Lakardon hat geschrieben: ↑23.01.2025, 07:43
Ob die Schilderung stimmig ist, kann ich nicht beurteilen, da ich den Roman größtenteils überflogen habe. Beim Lesen stellte sich mir jedoch die Frage: Was hat das mit Science-Fiction zu tun?
Weiterhin fragte ich mich, was wohl passiert wäre, wenn ein SF-Fan diesen Roman an einem Bahnhofskiosk für eine anstehende Zugfahrt gekauft hätte. In Erwartung einer fesselnden SF-Story lehnt er sich gemütlich zurück, erhält stattdessen aber Genderwechsel und Sinnkrisen. ...
Gehen wir das mal für einen fiktiven SF-Lesy durch und nehmen wir mal an, dieses Lesy wüsste wenig bis nichts über PERRY RHODAN. Zunächst wird der Roman über Titelbild und Titel wahrgenommen. Das Titelbild zeigt einen Menschen mit einem seltsamen Arm ohne Hand, vor der sich eine schwarze Kugel gebildet hat. Der Titel lautet "Die Schattenhand". Der Bezug von Bild und Titel ist sofort erkennbar, und auch sofort als SF/Phantastik erkennbar.
Wenn man das Heft aufschlägt, dann kommt aus Seite 3 ein Text, der mit dem ersten Satz klar macht: "4000 Jahre in der Zukunft". Danach
folgt eine Beschreibung der aktuellen Situation. Beides ist klar als SF erkennbar (Raumschiffe, Milchstraße, galaxisübergreifender Bund von San, Brennendes Nichts etc.).
Dann der Prolog mit Jasmin. Diese Szene (zwei Seiten) könnte in der Tat auch fast heute spielen (und das ist natürlich völlige Absicht, denn man will Neulesys nicht schon auf den ersten Seiten klar machen, dass sie hier gar nichts verstehen werden), aber auch hier sind SF-Elemente enthalten, die klar machen, dass diese Szene nicht im Jahr 2025 spielt (Antigravsicherungen, "Haare desintegrieren, Schwebeboot, Holoalben, "Trivid"). Ab dem ersten Kapitel "Jetzt und hier" und der Innenillu werden die SF-Elemente dann überdeutlich.
Was ich damit sagen will: Dein fiktiver SF-Fan wird diesen Roman natürlich als SF lesen, weil es SF ist. Die Geschichte von Jasmin/Jasper/Jazz ist nur ein (wichtiger) Aspekt, aber er steht nicht im Vordergrund, wie sich aus den Reaktionen hier ablesen lässt, wenn viele (die den Roman gelesen haben) den Genderwechsel erst auf Seite 51 mitbekommen haben (ein Forist bestritt sogar, dass das eindeutig ist).
Natürlich könnte man die Geschichte von Jazz mit Jazz als Protagonist auch ohne die SF-Elemente schreiben und solch ein Roman wäre keine SF. Der Protagonist des Romans ist aber nicht Jazz, sondern Cameron, und der hat die Schattenhand am Arm und bewegt sich in einer futuristischen Welt mit Aliens, die versucht mit einer sehr futuristischen Katastrophe klar zu kommen. Wäre Jazz der Protagonist gewesen, dann wäre Ben vielleicht auf die zukünftigen medizinischen Methoden eingegangen, mit denen man zukünftig das Geschlecht wechseln könnte. Da das sicher einfacher ist als heute, hätte er vielleicht Verwandte von Jazz beschrieben, die das schon mehrmals gemacht haben, oder gar beide Geschlechter aufweisen würden. Außerhalb PERRY RHODAN könnte man mit diesem Thema (und Aliens) richtig schöne Erotik-SF schreiben (sowas gab es in den späten 60er und 70er Jahren, wenn ich recht erinnere, bspw. Babel-17 von Delany).
Aber Thema des Romans ist eben nicht Jazz und dessen Genderwechsel, sondern wie sich Cameron nach einem Jahr im Brennenden Nichts (oder sonstwo) im teilzerstörten Terrania wiederfindet mit einer Schattenhand, die er nicht kontrollieren kann und alles nur noch schlimmer macht.
"Dein Pessimismus macht mich krank", sagte der Wurm. "Halt dich fest!"