem Multiduplikator.”
Rhodan: “Aber davon existieren doch keine Pläne mehr...”
“Das ist nur bedingt richtig. Die Pläne für den Nullzeitdeformator habe ich aus einem Archiv vom Planeten Newton geklaut. Da ich wusste, wann und wo ein Multiduplikator eingesetzt wurde, konnte ich damit einen klauen. Und die Pläne für den Kran hat mir mein alter Freund Goldi überlassen. Im Gegenzug bekam er die Unterlagen über den Duplikator.”
Sichu: “Und das soll funktionieren?”
Harun. “Klar. Tut es. Wir haben 24 Stück gebaut und ein Exemplar ausprobiert.”
Bully: “Und wo ist das Teil jetzt, das ihr zum Ausprobieren benutzt habt?”
Harun: “Das ist Schrott. Man kann die Dinger nur genau ein mal benutzen. Dann sind sie hm, ausgebrannt. Radioaktive Schlacke, zum Teil im Hyperraum verschwunden, Sondermüll.”
Atlan: “Verstehe. Und womit habt ihr das Teil ausprobiert?”
Harun: “Wir sind nach Wardall geflogen und haben Tipa Riordan kopiert.”
Fassungsloses Schweigen.
Rhodan: “Und wie...”
Harun: “Wir haben sie vor 8 Jahren von Wardall aus kopiert. Sie ist dort am 1. Dezember 3480 alter Zeitrechnung gestorben. Etwa 4 Minuten zuvor konnten wir sie erfassen und kopieren.”
Rhodan: “Und da man Zellaktivatoren nicht duplizieren kann, ist sie 61 Stunden später gestorben...”
Harun: “Nein, nein. Ganz und gar nicht. Den Zellaktivator haben wir perfekt mit kopiert. Tipa war auch 3 Monate nach ihrer Rettung bei bester Gesundheit.”
Rhodan: “Kaum zu glauben.”
Atlan: “Aber wieso ausgerechnet Tipa Riordan?”
Gucky: “Die alte Zuchtel.”
Harun: “An wem hätten wir das Verfahren sonst ausprobieren sollen?”
Rhodan: “Sehr menschenfreundlich.”
Harun: “Aber es hat funktioniert.”
Atlan: “Und wo ist sie jetzt?”
Harun: “Nach 3 Monaten hat sie ihre Bewacher niedergeschlagen, ein Raumschiff geklaut und ist verschwunden.”
Rhodan: “Und seitdem habt ihr nichts mehr von ihr gehört?”
Harun: “Richtig.”
Tekener: “Das kann man so nicht sagen. Seit ein paar Jahren gibt es immer wieder Berichte von Piratenüberfällen mit einem Raumschiff namens DREADFUL II...”
Tolot: „Wenn die Alte wieder ihr Unwesen treibt, dürfte es bald spannend werden in der Milchstraße.”
Rhodan: “Denke ich auch.”
Harun: “Wie auch immer. Ihr solltet euch überlegen, wen ihr aus der Vergangenheit retten wollt. Es gab in unserer Geschichte jede Menge Leute, um die es echt schade ist, die ihr auf der Expedition sicher dringen brauchen würdet.”
Bully, der aufmerksam zugehört hatte:
“Wieso ihr und nicht wir?”
Harun: “Ich bleibe in der Milchstraße. Zuerst will ich NEUMANN in Dreamland genau unter die Lupe nehmen, dann fliege ich zurück nach Point Black. Habe dort ein paar Experimente am Laufen, die keinen Aufschub dulden. Aber wir sehen uns dann ja in voraussichtlich 15 bis 20 Jahren wieder.”
Rhodan: “Wie kommst du auf 15 bis 20 Jahre?”
Harun: “7½ Jahre hin, 7½ Jahre zurück. Und um die SOL zu finden und zu retten braucht ihr vermutlich so etwa 0 bis 5 Jahre.”
Man sah Rhodan so richtig an, dass ihn die Möglichkeit, alte Freunde zurück zu holen, innerlich zerriss. Nach mehreren Minuten äußerte er sich dann:
“Ich kann das nicht entscheiden, das ist -”
“Ich mach das. Als Retter des Universums gehört das zu meiner Kernkompetenz.” was so ernst klang, dass niemand auf die Idee kam, dem Mausbiber zu widersprechen oder seine Entscheidung zu hinterfragen.
Tolot machte etwas, das ohne Hals bisher für unmöglich gehalten worden war: Er nickte! “Und ich helfe Gucky dabei.”
Harun: “Gut. Dann solltet ihr gleich anfangen, die Leute auszuwählen. Ich zeige inzwischen Sichu die Anlagen. Ja, sollte ich vielleicht auch erwähnen: Es dauert etwa 3 bis 4 Stunden, eine Person in der Vergangenheit zu finden und zu kopieren. Ihr habt also nicht viel Zeit. Bis zum Abflug muss alles erledigt sein.”
Gucky ging zu Tolot, nahm ihn an der Hand: “Wir benutzen das Büro neben den Dings Anlagen.” Plop.
Als Sichu und Harun sich auf den Weg machten, hörten die Anderen noch Sichu fragen: “Wie heißen die Anlagen eigentlich?”, worauf Harun antwortete:
“FNK-Geräte. Fiktive Nullzeit Kopierer.“
Da die Versammlung im Begriff war, sich aufzulösen, wandte sich Rudi Cartner an Rhodan, Bully und Atlan:
“Dann zeige ich euch mal das Schiff.”
Worauf sich Selina Leibowich dazwischen quetschte, Atlan einen Arm um die Hüfte legte und sagte:
“Atlan hat noch einen Termin: Ich muss ihm seine Kabine zeigen. Das Schiff kann er sich ja morgen immer noch ansehen.”, worauf der einen strahlenden Gesichtsausdruck aufsetzte, kurz mit den Schultern zucke und mit Selina abzog. An seiner Stelle schlossen sich Tekener und Tanika der Gruppe an.
*
Ein Servicerobot hatte gerade eine mit Asphalt belegte Scheibe eines Hartholzbaums und eine Schale tiefgekühlter Mohrrüben abgestellt, als Sidekick abwechselnd zu Gucky und zu Tolot blickte.
“Ihr denkt wirklich, dass ihr persönliche Präferenzen ausblenden könnt, zugunsten von rein rationalen Entscheidungen?”
“Ja. Wir Ilts sind nicht so emotional wie Terraner. Wir können das.”
Und Tolot meinte: “Wozu denkst du, habe ich mein Planhirn?”
„Wir sollten als ersten John Marshall abholen. Wir wissen genau, wo er am 4. März 2909 war. In der Klinik auf Mimas.” beschloss Gucky. Tolot stimmte ihm zu. Sidekick stellte die Historischen Daten zusammen und schrieb sie auf einen Stick.
“Wollen wir ihn gleich holen?” Tolot warf einen fragenden Blick zu Gucky.
“Spricht eigentlich nichts dagegen. Er wird uns sicher helfen zu entscheiden, wen wir sonst noch auswählen.” flüsterte Gucky sehr grüblerisch.
Also standen sie auf und gingen vor zu Hangar 51. Dort diskutierten Harun und Sichu immer noch über die Technik, wobei Harun ihr beschrieb, wie durch den Nullzeitdeformator der Kran und der Duplikator fiktiv in die Vergangenheit versetzt wurde, aber trotzdem zum Teil in der Gegenwart blieb. Dazu hatten die beiden Seitenweise Formeln an die Wände geschrieben, die weder Gucky noch Tolot verstanden.
“Ähäm!” räusperte sich Gucky laut, um etwas mehr, oder besser gesagt überhaupt Aufmerksamkeit zu bekommen.
“Ja?”
Sichu sah ihn verständnislos an, so vertieft war sie in die Physik der FNK Geräte.
“Wir haben ein erstes Ziel. John Marshall. Könnt ihr den jetzt gleich holen? Wir brauchen ihn, um uns abstimmen zu können, wer der Nächste sein soll.”, meinte Gucky ganz unaufgeregt. Aber wer ihn näher kannte, wusste wie aufgewühlt es in seinem Inneren aussah.
Sidekick hatte einen winzigen Greifer ausgefahren, und hielt Harun den Stick mit den Daten vor die Nase. Der nahm ihn. “Ist da die Position und die Zeit drauf?”
“Ja.” “So isses.” “Genau.”
Harun und Sichu gingen in den super abgeschirmten Nebenraum, gefolgt von Haluter und Mausbiber. Sidekick schwebe ganz nahe an Harun mit, um nur ja nichts zu übersehen. Der Wissenschaftler steckte den Stick in ein Terminal das auf einem altmodischen Rollwagen montiert war, sah sich die Daten an, meinte dann “Müsste klappen,.” und zog den Rollwagen aus dem Nebenraum heraus in den Hangar. Dann ging er zum FNK Gerät, schaltete es ein, worauf es in dem telefonzellengroßen Quader und den 8 um ihn herum angeordneten Zylindern anfing leise zu brummen. Sichu rollte eine Plastikplane aus, weiß, mit einem schwarzen “Zielkreuz” in der Mitte, und zog so lange an ihr, bis sie etwa 2 Meter neben dem Gerät am Boden lag. “Hier wird das Zielobjekt landen.” erklärte sie.
Dann scheuchte Harun alle Beteiligten aus dem Nebenraum zurück in den Hangar, schaltete mit einer Fernbedienung mehrere Schutzschilde ein, die sich nur durch ein leichtes Flimmern in der Luft bemerkbar machten. Einer, oder wie Sichu erklärte, insgesamt 4 umgaben das FNK Gerät, ein weiterer schloss auch noch die “Zielplane” mit ein. Als nächstes verriegelte Harun das Schott zum Nebenraum und schaltete dessen sechzehnfach gestaffelte Schutzschirme ein. “Mein weiß ja nie. Und Vorsicht ist die Mutter des Elefanten im Porzellan-museum.”
“Oder so ähnlich.” kommentierte Gucky.
Schließlich postierten sich noch 12 Kampfroboter und 3 Medoroboter vor dem Nebenraum. Danach kontrollierten Harun und Sichu Dorksteiger noch einmal alle Einstellungen, und Harun gab bekannt: “Man kann den Vorgang nicht abbrechen. Einmal gestartet gibt es kein Zurück.”, gab seinen Zugangscode in das Terminal ein, ließ den Sicherungsdeckel eines Schalters hochschnellen und fragte” “Bereit?”
Gucky und Tolot: “Mach schon” “Immer.”
Harun drückte den entsicherten Knopf.
Und nichts geschah.
Sichu deutete auf den Monitor einer Überwachungskamera im Nebenraum, und da konnte man sehen, wie das FNK Gerät durchscheinend wurde, aber nicht ganz verschwand.
“Ist das normal?” fragte Gucky, sichtlich nervös.
“Ja. Das muss so sein. Das Gerät versetzt sich jetzt an die raumzeitlichen Zielkoordinaten. Gleich müsste auf dem Monitor“ sie deutete auf einen Großbildschirm, der so unübersehbar riesig war, dass er bisher keinem aufgefallen war, “ etwas zu sehen sein.”
Und tatsächlich: Nach etwa zwei Minuten erschien ein langer Gang auf dem Bildschirm, unscharf, teils mit digitalen Artefakten durchsetzt, aber das Bild stabilisierte sich schnell. Dann erkannte man einen Transmitter am Ende des Ganges. Das Bild war jetzt klar und gestochen scharf. Plötzlich trat ein Mann mit schnellen Schritten ins Bild, lief auf den Transmitter zu.
“John!” Gucky war fassungslos, ihn nach so langer wieder zu sehen. Im selben Moment legte sich ein rotes Gitter um den Mann.
“Die Zielmarkierung.” erläuterte Harun, und im Nebenraum tat sich etwas. Die Überwachungskamera zeigte ein grelles Geflimmere über der Zielfolie an, das von den Schutzschilden abgeschirmte FNK Gerät veränderte sich auf ganz merkwürdige Weise. Es schien sich von Innen nach Außen zu stülpen, verlor dabei an Farbe, schrumpfte, schien teilweise zu schmelzen, und sackte in sich zusammen.
Das Flimmern über der Plane beruhigte sich, wurde durchsichtig und gab die Umrisse eines laufenden Mannes frei. Der wurde ganz konkret, stolperte und fiel auf das Zielkreuz.
“Holt ihn da raus!” rief Harun den Medorobotern zu, noch während er die Schutzschilde des Nebenraums deaktivierte und auch den Schild um den Mann abschaltete.
Sekunden später halfen die Medoroboter John Marshall auf die Beine und führten in aus dem Nebenraum.
“Was war das denn?”, gesprochen von einer Stimme, die Gucky und Tolot sofort erkannten!
Sidekick zu Harun: “Dachte, das dauert 3 bis 4 Stunden?”
“Ihr habt gute Vorarbeit geleistet, wir mussten nicht lange suchen.”
*
Noch auf dem Weg in die Medostation versuchten Gucky und Tolot dem “geretteten” John Marshall zu erklären, was geschehen war. Gucky erlaubte ihm sogar, seine Gedanken zu lesen, Was John noch mehr verwirrte, aber als echter Profi blieb er ruhig, beteuerte, dass es ihm gut ginge, sah aber ein, dass man ihn erst einmal gründlich untersuchen musste. In der Medostation umringten ihn sofort mehrere, um genau zu sein drei, Ärzte sowie ein ganzen Rudel unterschiedlich gebauter Medoroboter. Tolot hielt sich etwas abseits, um nicht im Weg zu stehen, Gucky jedoch drängte sich in den “Bienenschwarm”, um weiter mit John zu reden.
Der hatte sofort verstanden, dass er in einer fernen Zukunft als identische Kopie seiner selbst angekommen war, während er in seiner eigenen Gegenwart, der von hier aus gesehenen Vergangenheit, nur noch knapp eine halbe Minute zu leben gehabt hätte. Nein hat. Sein Original ist damals ja wirklich gestorben.
Nach einem zweistündigen Untersuchungsmarathon durfte Marshall die Station verlassen. Er hatte vom Intellekt her erfasst, dass er eine Kopie war, fühlte sich jedoch als er selbst, als das Original. Tolot bestätigte ihm auch, dass er, da er nur ein einziges mal existierte, wirklich das Original seiner selbst war. Nur: Es fühlte sich außerordentlich gewöhnungsbedürftig an. Ihm war klar, dass er einen Weg finden musste, das alles zu verarbeiten, ansonsten sah er sich bereits auf der Couch eines Psychiaters. Und von denen hatte er während der First und Second Genesis Krise mehr als genug gesehen.
Als sie zurück zum Büro neben den FNK Geräten gingen, fasste Gucky schnell zusammen, wie es weiter gehen sollte.
“Heute ist der 21. Januar 5213 AZ, wir haben -” Da unterbrach ihn Sidekick: “Der 22. Januar. Mitternacht ist schon vorbei.”
“Oh, wie die Zeit vergeht. Dann haben wir jetzt nicht einmal mehr 6 Tage, um alle aus der Zeit zurück zu holen...”
“Wer lebt eigentlich noch?” wollte Marshall wissen. Ganz ohne sarkastischen Unterton. Eben ruhig und gefasst, wie es nun einmal seine Art war.
“Perry, Bully, Atlan, Adams, irgendwie auch Tifflor, vermutlich ebenso Alaska...”
“Alaska?”
Tolot wirkte leicht erschrocken: “Stimmt, denn kennst du ja gar nicht.”
Und John antwortete: “Wie es aussieht, muss ich eine Menge nachlesen.”
Gucky nickte: “Ja, ist eine ganz schöne Menge Stoff.”
“Kein Problem. Das ist mein Spezialgebiet. Ich wurde gebaut, um Menschen zu informieren.”
Klang Sidekick jetzt stolz? Konnte er so etwas überhaupt empfinden? Falls nicht, wirkte er jedenfalls ausgesprochen authentisch.
Im Büro angekommen, setzten sie sich vor die Monitore, auf denen Gucky und Tolot ihre Recherche durch die Geschichte gestartet hatten. John Marshall sah auf einem der Bildschirme ein Foto von Ras Tschubai.
“Was ist eigentlich aus Ras geworden? Vorhin als du die noch lebenden aufgezählt hast, war er nicht dabei.”
Tolot antwortete: “Als ES wieder einmal durchgedreht hat, wollte es alle Zellaktivatoren zurück. Satt dessen gab es wieder Zellduschen auf Wanderer, nur Ras hat es leider nicht rechtzeitig geschafft.”
“Die 61 Stunden. Verstehe. Wie ist das eigentlich bei mir? Ich dachte, Zellaktivatoren kann man nicht duplizieren?”
Gucky zuckte mit den Schultern: “Harun hat festgestellt, dass es doch klappt. Als er Tipa aus der Zeit geholt hat, ging ihr Aktivator ganz normal.”
Marshall horchte auf: “Tipa Riordan?”
Tolot: “Genau die. Sie hat aber nach 3 Monaten das gemacht, was sie am besten kann: Sie ist abgehauen.”
Marshall: “Ich hatte immer ein ambivalentes Verhältnis zu ihr. Zum einen hat sie die Medikamente gegen die Second Genesis Krise beschafft, die aber leider nicht so gewirkt haben, wie wir alle es erhofften, aber andererseits...”
Gucky: “Stimmt. Aber wir sollten weiter machen, die Zeit ist knapp. Was haltet ihr davon, wenn wir Ras als nächsten holen?”
Tolot: “Wollte ich auch vorschlagen.”
Marshall: “Ja. Ich bin auch dafür. Aber wir sollten nicht alle 22 FNK Geräte benutzen, sondern ein paar in Reserve halten. Wenn wir jetzt noch, sagen wir mal 15 Leute retten, bleiben 7 für Notfälle. Schade nur, dass wir unsere 8 Freunde, die in der Second Genesis Krise starben, nicht auch retten können. Da hat wirklich die Krankheit gesiegt.”
Sidekick drehte sich zu John: “Wenn wir sie ein Jahrhundert vor der First Genesis Krise holen, ist es kein Problem, sie zu heilen. Es gab inzwischen 17.312 Dissertationen zu dem Thema. Eine vollständige Heilung ist in der Zeit bis etwa 100 Jahre vor Ausbruch der Krankheit durch eine Gentherapie möglich, die den manipulierten Teil der DNA ersetzt.”
“Wieso manipulierter Teil?” platzte es aus John Marschall heraus.
“Da bei 8 Leuten exakt die selbe Veränderung der DNA stattgefunden hat, kann das kein Zufall sein. Da es von allen Mutanten -”
Gucky fuhr dazwischen: “Psi Begabten. Mutant klingt so nach Zombie Film.”
“Ok.”, fuhr Sidekick fort, “ Da von allen Psi Begabten regelmäßig DNA Proben genommen wurden, konnten Generationen von Wissenschaftlern daran forschen. Das Ergebnis war: 92,6% Wahrscheinlichkeit für eine absichtliche Manipulation. Und zwar noch vor der Geburt. Vermutlich an der befruchteten Eizelle. Wer dafür verantwortlich ist? Man weiß es nicht. Es gibt aber geschätzt 10 hoch 8 Theorien, die ihr sicher nicht hören wollt. Die Wahrscheinlichkeit, dass es eine zufällige Mutation ist, liegt übrigens bei weniger als 10 hoch minus 37. Kann man also vergessen.”
“Und das Medikament für die Gen Therapie? Haben wir das an Bord?” hackte Marshall nach.
“Nein. Es lagert in der medizinischen Fakultät der Terrania State Universität.”
“Genügend für 8 Patienten?”
“Ja.”
“Und woher weißt du das?“ Wollte jetzt Tolot wissen.
“Ich habe gerade in deren Datenbank nachgeschaut.”
“Kannst und / oder darfst du das überhaupt?”, wobei man den Zweifel in John Marshalls Stimme deutlich hören konnte.
“Logo. Ich habe schließlich in Dreamland gearbeitet. Und da bekommt man ganz automatisch ein paar Sonderlizenzen.”
„Dann sollten wir sofort 8 Dosen kommen lassen. Am besten zusätzlich noch ein paar in Ersatz. Und einen Arzt, der weiß, wie die Behandlung funktioniert. Das ganze per Kurier, um auf Nummer sicher zu gehen. Haben die überhaupt so viele Dosen vorrätig?”
“Ja.”
Tolot ging zum Interkom. “Ich rufe mal einen Kurier.” Drückte auf die Taste. “Computer, äh, wollte sagen SALOMON, schick uns einen Kurier hier her.”
“Mache ich.”, eine etwas mechanisch klingende Stimme.
Im selben Moment klopfte jemand von außen an die Tür des Büros. Gucky öffnete telekinetisch, und es trat eine junge Frau in einem viel zu grellen Strandkleid ein.
“Fitz.”
“Fitz?”
“Ella Fitz. Ich bin der Kurier.”
Marshall staunte, “Von der schnellen Sorte. Gut.” Dann erklärte er ihr, worum es ging, und im selben Augenblick war sie schon unterwegs.
Gucky: “Wow! Wozu teleportieren, wenn man eine Fitz hat. Hoffentlich arbeitet die für uns, und nicht für die Gegenseite.”
“Gegenseite?” wunderte sich Marshall.
“Ein Gucky Witz.” von Tolot, und weiter:
“Die war gestern bei der Besprechung in der Zentrale dabei. Muss also vertrauenswürdig sein.”
“Ist sie auch.” entgegnete Marschall mit wissendem Blick.
„Dann suchen wir mal einen geeigneten Ort und die passende Zeit, um unsere Freunde lange vor der Erkrankung hier her bringen zu können.”, beschloss Gucky, wobei er bereits auf einer Tastatur tippte, um eine neue Suche in der historischen Datenbank zu starten.
*
Drei Stunden später. Tolot hatte inzwischen seine mit Asphalt belegte Hartholzscheibe aufgegessen, Gucky`s Karotten lagen immer noch, mittlerweile aufgetaut und matschig, in der Schale und John trank seinen vierten Kaffee. Sie hatten den idealen Punkt in der Raumzeit gefunden, an dem sie ihre Freunde retten konnten: Ein Grillfest am Goshun See am 16. Juli 2444, knapp sieben Jahre nach der Entscheidungsschlacht gegen die Dolans. Gucky, Tolot und Marshall erinnerten sich noch gut an diesen Samstag. Es war das erste mal nach der Katastrophe, dass sich alle endlich einmal wieder zu einem fröhlichen Beisammensein inmitten der Ruinen von Terrania trafen. Es gab bereits erste Zeichen des Wiederaufbaus, aber die Erde war immer noch mehr ein Trümmerfeld, als ein prosperierender Planet.
Sidekick war es gelungen, aus den Beschreibungen von Tolot den exakten Standort des damaligen Festes zu bestimmen. Durch Vergleiche mit historischen Karten konnten Gucky und John Marshall bestätigen, dass es sich um den richtigen Ort handelte.
Tolot erinnerte sich sogar, dass er zusammen mit Ras Tschubai um Punkt 18 Uhr am Ufer des Sees, etwa 30 Meter vom Rest der Gruppe entfernt stand, und sie das Wrackteil eines abgeschossenen terranischen Raumschiffs ansahen, das immer noch im See lag. Die Uhrzeit kannte er deshalb so genau, weil ein paar Buddhisten nur wenige hundert Meter weiter einen Gong schlugen. Genau um diese Zeit, wie sie Tolot später erzählt hatten. Ras trank eine Flasche Bier, Tolot hatte die leere Flasche danach aufgegessen. Ihm fielen noch eine Reihe weiterer Anekdoten rund um das Fest ein, da diese aber nichts zur Sache taten, behielt er sie für sich.
„Also gut.“ Meinte Gucky. „Holen wir Ras ab.“ Worauf sie alle aufstanden, in den Hangar 51 nebenan gingen, wo Harun und Sichu Dorksteiger ein FNK Gerät im Nebenraum betriebsbereit aufgestellt hatten, und gerade weitere Anlagen überprüften. Sidekick hielt wie gehabt Harun einen Stick vor die Nase, den der – aber das kennen wir schon.
*
Nach einer Stunde flimmerte über dem Zielkreuz die Luft, stabilisierte sich, und Ras Tschubai starrte mit einer halbvollen Bierflasche in der Hand ins Leere.
“Nanu?” Dann sah er sich um, ließ sich von 3 Medorobotern widerstandslos aus dem abgeschirmten Nebenraum führen, sah als erstes Gucky und Tolot:
“Ihr habt euch umgezogen? Ist irgend etwas los? Ein neuer Angriff?”
“Nein, nein, alles ok. Wir -”
Weiter kam Tolot nicht, da Ras gerade John Marshall, der mit Sichu Dorksteiger redete, entdeckt hatte, auf sie zuging und sagte: “Ein typischer Gucky Witz. Kommt, gehen wir zurück zum Fest.” Dabei drückte er einem der Medoroboter seine Bierflasche in die Hand, legte seine beiden Hände auf die Schultern von John und Sichu und – PLOPP!
“Wo sind sie hin?” fragte Harun etwas entgeistert.
“Vermutlich zum Fest.” meinte Gucky, der Tolot an die Hand nahm. PLOPP.
“Aber das Fest war doch vor 2769 Jahren...” stammelte Harun, nur darauf wusste selbst Sidekick keine passende Antwort. Und außer mehreren teilnahmslos wirkenden Robotern befand sich sonst niemand mehr im Hangar.
*
“Wo sind die alle?” Ras hatte Schwierigkeiten sich im leichten Morgennebel, auf gepflegten Rasen vor der gewaltigen Silhouette von Terrania zurecht zu finden.
“Hier stimmt etwas ganz gewaltig nicht...”
Im selben Moment materialisierten Gucky und Tolot.
Gucky: “Heute ist der 22. Januar 5213.”
“Eine Zeitreise?” fragte Ras mit Zweifel in der Stimme.
“Auch.” antwortete Gucky, “Aber es ist deutlich komplizierter. Ich habe da drüben ein Café geespert, das schon auf hat. Gehen wir da hin, Frühstück und so, dann erklären wir dir alles.”
*
Kurz vor Mittag sprangen sie zusammen zurück in den Hangar 51 der CREST VII. Ras hatte die Geschichte nicht so gefasst aufgenommen wie Marshall, aber er akzeptierte inzwischen, was geschehen war. Besonders beunruhigte ihn das Schicksal von acht seiner engsten Freunde. Harun hatte inzwischen das nächste FNK Gerät in den Nebenraum gebracht und betriebsbereit gemacht. Sichu blieb bei ihm, um die letzten Checks durchzuführen, der Rest der Gruppe ging in das Büro, um das weitere Vorgehen zu planen.
„Gab es eigentlich Bilder vom Fest, als ihr mich zurück geholt habt?” fragte Ras Tschubai in die Runde, und wirkte dabei wie jemand, der eine Idee hatte.
“Ja. Sogar dreidimensional, und für eine halbe Stunde, bis du transportiert wurdest.” gab Sidekick bekannt und schaltete ein Hologramm ein, das die Szene über einen Tisch in die Luft projizierte.
“Geh mal ans Ende.”
“Ok.”
“Und jetzt lass es zurück laufen.”
Ras hatte tatsächlich einen Plan, denn 14 Minuten bevor er mit Tolot auf das Wrack geschaut hatte, stand er mit Betty Toufry und Fellmer Lloyd zusammen, dann ging er zu Tolot, die beiden unterhielten sich alleine weiter.
“Genau. Das meine ich. Kann man eigentlich auch zwei Leute gleichzeitig kopieren?” Das war also die Idee von Ras.
Da das niemand wusste, teleportierte Gucky kurz zu Harun, sprang mit ihm zurück vor das Hologramm.
“Klar geht das. Solange die beiden innerhalb eines Kreises mit Radius 2 Meter stehen.”
“Dann holen wir Betty und Fellmer!” beschloss Tolot, und Gucky erkundigte sich per Intercom, ob die Fitz schon die Medikamente zur Gentherapie und passende Ärzte in die CREST VII gebracht hat.
“Hat sie. Im Raum L107/a gegenüber von Hangar 51 hat sie eine transportable Medostation mit acht Behandlungsplätzen einrichten lassen. Für jeden Patienten sind zwei Ärzte und vier Pfleger vorhanden, dazu jeweils drei Medoroboter.”, irgendwie klang SALOMONs Stimme immer noch etwas mechanisch, was Gucky zu der Überlegung verleitete, Harun zu bitten, das zu korrigieren. Aber das musste erst einmal warten.
*
Alen Smithee stand mit Rhodan und Sichu in der Hochsicherheitskaverne des Labors vor NEUMANN und berichtete im Detail, was man bisher herausgefunden hatte. Besonders fasziniert war Rhodan speziell von dem Foto und der DNA Probe von Roi Danton. Sichu ließ sich von Jane Doe die technische Seite des Robots erklären, wobei sie sich besonders für die Regenerations- und Reproduktionsanlage interessierte. Die Forscher hatten inzwischen auch das Transitionstriebwerk identifiziert, es war ein Kasten mit einem Volumen von nur knapp mehr als einem Kubikmeter. Sichu konnte es kaum fassen, dass die Sonde damit eine Strecke von über 40 Milliarden Lichtjahren zurückgelegt hatte.
Rhodan sinnierte: “NEUMANN erinnert mich an irgend etwas, aber ich komme nicht darauf...”
“Größe und Form erinnern tatsächlich an die alte terranische Sonde Pioneer 10. Das war eine der letzten Sonden, die nur mit terranischer Technik gebaut worden sind.” antwortete Smithee.
“Was ist aus der eigentlich geworden?”
“Müsste jetzt aus dem Kuipergürtel Gürtel heraus gekommen sein und sollte im Innenbereich der Oortschen Wolke fliegen. Bis sie das Solsystem aber ganz verlässt, werden noch einige 10.000 Jahre vergehen.”
Atlan, Tolot, Bully und Gucky saßen zeitgleich in einem Büro nebenan und ließen sich von Erika Mustermann und Thomas Lee die entschlüsselten Daten zeigen, die der HF Sender bei 12,084 MHz übertragen hatte.
Nach einer Stunde traf dann Professor Loga vom Institut für alte Sprachen und seltsame Codes ein. Wirres Haar, klatschnasser Regenmantel, uralte Aktentasche.
“Sorry Leute. Verkehrsstau, Platzregen, Verschlafen, U-Bahn Panne. Ah, was. Sucht euch was aus.”
“Gut dass du da bist. Trockne dich erst einmal ab, nicht, dass du dich noch erkältest.” Erika sah sich nach einem Handtuch um, konnte aber keins finden. Was Tolot natürlich bemerkte, weshalb er dem Professor sein halutsches Handtuch aus dem Tornister seines Kampfanzugs lieh. Als der nach wenigen Minuten trocken unter dem Handtuch hervorkam, griff er zu seiner Aktentasche, öffnete diese, zog einen Stapel Blätter heraus, räusperte sich und meinte:
“Meine Herrn, äh, und Damen, dann wollen wir mal anfangen.”
Die vier aus dem Nebenraum waren inzwischen auch dazu gekommen, Thomas hatte sie gerufen, und der Professor begann:
“Also. Der HF Sender hat knapp ½k, äh, ½ Kilobyte Daten gesendet. Und zwar in einem uralten 7Bit Code. ASCII hieß das damals. Inzwischen haben wir herausgefunden, dass der Speicher des Senders Platz für 256 Tera Byte gehabt hätte. Wieso da nur so wenig drin gestanden ist, erfahren wir gleich.”
Professor Loga fingerte einen kleinen Metallzylinder aus seiner Jacke, stellte ihn auf den Tisch, drückte oben auf den Deckel, und es entstand ein Hologramm. Darin konnte man einen nicht besonders langen Text lesen.
„Ich lese das mal vor. Bei den kleinen Buchstaben kann das in den hinteren Reihen vermutlich kaum jemand entziffern. Also:
Notruf von der SOL
Sind 14.3.1371 NGZ nach Kalumpvir versetzt worden.
Position : RA=18h56m53.987243256137s
Dec=+22°17'0.45232521377”
Entf=38.4520128GLj
Ringgalaxis
Werden in Sternengruft gezogen
23.1.1372 NGZ 17h42
Versuchen Neumann-Sonde der Rewop aus dem Kanal zu schießen. Soll in 300 J. Milchstr. erreichen
Fallensteller unbekannt
Rewop vertrauenswuerdig
SOL u. Besatzung intakt
Noch 4 Minuten bis Ende Startfenster.
Zur Redundanz:
RA=18h56m53.987243256137s
Dec=+22°17'0.45232521377”
Entf=38.4520128GLj
Schickt Hilfe!
Das sind 506 Byte Text plus 20 Carriage Returns, also 526 Byte.”
Rhodan lehnte sich zurück, musste das Wenige erst einmal verdauen, erinnerte sich aber schnell wieder an seine Fähigkeit des Sofortumschalters, kratzte sich an der Nase, setzte sich wieder gerade hin und fragte:
“Ist eine Galaxis in dieser Entfernung an dieser Position bekannt?”
Jane Doe: “Nein. Zumindest nicht wirklich. Wir haben die astronomische Forschung in den vergangenen Jahrtausenden sträflich vernachlässigt. Auf den Deep Space Field Aufnahmen findet man zwar in der Richtung 8 Objekte, von denen 6 eine hohe Rotverschiebung aufweisen, nur exakt an der Position ist nichts. Aber das sagt nicht viel, denn der Raum kann in der Richtung durch Gravitations-linseneffekte leicht verzerrt sein.”
Bully: “Wieso kann die Entfernung eigentlich so groß sein, und man sieht dort trotzdem noch was? Das Universum ist doch erst 13,8 Milliarden Jahre alt.”
Etwas verblüfft darüber, dass Bully eine solche Frage stellte, antwortete Jane Doe:
“Wir leben ja nicht in einem dreidimensionalen Raum, sondern in einer expandierenden vierdimensionalen Raumzeit. Wie die Zeit expandiert muss ich vermutlich nicht näher erläutern, beim Raum ist es so: Er dehnt sich aus, nicht ganz linear, aber in erster Näherung schon, und zwar mit der Hubble Konstante. Die beträgt etwa 67,80 km/s pro Megaparsec, Also 221,1 km/s pro eine Million Lichtjahre. Damit und mit einem Skalenfaktor, der sich unter anderem aus der Dichte des Universums ergibt, kann man leicht ausrechnen, in welcher Entfernung sich die Galaxien mit Lichtgeschwindigkeit von uns entfernen. Das nennt man den Hubble Radius, und der liegt momentan bei etwa 14,6 Milliarden Lichtjahren. Messen kann man das anhand der Rotverschiebung.
Die Rotverschiebung erhält man aus den Spektren der Galaxien und berechnet sich zu z ist gleich Delta Lambda zu Lambda. Lambda ist dabei eine Spektrallinie mit bekannter Wellenlänge, Delta Lambda die Verschiebung davon. Der Hubble Radius hat eine Rotverschiebung von z gleich 1,46.
Viel interessanter in dem Zusammenhang ist aber der Ereignishorizont. Das ist die Entfernung, die ein Objekt zu uns hat, das sein Licht kurz nach dem Urknall abgestrahlt hat als das Universum gerade durchsichtig geworden ist, und das wir jetzt sehen. Hier ist z gleich 1089. Das ist deutlich weiter weg, als der Hubble Radius, was bedeutet, dass sich der Ereignishorizont mit Überlichtge-schwindigkeit von uns weg bewegt. Er ist 46 Milliarden Lichtjahre von uns entfernt. Dinge, die noch weiter von uns entfernt sind, können wir von hier aus nicht sehen, und deshalb nennt man den Ereignishorizont auch Beobachtungs-grenze.“
*
Ein junger Mann, begleitet von einem der unvermeidlichen Kugelroboter, betrat den Raum.
“Die Leibowich hat angerufen. Sie sagt, die CREST VII ist gerade gelandet, und Rhodan soll sich mit seinen Kumpels dort melden.”
Jane Doe: “Das passt. Wir sind hier gerade fertig geworden. Mohamad, stellst du mal eine Transmitter-verbindung zur CREST VII her?”
“Mach ich.” antwortete der Kugelrobot.
Während sie zum Transmitter spazierten, frage Gucky den Robot, der die Gruppe seit ihrer Ankunft in Dreamland umschwirrte:
“Sag mal, Sidekick, du bist so extrem nervig, magst du vielleicht mitkommen? So etwas wie du würde mir auf der Expedition sonst glatt fehlen.”
“Wenn ich darf? Hier ist es eh stinklangweilig. Die Leute, die hier arbeiten, wissen schon alles, und Besucher kommen so gut wie nie vorbei.”
“Klar darfst du.” Gucky hielt seine Umhängetasche auf. “Flieg hier rein, dann trage ich dich.”, alles, ohne dass es die anderen bemerkt hätten.
“Oh, gut. Und ich esse auch bestimmt deine Mohrrüben nicht auf.”
Kurz bevor sie den Transmitter erreichten, meinte Rhodan: “Nein, mach für mich eine Verbindung zur GOOD HOPE III. Dann fliege ich das Schiff gleich in einen Hangar der CREST VII.” und hielt dabei dem Robot eine Plastikkarte mit den Zugangscodes vor die Linse.
“Gute Idee! Dann hole ich erst mal die HALUTA 1072! Die passt bestimmt auch irgendwo in die CREST VII.” verkündete Tolot lautstark, wobei Sichu befürchtete, einen Hörsturz zu bekommen.
“Und ich hole schnell noch Tekener ab. Um die Tageszeit müsste der im Jerry Cotton Inn sein. Und gib mir den Zugangscode für die CREST VII mit, wir springen von der Kneipe aus direkt ins Schiff.”
“Gebongt.”
*
In der GOOD HOPE III fiel Rhodan ein, dass der umgebaute Gleiter ja immer noch im Parkhaus über Dreamland stand. Also schickte er ein Signal an dessen Autopiloten, dass er zur CREST VII fahren sollte, um sich dort mit der GOOD HOPE III zu treffen. Dann startete er, flog die 25 Km über den Raumhafen bis zum Landeplatz der CREST VII. Dort setzte er vorsichtig auf, um die Menschenmassen mit ihren Gleitern und Lastenschwebern, die zur CREST VII strömten nicht zu gefährden. Er sah dem Treiben eine Weile am Hauptbildschirm in der Zentrale zu, beschloss dann aber auszusteigen, um auf den Gleiter zu warten. Seit dessen Umbau schaffte der es nicht mehr, sich ohne anzuecken selbst in der GOOD HOPE III zu parken. Da musste wohl etwas an der Software angepasst werden, aber davon verstand er nichts. Und Zeit, jemand zu fragen, der das konnte, hatte er nie gefunden. Was er sich jetzt aber fest vornahm.
Draußen sah er weiter den Leuten zu, bemerkte vier seltsam gekleidete, die mit einem Bus gekommen waren, und als sie ausgestiegen waren, zu Fuß zur CREST VII gingen, dabei nahe an der GOOD HOPE III vorbei kamen und die von einem roten U-Boot verfolgt wurden. Das schwebte ganz gemütlich im Schritttempo hinter ihnen her. Rhodan rief ihnen zu:
“Hallo, ihr werdet von einem U-Boot verfolgt!”
Einer rief zurück:
“Ja, das ist KAILI. Das gehört zu uns.”
Kurz darauf kam der umgebaute Gleiter an, hielt vor Rhodan und setzte auf. Als der einsteigen wollte, bemerkte er eine Menge Karottenstumpen auf und neben der Rückbank, wollte sie schnell weg kehren, fand aber keinen Besen. Also stieg er ein, startete den Gleiter und parkte ihn im unteren Hangar der GOOD HOPE III. Dann schrieb er einen Zettel: “Gucky! Räume endlich deine Kippen aus dem Gleiter!”, gab ihn einem Wartungsroboter mit der Bitte, den Zettel an Gucky`s Kabinentür zu kleben.
Als Rhodan wieder in der Zentrale ankam, meldete der Bordcomputer, dass er sich bereits mit der CREST VII verbunden hatte, und nun alle “Telefonnummern” kannte. Er nannte das wirklich so, und wie Perry vermutet, auf speziellen Wunsch von Bully.
Daher ließ er sich mit der Hangarkontrolle verbinden. Nach wenigen Augenblicken meldete sich eine Männerstimme: “Hangarkontrolle CREST VII?”
“Rhodan, GOOD HOPE III. Ich möchte das Schiff einschleusen.”
“Moment, ich verbinde.”
Pausenmusik.
“Beibootverwaltung, Bull.”
“Bully? Bist du das?”
“Seit fast 10 Minuten. Ich habe schon einen Platz für die alte GOOD HOPE III gesucht und gefunden. Hangar Nord, Schleuse 20, Landeplatz Rechts 3. Tolot hat die HALUTA 1072 schon auf Rechts 2 geparkt. War zwar etwas eng, weil die ja 80 Meter im Durchmesser hat, und nicht 60 wie unser Spielzeug, aber hier ist alles recht großzügig gebaut. Also, bis gleich. Wir treffen uns dann mit Harun in der Zentrale der CREST VII.”
“Bis gleich.”, wobei Rhodan schon abgehoben und im sich Zurücklehnen auf die Taste für den Dockingcomputer gedrückt hatte, der seine Daten bereits vom Hangarverwaltungscomputer, kurz HVC der CREST VII erhalten hatte.
*
Während die GOOG HOPE III noch per Antigrav und Traktorstrahlen in den Hangar bugsiert wurde, kam vor der CREST VII ein weiterer Transporter mit Containern an. Der Fahrer stieg aus, winkte einen der Lademeister zu sich, der auch tatsächlich auf einer kleinen Antigravplattform zu ihm schwebte. Anscheinend, so überlegte der Fahrer, gab hier jede Menge Lademeister. Bei den geschätzt mehreren Zehntausend Containern, die sich auf Transportschwebern und Antigravplattformen um die CREST VII drängten, konnte das gar nicht anders sein.
“Hier sind drei Container mit roten, blauen und grünen Zauberpulver. Das soll in die Räume eines gewissen Flausenkricks.”
Der Lademeister sah sich die Papiere, natürlich ein Tablet, an, tippte etwas in sein Tablet, meinte dann:
“Geht klar. Ein paar Laderoboter bringen das gleich nach oben.”
Es folgte das gegenseitige Unterschreiben auf den Tablets, die Roboter luden die Container um und verschwanden damit im Schiff. Als der leere Transportschweber wieder abflog, sah der Fahrer einen Großtransporter anschweben, auf dessen Containern “Rote Heringe” stand. Dicht gefolgt von mehreren kleineren Transporten mit der Aufschrift “1a Nebelkerzen”
*
Auf der gegenüber liegenden Seite der CREST VII schwebte zeitgleich eine etwas größere Antigravplattform vor einer Schleuse. Auch hier luden Roboter Container um Container ab und verstauten sie tief im Schiff. Auf den ersten 100 stand “Piasecki H-21 Nachbau”, auf den folgenden 200 “Schnellboot. Benzingetrieben”. Schließlich kamen noch an die 1000 Container mit Benzintanks.
Im Kontrollraum der Schleuse fragte sich Arl Kurau, was wohl “benzingetriebene” Technik an Bord eines Fernraumschiffs zu suchen hatte, aber seine Kollegin, Sirin Gulm wusste Bescheid:
“Vor etwa dreitausend Jahren hatte die CREST III Probleme mit einer Falle der MdI, die hatten ein Feld, das elektrischen Strom unmöglich machte. Oder irgendwie so was in der Art. Und zum Glück hatte die CREST damals bereits solche unabhängige Technik an Bord.”
Arl ergänzte: “Stimmt, das haben wir in Geschichte gelernt. Aber es war nicht Strom, sondern alles was atomar funktioniert hat war blockiert worden.”
*
Atlan trat aus einem Transmitter in einer kleinen Transmitterstation unmittelbar neben dem Jerry Cotton Inn, verließ das Gebäude und wäre auf dem Gehsteig beinahe gegen einen kleinen Container gerannt, der da unmotiviert herum stand. Dann betrat er die Kneipe, entdeckte an der Theke Ronald Tekener, der sich gerade mit einer jungen Frau unterhielt, die Atlan sofort als Mitte zwanzig, 1,75 Meter, 55 kg, rotblonde mittellange Haare, nicht gefärbt, Natur, einschätzte, was sehr genau Teks aktuellem Beuteschema entsprach. “Aha.”
Er ging vor zu den beiden, klopfte Tekener von hinten auf die Schulter: “Hallo Tek!”
“Hallo Atlan. Wir warten schon auf dich. War klar, dass du hier vorbei schaust, um uns abzuholen.”
“Uns? Willst du uns nicht bekannt machen?”
“Logo. Tanika, das ist Atlan, Atlan, das ist Tanika Gospodin.”.
Worauf beide erst einmal kräftig die Hände schüttelten, während Tekener für Atlan einen weiteren Barhocker heranzog.
“Ich arbeite in der selben Firma wie Tek als BDA. Da haben wir uns auch getroffen.” erklärte Tanika Atlan, der natürlich wusste, dass BDA Big Data Analystin bedeutete. Sie hatte also einen Data Mining Job.
„Und ihr wollt also beide mit?”
“Logo”, von beiden gleichzeitig. Und Tekener ergänzte: “Wir haben schon gepackt. Unser Koffer steht vor der Transmitterstation. Abflug ist übrigens am 27.Januar 5213 AZ, 23 Uhr Terrania Zeit.“
„Echt? Und woher weißt du das schon wieder? Mir hat das bisher noch niemand gesagt.” staunte Atlan nicht schlecht.
“Weißt doch. Der Job, Die Quellen. Da hört man so einiges.”
“Verstehe.” nickte Atlan mit einem wissenden Blick nach oben, wandte sich dann Tanika zu und fragte:
“Und wieso willst du mit? Der Flug dürfte ganz schön lange dauern.”
“Ich muss doch aufpassen, dass Tek nicht getekenert wird...”
“Arrrggghh.”, ein kopfschüttelnder Kommentar von Ronald Tekener, “Das FZF. Grummel. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Produzenten von A&T Onrionen waren, die gemeinsam Scheiße verzapft haben.“ Damit war das Kapitel für ihn abgeschlossen.
Atlan grinste vor sich hin: “Wesentlich besser bin ich auch nicht weg gekommen. Niemand ist da wirklich gut raus gegangen. Sogar Perry haben sie so halb getekenert...”
“Habt ihr das damals wirklich angesehen?” staunte Tanika, die das kaum glauben konnte.
“Wir? Nein. Nie! Wir haben nur davon gehört.” kam die ebenso entsetzte wie abwehrende Antwort von Atlan und Tekener.
*
In der Zentrale der CREST VII saßen in einer halbwegs gemütlichen Pausenecke Rhodan, Bully, Gucky, Tolot, Sichu, Harun 43., Rudi Cartner, Selina, Ella und Sabin, als endlich Atlan, gefolgt von Tekener, Tanika und einem kleinem Schwebecontainer durch das Hauptschott eintraten. Selina sprang auf, umarmte Atlan kurz und meinte:
“Ich habe bereits eine Kabine für dich reserviert. Direkt neben meiner.”
Dann setzten sich alle, und Harun fuhr an der Stelle fort, an der er unterbrochen worden war. Natürlich nicht, ohne zuvor sein Aluhütchen zurecht zu rücken.
„Wir haben gerade über die Besatzung gesprochen. Selina Leibowich hat bereits etwas mehr als 2.000 Leute rekrutiert, und von der Stammbesatzung für die Testflüge kommen etwa 500 mit. darunter auch Rudi Cartner, der Kommandant der CREST VII, und Selina meint, dass noch ein paar Nachzügler dazu kommen, aber ich habe etwas ganz Besonderes: Die Möglichkeit, maximal 23 Leute aus der Vergangenheit zu holen! Nur kann ich nicht entscheiden, wen wir zurückholen solle.”
Atlan beugte sich vor: “Wie meinst du das? Leute aus der Vergangenheit holen. Die fehlen doch dann dort, äh, damals.”
Harun grinste von einem Ohr bis zum anderen: “Nein. Die Anlage fertigt nur eine exakte Kopie an. Voraussetzung ist, dass die zu kopierende Person bereits tot ist, sonst gibt es Probleme mit der ÜBSEF Konstante. Und das Ziel dar nicht weiter als etwa 0,1 Lichtjahre von der Anlage entfernt sein.”
Rhodan: “Und wo sind die Geräte jetzt?”
Harun: “Im Hangar 51. Betriebsbereit.”
Rhodan: “Hier an Bord?”
Harun: “Logo.”
Sichu kam das alles nicht ganz geheuer vor: “Wieso nur 23 Geräte?”
Harun: “Die Dinger sind extrem sauteuer. Eins davon kostet mehr als das Schiff hier.”
“Und wie funktionieren die?”
Harun kratzte sich am Kinn: “Das ist eine Weiterentwicklung aus einem Kran, einem Nullzeitdeformator und einem Multiduplikator.”
Rhodan: “Aber davon existieren doch keine Pläne mehr...”
“Das ist nur bedingt richtig. Die Pläne für den Nullzeitdeformator habe ich aus einem Archiv vom Planeten Newton geklaut. Da ich wusste, wann und wo ein Multiduplikator eingesetzt wurde, konnte ich damit einen klauen. Und die Pläne für den Kran hat mir mein alter Freund Goldi überlassen. Im Gegenzug bekam er die Unterlagen über den Duplikator.”
Sichu: “Und das soll funktionieren?”
Harun. “Klar. Tut es. Wir haben 24 Stück gebaut und ein Exemplar ausprobiert.”
Bully: “Und wo ist das Teil jetzt, das ihr zum Ausprobieren benutzt habt?”
Harun: “Das ist Schrott. Man kann die Dinger nur genau ein mal benutzen. Dann sind sie hm, ausgebrannt. Radioaktive Schlacke, zum Teil im Hyperraum verschwunden, Sondermüll.”
Atlan: “Verstehe. Und womit habt ihr das Teil ausprobiert?”
Harun: “Wir sind nach Wardall geflogen und haben Tipa Riordan kopiert.”
Fassungsloses Schweigen.
Rhodan: “Und wie...”
Harun: “Wir haben sie vor 8 Jahren von Wardall aus kopiert. Sie ist dort am 1. Dezember 3480 alter Zeitrechnung gestorben. Etwa 4 Minuten zuvor konnten wir sie erfassen und kopieren.”
Rhodan: “Und da man Zellaktivatoren nicht duplizieren kann, ist sie 61 Stunden später gestorben...”
Harun: “Nein, nein. Ganz und gar nicht. Den Zellaktivator haben wir perfekt mit kopiert. Tipa war auch 3 Monate nach ihrer Rettung bei bester Gesundheit.”
Rhodan: “Kaum zu glauben.”
Atlan: “Aber wieso ausgerechnet Tipa Riordan?”
Gucky: “Die alte Zuchtel.”
Harun: “An wem hätten wir das Verfahren sonst ausprobieren sollen?”
Rhodan: “Sehr menschenfreundlich.”
Harun: “Aber es hat funktioniert.”
Atlan: “Und wo ist sie jetzt?”
Harun: “Nach 3 Monaten hat sie ihre Bewacher niedergeschlagen, ein Raumschiff geklaut und ist verschwunden.”
Rhodan: “Und seitdem habt ihr nichts mehr von ihr gehört?”
Harun: “Richtig.”
Tekener: “Das kann man so nicht sagen. Seit ein paar Jahren gibt es immer wieder Berichte von Piratenüberfällen mit einem Raumschiff namens DREADFUL II...”
Tolot: „Wenn die Alte wieder ihr Unwesen treibt, dürfte es bald spannend werden in der Milchstraße.”
Rhodan: “Denke ich auch.”
Harun: “Wie auch immer. Ihr solltet euch überlegen, wen ihr aus der Vergangenheit retten wollt. Es gab in unserer Geschichte jede Menge Leute, um die es echt schade ist, die ihr auf der Expedition sicher dringen brauchen würdet.”
Bully, der aufmerksam zugehört hatte:
“Wieso ihr und nicht wir?”
Harun: “Ich bleibe in der Milchstraße. Zuerst will ich NEUMANN in Dreamland genau unter die Lupe nehmen, dann fliege ich zurück nach Point Black. Habe dort ein paar Experimente am Laufen, die keinen Aufschub dulden. Aber wir sehen uns dann ja in voraussichtlich 15 bis 20 Jahren wieder.”
Rhodan: “Wie kommst du auf 15 bis 20 Jahre?”
Harun: “7½ Jahre hin, 7½ Jahre zurück. Und um die SOL zu finden und zu retten braucht ihr vermutlich so etwa 0 bis 5 Jahre.”
Man sah Rhodan so richtig an, dass ihn die Möglichkeit, alte Freunde zurück zu holen, innerlich zerriss. Nach mehreren Minuten äußerte er sich dann:
“Ich kann das nicht entscheiden, das ist -”
“Ich mach das. Als Retter des Universums gehört das zu meiner Kernkompetenz.” was so ernst klang, dass niemand auf die Idee kam, dem Mausbiber zu widersprechen oder seine Entscheidung zu hinterfragen.
Tolot machte etwas, das ohne Hals bisher für unmöglich gehalten worden war: Er nickte! “Und ich helfe Gucky dabei.”
Harun: “Gut. Dann solltet ihr gleich anfangen, die Leute auszuwählen. Ich zeige inzwischen Sichu die Anlagen. Ja, sollte ich vielleicht auch erwähnen: Es dauert etwa 3 bis 4 Stunden, eine Person in der Vergangenheit zu finden und zu kopieren. Ihr habt also nicht viel Zeit. Bis zum Abflug muss alles erledigt sein.”
Gucky ging zu Tolot, nahm ihn an der Hand: “Wir benutzen das Büro neben den Dings Anlagen.” Plop.
Als Sichu und Harun sich auf den Weg machten, hörten die Anderen noch Sichu fragen: “Wie heißen die Anlagen eigentlich?”, worauf Harun antwortete:
“FNK-Geräte. Fiktive Nullzeit Kopierer.“
Da die Versammlung im Begriff war, sich aufzulösen, wandte sich Rudi Cartner an Rhodan, Bully und Atlan:
“Dann zeige ich euch mal das Schiff.”
Worauf sich Selina Leibowich dazwischen quetschte, Atlan einen Arm um die Hüfte legte und sagte:
“Atlan hat noch einen Termin: Ich muss ihm seine Kabine zeigen. Das Schiff kann er sich ja morgen immer noch ansehen.”, worauf der einen strahlenden Gesichtsausdruck aufsetzte, kurz mit den Schultern zucke und mit Selina abzog. An seiner Stelle schlossen sich Tekener und Tanika der Gruppe an.
*
Ein Servicerobot hatte gerade eine mit Asphalt belegte Scheibe eines Hartholzbaums und eine Schale tiefgekühlter Mohrrüben abgestellt, als Sidekick abwechselnd zu Gucky und zu Tolot blickte.
“Ihr denkt wirklich, dass ihr persönliche Präferenzen ausblenden könnt, zugunsten von rein rationalen Entscheidungen?”
“Ja. Wir Ilts sind nicht so emotional wie Terraner. Wir können das.”
Und Tolot meinte: “Wozu denkst du, habe ich mein Planhirn?”
„Wir sollten als ersten John Marshall abholen. Wir wissen genau, wo er am 4. März 2909 war. In der Klinik auf Mimas.” beschloss Gucky. Tolot stimmte ihm zu. Sidekick stellte die Historischen Daten zusammen und schrieb sie auf einen Stick.
“Wollen wir ihn gleich holen?” Tolot warf einen fragenden Blick zu Gucky.
“Spricht eigentlich nichts dagegen. Er wird uns sicher helfen zu entscheiden, wen wir sonst noch auswählen.” flüsterte Gucky sehr grüblerisch.
Also standen sie auf und gingen vor zu Hangar 51. Dort diskutierten Harun und Sichu immer noch über die Technik, wobei Harun ihr beschrieb, wie durch den Nullzeitdeformator der Kran und der Duplikator fiktiv in die Vergangenheit versetzt wurde, aber trotzdem zum Teil in der Gegenwart blieb. Dazu hatten die beiden Seitenweise Formeln an die Wände geschrieben, die weder Gucky noch Tolot verstanden.
“Ähäm!” räusperte sich Gucky laut, um etwas mehr, oder besser gesagt überhaupt Aufmerksamkeit zu bekommen.
“Ja?”
Sichu sah ihn verständnislos an, so vertieft war sie in die Physik der FNK Geräte.
“Wir haben ein erstes Ziel. John Marshall. Könnt ihr den jetzt gleich holen? Wir brauchen ihn, um uns abstimmen zu können, wer der Nächste sein soll.”, meinte Gucky ganz unaufgeregt. Aber wer ihn näher kannte, wusste wie aufgewühlt es in seinem Inneren aussah.
Sidekick hatte einen winzigen Greifer ausgefahren, und hielt Harun den Stick mit den Daten vor die Nase. Der nahm ihn. “Ist da die Position und die Zeit drauf?”
“Ja.” “So isses.” “Genau.”
Harun und Sichu gingen in den super abgeschirmten Nebenraum, gefolgt von Haluter und Mausbiber. Sidekick schwebe ganz nahe an Harun mit, um nur ja nichts zu übersehen. Der Wissenschaftler steckte den Stick in ein Terminal das auf einem altmodischen Rollwagen montiert war, sah sich die Daten an, meinte dann “Müsste klappen,.” und zog den Rollwagen aus dem Nebenraum heraus in den Hangar. Dann ging er zum FNK Gerät, schaltete es ein, worauf es in dem telefonzellengroßen Quader und den 8 um ihn herum angeordneten Zylindern anfing leise zu brummen. Sichu rollte eine Plastikplane aus, weiß, mit einem schwarzen “Zielkreuz” in der Mitte, und zog so lange an ihr, bis sie etwa 2 Meter neben dem Gerät am Boden lag. “Hier wird das Zielobjekt landen.” erklärte sie.
Dann scheuchte Harun alle Beteiligten aus dem Nebenraum zurück in den Hangar, schaltete mit einer Fernbedienung mehrere Schutzschilde ein, die sich nur durch ein leichtes Flimmern in der Luft bemerkbar machten. Einer, oder wie Sichu erklärte, insgesamt 4 umgaben das FNK Gerät, ein weiterer schloss auch noch die “Zielplane” mit ein. Als nächstes verriegelte Harun das Schott zum Nebenraum und schaltete dessen sechzehnfach gestaffelte Schutzschirme ein. “Mein weiß ja nie. Und Vorsicht ist die Mutter des Elefanten im Porzellan-museum.”
“Oder so ähnlich.” kommentierte Gucky.
Schließlich postierten sich noch 12 Kampfroboter und 3 Medoroboter vor dem Nebenraum. Danach kontrollierten Harun und Sichu Dorksteiger noch einmal alle Einstellungen, und Harun gab bekannt: “Man kann den Vorgang nicht abbrechen. Einmal gestartet gibt es kein Zurück.”, gab seinen Zugangscode in das Terminal ein, ließ den Sicherungsdeckel eines Schalters hochschnellen und fragte” “Bereit?”
Gucky und Tolot: “Mach schon” “Immer.”
Harun drückte den entsicherten Knopf.
Und nichts geschah.
Sichu deutete auf den Monitor einer Überwachungskamera im Nebenraum, und da konnte man sehen, wie das FNK Gerät durchscheinend wurde, aber nicht ganz verschwand.
“Ist das normal?” fragte Gucky, sichtlich nervös.
“Ja. Das muss so sein. Das Gerät versetzt sich jetzt an die raumzeitlichen Zielkoordinaten. Gleich müsste auf dem Monitor“ sie deutete auf einen Großbildschirm, der so unübersehbar riesig war, dass er bisher keinem aufgefallen war, “ etwas zu sehen sein.”
Und tatsächlich: Nach etwa zwei Minuten erschien ein langer Gang auf dem Bildschirm, unscharf, teils mit digitalen Artefakten durchsetzt, aber das Bild stabilisierte sich schnell. Dann erkannte man einen Transmitter am Ende des Ganges. Das Bild war jetzt klar und gestochen scharf. Plötzlich trat ein Mann mit schnellen Schritten ins Bild, lief auf den Transmitter zu.
“John!” Gucky war fassungslos, ihn nach so langer wieder zu sehen. Im selben Moment legte sich ein rotes Gitter um den Mann.
“Die Zielmarkierung.” erläuterte Harun, und im Nebenraum tat sich etwas. Die Überwachungskamera zeigte ein grelles Geflimmere über der Zielfolie an, das von den Schutzschilden abgeschirmte FNK Gerät veränderte sich auf ganz merkwürdige Weise. Es schien sich von Innen nach Außen zu stülpen, verlor dabei an Farbe, schrumpfte, schien teilweise zu schmelzen, und sackte in sich zusammen.
Das Flimmern über der Plane beruhigte sich, wurde durchsichtig und gab die Umrisse eines laufenden Mannes frei. Der wurde ganz konkret, stolperte und fiel auf das Zielkreuz.
“Holt ihn da raus!” rief Harun den Medorobotern zu, noch während er die Schutzschilde des Nebenraums deaktivierte und auch den Schild um den Mann abschaltete.
Sekunden später halfen die Medoroboter John Marshall auf die Beine und führten in aus dem Nebenraum.
“Was war das denn?”, gesprochen von einer Stimme, die Gucky und Tolot sofort erkannten!
Sidekick zu Harun: “Dachte, das dauert 3 bis 4 Stunden?”
“Ihr habt gute Vorarbeit geleistet, wir mussten nicht lange suchen.”
*
Noch auf dem Weg in die Medostation versuchten Gucky und Tolot dem “geretteten” John Marshall zu erklären, was geschehen war. Gucky erlaubte ihm sogar, seine Gedanken zu lesen, Was John noch mehr verwirrte, aber als echter Profi blieb er ruhig, beteuerte, dass es ihm gut ginge, sah aber ein, dass man ihn erst einmal gründlich untersuchen musste. In der Medostation umringten ihn sofort mehrere, um genau zu sein drei, Ärzte sowie ein ganzen Rudel unterschiedlich gebauter Medoroboter. Tolot hielt sich etwas abseits, um nicht im Weg zu stehen, Gucky jedoch drängte sich in den “Bienenschwarm”, um weiter mit John zu reden.
Der hatte sofort verstanden, dass er in einer fernen Zukunft als identische Kopie seiner selbst angekommen war, während er in seiner eigenen Gegenwart, der von hier aus gesehenen Vergangenheit, nur noch knapp eine halbe Minute zu leben gehabt hätte. Nein hat. Sein Original ist damals ja wirklich gestorben.
Nach einem zweistündigen Untersuchungsmarathon durfte Marshall die Station verlassen. Er hatte vom Intellekt her erfasst, dass er eine Kopie war, fühlte sich jedoch als er selbst, als das Original. Tolot bestätigte ihm auch, dass er, da er nur ein einziges mal existierte, wirklich das Original seiner selbst war. Nur: Es fühlte sich außerordentlich gewöhnungsbedürftig an. Ihm war klar, dass er einen Weg finden musste, das alles zu verarbeiten, ansonsten sah er sich bereits auf der Couch eines Psychiaters. Und von denen hatte er während der First und Second Genesis Krise mehr als genug gesehen.
Als sie zurück zum Büro neben den FNK Geräten gingen, fasste Gucky schnell zusammen, wie es weiter gehen sollte.
“Heute ist der 21. Januar 5213 AZ, wir haben -” Da unterbrach ihn Sidekick: “Der 22. Januar. Mitternacht ist schon vorbei.”
“Oh, wie die Zeit vergeht. Dann haben wir jetzt nicht einmal mehr 6 Tage, um alle aus der Zeit zurück zu holen...”
“Wer lebt eigentlich noch?” wollte Marshall wissen. Ganz ohne sarkastischen Unterton. Eben ruhig und gefasst, wie es nun einmal seine Art war.
“Perry, Bully, Atlan, Adams, irgendwie auch Tifflor, vermutlich ebenso Alaska...”
“Alaska?”
Tolot wirkte leicht erschrocken: “Stimmt, denn kennst du ja gar nicht.”
Und John antwortete: “Wie es aussieht, muss ich eine Menge nachlesen.”
Gucky nickte: “Ja, ist eine ganz schöne Menge Stoff.”
“Kein Problem. Das ist mein Spezialgebiet. Ich wurde gebaut, um Menschen zu informieren.”
Klang Sidekick jetzt stolz? Konnte er so etwas überhaupt empfinden? Falls nicht, wirkte er jedenfalls ausgesprochen authentisch.
Im Büro angekommen, setzten sie sich vor die Monitore, auf denen Gucky und Tolot ihre Recherche durch die Geschichte gestartet hatten. John Marshall sah auf einem der Bildschirme ein Foto von Ras Tschubai.
“Was ist eigentlich aus Ras geworden? Vorhin als du die noch lebenden aufgezählt hast, war er nicht dabei.”
Tolot antwortete: “Als ES wieder einmal durchgedreht hat, wollte es alle Zellaktivatoren zurück. Satt dessen gab es wieder Zellduschen auf Wanderer, nur Ras hat es leider nicht rechtzeitig geschafft.”
“Die 61 Stunden. Verstehe. Wie ist das eigentlich bei mir? Ich dachte, Zellaktivatoren kann man nicht duplizieren?”
Gucky zuckte mit den Schultern: “Harun hat festgestellt, dass es doch klappt. Als er Tipa aus der Zeit geholt hat, ging ihr Aktivator ganz normal.”
Marshall horchte auf: “Tipa Riordan?”
Tolot: “Genau die. Sie hat aber nach 3 Monaten das gemacht, was sie am besten kann: Sie ist abgehauen.”
Marshall: “Ich hatte immer ein ambivalentes Verhältnis zu ihr. Zum einen hat sie die Medikamente gegen die Second Genesis Krise beschafft, die aber leider nicht so gewirkt haben, wie wir alle es erhofften, aber andererseits...”
Gucky: “Stimmt. Aber wir sollten weiter machen, die Zeit ist knapp. Was haltet ihr davon, wenn wir Ras als nächsten holen?”
Tolot: “Wollte ich auch vorschlagen.”
Marshall: “Ja. Ich bin auch dafür. Aber wir sollten nicht alle 22 FNK Geräte benutzen, sondern ein paar in Reserve halten. Wenn wir jetzt noch, sagen wir mal 15 Leute retten, bleiben 7 für Notfälle. Schade nur, dass wir unsere 8 Freunde, die in der Second Genesis Krise starben, nicht auch retten können. Da hat wirklich die Krankheit gesiegt.”
Sidekick drehte sich zu John: “Wenn wir sie ein Jahrhundert vor der First Genesis Krise holen, ist es kein Problem, sie zu heilen. Es gab inzwischen 17.312 Dissertationen zu dem Thema. Eine vollständige Heilung ist in der Zeit bis etwa 100 Jahre vor Ausbruch der Krankheit durch eine Gentherapie möglich, die den manipulierten Teil der DNA ersetzt.”
“Wieso manipulierter Teil?” platzte es aus John Marschall heraus.
“Da bei 8 Leuten exakt die selbe Veränderung der DNA stattgefunden hat, kann das kein Zufall sein. Da es von allen Mutanten -”
Gucky fuhr dazwischen: “Psi Begabten. Mutant klingt so nach Zombie Film.”
“Ok.”, fuhr Sidekick fort, “ Da von allen Psi Begabten regelmäßig DNA Proben genommen wurden, konnten Generationen von Wissenschaftlern daran forschen. Das Ergebnis war: 92,6% Wahrscheinlichkeit für eine absichtliche Manipulation. Und zwar noch vor der Geburt. Vermutlich an der befruchteten Eizelle. Wer dafür verantwortlich ist? Man weiß es nicht. Es gibt aber geschätzt 10 hoch 8 Theorien, die ihr sicher nicht hören wollt. Die Wahrscheinlichkeit, dass es eine zufällige Mutation ist, liegt übrigens bei weniger als 10 hoch minus 37. Kann man also vergessen.”
“Und das Medikament für die Gen Therapie? Haben wir das an Bord?” hackte Marshall nach.
“Nein. Es lagert in der medizinischen Fakultät der Terrania State Universität.”
“Genügend für 8 Patienten?”
“Ja.”
“Und woher weißt du das?“ Wollte jetzt Tolot wissen.
“Ich habe gerade in deren Datenbank nachgeschaut.”
“Kannst und / oder darfst du das überhaupt?”, wobei man den Zweifel in John Marshalls Stimme deutlich hören konnte.
“Logo. Ich habe schließlich in Dreamland gearbeitet. Und da bekommt man ganz automatisch ein paar Sonderlizenzen.”
„Dann sollten wir sofort 8 Dosen kommen lassen. Am besten zusätzlich noch ein paar in Ersatz. Und einen Arzt, der weiß, wie die Behandlung funktioniert. Das ganze per Kurier, um auf Nummer sicher zu gehen. Haben die überhaupt so viele Dosen vorrätig?”
“Ja.”
Tolot ging zum Interkom. “Ich rufe mal einen Kurier.” Drückte auf die Taste. “Computer, äh, wollte sagen SALOMON, schick uns einen Kurier hier her.”
“Mache ich.”, eine etwas mechanisch klingende Stimme.
Im selben Moment klopfte jemand von außen an die Tür des Büros. Gucky öffnete telekinetisch, und es trat eine junge Frau in einem viel zu grellen Strandkleid ein.
“Fitz.”
“Fitz?”
“Ella Fitz. Ich bin der Kurier.”
Marshall staunte, “Von der schnellen Sorte. Gut.” Dann erklärte er ihr, worum es ging, und im selben Augenblick war sie schon unterwegs.
Gucky: “Wow! Wozu teleportieren, wenn man eine Fitz hat. Hoffentlich arbeitet die für uns, und nicht für die Gegenseite.”
“Gegenseite?” wunderte sich Marshall.
“Ein Gucky Witz.” von Tolot, und weiter:
“Die war gestern bei der Besprechung in der Zentrale dabei. Muss also vertrauenswürdig sein.”
“Ist sie auch.” entgegnete Marschall mit wissendem Blick.
„Dann suchen wir mal einen geeigneten Ort und die passende Zeit, um unsere Freunde lange vor der Erkrankung hier her bringen zu können.”, beschloss Gucky, wobei er bereits auf einer Tastatur tippte, um eine neue Suche in der historischen Datenbank zu starten.
*
Drei Stunden später. Tolot hatte inzwischen seine mit Asphalt belegte Hartholzscheibe aufgegessen, Gucky`s Karotten lagen immer noch, mittlerweile aufgetaut und matschig, in der Schale und John trank seinen vierten Kaffee. Sie hatten den idealen Punkt in der Raumzeit gefunden, an dem sie ihre Freunde retten konnten: Ein Grillfest am Goshun See am 16. Juli 2444, knapp sieben Jahre nach der Entscheidungsschlacht gegen die Dolans. Gucky, Tolot und Marshall erinnerten sich noch gut an diesen Samstag. Es war das erste mal nach der Katastrophe, dass sich alle endlich einmal wieder zu einem fröhlichen Beisammensein inmitten der Ruinen von Terrania trafen. Es gab bereits erste Zeichen des Wiederaufbaus, aber die Erde war immer noch mehr ein Trümmerfeld, als ein prosperierender Planet.
Sidekick war es gelungen, aus den Beschreibungen von Tolot den exakten Standort des damaligen Festes zu bestimmen. Durch Vergleiche mit historischen Karten konnten Gucky und John Marshall bestätigen, dass es sich um den richtigen Ort handelte.
Tolot erinnerte sich sogar, dass er zusammen mit Ras Tschubai um Punkt 18 Uhr am Ufer des Sees, etwa 30 Meter vom Rest der Gruppe entfernt stand, und sie das Wrackteil eines abgeschossenen terranischen Raumschiffs ansahen, das immer noch im See lag. Die Uhrzeit kannte er deshalb so genau, weil ein paar Buddhisten nur wenige hundert Meter weiter einen Gong schlugen. Genau um diese Zeit, wie sie Tolot später erzählt hatten. Ras trank eine Flasche Bier, Tolot hatte die leere Flasche danach aufgegessen. Ihm fielen noch eine Reihe weiterer Anekdoten rund um das Fest ein, da diese aber nichts zur Sache taten, behielt er sie für sich.
„Also gut.“ Meinte Gucky. „Holen wir Ras ab.“ Worauf sie alle aufstanden, in den Hangar 51 nebenan gingen, wo Harun und Sichu Dorksteiger ein FNK Gerät im Nebenraum betriebsbereit aufgestellt hatten, und gerade weitere Anlagen überprüften. Sidekick hielt wie gehabt Harun einen Stick vor die Nase, den der – aber das kennen wir schon.
*
Nach einer Stunde flimmerte über dem Zielkreuz die Luft, stabilisierte sich, und Ras Tschubai starrte mit einer halbvollen Bierflasche in der Hand ins Leere.
“Nanu?” Dann sah er sich um, ließ sich von 3 Medorobotern widerstandslos aus dem abgeschirmten Nebenraum führen, sah als erstes Gucky und Tolot:
“Ihr habt euch umgezogen? Ist irgend etwas los? Ein neuer Angriff?”
“Nein, nein, alles ok. Wir -”
Weiter kam Tolot nicht, da Ras gerade John Marshall, der mit Sichu Dorksteiger redete, entdeckt hatte, auf sie zuging und sagte: “Ein typischer Gucky Witz. Kommt, gehen wir zurück zum Fest.” Dabei drückte er einem der Medoroboter seine Bierflasche in die Hand, legte seine beiden Hände auf die Schultern von John und Sichu und – PLOPP!
“Wo sind sie hin?” fragte Harun etwas entgeistert.
“Vermutlich zum Fest.” meinte Gucky, der Tolot an die Hand nahm. PLOPP.
“Aber das Fest war doch vor 2769 Jahren...” stammelte Harun, nur darauf wusste selbst Sidekick keine passende Antwort. Und außer mehreren teilnahmslos wirkenden Robotern befand sich sonst niemand mehr im Hangar.
*
“Wo sind die alle?” Ras hatte Schwierigkeiten sich im leichten Morgennebel, auf gepflegten Rasen vor der gewaltigen Silhouette von Terrania zurecht zu finden.
“Hier stimmt etwas ganz gewaltig nicht...”
Im selben Moment materialisierten Gucky und Tolot.
Gucky: “Heute ist der 22. Januar 5213.”
“Eine Zeitreise?” fragte Ras mit Zweifel in der Stimme.
“Auch.” antwortete Gucky, “Aber es ist deutlich komplizierter. Ich habe da drüben ein Café geespert, das schon auf hat. Gehen wir da hin, Frühstück und so, dann erklären wir dir alles.”
*
Kurz vor Mittag sprangen sie zusammen zurück in den Hangar 51 der CREST VII. Ras hatte die Geschichte nicht so gefasst aufgenommen wie Marshall, aber er akzeptierte inzwischen, was geschehen war. Besonders beunruhigte ihn das Schicksal von acht seiner engsten Freunde. Harun hatte inzwischen das nächste FNK Gerät in den Nebenraum gebracht und betriebsbereit gemacht. Sichu blieb bei ihm, um die letzten Checks durchzuführen, der Rest der Gruppe ging in das Büro, um das weitere Vorgehen zu planen.
„Gab es eigentlich Bilder vom Fest, als ihr mich zurück geholt habt?” fragte Ras Tschubai in die Runde, und wirkte dabei wie jemand, der eine Idee hatte.
“Ja. Sogar dreidimensional, und für eine halbe Stunde, bis du transportiert wurdest.” gab Sidekick bekannt und schaltete ein Hologramm ein, das die Szene über einen Tisch in die Luft projizierte.
“Geh mal ans Ende.”
“Ok.”
“Und jetzt lass es zurück laufen.”
Ras hatte tatsächlich einen Plan, denn 14 Minuten bevor er mit Tolot auf das Wrack geschaut hatte, stand er mit Betty Toufry und Fellmer Lloyd zusammen, dann ging er zu Tolot, die beiden unterhielten sich alleine weiter.
“Genau. Das meine ich. Kann man eigentlich auch zwei Leute gleichzeitig kopieren?” Das war also die Idee von Ras.
Da das niemand wusste, teleportierte Gucky kurz zu Harun, sprang mit ihm zurück vor das Hologramm.
“Klar geht das. Solange die beiden innerhalb eines Kreises mit Radius 2 Meter stehen.”
“Dann holen wir Betty und Fellmer!” beschloss Tolot, und Gucky erkundigte sich per Intercom, ob die Fitz schon die Medikamente zur Gentherapie und passende Ärzte in die CREST VII gebracht hat.
“Hat sie. Im Raum L107/a gegenüber von Hangar 51 hat sie eine transportable Medostation mit acht Behandlungsplätzen einrichten lassen. Für jeden Patienten sind zwei Ärzte und vier Pfleger vorhanden, dazu jeweils drei Medoroboter.”, irgendwie klang SALOMONs Stimme immer noch etwas mechanisch, was Gucky zu der Überlegung verleitete, Harun zu bitten, das zu korrigieren. Aber das musste erst einmal warten.
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