Und weil es so schön in die Sommerzeit passt (auch wenn ich persönlich im Juli die Gegend meide wie der Teufel das Weihwasser):
1860 veröffentlichte Paul Heyse sein »Italienisches Liederbuch«. Es basiert zum Teil auf handschriftlichen Aufzeichnungen von Franz Kugler, der mit ihm befreundet war, zum Teil auf anderen Sammlungen.
Das folgende »Lied von Sorrent« ist darin allerdings noch nicht enthalten, erst in einer später veröffentlichten Gedichtsammlung.
Es ist eine eigene Dichtung, basierend auf einer italienischen Melodie.
Lied von Sorrent
Wie die Tage so golden verfliegen,
Wie die Nacht sich so selig verträumt,
Wo am Felsen mit Wogen und Wiegen
Die gelandete Welle verschäumt,
Wo sich Blumen und Früchte gesellen,
Daß das Herz dir in Staunen entbrennt –
O du schimmernde Blüte der Wellen,
Sei gegrüßt, du mein schönes Sorrent!
Und die Nacht, wenn so süß Luisella
Ihre lachenden Lieder uns singt
Und der Wirbel der Lust, Tarantella,
Wie ein Flämmchen im Sturme sie schwingt.
An der Bucht sich die Gärten erhellen
Unterm leuchtenden Nachtfirmament –
O du schimmernde Blüte der Wellen,
Sei gegrüßt, du mein schönes Sorrent!
Hier entrinnst du der Sorgen Getriebe,
Und es trägt dich auf Händen die Lust,
Und sogar das Gedächtnis der Liebe,
Hier beschleicht es gelinder die Brust.
Und du tauchst in die heilenden Quellen,
In des heiligen Meers Element –
O du schimmernde Blüte der Wellen,
Sei gegrüßt, du mein schönes Sorrent!
Auch der tobenden Stürme Getümmel,
Hier belebt es nur Blüten zuhauf,
Und es lösen die Wetter am Himmel
In ein fruchtbar Geriesel sich auf.
Wenn die Früchte, die herbstlichen, schwellen,
Ach, wie weit, ach, wie bin ich getrennt!
Dann ade, o du Blüte der Wellen,
Dann ade, du mein schönes Sorrent!
Paul Heyse 1852/53. Zur Melodie: Sto cresenno no bello cardillo (Neapolitanischer Dialekt; wörtlich: Ich zog einen schönen Stieglitz auf)
Ein anderer großer Liebhaber von Sorrent war Giambattista De Curtis, der oft dort die Sommer verbrachte. Zusammen mit seinem Bruder Ernesto schrieb er das Lied
Torna a Surriento
Vide 'o mare quant'è bello!
Spira tantu sentimento,
Comme tu a chi tiene mente,
Ca scetato 'o faje sunnà.
Guarda, guà chistu ciardino;
Siente, siè 'sti sciure 'arancio:
'Nu prufumo accussì fino
Dinto 'o core se ne va.
E tu dice: "Io parto, addio!"
T'alluntane da 'stu core.
Da 'sta terra de ll'ammore
Tiene 'o core 'e nun turnà?
Ma nun me lassà,
Nun darme 'stu turmiento!
Torna a Surriento,
Famme campà!
Vide 'o mare de Surriento,
Che tesore tene 'nfunno:
Chi ha girato tutt' 'o munno,
Nun ll'ha visto comm'a ccà!
Guarda attuorno, 'sti Ssirene
Ca te guardano 'ncantate
E te vonno tantu bbene,
Te vulessero vasà!
E tu dice: "Io parto, addio!"
T'alluntane da 'stu core.
Da 'sta terra de ll'ammore
Tiene 'o core 'e nun turnà?
Ma nun me lassà,
Nun darme 'stu turmiento!
Torna a Surriento,
Famme campà!
Ernesto De Curtis (Musik) und Giambattista De Curtis (Text, in neapolitanischem Dialekt, 1894/1902
Ernesto hielt sich 1920 in den Vereinigten Staaten auf. Ob bei der Gelegenheit die folgende kürzere (Amerikaner mögen keine langen Texte) Fassung mit einer Übersetzung der ersten vier Verse entstand, weiß ich nicht:
Sunlight dances on the sea
Tender thoughts occur to me
I have often seen your eyes
In the nighttime when I dream
When I pass a garden fair
And the scent is in the air
In my mind a dream awakes
And my heart begins to break
But you said goodbye to me
Now all I can do is grieve
Can it be that you forgot?
Darling forget me not!
Please don't say farewell
And leave this heart that's broken
Come back to Surriento
So I can mend
Jedenfalls ist das heute ein Jazz-Standard, den ich gerne von Chris Connor oder einer ihrer Kolleginnen höre.